Rebekka Salm «Die Dinge beim Namen», Knapp

Ein Dorf im Irgendwo; ein paar Häuser, eine Selbstbedienungstankstelle, ein Laden, eine Schule, ein Wirtshaus, eine Metzgerei, eine leere Kirche. Ein Roman von einem, der heimlich schreibt, einem pensionierten Polizisten, einem Etablissement, vielen toten Käfern und Geheimnissen, die wohlweisslich unter dem Teppich der Normalität bleiben sollen, auch wenn man sie dorthin prügeln muss. „Die Dinge beim Namen“ redet mit viel Liebe Tacheles. Das Romandebüt von Rebekka Salm ist eine Perle!

Es gibt Bücher, die unterhalten. Es gibt aber auch Bücher, die offenbaren. Es gibt Bücher, die mir gefallen. Es gibt aber auch Bücher, die mir mehr als nur gefallen, die mich beeindrucken, die bei mir eine Welle der Bewunderung auslösen, mich rauschig machen, mir die Kraft der Literatur beweisen, jene schöpferische Kraft, die vom Kunstwerk, dem Buch, auf mich, den Leser, herüberschwappen. Das sind jene Bücher, die man nach der Lektüre nicht so einfach ins Bücherregal schieben will, denen man für eine Weile ein samtig rotes Kissen und einen Scheinwerfer gönnt. 

«Gewohnheit macht Liebe. Und Liebe macht Gewohnheit.»

„Die Dinge beim Namen“ von Rebekka Salm ist so ein Buch. Ein Dorfroman, von denen in den letzten Jahren inflationär viele erschienen sind. Aber einer, der es in sich hat. Der das Dorf und all seine Mechanismen vorführt und entlarvt, dieses scheinbar feine Geflecht, das sich wie ein klebriges Gespinn um die Füsse der Bewohner wickelt und unausweichlich stolpern lässt. Kein prosperierendes Dorf, auch wenn es eine Neubausiedlung gibt. Aber dort wohnen bloss Leute, die morgens in ihren klimatisierten Autos aus der geheizten Tiefgarage an ihre klimatisierten Arbeitsplätze fahren. „Die Dinge beim Namen“ ist ein Roman über die Alteingesessenen, die schon immer da waren, in der Dorfschule als MitschülerInnen, später als Jugendliche hinter der Turnhalle, dann hineingerutscht in Ehe und Familie und drin geblieben, bis Bitterkeit, Ernüchterung und Frustration Ventile suchen, bei denen es ganz ordentlich zur Sache geht. Ausbrüche, die dazugehören, von denen man weiss, über die man schweigt, die man toleriert, weil sie erst möglich machen, dass die dampfende Kacke keinen Krater reisst.

«Ich glaube, Träume sind aus Geschichten. Und wir alle sind aus Geschichten gemacht.»

Rebekka Salm «Die Dinge beim Namen», Knapp, 2022, 182 Seiten, CHF 27.00, ISBN 978-3-907334-00-3

Wann alles begonnen hat, weiss niemand. Vielleicht an jenem Sommerabend vor ein paar Jahrzehnten. Beim Unterhaltungsabend des Musikvereins. Im Halbdunkel beim Eingang zum Gerätespeicher der Turnhalle. Ein junger Mann küsst eine Frau. Sie liebt ihn nicht und er liebt sie nicht. Aber wenn er will, soll sie wollen. Vielleicht beginnt die Geschichte aber erst viel später, als Vollenweider, der damals zusah und den Mut nicht fand einzuschreiten, die Geschichte aufschreibt. Alles aufschreibt, in ein grosses Kuvert packt und die Seiten an einen Verlag schickt, in der Hoffnung, daraus werde mehr als bloss eine Geschichte. Aber wahrscheinlich begann die Geschichte schon viel früher, ist jener Moment bei der Turnhalle nur das Kippen einer der vielen Dominosteine, die in diesem Dorf dauernd fallen, wie in Zeitlupe und doch unaufhaltsam, wie ein Naturgesetz. Vollenweider schreibt schon immer, seit er schreiben kann. Über den Selbstmord seines Bruders, die unglückliche Liebe zu Sandra, den frühen Tod seiner Mutter und die Schläge seines Vaters. Auch dann noch, als man ihm im Dunkeln mitten auf der Dorfstrasse zusammenschlägt. Denn jenes Mädchen, jene junge Frau, war Sandra, seine Liebe.

«Die grössten Reichtümer aber, die der Mensch besitzen kann, sind Geld und Geschichten. Beides bedeutet Macht.»

Aber „Die Dinge beim Namen“ ist mehr als die Geschichte von Vollenweider und seiner Geschichte. Da ist Freddy, der nach dem Tod seiner Eltern allein in seinem Haus lebt. Er sammelt Käfer. Weiss alles über Käfer. Kauft sich zwischendurch auch einmal ein seltenes Exemplar, spiesst sie nach seinen Ausflügen auf Nadeln und lässt sie sterben. Bis sie beschriftet und in Ordnung gebracht Teil seiner Sammlung sind. Niemand nimmt Freddy ernst. Oder Chantal, die am Dorfrand, in der Rosenegg, wo weit und breit keine Rosen blühen, zwischen Sägerei und Selbstbedienungstankstelle, den Männern von nah und fern das bietet, was ihnen in den Schlafzimmern zuhause verwehrt bleibt. Nicht nur Sex, eine unkomplizierte Nummer. Sex ist meist nur das schnelle Vorspiel dessen, was Chantals Kunden viel wichtiger zu sein scheint; Mann will reden, Mann will ein Stück Illusion, ein Stück heile Welt.

«Das war er wieder, der Schmerz, der sich seit Jahrzehnten durch Beats Brust frass wie der Holzwurm durchs Gebälk seines Schlafzimmers.»

In Rebekka Salms packendem und faszinierenden Romandebüt blickt man durch zwölf Augenpaare auf das, was unter der Dorfoberfläche brodelt, seit Jahrzehnten, einmal mehr, einmal weniger. Rebekka Salms klug erzählter Roman, dieses feinmaschige Netz aus Geschichten und Charakteren, verblüfft durch seinen Witz, seine kraftvolle Sprache und den gleichwohl grossen Respekt vor dem Personal. So sehr sie alle gefangen sind von den ehernen Gesetzen einer trügerischen Dorfidylle, so sehr sind sie Opfer ihrer selbst, der Unfähigkeit auszubrechen, sich dem scheinbar Unausweichlichen entgegenzustellen. Rebekka Salm erzählt, als würde eine Billardkugel eine nächste in Bewegung bringen, die Ordnung in diesem Wimmelbild auf den Kopf stellen. Und nicht zuletzt sind die Farben ihres Erzählens derart intensiv, das ich kaum glauben kann, dass dies ein Debüt sein soll. Und dann sind da noch diese Sätze. Extrahiert man sie aus ihrem Kontext, werden sie zu Perlen, die man bei zu unachtsamen, zu schnellem Lesen allzu leicht übersieht. Sätze, die funkeln, die das Licht brechen, vielfarbig werden!

© Rebekka Salm

Interview

Ich spüre deine Lust, deine Freude, deinen Witz, deinen Schalk. Natürlich weiss ich, wie viel Knochenarbeit, wie viel Energie und Zeit es braucht, bis ein Buch zur Lektüre bereitliegt. Wie schaffst du es, derart viel Esprit in ein Buch zu packen, mich glauben zu lassen, das Schreiben ginge so flockig leicht wie die Lektüre deines Romans?
Was bin ich froh, dass die Lektüre des Romans nicht ein ähnlicher «Chnorz» ist, wie es der Schreibprozess zeitweise war.
Am Anfang fällt mir das Schreiben meist leicht. Ich habe Bilder im Kopf. Figuren gehen, humpeln oder schlurfen durch meine Gedanken. Die Sonntagshosen der Männer haben Bügelfalten. Einer raucht Pfeife. Kannst du den Tabak riechen? Ich bringe zu Papier, was ich vor meinem inneren Auge sehe. Das geht ganz leicht. Dann lege ich den Stift beiseite und lese durch, was da steht auf dem Papier. Jetzt scheinen mir die Bilder, die ich in Worte gefasst habe, unpräzise, platt und wenig originell. Ich formuliere also um, ersetze Verben durch treffendere Verben, streiche Adjektive. Das ist die Phase, in der ich zweifle, an mir und am Text. Wenn ich aber durchhalte, nur lange genug schreibe, umformuliere und streiche, erreiche ich mit etwas Glück irgendwann den Punkt, an dem mir das Geschriebene gefällt. Der «Chnorz» löst sich auf. Die Bilder auf dem Papier stimmen nun mit den Bildern in meinem Kopf überein.

Neben all der Fabulierkunst, die Vielfarbigkeit, den Abgründen und Wahrheiten erzählt dein Roman von den Fallgruben des Lebens, den Fesseln, denen man scheinbar nicht entkommen kann, den ehernen Gesetzen, die Leben dominieren. Ist dein Schreiben dein Messer gegen Fesseln?
Nein, das Schreiben ist mir kein Messer. Das Schreiben ist mir eher ein Reissbrett, auf dem ich die Fesseln und Fallgruben des Lebens präzise aufzeichnen und vermessen kann.
Das bringt sie nicht zum Verschwinden, leider. Aber dadurch, dass ich nun ihre genaue Lage, Grösse und Beschaffenheit kenne, verlieren sie ihre diffuse Bedrohlichkeit. Und damit lässt es sich leben.

Ich bin sicher, dass du bei 99% aller LeserInnen mit einer deiner Figuren etwas anklingen lässt, was betroffen macht, das mir als Leser Wiedererkennung schenkt. Du erzählst, was alle kennen und doch scheint es entlarvend. Spiegelst du?
Meine Figuren sind keine Helden. Im Gegenteil. Allesamt sind es Menschen, die gegen alltägliche Widrigkeiten kämpfen, die ihr Glück suchen, die sich irren und die fehlen, die mutlos und beschämt sind. Und ich vermute, all das steckt in jedem von uns drin. In mir auf jeden Fall.

Das Modell Ehe wird ebenso in Frage gestellt wie „Liebe“, „Dorfgemeinschaft“ oder sogar „Freundschaft“. Du demontierst mit Lust und Wonne. Ich weiss sehr gut, dass man Idyllen nachjagt. Bücher, Filme, Musik und Bilder sind voll davon. Warum halten wir uns dermassen fest an ihnen?
Warum halten wir uns dermassen fest an Idyllen? Vermutlich weil sie genau das sind: idyllisch. Perfekte, sorgen- und schmerzfreie Zustände.
Wir sitzen mit einem kühlen Glas Weisswein auf dem Balkon, das Raclette brutzelt im Pfännchen, die oder der Liebste ist bei uns, wir streiten uns nicht und im Abendlicht sehen wir die Schönheit des anderen, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben. Das Telefon schweigt. Die Steuern sind bezahlt. Der Hosenbund kneift nicht. Die Liste ist beliebig erweiterbar. In diesen Momenten scheint das Leben schwerelos. Wer würde diesen Momenten nicht nachjagen wollen?
Dass das Leben kein Ponyhof ist, wissen wir alle. Vielleicht halten wir Idyllen in Bücher, Filmen und Musik fest, um uns stets vergewissern zu können, dass es sie tatsächlich gibt, dass sie wiederkommen, irgendwann.

© Rebekka Salm

Du liebst dein Personal, das spüre ich. Ich liebe es auch, alle irgendwie. Meistens werden nicht unsere Ecken und Kanten geliebt, sondern die mit Bedacht gepflegten glatten Flächen. Anpassung ist alles. Und doch ist da doch der Wunsch nach Originalität, auch in den Leben deiner ProtagonistInnen.
Meine Figuren möchten dazugehören. Zu einer Dorfgemeinschaft. Ausserhalb dieser Dorfgemeinschaft sind sie einsam und alleine. Und wer sind sie denn überhaupt, wenn niemand da ist, der sie sieht, der mit ihnen redet? Um dazuzugehören sind sie bereit, ihre Ecken und Kanten zu verbergen. Sind sie dann aber drin, in der Dorfgemeinschaft, kann es passieren, dass keiner sie wahrnimmt, weil sie ohne Ecken und Kanten niemand sind, den es wahrzunehmen lohnt. Dann, vielleicht, zeigen sie sich. Und wenn sie Pech haben, dann ist das, was da zum Vorschein kommt, zu viel fürs Dorf. So versuchen sie stets die Balance zu halten zwischen ihrem Wunsch nach einem «Wir» und ihrem eckigen und kantigen «Ich». Ich vermute Mal, damit unterscheiden sich meine Figuren gar nicht so sehr von dir und mir, oder?

Rufen jetzt deine ehemaligen Nachbarn an?
Bis jetzt zum Glück nicht. Wenn ich aber die Wahl habe, zwischen ehemaligen Nachbarn, die anrufen, um mir zu sagen, dass sie enttäuscht darüber sind, wie ich das Dorf dargestellt habe und den anderen, die so beleidigt sind, dass sie nicht mehr mit mir reden – dann sind mir die Ersteren tausend Mal lieber.

Rebekka Salm, geboren 1979, wohnhaft in Olten, studierte Islamwissenschaften und Geschichte in Basel und Bern, arbeitet als Texterin, Moderatorin und Erwachsenenbildnerin. Publikationen in verschiedenen Literaturformaten, 2019 gewann sie den Schreibwettbewerb des Schweizer Schriftstellerwegs. Ihre Siegergeschichte ist im Buch «Das Schaukelpferd in Bichsels Garten» (2021) erschienen.

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Frederike Asael

Nino Haratischwili «Das mangelnde Licht», FVA

Nino Haratischwili ist eine grosse Erzählerin. Sie zeichnet mit satten Farben, komponiert mit ebenso sattem Sound. Und doch ist nichts dick aufgetragen. In Zeiten wie diesen, in denen sich die Gewalt wie ein Schwarm Heuschrecken über ein ganzes Land legt und alles Leben frisst, ist ein Roman wie „Das mangelnde Licht“ die einzig wahre Medizin, die Hoffnung nicht zu verlieren!

Als meine Frau und mich 2014 Nino Haratischwilis 1300 Seiten dicker Roman „Das achte Leben (Für Brilka)“ in die Ferien auf eine Insel in der Nordsee begleitete, rissen wir uns den Schmöker zur Lektüre beinahe aus der Hand. Immer wenn meine Frau eine Lesepause einlegte, schnappte ich mir das Buch – und umgekehrt. Wir waren zwar auf dieser Insel, aber auch auf einer georgischen Reise durch das 20. Jahrhundert, fasziniert, bezaubert, in Leben eingetaucht.
Nach „Die Katze und der General“ erschien nun Nino Haratischwilis dritter monumentaler Roman „Das mangelnde Licht“. Nino Haratischwilis Werk darf aber bei weitem nicht nur an diesen drei dicken Büchern gemessen werden, erschienen doch zuvor schon preisgekrönte Romane und Theaterstücke. Aber so wie die drei dicken Bücher im Regal den Blick auf sich ziehen, so bündeln sie auch die Aufmerksamkeit auf eine Autorin, die zwar in den drei Romanen immer wieder von Georgien erzählt, aber immer wieder aus anderer Perspektive. Georgien und seine Geschichte ist viel mehr als Horizont und Geschichte in allen drei Romanen, die keine Fortsetzungsromane sind und ganz eigene Geschichten erzählen. Georgien ist einer der Protagonisten. Ein Land, das immer wieder von der Geschichte zerrieben wurde. 

Nino Haratischwili «Das mangelnde Licht», Frankfurter Verlagsanstalt, 2022, 832 Seiten, CHF 45.00, ISBN 978-3-627-00293-0

„Das mangelnde Licht“ erzählt die Geschichte von vier Freundinnen, die jung und voller Pläne waren, als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Georgien in einem Vakuum zu versinken drohte, Unabhängigkeitsbestrebungen, kriegerische Auseinandersetzungen, grassierende Korruption das Land in ein Trümmerfeld verwandelten, das zur Spielwiese von Clans mit mafiösen Strukturen wurde. Dina, Nene, Ira – und Keto, die die eigentliche Erzählerin der Geschichte ist, eine Geschichte, die ganz langsam aufbricht, denn Nene, Ira und Keto sind zwei Jahrzehnte nach den Geschehnissen in Tbilissi (Tiflis) nach Brüssel an eine pompöse Ausstellung mit den Fotografien von Dina eingeladen. Schwarzweissfotografien, die das Leben jener Tage abbilden, ihre Freundschaft, ihre Familien, die Gewalt in den Strassen, den Krieg an den Grenzen, ihre Heimat, eine Zeit, die nicht mehr ist und die Frauen an der Eröffnung dieser grossen Ausstellungen zu Objekten macht, denn Dina ist nicht mehr. Dina, die zu einer Ikone der Geschichte wurde, als Fotografin ebenso wie als Kämpferin, überlebte ihren Schmerz nicht. Ihr Tod war damals ein Grund, der die drei anderen Frauen auseinandertrieb und erst an dieser Ausstellung wieder zusammenführt. Eine Ausstellung mit Fotos für die Gäste, Fenster in Abgründe für die drei Frauen, vor allem für Keto, die mich als Leser mit ihren Rückblenden immer tiefer in Geschehnisse mitnimmt, die mir die Geschichten hinter den Hochglanzfotografien erzählen.

So wie der Film „Once Upon a Time in Amerika“ in Hollywoodmanier ein „männliches“ Gangsterepos erzählt, ist „Das mangelnde Licht“ die Geschichte einer Frauenfreundschaft, die an eben solchen Gangsterstrukturen zerbricht. „Once Upon a Time in Georgia“ erzählt aus weiblicher Perspektive die Geschichte von vier Frauen, denen die Freiheit von allen Seiten permanent genommen wird. Sei es vom Staat, von familiären Strukturen und Traditionen, sei es von der Geschichte und unabwendbaren Umständen und Zwängen. Dina, die Fotografin, ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, eine Frau, die letztlich an mangelndem Licht zugrunde geht.

Klar fasziniert die Geschichte, die Dichte all der Binnengeschichten, die Konstruktion des Romans, die Rahmenhandlung ebenso wie all die weitschweifenden Geschichten hinter den Fotografien. Nino Haratischwili schafft es aber auch, dass Georgien, das Land und seine Geschichte, nicht einfach Kulisse ist, Staffage für ein Melodrama à la Hollywood. „Das mangelnde Licht“ bringt Licht in eine Zeit, in Zeiten wie diese, wo durch brutale Angriffskriege Staaten in Schutt und Asche gelegt werden, nicht nur Häuser und Strassen, sondern Strukturen, Kultur, Ordnung und letztlich auch Gesetz. Wo Kriege Leben unwillkürlich auslöschen, Familien auseinandergerissen werden und brutale Gewalt Menschen in ein Leben zwingt, das sie eigentlich verabscheuen.

Nino Haritischwilis literarischer Epos ist ein monumentales Sittengemälde. Ihr Roman wie „Bilder einer Ausstellung“ ein literarischer Gang durch eine Fotoausstellung der besonderen Art. Nino Haratischwili zieht mich mit in unsägliche Tiefen, überzeugt mich mit einem satten Sound, einer Vielstimmigkeit, die mich bei der Lektüre manchmal schwindlig macht.
Ich freue mich auf den Besuch der Autorin an den diesjährigen Solothurner Literaturtagen!

Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi/Georgien, ist preisgekrönte Theaterautorin, –regisseurin und Romanautorin. Ihr grosses Familienepos «Das achte Leben (Für Brilka)», in 25 Sprachen übersetzt, avancierte zum weltweiten Bestseller, eine grosse internationale Verfilmung ist in Vorbereitung. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Anna-Seghers-Literaturpreis, dem Bertolt-Brecht-Preis und dem Schiller-Gedächtnispreis, ihr Roman «Die Katze und der General» stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2018. Heute lebt die Autorin in Berlin.

Beitragsbilder © Dina Oganova

Katerina Poladjan «Zukunftsmusik», S. Fischer

Im Takt der Zeit

Katerina Poladjans hochaktueller Roman «Zukunftsmusik» erzählt vom 11. März 1985, einem kalten Tag im fernen Osten Russlands – doch ein neuer Frühling steht kurz bevor. 

Gastbeitrag von Sarah-Sophie Engel
Sarah-Sophie Engel studiert Deutsche Philologie und Kulturanthropologie an der Universität Basel. Ihr Interesse an Menschen und gesellschaftlichen Themen führt sie oft zur Literatur.

Die Zukunft ertönt im Viervierteltakt. Chopins Trauermarsch schallt durch das Radio der Kommunalka an jenem Morgen, an dem Matwej schon früh in der Küche sitzt. Diese Küche befindet sich irgendwo tausende Kilometer östlich von Moskau, in Sibirien – mit etwa drei Stunden Zeitunterschied. Die Töne verbreiten eine finale Stimmung, mit der niemand wirklich etwas anzufangen vermag, denn noch weiss keiner, wer ging und was kommt.

Mit dem Tod des Generalsekretärs wird Gorbatschow das Amt ergreifen und den Zerfall der Sowjetunion einläuten – aber noch gilt weiter, jedes Tun der Bürger und Bürgerinnen ist dem grossen Plan gewidmet. In dem steht auch: jeder Bürger der Sowjetunion hat Anspruch auf neun Quadratmeter. Maria teilt sich mit Mutter, Tochter und Enkelin ein Zimmer. Ihr heimlicher Verehrer, Matwej, wohnt gegenüber und gleich nebenan der alte Professor, der später durch die Zimmerdecke flieht. Die Bewohner:innen der Zimmer am Ende des Ganges spielen auf der häuslichen Bühne kaum eine Rolle, abgesehen von ihrem guten Essen auf dem Herd, von dem sich immer mal wieder jemand heimlich ein Schälchen füllt. 

Auf dem engen Raum der Wohnung bekommt man voneinander einiges mit – vieles auch nicht. Die eigenen Träume werden bewacht und Erinnerungen in kleine Kästchen verstaut, wo sie niemand findet, ausser man selbst. Poladjan erzählt von der Angst bestimmte Dinge laut auszusprechen, von vergangenen und neu beginnenden Leidenschaften und der Sehnsucht nach Schokolade, einer neuen Gitarre oder einfach nur Freiheit. Sie erinnert an Zeiten, in denen die Politik den Menschen nicht gehört – so wie sonst eigentlich auch nichts – und skizziert angesichts der systemischen Enge den Spielraum des Alltäglichen und den Platz in den eigenen Gedanken.

Katerina Poladjan «Zukunftsmusik», S. Fischer, 2022, 192 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-10-397102-6

Maria gesteht Matwej, ein ganzes Lexikon der Angst könnte ich schreiben. Und doch bewahrt sie, trotz ihrer Sorgen, einen sanften Humor und eine Leichtigkeit, die sie träumen lässt von Tango unter Palmen und Ferien in Abchasien. Ihre Mutter ist erstaunt über die Naivität ihrer Tochter und stellt fest: Es gab keine Freiheit, dass das immer noch niemand begriffen hatte. Maria aber kann sie schmecken, die Freiheit. Nach langem Anstehen am Lebensmittelgeschäft, ohne erst zu wissen wofür, ergattert sie Krakauer Würste und auf dem Museumsboden entdeckt sie eine Paillette, ein Überbleibsel einer anderen Welt: Maria legte sich die Paillette auf die Zunge und hatte Gold im Mund. Ob die neue gelbe Bluse, Importware, ihr stehe, will sie wissen – jedenfalls hatte sie so eine noch nie.

Poladjan zeigt, wie unterschiedlich Menschen in ihrem alltäglichen Leben auf ein starres politisches System reagieren, das ihnen nichts schenkt und alles von ihnen verlangt. So ist Matwej stets bemüht, ein «guter Kommunist» zu sein. Und während Maria befürchtet, ihr Leben zu vergeuden und das Glück nie zu finden, schenkt Matwej ihr weiter Cognac ein, mit den Worten: Dass die Menschen immer noch nicht verstanden haben, dass persönliches Glück ohne Allgemeinwohl nicht möglich ist.

Was Poladjans Roman zugrunde liegt, ist die einfühlsame Beschreibung eines historischen Tages auf der Bühne der «kleinen Leute». Sie lässt die Leser:innen die Präsenz einer Politik spüren, die so weit weg scheint und doch eine Enge schafft, in der sich die eigenen Wünsche und Pläne nur schwer entfalten. Zwischen fein skizzierten Figuren finden sich starke Worte. Die zwanzigjährige Tochter, Janka, möchte keinen Mann, sie betet zu Gott noch viele Münder küssen zu dürfen und dafür, dass ihre Lieder gehört werden: Ich erinnere mich an ein Leben, das ich nie gelebt habe und von dem ich hoffe, dass es noch vor mir liegt.

Gegen Ende des Romans lässt Poladjan surreale Nuancen entstehen, die sich ganz ungezwungen einschleichen, was erstmal überrascht, da die Erzählung sonst so solide in der Geschichte verankert zu sein scheint. Allerdings inszeniert Poladjan damit genau diese unsichere Aufbruchsstimmung voller Möglichkeiten, die jener Frühlingstag bei den Bewohner:innen der Kommunalka auslöst.

Poladjan lässt die Leser:innen eintauchen in eine Welt, die zwar vergangen ist, sich aber auf 187 Seiten erneut für sie öffnet. Man ist umgeben von russischer Musik, einer Eiseskälte, liebevoll-witzigen und ernsthaften Dialogen, dem Duft von Schaschlik über dem Feuer. Und zwischen den Zeilen leuchtet die grosse russische Literatur hervor. «Zukunftsmusik» erinnert an die Vielschichtigkeit einer Gesellschaft, die, fernab ihrer Regierung, beim Lesen aufrichtiges Interesse weckt. 

(Dieser Text entstand im Rahmen eines Seminars zur Literaturkritik im Frühjahr 2022 an der Uni Basel, Seminarleitung: Daniel Graf, Literaturkritiker beim Republik Magazin.)

Katerina Poladjan wurde in Moskau geboren, wuchs in Rom und Wien auf und lebt in Deutschland. Sie schreibt Theatertexte und Essays, auf ihr Prosadebüt «In einer Nacht, woanders» folgte «Vielleicht Marseille» und gemeinsam mit Henning Fritsch schrieb sie den literarischen Reisebericht «Hinter Sibirien». Sie war für den Alfred-Döblin-Preis nominiert wie auch für den European Prize of Literature und nahm 2015 bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt teil. Für «Hier sind Löwen» erhielt sie Stipendien des Deutschen Literaturfonds, des Berliner Senats und von der Kulturakademie Tarabya in Istanbul. 2021 wurde sie mit dem Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund ausgezeichnet. «Zukunftsmusik» stand auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2022.

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Andreas Labes

Sasha Filipenko «Die Jagd», Diogenes

Lesung am 19. Mai
im Literaturhaus Thurgau

Russland ist nur ein Beispiel dafür, wozu ein von Propaganda durchsetztes Land fähig ist, was Mächtige alles tun und lassen können, ohne jemals dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sasha Filipenkos Roman „Die Jagd“ liest sich wie eine düstere Dystopie, an der man aber aushalten muss, dass sie längst bittere Realität ist. Warlords führen Kriege, ohne sich an Grenzen zu halten, seien es Landesgrenzen oder irgend welche altbackene Grenzen der Menschlichkeit.

Ein Journalist krallt sich an einer Geschichte fest, die offenbaren soll, wie einer der Allmächtigen im Land die Öffentlichkeit als Patriot an der Nase herumführt, wie er sich nach Lust und Laune durch krumme Geschäfte bereichert und nichts und niemand, schon gar nicht Väterchen Staat, ihn davon abzuhalten versucht. Eigentlich doch die hehre Aufgabe eines jeden Journalisten, der sich der Wahrheit, an seinen Kodex hält. Anton Quint versucht es wenigstens. Versucht es nicht nur als Journalist, auch als Schriftsteller.
Auch weil er Vater geworden ist und nicht zuletzt seiner kleinen Tochter gegenüber die Verpflichtung spürt, den Rausch, für etwas und jemanden da zu sein.

Oligarchen wie Wolodjan Slawin interessieren sich weder für die Wahrheit, noch für das Wohl eines Volkes, auch Menschlichkeit ist höchstens aufgesetztes Instrument. Die Welt ist eine Schlangengrube, in der man sich behaupten muss. Eine Arena, in der der Stärkere gewinnt. Und wenn die Kräfte nicht zu seinen Gunsten verteilt sind, dann soll der Bär an Beinen und Armen gefesselt werden, damit sich die Hunde in ihn verbeissen können. So setzt Slawin ein ganzes Team auf den Journalisten Anton Quint an. Eine unbarmherzige Jagd beginnt mit dem einzigen Ziel, den unbequemen und aufsässigen Journalisten dazu zu bringen, das Land zu verlassen und sich damit vor seinem eigenen Publikum zu diskreditieren.

Sasha Filipenko «Die Jagd», Diogenes, aus dem Russischen von Ruth Altenhofer, 2022, 288 Seiten, CHF 29.00, ISBN 978-3-257-07158-0

Der Oligarch hetzt Lew und seinen alten Freund Kalo auf den Journalisten. Lew hat Schulden, Kalo hat sich längst den schmutzigen Geschäften seines Chefs verschrieben. Lew kam aus ärmlichen Verhältnissen und wurde Reporter einer bedeutenden Redaktion, bis man ihn sogar zum Chefredaktor erklärte. Ein Amt, Geld, Einfluss, das alles stieg Lew in den Kopf, erst recht, als er die Tochter des Besitzers eben jener Zeitung ehelicht und in seinem Rausch den Boden unter den Füssen gänzlich verliert. Gescheiterte Existenzen, die zurück an die Oberfläche wollen, die genau wissen, dass sie ohne undurchsichtige Hilfe nie mehr zurück an die Sonne kommen, muss alles recht sein, auch wenn zuweilen der Zweifel nagt, ob man mit seinem Tun den Bogen nicht überspannt.

Anton Quint leidet. Ich lese, wie man sich in seine Nachbarwohnung einmietet und ihm und seiner  Familie mit permanentem Lärm den Schlaf raubt, wie man ihn bedrängt und diffamiert, Falschmeldungen in Umlauf bringt, wie man ihn in TV-Talkshows zum Pädophilen erklärt, wie man in seine Wohnung eindringt und nicht nur seinen Computer knackt, wie man einen Mann mit seiner ganzen Familie zu brechen weiss. Ich lese je länger je mehr erschüttert und angeekelt. Nicht so sehr darüber, wie offen Sasha Filipenko das Grauen schildert, sondern wie leicht man den Inhalt als Pageturner aburteilen, wie leicht man Sasha Filipenko vorwerfen kann, sich bekannter Stereotypen zu bedienen, um den Horror der Gegenwart zwischen zwei sich gut verkaufende Buchdeckel zu bringen.

Klar liest man den Roman mit dem Wissen um russische Regimekritiker wie Alexej Nawalnyi oder Juri Dmitrijewdem. Klar passt der Roman vor die Kulisse eines Krieges, der allem, was russisch ist, den Krieg erklärt. Klar suggeriert der Roman Lesenden, sie hätten nach der Lektüre eine Ahnung von dem, was fern von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Russland oder vergleichbaren Staaten abgeht. Aber ich glaube nicht, dass es Sasha Filipenkos› Absicht war, Klischees zu zementieren. „Die Jagd“ ist schonungslos und unversöhnlich, clever und klug komponiert, frei von jeder Illusion, auch von der, dass Geschichten doch irgendwie gut ausgehen müssen.

Man kann „Die Jagd“ wie einen düsteren Thriller lesen, dann verursacht er ein Schaudern. Aber Sasha Filipenkos Roman ist viel mehr. Ein Buch, das den letzten Schleier niederreisst, das mir in die Magengrube schlägt. Sasha Filipenko kann nicht zurück in sein Heimatland, das im Würgegriff seines grossen Bruderstaates ist. Kann nicht zurück, weil er mit Gewalt rechnen muss gegen sich und seine Familie. Ist es da verwunderlich, dass man zur einzigen Waffe greift, die einem zur Verfügung steht? Der Literatur?

Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Nach einer abgebrochenen klassischen Musikausbildung studierte er Literatur in St. Petersburg und arbeitete als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satireshow und als Fernsehmoderator. Sasha Filipenko ist leidenschaftlicher Fussballfan und wohnte bis 2020 in St. Petersburg. Er hat Russland verlassen und hält sich derzeit an wechselnden Wohnorten in Westeuropa auf.

Ruth Altenhofer, geboren 1979, studierte Slawistik in Wien sowie in Rostow am Don und Odessa. wurde 2012 und 2015 für Übersetzungen von Marina Zwetajewa/Boris Pasternak und von Wjatscheslaw Pjezuch mit dem Übersetzerpreis der Stadt Wien ausgezeichnet.

Rezension von «Rote Kreuze» auf literturblatt.ch

Beitragsbild © leafrei.com / Literaturhaus Thurgau

Frank Heer «Alice», Limmat

Nicht für alle ist die Vorweihnachtszeit die schönste Zeit des Jahres. Ganz sicher nicht für Max, damals, 1975, eingekeilt zwischen dem neuen Job in einer Zeitungsredaktion, den Launen der Liebe, aller möglichen Versuchungen und den steinernen Ansichten all jener, die es genau wissen, schon immer wussten. „Alice“ blendet in eine Zeit, die vergessen scheint, evoziert Bilder, die während des Lesens jenes „dokumentarische Wackeln“ erzeugen, das einen Roman untermalt, der mit Witz und Verspieltheit glänzt.

„Alice“ ist vieles zugleich; die Geschichte eines verzweifelt Liebenden, ein Abenteuerroman, eine Kriminalgeschichte, ein Zeitdokument, vielleicht sogar eine Art Sittengemälde. Max Rossmann, eben eine Stelle als Lokaljournalist in einer konservativen Regionalzeitung angenommen, in der die Ressortleiter (selbstverständlich Männer) alle wie kleine Könige und Allwissende residieren, lernt bei einem Konzertbesuch Alice kennen, die Sängerin auf der kleinen Bühne, der erst kaum jemand zuhören will, die ihn dann aber nicht nur mit ihrer Stimme zu Tränen rührt. Was als Interview beginnt, wird zu einer vertrackten Liebesgeschichte, denn zum einen verschwindet Alice mit einem Mal, zum andern muss Max feststellen, dass einiges von dem, was Alice im Interview zum besten gab, erfunden und erlogen war. 

Max versucht seine Füsse auf eigenen Boden zu bekommen, auf seinen Boden. Auch weg von seiner Ex, die ebenfalls Alice heisst. Weg von den steinernen Strukturen seines Elternhauses, vielleicht sogar weg von den Blutspuren eines Untiers, dass Hunde reisst und die zerfetzten Kadaver zurücklässt, einer Spur, die sich immer wieder im schmelzenden Schneematsch verliert. Weg von der Paranoia, die ein rätselhafter Anrufer verursacht, der seine eigene Todesanzeige aufgeben will, sich immer wieder am Telefon meldet, der sich wie ein Gespenst in seine Träume mischt.

Bis sich die Ereignisse überstürzen, das blutgierige Monster vor dem Haus seiner Eltern auftaucht, Pistolen zum Einsatz kommen und Alice im Spital landet.

Frank Heer «Alice», Limmat, 2022, 208 Seiten, CHF 30.00, ISBN 978-3-03926-038-6

Was an Frank Heers Roman „Alice“ fasziniert, ist seine erfrischend, unkonventionelle Erzählweise, die stimmungsvollen Szenerien und ein Personal, das nicht nur mit seinen Namen (Alice Zidane, Breitscheitel, Krauthammer, Händel…) Stirnrunzeln verursacht, auch mit den Szenerien, sei es in den Verkaufsräumen eines Tierpräparators oder im Traumszenario eines mit Büchern und Müll vollgestopften Einfamilienhauses, sei es in der Runde der Anonymen Alkoholiker oder in den verrauchten Redaktionsräumen eines selbstgefälligen Schreiberlings. Aber auch die Hauptperson selbst, ein junger Wilder, der sich auf einem Tripp nach Paris auch mal in einem Warenhaus bedient, nachdem er sich sein Geld abknöpfen liess, sein Leben als grosses Abenteuer sieht und um jeden Preis nicht werden will, was seine Eltern und ihre Generation geworden sind; Spiesser.

Frank Heer vermischt Genre ebenso lustvoll wie Handlungsstränge. Und alles ist unterlegt vom satten Sound einer Generation, die noch glaubt, dass mit der Kraft der Musik etwas zu erreichen ist. Da ist nicht nur die geheimnisvolle Alice, die an den Grenzen von Delirium und Genialität zu scheitern droht, die den grossen Traum der Musik in sich trägt, sondern all die grossen Namen einer Zeit, in der Musik Kampfansage war.

„Alice“ ist Literatur in satten Farben. Es scheint, als wäre seit der Veröffentlichung seines Romansdebüts „Flammender Grund“ 2005 ein Damm gebrochen; unbändige Erzähllust, weit weg von helvetischer Zurückhaltung. „Alice“ ist Literatur gewordenes Vergnügen!

Interview

Sie sind Jahrgang 66. Ihr Buch spielt 1975. Ihr Protagonist ist also ein Jahrzehnt älter als Sie. Was reizte Sie an genau dieser Zeit? War es die Musik oder das Nebeneinander zwischen Aufbruch und Spiessbürgertum?
Vor allem Letzteres: der Aufbruch. Auch wenn es noch ein paar Jahre dauern sollte, bis die musikalischen Vorboten der Veränderung – die frühen Punkbands aus London und New York – die Schweiz erreichen sollten. Die Siebziger schienen mir eine interessante Schnittstelle zwischen Desillusion und Neuanfang. Entscheidend für mich, meinen Roman dort anzusiedeln, war aber das Schweizer Road-Movie «Reisender Krieger» von Christian Schocher, der im Jahr 1981 erschienen war und ein grandios trostloses Bild der Siebzigerjahre zeichnete. Ich hatte ihn vor etwa zehn Jahren in einer restaurierten Version im Kino gesehen. Diese kühle aber schöne Tristesse wollte ich einfangen. In meinem Kopf ist «Alice» daher auch ein Roman in Schwarz-Weiss – wie die Bilder von Kameramann Clemens Klopfenstein. 

Ihr Roman ist sowohl in seinem musikalischen wie politischen Umfeld stark an den tatsächlichen Gegebenheiten angehängt. Drückt da die Recherchearbeit des Journalisten durch? Und auch ein bisschen „die gute alte Zeit“?
Mich interessierte Schochers Filmkulisse als Projektionsfläche, nicht die Nostalgie. Ich kam 1991 als junger Volontär zu einer Ostschweizer Tageszeitung. Viele Erfahrungen aus dieser Zeit liessen sich problemlos um zwei Jahrzehnte nach hinten verschieben. Da hatte sich gar nicht so viel verändert. In die Gegenwart hätte das aber überhaupt nicht funktioniert. Insofern dienten mir die Siebzigerjahre einfach als Bühne, auf keinen Fall als Sehnsuchtsort. Die Recherchearbeit dazu hielt sich in Grenzen. Klar, die Fakten mussten stimmen, aber mir war es viel wichtiger, ein Gefühl fassbar zu machen, als eine Epoche möglichst akkurat aufleben zu lassen. Vinylschallplatten, aufregende Musik und volle Aschenbecher sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Siebzigerjahre in der Schweiz eine vergleichsweise trostlose, ja beklemmende Zeit waren. Die Jugend wurde erst erlöst, als der Punk aus England und Amerika in unseren Städten ankam und die bewegten Achtzigerjahre einläuteten.

So wie sich Max Rossmann ziemlich intensiv an seinem Umfeld abarbeiten muss, sei es in seinem steifen Elternhaus oder an einem Arbeitsplatz im Kampf gegen Arroganz und Besserwisserei, schleift sich der junge Mann auch an zwei Frauen, seiner Phantasie und der Verlockung, einfach alles stehen und liegen zu lassen. 
«Alice» kann man als Coming-of-Age-Roman lesen. Es gibt ja kaum eine Zeit, die man intensiver erlebt, als seine Jugend. Und natürlich habe ich in meinem persönlichen Steinbruch geschürft. Aber auch hier: Es ging mir nur darum, dieses Gefühl zu vermitteln, das immer auch ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und Verunsicherung war, gerade wenn man in einer Kleinstadt aufgewachsen und sozialisiert worden war und sich fragte, ob es das denn nun schon gewesen sei. Schule, Ausbildung, Studium, Beruf, Beziehungen. Was mich aus dieser Überforderung gerettet hatte, war zum grossen Teil die Musik. Auch meine eigene Musik. Meine Band. Die Subkultur. Und später dann, Ende zwanzig, meine «Flucht» nach New York. Da habe ich wirklich alles stehen und liegen gelassen. Etwas, was meinem Protagonisten Max ja nicht wirklich gelingt. Oder noch nicht.

Als Journalist beschäftigen Sie sich wahrscheinlich in der Begegnung mit Menschen selten mit „Normalos“. Ihr Roman ist von einer ganzen Reihe spezieller Figuren bevölkert, sei es die Mutter, die selbst zuhause in Stöckelschuhen auftritt, das kiffende Liebespärchen, das sich im Zug verlustiert oder die eine ganze Kolonne Männer, die in einem Geschäft eines Tierpräparators verschwindet und nicht mehr auftaucht. Müssen Sie sich beherrschen, dass die Lust am Figurenspiel nicht überbordet?
Ich muss mich tatsächlich beherrschen, ja, und verspreche beim nächsten Roman Besserung! Wenn ich überborde, dann vielleicht aus einer Angst heraus, dass die Figuren ansonsten leer bleiben. Ich weiss es nicht. Ich würde gerne schreiben wie Raymond Carver, der mit wenigen Sätzen alltägliche Figuren in dichten, atmosphärischen Szenen auftreten lassen konnte. Aber nun ja, es macht auch Spass, sein eigenes Figurenkabinett an der Nase herumzuführen. Und dem Unwahrscheinlichen einen Platz zu geben. Der Magie. Das darf ich als Journalist ja nicht.

„Alice“ ist auch ein Roman über Welten, die aneinander und aufeinanderprallen. Sind Schriftsteller Seismografen?
Vielleicht. Man reagiert auf das, was einen umgibt und übersetzt es in eine Geschichte. Mit etwas Glück trifft man den Nerv der Zeit. Ich finde es schon fast erschreckend, wie aktuell mein Roman gerade wieder geworden ist. Wie in den Siebziger- und Achtzigerjahren, leben wir wieder in Zeiten grösster Verunsicherung. Der Ost-West-Konflikt, das geopolitische Kräftemessen, schiebt sich gerade als hässliche Drohkulisse aus meinem Roman heraus in die Realität und lässt uns erschaudern. Aber als Seismograf hatte ich hier jämmerlich versagt: dieses Beben liess sich nicht voraussagen.

Ich habe meinen Kindern, die mittlerweile auch längst erwachsen sind, allen schon einmal Musik aus meiner Jugend demonstriert. Musik, die noch immer vollgeladen ist mit Erinnerungen, Emotionen, Lebensgefühl und Kampfansage. Ist «Alice“ auch ein bisschen „Musikgeschichte“. 
Das kann man so lesen, muss man aber nicht. Ich wollte mit den popkulturellen Ausflügen vor allem die Leidenschaft meines Protagonisten für die Musik spürbar machen. Es ist ja bezeichnend, dass er sich in eine Musikerin verliebt, als er sie singen hört. Auf der Strasse wäre ihm die Frau vermutlich nicht aufgefallen, aber der Song, den sie in dieser kleinen Bar, im Scheinwerferlicht und umhüllt von Rauchschwaden, sang, liess ihn in Tränen ausbrechen. Es ist das, was ich spüre, wenn ich die Songs von Judee Sill höre, die mir als Vorlage für die Frauenfigur von Alice Bay gedient hatte.

Was bedeutet Musik für den 56jährigen Frank Heer?
Die Musik ist für mich eine nie versiegende Quelle. Ihre Kraft ist wunderbar, rätselhaft und heilsam. Manchmal schafft das auch die Sprache.

Frank Heer, 1966 in Uzwil bei St. Gallen geboren, ist Redaktor für Musik und Film bei der «NZZ am Sonntag». Er schreibt als Freelancer für Publikationen wie «Das Magazin», «Die Zeit» oder «Schweizer Familie». Von 1995 bis 2005 lebte er als Korrespondent in New York. 2005 erschien bei Hoffmann & Campe sein Romandebüt «Flammender Grund». Frank Heer ist nebenberuflich Musiker und veröffentlichte mit verschiedenen Formationen zahlreiche Tonträger. Er lebt mit seiner Familie in Zürich.

Webseite des Autors

Beitragsfotos © Ayse Yavas

Lola Randl «Angsttier», Matthes & Seitz

Jede Lawine beginnt klein, jede Katastrophe unscheinbar, auch jene Unaufhaltsamen in den Menschen. Lola Randl hat mit „Angsttier“ einen Roman geschrieben, der dauernd kippt zwischen Fiktion und Realität, zwischen Wahn und Ernüchterung, zwischen Verwilderung und Idylle.

Auch wenn das Setting der Geschichte zu Beginn nach einem Aussteigerroman riecht; ein junges Paar, Friedel und Jakob, sie schwanger, er voller Tatendrang, weg von der Stadt, hinein ins Abenteuer Landleben, entpuppt sich Lola Randls neuer Roman viel mehr als Höllentripp in die Psyche eines Mannes, der sich in der Auseinandersetzung mit sich und seiner nächsten Umgebung in einem Gewirr aus Träumen, Ängsten, sich verschiebenden Wahrnehmungen verliert. Ein Roman, der sich bei der Lektüre förmlich in mein Bewusstsein bohrt. Ein Roman, der sich wie eine Kippfigur immer wilder du drehen beginnt, der mich schwindlig macht, nicht nur in seiner Erzählweise, sondern auch in seiner Sprache, die sich mir mit Dauer der Lektüre ebenso kunstvoll entzieht wie die Geschichte selbst. „Angsttier“ liest sich wie ein Literatur gewordener Alp. Dass auf dem Cover des Romans ein Teppich aus Nachtfaltern abgebildet ist, diesen pelzigen Wesen mit erstaunlich bunten Flügeln, die doch eigentlich nur nachts und in der Dämmerung aktiv sind und sich im Verborgenen halten, ist das Programm des Romans selbst. Eine Idylle entpuppt sich. Imagination wird traumatisch.

Friedel und Jakob wollen ihr Kind auf dem Land grossziehen. Aber weil die Grundstück- und Immobilienpreise an den Stadträndern unerschwinglich geworden sind, müssen die beiden mit ihrem alten Volvo schon eine Weile fahren, bis Kaufen bezahlbar wird. Und weil sie beide in ihrer Arbeit ortsungebunden sind, werden die Fahrten immer weiter, bis auf die andere Seite unsäglich weiter Kiefernwälder, in Dörfer, in denen die Wende noch nicht angekommen zu sein scheint. Sie finden ein Haus, einen Makler, jene Idylle, von der sie sich Glückseligkeit versprechen und mit den Eltern von Friedel auch die finanzielle Potenz, die dem jungen Paar sonst niemals für einen Kredit bei der Bank reichen würde.

Lola Randl «Angsttier», Matthes & Seitz, 2022, 180 Seiten, CHF 24.50, ISBN 978-3-7518-0060-0

Aber schon bei der Überschreibung beim Notar kommt es zum Eklat, macht sich bemerkbar, dass nicht nur im werdenden Familienglück ein Stachel steckt. Begleitet von Friedels Eltern, die das Geld einspritzten, wird bei der Unterzeichnung klar, das Jakobs Unterschrift nicht gefragt ist, obwohl Jakob der Überzeugung war, man hätte es anders besprochen. Jakob flieht. Jakob suhlt sich in seiner deutlich gewordenen Ungerechtigkeit. Friedel nimmt es hin.

Aber das Haus ist da. Und weil sie sich in den Sommermonaten gleich mal ins Abenteuer Hausbesitzer stürzen wollen, obwohl im Haus noch der Grossteil der Einrichtung der Vorbesitzerin steht und schon bei der Besichtigung klar geworden war, dass einige Umbauten unerlässlich sein würden, richten sie sich behelfsmässig ein, wenn auch immer mit dem Blick zum Nachbarhaus, aus dem ihnen Misstrauen und Ablehnung, zumindest aus Jakobs Sicht, entgegenschwappt. Aber Jakob nimmt den Kampf auf, den Kampf an vielen Fronten, jenen gegen den Zahn der Zeit, jenen gegen die Ablehnung der „Eingeborenen“, jenen gegen die schriftstellerische Flaute in seinem Kopf, jenen gegen das innerfamiliäre Abstellgleis und jenen gegen die Geister aus seiner Vergangenheit.
Jene Idylle, die er seiner Familie, seinem werdenden Kind wünscht, hatte er in seiner Familie nicht. Da war keine Familie, eine Mutter im sozialen Elend, ein nicht existierender Vater.

Jakob wird heimgesucht. Nachts von Geräuschen, die ihn in die Dunkelheit treiben, von Tieren angegriffen, auf der Flucht verletzt, von der Nachbarin bedrängt, ihrem Sohn gelinkt, von seiner Frau vergessen. Es beginnt sich ein Karussell aus Wahn und Angst zu drehen, dem sich Jakob nicht mehr entziehen kann, ein Karussell, dessen Zentrifugalkräfte ihn in die umliegenden Wälder stossen, die alles aus den Fugen reissen, sein Leben zerfetzen.

„Angsttier“ greift nach Existenziellem. Der Roman entwickelt einen ungeheuren Sog, flirrt und hat das Zeug, sich in die Traumwelt der Lesenden zu schleichen!

Lola Randl, 1980 in München geboren, arbeitet als Drehbuchautorin und Regisseurin für Kino und Fernsehen. Zuletzt entstanden die Fernsehserie «Landschwärmer» (2014) und der Kinofilm «Von Bienen und Blumen» (2019). Mit ihrem Roman «Der Große Garten» war sie für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert. Randl lebt in einem kleinen Ort in der brandenburgischen Uckermark.

Yael Inokai «Ein simpler Eingriff», Hanser Berlin

Kranke Tiere im Gehirn 

Yael Inokai erzählt in ihrem neuen Roman «Ein simpler Eingriff» von Gehirnoperationen, die psychische Krankheiten heilen sollen. Dabei wirft sie die Frage auf, wo die Grenze zwischen Heilung und Normierung liegt. 

Gastbeitrag von Nina Hurni
Nina Hurni studiert Deutsche Philologie und Politikwissenschaften in Basel. Ansonsten liest und schreibt sie und leitet Kreativworkshops für Jugendliche. 

Es ist eine seltsame Welt, in die uns Yael Inokai in ihrem dritten Roman entführt. Sie erscheint fremd und doch der uns bekannten viel zu ähnlich, unaushaltbar altmodisch und wissenschaftlich visionär. 

Ohne Zeit und Ort der Geschichte zu definieren, erzählt die Schweizer Autorin von der Krankenpflegerin Meret, einer mitfühlenden jungen Frau, die sich in der kalten Umgebung des Krankenhauses manchmal verliert und sich doch ihrer Aufgabe sicher ist: Durch die Eingriffe am Gehirn sollen Menschen, insbesondere Frauen, die an psychischen Krankheiten leiden, geheilt werden. Was bedeutet: wieder arbeitsfähig und gesellschaftstauglich gemacht. 
Dazu wird die angeblich problematische Stelle im Gehirn «eingeschläfert» wie «ein krankes Tier», worauf Wutanfälle, Schizophrenie und Depressionen verschwinden sollen. Was nach einem Science-Fiction-Plot klingt, hat durchaus medizinhistorische Vorlagen. Inokai verpackt diese in eine tief berührende und kritische Geschichte. 

Yael Inokai «Ein simpler Eingriff», Hanser Berlin, 2022, 192 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-446-27231-6

In der Logik des Krankenhauses, in dem Meret arbeitet, ist der Mensch Biologie, er ist Zimmernummer, und wenn jemand stirbt, bleibt nur ein Raum, der möglichst schnell geputzt werden soll, ein Koffer mit Gegenständen, um die sich irgendjemand kümmern muss. Das Hirn ist eine Landkarte. Alles was ich bin ist irgendwo verortet. – Dem Menschen wird jedes Geheimnis genommen, er ist ein Bündel Nerven, in denen allfällige Probleme angelegt sind. 
Merets Job hingegen ist es, die Menschlichkeit hineinzubringen. Sie hat mehr Zeit für ihre Patientinnen – und kommt ihnen dadurch näher, was Abgrenzung zum Teil unmöglich macht.  Von den anderen Schwestern wird sie gelegentlich dafür belächelt. 

Morgen werde ich verschwinden, erklärt eine Patientin vor der Operation. Ihre Wut wird verschwinden, berichtigt Meret sie. Und bald wird deutlich: so klar ist die Unterscheidung von psychischer Krankheit und Persönlichkeit nicht zu ziehen.  
Es ist eine Welt aus Regeln, an die man sich zu halten hat. Wer sich widersetzt, muss angepasst werden – oder bestraft. Meret arbeitet viel, Antrieb ist die Hoffnung an Fortschritt, an den sie glaubt. So erarbeitet sie sich Privilegien, und der Doktor holt sie mehr und mehr in sein Büro. 
Ab und zu besucht sie ihre Familie und zieht dazu ihr Kleid an, das sie «zu einer Tochter» macht. Auch in Merets Familie gibt es einen ganzen Katalog von ungeschriebenen Gesetzen. Nur die Schwester widersetzt sich allem und wird dadurch von Meret gleichzeitig geliebt und gehasst. 

Als nun Sarah als neue Zimmergefährtin bei Meret einzieht, beginnt sich vieles zu ändern. Die beiden Frauen kommen sich näher, und es entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte. Sarah ist es auch, die leise Zweifel in Merets stabile Weltsicht zu streuen beginnt. Sie werden lauter, als eine Operation schiefläuft und eine junge Frau als leere Hülle ihrer selbst zurückbleibt. Dies sei der Preis für den Fortschritt, meint der Doktor. Dies ist kein Einzelfall, meint Sarah, sondern ein grundsätzlicher Fehler der Behandlung. 

Inokai setzt das Skalpell an die schmerzhaften Stellen unserer Gesellschaft, indem sie diese überzeichnet – ohne jedoch karikierend zu werden. Und sie zeigt damit auf, dass wissenschaftlicher Fortschritt ohne gesellschaftlichen Wandel und ethische Auseinandersetzung uns in eine dystopisch anmutende Zukunft führen kann. 
Denn wenn Gehirne modelliert werden können, die Strukturen aber immer noch patriarchal sind, lesbische Liebe unerwünscht und das Funktionieren des Menschen als Arbeitskraft oberstes Ziel ist – dann wird die Medizin dazu benutzt werden, diese Vorstellungen zu zementieren. 

In Inokais drittem Roman leuchten ausgefallene Wortbilder zwischen nüchternen Sätzen, so wie Merets Wärme zwischen den getakteten Arbeitsschritten, wie der auf der Strasse gefundene Stuhl mit Zimmerpflanze im unpersönlichen Heimzimmer. Die Morgenstimmung im Schwesternheim wird beispielsweise so beschrieben: Auch der Gestank unruhiger Träume hing in der Luft, das Sandige, Erdige der Augen, aus denen die Unglücklichen den Schlaf zu reiben versuchten.
Inokai ist ein dichter und tiefsinniger Roman gelungen, der nachdenklich stimmt. Wir nehmen teil an Merets Weg, wenn sie zwischen Rebellion und Konvention hin und her stolpert, sich verliebt und distanziert, alle ihre Gewissheiten verliert und schliesslich einen Aufbruch wagt. Und so endet der zum Teil recht düstere Roman auch mit einem hoffnungsvollen «Ja». 

(Dieser Text entstand im Rahmen eines Seminars zur Literaturkritik im Frühjahr 2022 an der Uni Basel, Seminarleitung: Daniel Graf, Literaturkritiker beim Republik Magazin.)

Yael Inokai, geboren 1989 in Basel, studierte Philosophie in Basel und Wien, anschliessend Drehbuch und Dramaturgie in Berlin. 2012 erschien ihr Debütroman «Storchenbiss». Für ihren zweiten Roman «Mahlstrom» wurde sie mit dem Schweizer Literaturpreis 2018 ausgezeichnet. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift PS: Politisch Schreiben und lebt in Berlin.

Beitragsbild © Ladina Bischof

Wolfgang Hermann «Insel im Sommer», Czernin

2012 veröffentlichte Wolfgang Hermann seine Erzählung “Abschied ohne Ende“ über das Trauma eines Mannes, der eines Morgens seinen 16jährigen Sohn tot in seinem Zimmer findet. Eine Geschichte, die mich damals tief bewegte, eine Geschichte, die den Schriftsteller bis heute nicht loslässt.

Ein Mann verliebt sich wieder, nachdem er geglaubt hatte, diese Welt hätte sich ihm für alle Zeiten verschlossen. In einer Zeit, in der er sich mit seiner Trauer in seiner Abgeschiedenheit arrangiert, in der sich die Leere in einen Dauerzustand ausgegossen hatte, in der er glaubte, unsichtbar geworden zu sein. Weil er den Schmerz über seinen Verlust, über den unverständlichen Tod seines Sohnes wie einen Mühlstein um seinen Hals mit sich herumträgt, in der Überzeugung, er wäre verloren. Bis er eine Frau kennenlernt. Auch eine Verlorene. Eine, die ein Ufer sucht, obwohl sie angekettet an einen Mann ist, den sie nicht liebt, der sie nicht liebt. Es wächst eine Liebe, die sich im Verborgenen abspielt, in Hotelzimmern, in der Wohnung des Mannes. Bis zu dem Tag, als die Frau ihm offenbart, sie wolle ein Kind von ihm, sie sei entschlossen, ihren Mann dafür zu verlassen. Was ohne Versprechen begann, was ihm den aufrechten Gang zurückgab, was ihn am Leben hielt, dreht sich mit einem Mal zurück in das Dunkel, aus dem er so mühsam gekrochen kam. Und weil die Frau sein Zögern vom ersten Moment weg spürt, kehrt die Leere zurück und die Liebe zerbricht.

Wolfgang Hermann «Insel im Sommer», Czernin, 2022, 70 Seiten, CHF 26.90, ISBN 978-3-7076-0754-3

Er fährt weg. Zuerst nach Paris, in die Stadt, in der er schon einmal ein paar Jahre wohnte, die ihn damals aufgenommen und alles gegeben hatte, was er sich erhoffte. Aber nicht nur die Stadt war anders geworden. Auch er. Er flieht weiter, fährt mit dem Hochgeschwindigkeitszug bis nach Marseille und lässt sich mit einem Taxi nach Le Tholonet vor das Haus eines befreundeten Paares fahren, dem er aber nicht berichtet hatte, dass er auftauchen würde. Caroll, Pierre und die beiden mittlerweile gross gewordenen Töchter sind da. Und die Freundschaft ist geblieben. Er holt seine Koffer im Hotel in Aix und bezieht ein Zimmer in einer Welt, in der sich das Glück wie die heisse Sommerluft in den Zimmern des Hauses festgesetzt hat. Aber noch reicht es nicht, um den Panzer des Schmerzes zu durchbrechen. Das tut ein kleines Mädchen am Meer.

Was sich in seiner Nacherzählung fast rührselig klingen mag, ist die Geschichte einer zaghaften Befreiung. Nicht jene von seinem toten Sohn, auch nicht jene von seinem Schmerz, seiner Trauer, sondern jene von der Leere, der er sich ausgeliefert hatte, die ihn wie ein schwarzes Loch ins Nichts hineinsog. Hermanns Erzählung „Insel im Sommer“ ist ein echtes Sommerbuch, tatsächlich eine Reise auf eine Insel, denn der Protagonist reisst den Anker aus dem Schlick und schafft es, endlich jene Distanz zu erlangen, die eine Flucht zu einer Reise werden lässt.

Was mich an Wolfgang Hermanns Erzählung aber viel mehr überzeugt als die Geschichte selbst, ist seine Sprache, die Leichtigkeit, das Gefühl, jenen südfranzösischen Küstenwind zu spüren, das Zirpen der Zikaden zu hören, den herben Duft der Kräuter zu riechen. Es sind die klaren Bilder einer klaren Geschichte, der Nachhall, wenn sich das Büchlein mit seinen siebzig Seiten schliesst!

Wolfgang Hermann, geboren in Bregenz, studierte Philosophie in Wien, anschliessend lange Aufenthalte in verschiedenen Ländern. 1996–1998 Universitätslektor in Tokio. Lebt in Wien. Zahlreiche Bücher, u. a. «Herr Faustini verreist», «Abschied ohne Ende», «Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald«, «Das japanische Fährtenbuch», «Walter oder die ganze Welt«, «Der Lichtgeher» und «Herr Faustini bekommt Besuch«. Übersetzungen in zahlreiche Sprachen.

Webseite des Autors

Beitragsbild © Volker Derlath

Marianne Künzle «Da hinauf», Nagel & Kimche

Zwei Frauen auf dem Gletscher. Die eine damals, als sich der weisse Koloss noch wuchtig ins Tal ergoss. Die andere heute, wo sich der Mächtige mehr und und mehr zurückzieht, sich in Wasser verwandelt, zu einem kümmerlichen Rest zu werden droht. Und weil die eine durch einen Fehltritt im Eis liegen und für Jahrzehnte eingeschlossen bleibt, kreuzen sich die Weg der beiden Frauen in Spalten an der Gletscherzunge.

Gletscher sind gefrorene Geschichte, eine Art Fingerabdruck der Zeit. So wie sich über Jahrhunderte Schicht um Schicht der Gletscher vergrösserte, so schmilzt er heute weg, gibt preis, was über Jahrzehnte, Jahrhunderte oder gar Jahrtausende verborgen blieb. Bekanntestes Beispiel dafür ist Ötzi, eine „Gletschermumie“, die man 1991 im Südtirol fand, 5000 Jahre nach einer Nacht, die der einsame Wanderer nicht überleben sollte. Künftig wird es immer wieder vorkommen, dass das sich zurückziehende Eis, der schmelzende Permafrost Geschichten freilegen wird.

Annina ist eine junge Journalistin, noch frisch auf der Redaktion, aufgeregt auf ihr erstes grosses Interview, das nach der sonntäglichen Wanderung über den Gletscher stattfinden soll. Eigentlich war es Absicht gewesen, zusammen mit ihrer Freundin Melli die Gletscherwanderung in Angriff zu nehmen. Aber Melli musste krank zurückbleiben. Statt mit der sprudelnden Freundin in die Höhe zu steigen, wird die Wanderung nicht nur eine Wanderung in die Stille der Berge, sondern ein Einstieg in die Stimmen in ihr selbst, eine Welt, die so ganz anders ist, als jene, die sie im Tal zurückgelassen hat. Eine Wanderung zu einem Gletscher, der sich hörbar bemerkbar macht, in dem es kracht und donnert, als wäre es ein grosses Ächzen in seinem langen Sterben.

Marianne Künzle «Da hinauf», Nagel & Kimche, 2022, 112 Seiten, CHF 27.90, ISBN 978-3-7556-0012-1

Irma ist Jahrzehnte zuvor auf einer ganz ähnlichen Tour, sie in den Fünfzigerjahren allein unterwegs. Einem Abgrund entflohen, junge Witwe, allein am Berg, allein mit sich selbst, den Alltag hinter sich lassend.
Damals war der Gletscher ein ganz anderer, ein monströses Urgetüm, über Jahrhunderte fliessendes Eis. Irma und Annina, zwei Frauen in ganz unterschiedlichen Zeiten, an den Rändern eines Gletschers, der wie kaum ein anderes Naturphänomen zeigt, wie sehr sich die Zeit, die Fliessrichtung ändert. Was damals noch wuchs, zieht sich heute zurück. Damals ein wuchtiges Weiss, heute ein schmutzig graues Überbleibsel dessen, was es einmal war. Zwar wandern die beiden Frauen an den gleichen Bergflanken, aber was sie hinter sich liessen, unterscheidet sich ebenso diametral wie das, das sich vor ihren Augen an diesem Berg abspielt.

Marianne Künzle erzählt ganz dezent, macht sprachlich sichtbar, was der Berg verursachen kann; jene schlichte Klarheit. Marianne Künzle hätte die Geschichte dieser beiden Frauen aufblasen, jenen Fehltritt der einen dramatisieren, den Moment der Begegnung, Jahrzehnte nach dem Unfall theatralisch inszenieren können. Tat sie aber nicht. „Da hinauf“ ist der Blickwinkel zweier Frauen, die für ein paar Stunden aus ihrem Leben auftauchen wollen, die in den Bergen, an den Rändern des Gletschers die Nähe zu sich selbst suchen. Die Dramaturgie des Romans ist eine ruhige, als wäre ich als Leser der einzige Zeuge. 

Als mir die Autorin vor Monaten bei einem Spaziergang in den Walliser Bergen von ihrem Manuskript erzählte, dachte ich, sie würde die Gletscherleiche erzählen lassen. Aber die eigentliche Begegnung der beiden Frauen aus unterschiedlichen Zeiten und Leben findet erst auf den letzten Seiten des Romans statt. Was den Roman zu einem grossen Lesegenuss macht, ist nicht das Drama am Eis, sondern die Stimmungen an diesem Berg, die Farben, die Spuren, das Licht, der Wind. Marianne Künzles Roman ist eine Ode an die Natur. Wie ein zärtliches Streicheln über Bergflanken, die unter den Klimaveränderungen ächzen. Die Autorin erzählt in zwei Strängen, zieht die Windungen immer enger, bis zu jenem Moment, wo klar wird, dass dort kein Holz im Eis liegt, sondern die Überreste einer Frau.

„Da hinauf“ ist gekonnt erzählt, eingetaucht in grosse Klarheit!

Marianne Künzle ist 1973 in Bern geboren. Sie ist in Schönbühl aufgewachsen, zwischen modernen Wohnblöcken und Waldrand, Intensiv-Landwirtschaft und letzten Froschhabitaten. Sie hat eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht und koordinierte viele Jahre Greenpeace-Kampagnen für eine ökologische Landwirtschaft. 2019 hat sie den 2. Oberwalliser Literaturpreis erhalten (für «Living Planet«). Sie lebt im Wallis.

Webseite der Autorin

Jakub Małecki «Saturnin», Secession

Was Jakub Małecki mit seinem ersten auf Deutsch erschienenen Roman „Rost“ als grosses Versprechen in den literarischen Himmel schrieb, ist wahr geworden. Sein neuer Roman „Saturnin“ überzeugt nicht nur als sprachliches Kunstwerk – es ist passgenau in eine Zeit geschrieben, in der Ordnung implodiert und mit unkontrollierbarer Kraft explodiert.

Saturnin Markiewicz hat sich in seinem Leben eingerichtet. Er wohnt in einer kleinen Wohnung in Warschau, leidet mehr oder weniger an seiner Unsichtbarkeit trotz seines Übergewichts, arbeitet als Handelsvertreter, hat nichts dagegen, allein zu sein, sich damit abgefunden, dass das Leben nicht so stattfindet, wie er sich das als junger Mann vorgestellt hatte. So bringe ich wie ein Hamster im Laufrad immer weitere eintönige Tage hinter mich, die aus Arbeit, Fahrt zur Arbeit, Rückkehr von der Arbeit, einkaufen, essen, Computer schauen und Abendspaziergang bestehen. Er wartet ständig, bis etwas passiert. Bis das Telefon klingelt und ihn seine Mutter bittet, zu ihr zu fahren. Grossvater sei verschwunden. Saturnins Grossvater ist sechsundneunzig! Er steigt in sein Auto und fährt in das Kaff, in dem er aufgewachsen war, in dem sein Grossvater seit dem Krieg ununterbrochen lebte. Was will ein Sechsundneuzigjähriger? Warum fährt er mit seinem grünen Opel Astra weg, ohne einen einzigen Hinweis zu hinterlassen? Und dann noch ein Anruf. Als Saturnin bei seiner Mutter ist, meldet sich eine Daria Tomczyk. Weder Saturnin noch seine Mutter kennen eine Frau mit diesem Namen. Aber Daria Tomczyk erklärt, sie wisse wo Saturnins Grossvater zu finden wäre. Also fahren die beiden zu der Frau, die ihnen eine Karte gibt, einen Ort und den Satz: „Ihr Vater hat behauptet, er wäre dort gestorben.“

Jakub Małecki «Saturnin», aus dem Polnischen von Renate Schmidgall, Secession, 2022, 272 Seiten, CHF 36.90, ISBN 978-3-907336-13-7

Es beginnt eine Odyssee. Nicht nur eine Suche nach dem verschwundenen Grossvater, sondern auch eine Odyssee zu den Geheimnissen einer Familie. Solchen wie dem Geheimnis seines Namens. Wer heisst schon Saturnin! Niemand ausser er. Zuerst beginnt seine Mutter zu erzählen, denn damals als sie mit ihm schwanger war, bat sie ihr Vater, ihren Sohn nach seiner Geburt doch bitte Saturnin zu taufen. Und obwohl die Mutter nicht erfahren sollte, welches Geheimnis sich hinter dem Namen verbarg, tat sie es. Vielleicht auch aus Trotz, denn der Mann, der Vater werden sollte, entpuppte sich als gar nicht der, was sie sich versprochen hatte. Nach nicht einmal einem Jahr war die Ehe geschieden, der Mann aus ihrem Leben verschwunden. Saturnin blieb, wurde grösser und kräftiger. Sehr kräftig, denn der Grossvater schenkte ihm schon bald selbstgebaute Hanteln, mit denen Saturnin zu trainieren begann. Ein Training, das immer intensiver wird, bis Saturnin eine unschlagbare Grösse im Kraftdreikampf wird, bis Knochen brechen und nichts mehr zusammenpasst im durcheinandergeratenen Leben des jungen Saturnin. 

„Er versucht in dieser Geschichte Ursache und Wirkung herauszufinden, aber nichts passt zusammen, die Welt ist aus den Fugen geraten, und vom einen Ufer kann man das andere nicht sehen.»

Saturnin und seine Mutter finden den Grossvater tatsächlich. Mitten im einem Wald, auf dem Bauch liegend, das Gesicht im Dreck, als wäre er tot. Sie schleppen ihn ins Leben zurück, einen Mann, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist, der seine Tochter und seinen Enkel halb wahnsinnig macht, weil er kein Wort sagt, mit keinem ganzen Satz verraten will, warum er weggefahren war, warum sie ihn im Wald liegend finden mussten, warum er nicht endlich zu erzählen beginnt. Und dann passiert es doch. Mit einem Mal bricht der Damm und der Grossvater beginnt zu erzählen; die Geschichte von einem Saturnin. Die Geschichte einer Freundschaft. Die Geschichte eines Versprechens. Eine Geschichte aus den Tagen des letzten Weltkriegs, als Saturnins Grossvater unfreiwillig zum Partisanen, zum Mörder wurde, als man ihm seine Schwester Irka nahm und er noch Jahre später auf dessen Rückkehr hoffte. Von einer Wunde, die nie heilte.

2022 und es herrscht Krieg in der Ukraine. Für die einen unwirklich scheinend, für die anderen tödlicher Ernst. Im Herbst 1939 überfiel das nationalsozialistische Deutschland seinen Nachbarn Polen. Ein von langer Hand geplanter Angriffskrieg mit allerlei fadenscheinigen Rechtfertigungen. 2022 überfällt ein russischer Diktator mit seinen Militärspielzeugen sein Nachbarland die Ukraine, zerbombt ganze Städte, feuert Raketen gegen zivile Ziele und verwüstet ein demokratisches Land, dem im Budapester Memorandum 1994 von russischer Seite her Souveränität und Enthaltung von Gewalt mit Siegel und Unterschrift zugesichert wurde.
In Jakub Małeckis Roman „Saturnin“ gibt es Szenen, die einem eben jetzt ganz besonders schaudern lassen. Seien es Momentaufnahmen, Szenenbeschreibungen in feinster Wahrnehmung oder Kriegsszenen, Momente bitterster seelischer Not, die mir in die Knochen fahren. Jakub Małeckis Sprache ist schnörkellos, seine Geschichte kunstvoll verwoben. Das Personal seines Romans widerspiegelt die Archetypen der Gesellschaft. Und sein Roman warnt vor den unabsehbaren Folgen jener Gewalt, die sich mit jedem Krieg immer und immer wieder offenbart. Es werden Wunden geschlagen, die sich nie schliessen werden!

Jakub Małecki, geboren 1982 in Koło, Polen, studierte an der Wirtschaftsuniversität in Posen. Er hat bislang zehn Romane veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Zudem übersetzt er aus dem Englischen ins Polnische. Er lebt als freier Schriftsteller in Warschau. «Rost» war sein erster Roman in deutscher Übersetzung.

Renate Schmidgall, geboren am 26. März 1955 in Heilbronn, ist deutsche Übersetzerin polnischer Literatur und lebt in Darmstadt. Sie studierte Slawistik und Germanistik in Heidelberg und war anschliessend als Bibliothekarin am Deutschen Polen-Institut beschäftigt. Von 1990 bis 1996 arbeitete sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Seither ist sie als freie Übersetzerin tätig.

Beitragsbild © Krzysztof Nowicki