literaturblatt.ch fragt Sandra Hughes über ihren Krimi «Tessiner Verwicklungen»

Der Kampa Verlag mausert sich! Nicht nur als der Verlag mit der Nobelpreisträgerin Olga Tokarcuk, der mit einem exquisiten und feinst edierten Belletristikprogramm, sondern neben den Maigret-Romanen aus dem unendlich scheinenden Georges-Simenon-Reservoir mit einem Krimireigen, der es in sich hat.

Neben Louise Penny, Hansjörg Schertenleib, Gian Maria Calonder alias Tim Krohn und andern, schreibt auch Sandra Hughes Krimis im Gewand des Kampa Verlags. Krimis rund um das Ermittlerduo Emma Tschopp und Commissario Bianchi.

Interview mit Sandra Hughes:

Eine junge Frau, von der alle sagen, sie hätte keine Feinde, alle hätten sie gemocht, ist das Opfer oder zumindest eines deiner Opfer in deinem ersten Krimi. Was stand beim Schreiben am Beginn; das Verbrechen oder eine andere Szenerie?
Zu Beginn standen die Pastafabrik und die Familie, die sie in dritter Generation betreibt. Gegen aussen viel Tradition, gemeinsames Einstehen für Qualität. Aber was verbirgt sich dahinter? Hinter Fassade, Fleiss und demonstriertem Familiensinn? Da fantasiere ich, da kommt sofort Lust auf, dahinter zu schauen. 

Eine junge Frau wird erschlagen. Sie liegt mit blau gewordener Haut tot im Kühlraum einer kleinen Pastafabrik, einer Pastamanufaktur. Warum müssen Menschen sterben, damit daraus ein Krimi wird? Welche Seite des Menschen wird mit Krimis bedient? Wie schwer fiel es dir, die junge Frau sterben zu lassen.
Es fiel mir leicht, sie sterben zu lassen. Das hängt bestimmt damit zusammen, dass ich keinen Bezug zur Figur der jungen Frau habe. Dafür kenne ich sie zu wenig. Ich setze sie ganz strategisch als Opfer ein. Gerade weil sie jung, unschuldig und nett ist, zeigt sie umso brutaler auf, worauf mein Interesse sich richtet: Was muss geschehen sein, dass ein Mensch einen anderen Menschen umbringt? Einen solch netten Menschen? Wie verletzt, versehrt, ohnmächtig muss jemand sein, wie krass eine Konstellation?

Stefanie Schwendener, die junge Frau im Kühlraum, ist nicht das einzige Opfer in deinem Roman, nicht einmal die einzige Tote. Da ist die Familie Savelli, eine alt eingesessene Familie, die die Pastamanufaktur betreibt. Ein alt und schrullig gewordener Patron, sein Schwiegersohn, der die Firma leitet, seine Frau, die Tochter des Patrons und ihre zwei Brüder. Ein Ensemble, das du wie in einem alten Agathe Christie Krimi sich versammeln lässt, jeder mit Gründen genug, ein Verbrechen zu begehen. Wie weit holt man sich als Krimiautorin Bilder aus eigener Krimilektüre?
Ich bin mit der Krimilektüre in die Lehre bei anderen Autorinnen und Autoren gegangen. Sie hat mir ein Feld von Möglichkeiten eröffnet. Beim eigenen Konzipieren bin ich inspiriert gewesen vom Vorgehen, einen Erzählstrang von ganz weit – von Ort und Zeit her – einzubringen, der vermeintlich nichts mit der Klärung des Verbrechens zu tun hat, sich dann aber zunehmend mit dem aktuellen Geschehen verflechtet. 

Ein weiteres Opfer kommt aus einem Kinderheim, das von „Barmherzigen Schwestern“ geführt wird. Du nennst dieses Kinderheim „Ballenmoos“. Du fiktionalisierst es, entlehnst den Skandal aus der Realität, wo es doch auch in der Schweiz religiös geführte Kinderheime gab, in denen regelrechte Gräueltaten begangen wurden. Braucht es diesen Schritt des Fiktionalisierens? War da auch die Lust, in eine Eiterbeule zu stechen?
Fiktionalisieren ist für mich zwingend, ich bin Romanautorin und nicht Journalistin. Das gibt mir die Freiheit, die mir beim Schreiben so gefällt. Ich darf fantasieren, muss nicht investigativ aufdecken. Insofern: Nein, keine Lust, in eine Eiterbeule zu stechen. Aber weil mich diese Missbräuche in den Kinderheimen so beschäftigten, nachdem ich via Internetrecherchen zufällig auf deren Aufarbeitung kam, haben sie jetzt eine Rolle im Roman bekommen. Auch hier die Frage, die mich umtreibt: Was muss geschehen sein, dass ein Mensch – im Fall hier eine Ordensschwester – ein Kind quält? 

Du hast beim Limmat Verlag die Romane „Lee Gustavo“ und „Maus im Kopf“ herausgegeben. Beim Dörlemann Verlag die Liebesgeschichte „Zimmer 307“ und den Roman „Fallen“, der sich schon ganz nahe am Typ Krimi einreihen lässt. War dein Weg zum Krimi für dich absehbar?
Nein. Es ist das Konzept der Rache, das mich im Schreiben immer schon beschäftigt. Rache kommt in allen bisherigen Romanen vor. Auf je eigene Weise, aber nirgendwo im Sinn von «Whodunit». Das wurde nun erst im «richtigen» Krimi wichtig und forderte mich zu einem ganz anderen Vorgehen beim Schreiben heraus, nämlich die Geschichte vom Ende her zu konzipieren. 

Emma Tschopp, deine Ermittlerin. Kannst du etwas darüber erzählen, wie du auf diese Person gekommen bist, wie du sie gebaut hast?
Ich wollte eine Baselbieter Polizistin, eine starke, lebenserfahrene Frau. Das war mein Grundanliegen. In allem anderen laufe ich Emma Tschopp hinterher: Wenn sie ermittelt, aufbraust, sinniert, stolpert, fröhlich ist. Ich mag sie sehr gern, es macht mir Freude, ihr schreibend zu folgen.  

Wenn Emma Tschopp auch für künftige Krimis eine gute Figur machen soll, muss man sie so konstruieren, dass sie als Person gleichzeitig nahe kommt und doch ein weites Feld bietet, sie nach und nach auszuleuchten. Wir Leser erfahren zwar einiges, auch dass man sie schätzt als Kriminologin, dass sie durchaus attraktiv sein muss, denn der Tessiner Commissario Bianchi verhält sich dementsprechend. Muss von der Hauptperson, von Emma Tschopp bei dir alles schon ausgeleuchtet sein oder sind da auch für dich noch geschlossene Türen?
Auf jeden Fall geschlossene Türen. Einen Menschen kennenzulernen scheint mir ein Prozess zu sein, der immer weitergeht. 

Fast am Schluss des Romans lässt du die Vermittlerin Emma Tschopp sagen: „Mein ganzes Arbeitsleben lang kämpfe ich schon für die Gerechtigkeit. Aber es gibt keine.“ Kannst du diesen Satz erläutern?
Emmas Erfahrung seit Kind: Die Menschen sind ungerecht, unser System ist es auch. Warum wurde ihr rothaariger Schulkollege verspottet und ausgeschlossen? Hat sich bei den Spöttern irgendetwas verändert, weil Emma sich für ihren Kollegen eingesetzt hatte? Nein. Bringt Emmas und Marcos Aufklärung des Mordes mehr Licht ins Leben der Eltern, die ihre Tochter verloren haben? Nicht wirklich. Im Gegenteil: Sie zieht noch einen Menschen mit in den Abgrund, wobei da nicht mehr verraten sein soll. Trotzdem macht Emma immer weiter, sie kann nicht anders. Dafür bewundere ich sie. 

Der Fabrikant Savelli gibt Hartweizengries und Wasser in einen grossen Behälter und vermengt beides zu einem zähen Brei, der Teig, der dann zu Teigwaren verarbeitet wird. Was braucht es für einen guten Krimi? Reicht ein guter Plot und viel Wasser?
Die Sprache ist wichtig, im Kriminalroman genauso wie in meinen bisherigen Romanen. Bei allem Bemühen um Glaubwürdigkeit von Geschichte und Figuren, um Aufrechterhaltung der Spannung, um gut dosierte Hinweisbrocken, die ich einstreue, ist die Sprache zentral: Sie muss aus den Figuren herauskommen, ihnen und deren Geschichte angemessen sein. Das bedeutet viel Arbeit und damit viel Zeit, die ich dafür aufwende. 

Der Krimi, dein Roman, entschlüsselt sich wie jeder Krimi erst auf den letzten Seiten. Liest man deinen Krimi zum zweiten Mal, zeigt es sich, dass du gut dosiert ganz viele Hinweise in deinen Krimi einstreutest, die bei einer erneuten Lektüre glasklar werden, bei einer ersten Lektüre rätselhaft, fast kryptisch bleiben. Ein Kapitel auf Seite 82 besteht aus bloss sieben Wörtern, drei Sätzen. Ich habe deinen Krimi zweimal gelesen. Was aber wohl nicht die Regel ist, weil ja dann der Plot bekannt ist, das Rätsel gelöst. Da entgeht einem doch einiges?
Zuerst: Es freut mich sehr, dass du meinen Krimi zweimal gelesen hast, die Hinweise als gut dosiert einschätzt. Diese Hinweise haben mir nämlich viel abverlangt. Ja, bei «normaler» Lektüre, das heisst einmaligem Lesen, entgeht einem einiges. Aber das ist egal. Was gibt es für mich als Autorin Schöneres, als wenn die Leserinnen und Leser voll in die Geschichte eintauchen? Sie im besten Fall verschlingen, angetrieben durch Neugier, Lust, dem Rätsel auf die Spur zu kommen?

Sandra Hughes «Tessiner Verwicklungen», Kampa Krimi, 2020, 224 Seiten, CHF 21.90, ISBN 978-3-311-12013-1

Sandra Hughes, geboren 1966, wuchs in Luzern auf und lebt mit ihrer Familie in Allschwil bei Basel. Mit der Polizistin Emma Tschopp teilt sie die Vorliebe für Bistecca (saignant) und Blauschimmelkäse. Bisher schrieb sie Romane für Erwachsene und eine Geschichte für Kinder.

Olga Tokarczuk «Der liebevolle Erzähler», Kampa

Was Olga Tokarczuk und Peter Handke gemein ist, ist ein Leben, Denken und Streben, das weit über das Schreiben, die Literatur und das Buch hinausgeht. Sie beide sind durchdrungen und beide Streiter für das, was die Literatur soll und will; Türen aufmachen. Aber vielleicht ist das eine der wenigen Gemeinsamkeiten der Nobelpreisträger von 2019 und 2020. Aber während Peter Handke schon seit Jahrzehnten zum Kanon der Deutschen Literatur gehört, ist Olga Tokarczuk für viele noch zu entdecken.

Das Buch «Der liebevolle Erzähler – Vorlesung zur Verleihung der Nobelpreises für Literatur» beinhaltet nicht nur den Text des Festaktes, sondern ergänzend das Essay «Wie Übersetzer die Welt retten» und als Zugabe «eine kleine Chronologie rund um die Literaturnobelpreisverleihung». Mit Sicherheit wäre es aufschlussreich, gäbe es von Peter Handke ein ähnliches Buch. Aufschlussreich für die Welt von Olga Tokarczuk ist «Der liebevolle Erzähler» aber mit Sicherheit, denn Olga Tokarczuks Welt ist eine grosse, eine ganze, aber auch eine bedrohte, in seine Kleinheiten auseinanderfallende. 

«Die Welt ist ein Stoff, an dem wir täglich weben.»

Olga Tokarczuks Welt, ihr Stoff, ist ein grosser. Olga Tokarczuks Werk gibt einen grossen Blick frei auf eine Welt durch die Jahrhunderte. Sie weiss um die Macht der Sprache und warnt vor dem Abrutschen ins Banale. Literatur ist ein Blick hinaus. Und wenn sie sich nur noch der Nabelschau und Selbstreflexion bedient, bleibt sie auf dem Niveau von all den neuen Medien, die weder Nachhaltigkeit noch Nachhall besitzen. Olga Tokarczuk nimmt sich nicht wichtig, dafür nimmt man ihre Bücher, ihre Romane und Erzählungen nun endlich wichtig und gewichtig genug. In einer Welt, die sich von der Literatur immer weiter weg hin zu einem Markt bewegt, zu einer Kommerzialisierung, zu Planbarkeit und Einengung. Dabei soll Literatur leben, gedeihen, wachsen, sich erneuern. In einer Zeit, in der ein wilder Streit entfacht ist darüber, welche Informationen nun wahr sind oder nicht, kann die Frage aus der Öffentlichkeit, ob denn das wahr ist, was da geschrieben steht, bloss aufzeigen, wie sehr die Literatur von Kommerz und Instrumentalisierung bedroht ist. Wohl schöpft Literatur aus der Wahrheit, der Wahrnehmung. Was sie daraus macht, ist ihr frei. Literatur ist Kunst, ist Gestaltung, ist etwas Neues, etwas, was aus Erfahrung neue Horizonte generiert.

«Nur die Literatur ermöglicht es uns, tief in das Leben eines anderen Wesens einzudringen; dank ihr können wir dessen Beweggründe nachvollziehen, seine Gefühle, sein Schicksal durchleben.»

Olga Tokarczuk «Der liebevolle Erzähler» Vorlesung zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur, Kampa, 2020, 144 Seiten, CHF 19.90, ISBN 978-3-311-10019-5

Olga Tokarczuks Blick auf die Welt ist ein liebevoller, ein sympathischer, aber auch ein kritischer, ein nach Ordnung suchender. Das zeigt auch ihr Essay über die schnell und leicht unterschätzte Arbeit von Übersetzerinnen und Übersetzer. Olga Tokarczuk macht sich in ihrem Essay, das sich unmittelbar an die Nobelpreisrede anschliesst, stark für ein Heer von Schreibenden, das die Welt schon mehrfach rettete, sei es in der Vergangenheit oder in der Gegenwart. Was wäre die Welt ohne all die Übersetzer während der Abbasiden-Dynastie ab dem 8. Jahrhundert, die die Texte aus dem untergehenden Römischen Reiches ins Arabische übersetzte oder im Mittelalter, wo in Klöstern Heerscharen von Mönchen die Welt der Fremde zugänglich machten. 
ÜbersetzerInnen übersetzen nicht einfach. Wahrscheinlich gibt es keine genaueren LeserInnen als die Übersetzer. Menschen, die die Fähigkeit besitzen, sich ganz von einem Text durchdringen zu lassen, ihn ganz zu verstehen. Nur so kann es möglich sein, ein Buch auch in einer Fremdsprache zur Entfaltung zu bringen.

Vor zwei Jahrtausenden brannte die Bibliothek von Alexandria nieder. Damals vielleicht die wichtigste und bedeutendste Bibliothek. Als uns unser Geschichtslehrer während meiner Ausbildung vom Brand, vom Verlust dieser Bibliothek erzählte, begann er zu weinen. Er stand vor uns, gegen das Lehrerpult gelehnt und nestelte in den Tiefen seiner Hosentaschen, zog ein Taschentuch heraus, nahm seine Brille ab und wischte über Augen und Gläser. Wir sassen da, als hätte sich mit einem Mal der Schmerz einer ganzen Welt geöffnet. Der Mann damals wusste genau, was bei dieser Katastrophe an Welt verloren ging. Er wusste, dass in der Sprache ein Tor zu ganz vielen Welten liegt und dass sich dieses Tor für immer verschliessen kann. 
Olga Tokarczuk kämpft mit ihrem Schreiben dafür, dass sich mit den Katastrophen der Neuzeit die Tore zu ganz vielen Welten nicht verschliessen.

Und dabei nimmt sich Olga Tokarczuk selbst nicht wichtig. Sie ist und bleibt bescheiden und durch die Verleihung des Nobelpreises wahrscheinlich nicht in allen Belangen gut bedient. Das zeigt der vom Kampa Verlag selbst verfasste Text «Eine kleine Chronologie rund um die Literaturnobelpreisverleihung». Der Nobelpreis brach wie eine Tsunamiwelle in das Leben der Autorin ein. Aber weil Olga Tokarczuk Olga Tokarczuk ist, wird sie dadurch den Blick von oben auf das Ganze ebenso wenig verlieren, wie ihre Bodenhaftigkeit.

«Der liebevolle Erzähler» ist ein perfekter Einstieg in den Kosmos Olga Tokarczuk!

© Łukasz-Giza

Olga Tokarczuk, 1962 im polnischen Sulechów geboren, studierte Psychologie in Warschau und lebt heute in Breslau. Sie zählt zu den bedeutendsten europäischen Autorinnen der Gegenwart. Ihr Werk wurde in 37 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Für «Die Jakobsbücher», in Polen ein Bestseller, wurde sie 2015 (zum zweiten Mal in ihrer Laufbahn) mit dem wichtigsten polnischen Literaturpreis, dem Nike-Preis, ausgezeichnet und 2018 mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis. Im selben Jahr gewann sie ausserdem den Man Booker International Prize für «Unrast», für den sie auch 2019 wieder nominiert war: Ihr Roman «Der Gesang der Fledermäuse» stand auf der Shortlist. 2019 wurde Olga Tokarczuk mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Zum Schreiben zieht Olga Tokarczuk sich in ein abgeschiedenes Berghäuschen an der polnisch-tschechischen Grenze zurück.

Lisa Palmes, 1975 geboren, 1995–1996 Studium der Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft in Wien, 1996–2001 Ausbildung zur Friseurin und anschliessende berufliche Tätigkeit in Wien und Berlin, 2001–2007 Studium der Polonistik und Germanistischen Linguistik in Berlin und Warschau. Seit Ende 2008 freiberufliche Übersetzerin für polnische Literatur, 2013 Mitorganisatorin der Gesprächsreihe mit polnischen Reportagenschreibern „Reportagen ohne Grenzen“ in der deutsch-polnischen Buchhandlung Buchbund in Berlin.

Beitragsbild © Łukasz-Giza

Risse in der Idylle; Krimilesung von Sandra Hughes an der Kulturnacht Amriswil

«Spätestens wenn man sie nicht mehr hat, merkt man, wie wichtig sie ist.» Das gilt auch für Kultur – oder erst recht. Und es braucht schon eine ordentliche Portion Mut und Aufwand, in diesen Zeiten eine Kulturveranstaltung zu organisieren, die einen ganzen Ort mitnehmen soll. Die kleine Stadt Amriswil im Herzen des Thurgaus trotzte allen Ängsten und lud ein zur 2. Amriwiler Kulturnacht.

«Es war eine Meister- und Monsterleistung wie die verschiedenen Plattformen sich engagiert und organisiert haben. Es war eine Stimmung der Superlativen, alle haben sich gegenseitig geholfen, waren dankbar für die Durchführung, bereicherten sich an der kulturellen Vielfalt, waren berührt und begeistert von Begegnungen. Und auch das wunderbare Herbstwetter hat zum Geniessen eingeladen. Endlich wieder Leben mit Kultur!», schrieb die OK-Präsidentin und Stadträtin Madeleine Rickenbach in einer Mail an all jene, die sich in die Liste der VeranstalterInnen eingeschrieben haben.

Als ich zusammen mit der Schriftstellerin Sandra Hughes über den Marktplatz auf das Pentorama zuging, musste die Schriftstellerin erst einmal stehen bleiben und ihr Handy zücken, um ein Foto von dem Veranstaltungsort zu schiessen. «Das glaubt mir kein Mensch!» Wenige Wochen vor der Durchführung der Kulturnacht hatte man uns am ursprünglichen Ort «ausgeladen», weil eine coronakonforme Durchführung einer Lesung nicht gewährleistet werden konnte. So verschob man kurzerhand ins Pentorama, in eine Halle, die voll mehrere tausend BesucherInnen fassen kann. Eine Krimilesung in einer Halle? Würde das gut gehen?

Es ging gut. Auch wenn sich der Ansturm auf die Lesung in Grenzen hielt, war doch die Konkurrenz von Dutzenden anderer Veranstaltungen im Ort gross, vielfältig und potent. Sandra Hughes nahm die Lauschenden mit nach Meride in die Pastamanufktur der Familie Savelli ,einer alteingesessenen Pastadynastie im Ort. Eine kleine Fabrik mit langer Tradition, eine Perle im Ort am Fusse des Monte San Giorgio, Weltkulturerbe und weit herum bekannt für seine prähistorischen Fossilienfunde. Die junge Kindergärtnerin Stefanie Schwendener wird eines Morgens vom alten Patron der Pastamanufaktur tot im Kühlraum der kleinen Fabrik gefunden. Eine Katastrophe für die Familien, jene des Opfers, die der Manufaktur und fürs Dorf, das sich in Schockstarre befindet.

Sandra Hughes neues Ermittlerduo, die eigenwillige Emma Tschopp aus der Region Basel und der Tessiner Commissario Bianchi, wird auch in weiteren Krimis gemeinsam ermitteln. Die Fährte ist gelegt!
Eine gelungene Lesung vor aufmerksamem Publikum. Ein angeregtes Gespräch über menschliche Abgründe und das Glück des Schreibens. Vielen Dank an Sandra Hughes und die Gäste im Pentorama!

Rezension von «Tessiner Verwicklungen» auf literaturblatt.ch

alle Fotos © Bettina Schnerr

Sandra Hughes «Tessiner Verwicklungen», Kampa Krimi

Eine junge Tote in einer Pastafabrik. An einem Ort im pittoresken Tessin, der sonst nur mit Idylle verbunden wird. Emma Tschopps Einstieg als Ermittlerin in der Welt von JägerInnen und Gejagten! Ein Verbrechen im Schatten einer steinernen Familiengeschichte? Ein Verbrechen aus der Vergangenheit? Sandra Hughes überzeugt mit ihrem ersten Krimi, schält ganz langsam, ganz genüsslich bis an den „Kern einer faulenden Zwiebel“.


Wenn es in Krimis darum geht, Ordnung zu machen, einen Fall zu lösen, dann mag ich dieses Genre nicht. Selbst wenn die Handlung, die Verstrickungen noch so verwirrlich sind und Autorin oder Autor sich bemüht, mir die Hauptperson nahe zu bringen – es bleibt ein schales Gefühl. Eben dieses schale Gefühl einer vorgegaukelten Ordnung, einer Ordnung, die es nicht gibt, einer Gerechtigkeit, die es nicht gibt. Denn selbst wenn eine Täterin oder ein Täter überführt, verurteilt und hinter Gittern ist, bleibt die Wunde offen. Verbrechen bleiben, Verletzungen bleiben, selbst wenn sie unsichtbar sind, selbst wenn sie vernarben, selbst wenn sie bezeugt sind.

In Sandra Hughes erstem Krimi sagt die Vermittlerin Emma Tschopp ganz am Schluss: „Mein ganzes Arbeitsleben lang kämpfe ich schon für die Gerechtigkeit. Aber es gibt keine.“ Darüber liesse sich abendfüllend diskutieren. Vielleicht gibt es eine Gerechtigkeit für die Gesellschaft. Aber mit Sicherheit keine für Opfer und TäterInnen. Opfer bleiben Opfer, erst recht, wenn ein Mensch sterben musste. Noch viel mehr, wenn das Opfer wie im Krimi von Sandra Hughes ein mehr oder weniger zufälliges ist. Auch für TäterInnen, denn selbst dann, wenn Haftstrafen nach ihrer Dauer und Geldstrafen in ihrer Höhe messbar sind, ist es für Aussenstehende sehr oft nicht nachvollziehbar, das die einen für Jahrzehnte weggeschlossen werden und andere auf Bewährung frei bleiben.

Sandra Hughes «Tessiner Verwicklungen», Kampa Krimi, 2020, 224 Seiten, CHF 21.90, ISBN 978-3-311-12013-1

Emma Tschopp, einundfünfzig, alleinstehend und kinderlos, Kriminalpolizistin bei der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft versucht mit ihrem Labrador Rubio und ihrem gelben Campingbus an einem Waldrand ein paar Kilometer von Meride, einem Tessiner Bilderbuchdorf, Ferien zu machen. Jene dreiundzwanzig Tage Ferienguthaben, die ihr zustehen und die entfallen, wenn sie nicht in diesem Jahr eingelöst werden. Aber weil eine Kriminalbeamtin auch in den Ferien Kriminalbeamtin bleibt, wird sie von ihren Tessiner Kollegen um Unterstützung gebeten, weil das Opfer wie Emma Tschopp aus dem Umland von Basel stammt.

Und das Opfer? Stefanie Schwendener war wenig über zwanzig. Eine junge Kindergärtnerin, die alle mochten, die im Tessin einen unbezahlten Urlaub machte, nachdem sie von einem Aufenthalt zuvor schon hingerissen war von einer neuen Welt, einer neuen Aufgabe. Sie bewohnte eine kleine Wohnung in Meride und bot Führungen an in der Pastamanufaktur der Familie Savelli im Ort. Eine kleine Fabrik mit langer Tradition, eine Perle im Ort am Fusse des Monte San Giorgio, Weltkulturerbe und weit herum bekannt für seine prähistorischen Fossilienfunde. Stefanie Schwendener wird eines Morgens vom alten Patron der Pastamanufaktur tot im Kühlraum der kleinen Fabrik gefunden. Eine Katastrophe für die Familien, jene des Opfers, die der Manufaktur und für das Dorf, das sich in Schockstarre befindet. Ein Fall, bei dem nichts zu greifen scheint und die Polizei unter dem Tessiner Commissario Bianchi an ihre Grenzen kommt. Ein Fall, an dem sich auch Emma Tschopp anfänglich die Zähne ausbeisst, weil wie immer alles in die Irre führt, was offensichtlich scheint.

Sandra Hughes sticht mitten hinein. Seien es verkrustete Familienverhältnisse, Geheimnisse, die nie an die Oberfläche kamen, aber über Jahrzehnte ihren Modergeruch verbreiteten. Hinein in Fassaden, hinter denen sich Abgründe auftun, nicht nur in Familien, sondern in Strukturen, die nach Aussen nur Gutes propagieren. So wie die barmherzigen Schwestern von Ballenmoos, die ein Kinderheim führen und über Jahrzehnte mit mehr als fragwürdigen Methoden das Leben von Kindern brachen. Eine Geschichte, die im Roman fiktionalisiert ist, aber im vergangenen Jahrhundert nicht bloss einmal Realität und Skandal war.

Emma trifft sich im Tessin manchmal mit Karin, auch einer, die sich im Kanton auf der anderen Seite der Berge ein Stück Paradies zu bauen scheint. Emma hilft Karin beim Erstellen eines Mosaiks vor dem Eingang zu ihrem Grotto. Ein Labyrinth, das von innen nach aussen gelegt wird, in entgegengesetzter Richtung zum eigentlichen Weg durch ein Labyrinth. Sandra Hughes bedient sich noch anderer starker Bilder; wenn die Tote dort gefunden wird, wo Hartweizengries und Wasser zu einer klebrigen Masse verrührt werden, einem Teig, der sich zu einem Genussmittel verwandelt.

Sandra Hughes erster Krimi ist ein gelungenes Stück Literatur, das weit mehr ist als Strandfutter oder buchgewordener Fastfood. Hintergründig und faszinierend konstruiert mit einer Ermittlerin, die für einmal nicht den gängigen Klischees entspricht, die KimiautorInnen gerne anzapfen, wenn es darum geht, einen neuen „Schnüffler“ zu kreieren.

Die Lesung von Sandra Hughes anlässlich der 2. Kulturnacht Amriswil entstand in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Thurgau.

© Sven Schnyder

Sandra Hughes, geboren 1966, wuchs in Luzern auf und lebt mit ihrer Familie in Allschwil bei Basel. Mit der Polizistin Emma Tschopp teilt sie die Vorliebe für Bistecca (saignant) und Blauschimmelkäse. Bisher schrieb sie Romane für Erwachsene und eine Geschichte für Kinder: «Lee Gustavo» (2006), «Maus im Kopf» (2009, Limmat Verlag), «Zimmer 307» (2012, Dörlemann Verlag) und «Fallen» (2016, Dörlemann Verlag), «Das Dach» (2019, SJW). 2013 erhielt sie den Kulturpreis des Kantons Basel-Landschaft für Literatur, 2017/2018 das Atelierstipendium der Landis & Gyr Stiftung für Schweizer Kulturschaffende in London.

Sandra Hughes «Das Dach», sjw, 2019, 34 Seiten, ISBN 978-3-7269-0206-3

PS: «Das Dach» von Sandra Hughes ist ein wunderbares SJW-Heft für Kinder, die schon gut lesen können und Erwachsene, die gerne mit der Fantasie einer Schriftstellerin durchbrennen. Paul ist 11 und wohnt ganz oben im 8. Stock. Durch Zufall zeigt ihm der Fahrstuhl im Haus, dass es einen Weg aufs Dach gibt, in eine Welt, die den Erwachsenen verborgen bleibt!

direkt beziehen bei sjw.ch

Peter Bichsel im Gespräch mit Sieglinde Geisel «Was wäre, wenn?», Kampa

Heute feiert Peter Bichsel, der «Grand Old Man der Schweizer Literatur», seinen 85. Geburtstag. Alle, die lesen, gratulieren! Alle, die nicht lesen, haben zu viele Geschenke versäumt. Aber die Tür ist nicht zugeschlagen. Wer das Buch von Sieglinde Geisel liest, das sich ganz eng an die aufgezeichneten Gespräche mit Peter Bichsel hält, betritt den feinen, klugen und mit viel Leidenschaft besetzten Kosmos eines grossen Schriftstellers, der sich seines Erfolgs beinah zu schämen scheint.

Man sieht ihn jedes Jahr an den Solothurner Literaturtagen. Kein Wunder, seine Schreibstube ist in unmittelbarer Nähe und sein Stammlokal in Solothurn für die Dauer der Literaturtage der heimliche Mittelpunkt des Geschehens. Kein Wunder, denn Peter Bichsel ist einer der Gründerväter der Solothurner Literaturtage, die seit 1979 alljährlich stattfinden. Wenn man ihn bei schönem Wetter auf den Bänken vor dem «Kreuz» sitzen sieht, dann ist es ein Familientreffen. All die Kinder und Kindeskinder der Literatur scharen sich um den Dichterfürsten, der einem wie kein anderer das Gefühl gibt, dass Literatur Leben ist, dass Literatur Politik ist, dass Literatur Schule ist, dass Literatur Genuss ist, dass Literatur Gemeinschaft bedeutet, auch wenn Schreiben und Lesen meist Tätigkeiten der Stille und Zurückgezogenheit sind.

«Gute Geschichten sind immer tröstlich.»

Sieglinde Geisels Buch «Was wäre, wenn?» ist das Resultat vieler Gespräche zusammen mit Peter Bichsel, in seinem Arbeitszimmer in der Solothurner Altstadt oder bei Peter Bichsel zuhause. Sorgfältig transkribiert, aufgelockert mit Anekdoten. Und genau diese Nähe macht den Wert dieses Buches aus. Wer Peter Bichsel kennt, hört den Sound seiner nasalen Stimme, darf sich als schweigender Zuhörer mit an den Tisch setzen. Wer Peter Bichsel nicht kennt, dem offenbart sich ein Schriftsteller, dessen Kunst sich durch sein ganzes Wesen zieht, sein Denken, seinen Blick. Dem offenbaren sich die Gründe, warum es Peter Bichsel gelungen ist, sich in den Jahrzehnten als Kolumnist und Geschichtenschreiber ins Bewusstsein einer ganzen Nation geschrieben zu haben. Nicht mit beissender Kritik, nicht mit scharfer Zunge, nicht mit Intellekt und dem Bewusstsein dem grossen Rest der Welt etwas voraus zu haben, sondern mit «urschweizerischer» Bescheidenheit, klugem Witz, träfem Schalk und in vielen Bereichen fast kindlicher Unvoreingenommenheit.

«Lesen ist nicht nützlich, und Schreiben ist auch nicht nützlich.»

Peter Bichsel schafft, was kaum einem Autor sonst gelingt. Obwohl er seit Jahren von sich sagt, er habe das Schreiben aufgegeben, erscheint bei Suhrkamp ein dickes Buch («Auch der Esel hat eine Seele – Frühe Texte und Kolumnen 1963-1971«) und bei Kampa dieses wunderbare Gesprächsporträt. Man wird ihn mit Recht feiern als einer der Grossen der deutschsprachigen Literatur, obwohl er von sich selbst sagt, er sei mehr Sentimentalist als Schriftsteller und: «Ich schreibe, weil ich es nicht kann. Schreiben hat mit Können nichts zu tun, es ist ein andauerndes Umgehen mit dem Nicht-Können.» Eine Aussage, die nichts mit Koketterie zu tun hat, sondern damit, dass Peter Bichsels Schreiben nie Selbstzweck oder Resultat von Selbstliebe und Selbstverzückung war, sondern Resultat einer unmittelbaren Auseinandersetzung.

«Einsam ist man, wenn am keine Geschichten mehr zu erzählen hat.»

Ich habe schon oft den Geschichten des bescheidenen Meisters gelauscht. Einmal besuchte ich eine Lesung im Literaturhaus Thurgau. Der Raum im Dachgeschoss war bis in den letzten Winkel gefüllt, das Publikum erstaunlich gemischt. Meine jüngste Tochter, damals noch nicht zwanzig, begleitete mich, weil ich ihr kurz zuvor ein Buch von ihm geschenkt hatte. Sie ging nach der Lesung zusammen mit mir nach vorne an den Tisch, an dem er fast bewegungslos gelesen hatte, in der Hoffnung, er würde uns unsere Bücher signieren. Und weil Peter Bichsel Peter Bichsel ist, schaute er meine Tochter erst eine Weile an, um dann, nach der Bemerkung, ob das Buch denn wert genug sei, es durch sein Gekritzel zu verschandeln, sich mit aller Sorgfalt an seine Signatur zu machen, eine die seit Jahrzehnten immer gleich aussieht, vielleicht wie eine Blume – eben ein Geschenk!

Ich gratuliere Peter Bichsel von ganzem Herzen. Nicht für die 85 Lebensjahre, sondern für die vielen Geschenke, die er in diesen Jahren machte, mir dem grossen Bewunderer und allen, denen Peter Bichsel zur Identifikationsfigur wurde, auch darum, weil in seinem Tun, in seinem Schreiben immer eine Portion Subversivität mitschwingt. DANKE!

«Jedes Erzählen ist eine Bitte um Geliebtwerden.»

Sieglinde Geisel, 1965 in Rüti im Kanton Zürich geboren, lebt als Kulturjournalistin in Berlin. Sie arbeitet u. a. für Deutschlandfunk Kultur, NZZ am Sonntag, WOZ, Süddeutsche Zeitung und ist Dozentin für Schreibwerkstätten (Freie Universität Berlin, Universität St. Gallen). 2016 hat sie das Online-Literaturmagazin tell (www.tell-review.de) gegründet. Buchveröffentlichungen: «Irrfahrer und Weltenbummler. Wie das Reisen uns verändert» (2008), «Nur im Weltall ist es wirklich still. Vom Lärm und der Sehnsucht nach Stille» (2010).

Webseite Sieglinde Geisel

Beitragsbild © Lea Frei

Tim Krohn «Der See der Seelen», Kampa

Vielleicht ist es die Sehnsucht nach dem Unerklärbaren, dem Mythischen, jenen Kräften in der Natur, die einem verblüffen. Vielleicht ist es die Faszination des Sagenhaften, des nur schwer Erklärbaren. Aber vielleicht die Art des Erzählens, dass da einer mit geschmeidiger Sprache und Stimme ganz nah an die Urthemen allen Denkens und Handelns kommt. «Der See der Seelen» ist ein Geschenk!

Schon in seinen früheren Büchern, allen voran «Quatemberkinder» oder «Vrenelis Gärtli», zeigte der umtriebige Schriftsteller Tim Krohn seine Nähe zur Sagenwelt. Und genauso sind in seiner neuen «Alpensaga» Geschichte, Landschaft und Figuren nicht bloss Kulisse und Personal, denn «Der See der Seelen» spielt mit der Klangfarbe jener Geschichten, die das Unerklärliche erklären wollen, dem Ton, ohne in einen antiquierten Singsang zu verfallen. «Der See der Seelen» beschäftigt sich auf 80 Seiten mit den grossen Themen des Lebens; Familie, Liebe, Freundschaft, Tod, zeitlos, in ein Szenario eingebettet, das aus der Zeit gefallen scheint, nicht abgehoben, aber entrückt, nicht weltfremd, aber vielleicht zivilisationsfremd. Vielleicht steckt hier eine der vielen Gründe meiner Faszination; die Sehnsucht nach dem Urtümlichen, dem Nicht-Technisierten, dem einzig von den Naturgewalten Abhängigen.

Niculina lebt mit ihren Eltern auf einem kleinen Hof in den Bergen. Das Leben im Dorf ist hart, die Existenz der Familie von vielem bedroht. Nicht zuletzt von der Krankheit der Nona, Niculinas Grossmutter, die im gleichen Dorf lebt und sich die Medizin, die sie bräuchte, nicht mehr kaufen will und kann. Niculina treibt jeden Morgen die Ziegen hinauf auf die Weiden über dem Dorf. Dort trifft sie Ladina, ihre Freundin, und seit diesem Sommer Peider, den Sohn des einzigen Kaufmanns im Dorf. Peider muss keine Ziegen hüten. Er hütet sein Giki Gäki in seinem sagenhaften Buch, dessen Erklärungen er den Mädchen wie die Wahrheit verkauft. Für Niculina, die durch die Krankheit der Grossmutter, durch den drohenden Tod und die Geheimnisse, die in der Natur verborgen sind nach Antworten sucht, macht sich auf, um im See der Seelen das Lebenswasser zu finden, jenes Wasser, das die Grossmutter unsterblich machen soll. Von geheimnisvollen Doppelwesen geführt bis ins Wolfstal in eine geheimnisvolle Höhle unter dem Piz Spiert.

«Der See der Seelen» ist das Schwesterbuch seiner 2010 bei Galiani erschienen Bergnovelle «Der Geist am Berg». Schon damals spielte die Geschichte an den Flanken der selben Berge. «Der See der Seelen» bezaubert in vielerlei Hinsicht. Geschichte und Sprache vereinen sich zu einem Kunstwerk. Und dass dem Kampa Verlag so viel daran lag, aus diesem Büchlein ein wahres Kleinod zu gestalten, freut den Büchernarren ganz besonders. «Der See der Seelen» erwärmt die Seele!

© Susanne Schleyer

Tim Krohn, 1965 in Nordrhein-Westfalen geboren, wuchs ab seinem zweiten Lebensjahr in der Schweiz im Glarnerland auf und wohnte danach gut zwanzig Jahre lang in Zürich. Inzwischen lebt er mit Frau und Kindern in Santa Maria Val Müstair. Er ist freier Schriftsteller. Er schrieb unter anderem die Romane, z. B. «Quatemberkinder» (1998) oder «Vrenelis Gärtli» (2007), Erzählbände, Theaterstücke und zuletzt die Romane „Herr Brechbühl sucht eine Katze“, „Erich Wyss übt den freien Fall“ (beide 2017), «Julia Sommer sät aus» (2018) und neu bei Kampa die Krimis «Engadin Abgründe» (2018) und «Endstation Engadin» (2019) unter dem Pseudonym Gian Maria Calonder.

Webseite des Autors

Zudem betreibt der Autor zusammen mit seiner Frau und Schriftstellerin Micha Friemel das Haus Parli, ein Schreibort, ein Ort für den kreativen Rückzug, eine Oase der Stille, für (fast) alle offen.

«Bäcker am Ofenpass» eine Geschichte auf gegenzauber.literaturblatt.ch von Tim Krohn

Rezension von «Herr Brechbühl übt den freien Fall» auf literaturblatt.ch

Beitragsbild © Sandra Kottonau

Sonja M. Schultz «Hundesohn», Kampa

Während sich heute Helikoptereltern um die verkannte Hochbegabung ihrer Kinder sorgen und sich Erwachsene unter fachkundiger Leitung gegen teures Kursgeld auf dicken Matten balgen, war und ist das Leben an anderen Orten, die sich nicht einmal einen Steinwurf davon befinden, ein Kampf ums nackte Überleben. „Hundesohn“ ist die Geschichte eines solchen, träf und mit mitreissendem Sound geschrieben, leidenschaftlich und wuchtig!

Sonja M. Schultz macht Musik. Nicht nur wenn sie singt (davon kann man sich unter ihrer Website überzeugen), auch wenn sie schreibt. Und dabei hat ihr erster Roman derart viel Zug, Witz und Gespür, dass „Hundesohn“ vieles vereint: Er ist voller geladener Action, in denen sich die Dinge in Zeitlupe überstürzen und ineinander verhaken, holzschnittartig gezeichnet, wenn die Protagonisten wie Archetypen aus der Geschichte in den Vordergrund treten, eine Achterbahnfahrt, wenn ich als Leser erneut in einen Abgrund gestossen werde, von dem ich nicht weiss, ob es ein Auftauchen gibt.

Herbert nennt sich Hawk, hat den Namen seines Vaters abgelegt, verscharrt und begraben, als er mit fünfzehn von zuhause ausriss, weg von einem Vater, der seine Deutschen Schäfer in den Zwingern besser behandelte wie seinen für ihn missratenen Sohn – einen Hundesohn. Hawk wie seine Mutter, die mit den amerikanischen Besatzern als Schreibkraft hängenblieb und froh war, nicht wieder in die Einöde von Kansas zurückkehren zu müssen.

Hawk kommt nach drei Jahren Gefängnis frei, entschlossen, seinem Leben endlich eine Richtung zu geben, aufzuräumen, Oberwasser zu gewinnen. Aber kaum in der Spur zündet man Miss Stetson an, die Verkörperung dessen, was ein Anfang hätte sein können, mit allem drin, ausser der letzten Versicherung, die im Schliessfach einer Bank lagert. Miss Stetson, wohl in die Jahr gekommen, aber ein echter Alfasund Sprint. Die Polizei behandelt Hawk wie Dreck, ebenso Lu, die in ihrer Bar Les fleurs du mal hinter den Tresen steht und doch einmal seine Braut war, die ganze Welt, denn als er ins Treppenhaus zu seiner Wohnung ganz oben steigt, verrät der Dunst von Benzin und weisse Federn im Treppenhaus, dass oben nichts ist, wie es sein sollte. Seine Wohnung verwüstet, im Sofa steckt ein Messer, mit dem man ‚Bastard‘ in die Polster schnitt.

Die Rache aus der Hamburger Unterwelt? Der lange Arm derer, für die er jahrelang gedient hatte, die Hoffnung auf ihn gesetzt hatten, für die er im ganzen Land herumgekarrt war, den Stoff fliessen liess? Hawk tappt im Dunkeln, weiss nicht, wie ihm geschieht, wie ihm geschah, als Lu ihm den Laufpass gab, wie ihm geschah, als das Leben an der kurzen Leine seines Vaters unerträglich wurde, wie ihm geschah, als man ihn einbuchtete, zuerst im Heim und dann im Knast, wie ihm geschieht, als man ihn krankenhausreif schlägt und er sich bloss mit einem Leintuch bedeckt vor dem Schläger mit Helm und schwarzer Ledermontur retten kann.

„Hundesohn“ ist eine Irrfahrt durch ein verkorkstes Leben, die Geschichte eines Mannes, der nie Schlechtes, nie Böses will, dem es aber nie gelingt, aus einer Spirale von Gewalt, Unglück, Naivität und grossen Träumen herauszuspringen. Das Pech klebt am Leben, nicht nur an seinem, auch an den Leben jener, die untrennbar mit ihm verbunden sind. „Hundesohn“ erzählt von den Nachkriegsjahren in der Abgeschiedenheit eines stämmigen Kriegers aus dem versunkenen Traum eines Tausendjährigen Reiches, der in der verwundeten Pampas weit weg von allem das versucht, was Familie sein soll, bis in den Kietz im Sommer 1989, kurz vor der Wende, von Aufbruch zu Aufbruch.

Sonja M. Schultz erzählt ihren Roman, als würde sie durch den Sucher einer Superacht-Kamera sehen. Ihre Schreibe ist fast dokumentarisch, tief eingetaucht in die Gerüche, den Mief jener Zeit. Grossartig erzählt, von umwerfender Wahrhaftigkeit!

© Sonja M. Schultz

Ein Interview mit Sonja M. Schultz:

Hawk ist ein Looser, und doch nicht nur in seinem Kern „ein guter Mensch“. Beschreiben sie in ihrem Roman eine Welt, die den Schwächeren frisst? Trotz ungebrochenem Lebenswillen, Muskelpaketen und Schlauheit reicht es ihm doch nicht, sein Leben in den Griff zu bekommen. Sehnen wir uns nicht nach Siegern?

Siegende Helden sind langweilig. Dennoch ist die Sehnsucht nach Siegern und starken Helden das Fatale, die grosse Versuchung für uns widersprüchliche, verletzliche, ins Leben geworfene Wesen mit wackeligen Selbstbildern. Hawk hat mit den in ihn eingepflanzten Ideologien von „Härte“ und „Männlichkeit“ zu kämpfen, die ihm den Horizont und das Gefühl vernebeln. Ich hoffe und glaube, er bleibt sympathisch, weil seine Gedankenwelt so durchsichtig, sein Wunsch, Stärke zu zeigen, zum Scheitern verurteilt und auch berührend ist. Weil sein kindliches Selbst immer durchscheint. Weil er nichts schnallt, aber untergründig so viel Potential hätte, empathisch und emotional intelligent zu sein. Hätte Hawk Fussnoten, würden da die Theweleit’schen „Männerphantasien“ auftauchen. Die sind historisch, beschreiben aber nach wie vor auch Teile unserer gegenwärtigen Welt.

Sie sind 1975 geboren. Ihr Roman spielt nach dem Krieg bis 1989, kurz vor der „Wende“. „Damals“, in der ersten Erzählebene des Romans, waren sie 13, haben Telefone mit gekringeltem Kabel, Kassettenrekorder und den Alfasund noch erlebt. Und doch ist jene Zeit im Vergleich zu heute in vielem fast „prähistorisch“, nur schon angesichts der globalen Probleme, die sich uns stellen. Wie tief mussten sie recherchieren? Wie weit vertrauten sie den Bildern in ihrem Innern?

Ich fand es befreiend, von einer Zeit ohne Mobiltelefon, Internet und Datenüberforderung zu erzählen, und es hat Spass gemacht, eigene Erinnerungsbilder und Stimmungen unterzubringen – aber auch biografische Schnipsel anderer Leute. Bilder unserer Vergangenheit sind ja in irgendwelchen Schichten des Hirns sehr präsent und erzeugen beim Hervorholen einen merkwürdigen nostalgischen oder gruseligen Kitzel. Ich habe aber auch jedem Bild hinterherrecherchiert: Wie war das mit den Sirenentests am Wochenende? Wie sahen diese Oldschool-Telefone aus? Was genau war im Care-Paket meiner Mutter? Ich weiss noch: Trabis auf der Reeperbahn. 

„Hundesohn“ bezieht sich auch auf den Vater des Protagonisten Hawk, einen Veteranen aus dem Grossen Krieg, einem, dem Härte und eiserne Konsequenz in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ein Prinzip, das im Umgang mit Hunden klappt, aber nicht in einer Ehe und schon gar nicht in der Erziehung. Hawks Kindheit steht im krassen Gegensatz zu vielen heutigen Erziehungsprinzipien, Stichwort Helikoptereltern. Ihr Roman besticht ebenfalls durch „letzte Konsequenz“ – bis zum Schluss. Drängte sich das auf?

Ich weiss nicht, ob ich die Frage verstehe – was ist die „letzte Konsequenz“? Aber interessiert hat mich die intergenerationell weitergegebene Unfähigkeit zu kommunizieren, und mit den eigenen Emotionen umzugehen. Diese verknöcherte, immer weiter fortgepflanzte (oft männliche) Wut. Der diffuse Frust. Die blockierten Körper. Die Helikoptereltern – sind die nicht möglicherweise auf eine kleine, sehr schichtabhängige Blase beschränkt? Und die emotionale Verpanzerung und Unsicherheit ist immer noch am prägendsten für die meisten Menschen? 

Es spielen die wilden 60er und 70er mit, der Kietz, die Unterwelt, das Drogenmilieu. Sie verstehen die Sprache, haben den Sound in sich, den Ton. Ich rieche den Siff, wenn ich lese. Alles wirkt erstaunlich authentisch, auch ihre Schilderungen einer männlichen Innenwelt. Da reicht Recherche nicht. Haben sie in Lokalen in St. Pauli geschrieben? Sich mit dem Sound der Zeit berieselt? Filme aus der Zeit geschaut? Séancen mit Rainer Werner Fassbinder abgehalten?

© Sonja M. Schultz

All das habe ich getan. Wobei das Gespräch mit Fassbinder nicht so ergiebig war, da war, glaube ich, Kokain im Spiel. Aber die Recherchen haben mir unglaubliche Freude bereitet, besonders das Eintauchen ins historische St. Pauli über Fotobände (Anders Petersen), Interviewsammlungen (Hubert Fichte), Filme (Klaus Lemke), linguistische Untersuchungen (Klaus Siewert), um nur einige zu nennen. Auf dem Papier habe ich ein Faible für Siff. Die Reeperbahn ist mir einigermaßen vertraut, weil ich in der Nähe aufgewachsen bin (Schleswig-Holstein), und sie für mich schon, als ich noch Kind war, eine grosse Selbstverständlichkeit hatte. Männliche Innenwelten, behaupte ich, sind mir auch vertraut. Und ich habe Boxunterricht genommen.

Hawk ist einer, der mit sich und seiner nächsten Umgebung zu kämpfen hat. Was in der Welt geschieht, in Zeitungen steht oder auf der Mattscheibe vorgehalten wird, berührt ihn nur am Rande. Das spiegelt sich auch in der Gegenwart, einer Zeit, in der sich viele kaum mehr für tiefere Zusammenhänge interessieren, weil sie zu sehr mit sich und ihrem ganz eigenen Kampf beschäftigt sind. Da sind doch Parteien, die schimpfen und pöbeln, die verurteilen und kategorisieren genau das Richtige? Schreiben sie in zwanzig Jahren einen Roman über einen kahlrasierten, tätowierten Aufrechten aus dem Jahr 2019, der seinen Sohn Adolf tauft? Die Literatur scheint sich bisher nicht in dieses Minenfeld zu trauen.

Aber war es nicht immer so? Gut, die Welt ist vernetzter, dadurch komplexer geworden und global in ihren Grundfesten bedroht, was aber mental – ausser bei den jüngsten Generationen – noch nicht angekommen zu sein scheint. Ich habe mich in meinem Leben so lange mit Holocaust und Nationalsozialismus beschäftigt, dass ich das eigentlich nie mehr tun wollte. Aber natürlich geht das Thema nicht weg, in mir auch nicht. Vorsatz: In zwanzig Jahren möchte ich bitte ein hundertseitiges Poem verfassen, das alle in Lust, Ekstase und weltumspannende Harmonie versetzt. Oder nicht?

© Maurus Knowles

Sonja M. Schultz, geboren 1975, wuchs im Hamburger Umland auf und studierte Theaterwissenschaften und Kulturelle Kommunikation in ihrer Wahlheimat Berlin. Sie schreibt über Film und Geschichte («Der Nationalsozialismus im Film. Von Triumph des Willens bis Inglourious Basterds«) und tritt mit Spoken Word auf alternativen Bühnen auf. Mit ihrem Debütroman «Hundesohn» war sie 2017 Stipendiatin der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin.

Buchtrailer

Am 7. November liest Sonja M. Schultz aus «Hundesohn» im Bodmanhaus Gottlieben.

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Sonja M. Schultz

Hansjörg Schertenleib «Die Hummerzange», Kampa

Eigentlich war der Plan, zusammen in Maine den Lebensabend zu verbringen, sie die ehemalige Polizistin Corinna Holder und ihr Mann Michael. Aber nach einem schrecklichen Polizeieinsatz, einem Ausraster und dem plötzlichen Unfalltod ihres Mann ist nichts mehr so, wie es sein sollte.

Eigentlich lese ich keine Krimis. Krimis müssen mir förmlich ans Herz gelegt werden, damit ich zu lesen beginne. Geschichten, bei denen es bloss um ein rätselhaftes Verbrechen geht, in dem genüsslich geschändet und gemordet wird und ich als Leser zum Voyeur werde, interessieren mich nicht. Ebenso wenig die schrulligen Kommissare, die sich nach der Pensionierung in polizeiliche Ermittlungen einmischen und mit markigen Sprüchen den Plot weichklopfen.

Obwohl auch Hansjörg Schertenleibs Krimi Klischees bedient, zolle ich ihm grossen Respekt, denn der Krimi spielt sich viel mehr in und um die Figur der Ermittlerin Corinna Holder ab, als um ein brutales, rätselhaftes Verbrechen.

Corinna Holder ist nach einem traumatischen Polizeieinsatz von der Aargauer Polizei freigestellt. Erst recht, als sie sich in aller Öffentlichkeit von einer Männergruppe provozieren lässt und handgreiflich wird. Seither hat sich etwas in ihr verschoben, noch mehr, weil ihr Mann Michael im Streit um ihre Alkoholprobleme von ihr wegfuhr und im Auto auf der Autobahn den Tod fand. Das Haus in Maine, in das sie sich zusammen mit ihrem Mann einst verliebte, das sie kauften und ausbauen liessen, in dem sie ihren gemeinsamen Lebensabend verbringen wollten, wird zum Fluchtpunkt, zusammen mit Xanax, Psychopharmaka mit grossem Suchtpotenzial, das sie hinter Albert Camus› «Die Pest» im Bücherregal versteckt. Sie ist sich selbst ausgesetzt, ihren Träumen, ihren Ängsten, ihrer Trauer.

Bis sie in einer stillen Bucht beim Schwimmen auf die Leiche eines Ermordeten stösst, der im Wasser treibt, die Griffe einer Hummerzange durch die Augen bis tief ins Hirn gestossen. Sie kennt den Mann. Jeder auf er Insel kennt den Mann; Norman Dunbar, ein Investor und Radikalsanierer in Schieflage gekommener Unternehmen, ein ominöser Geschäftsmann und Frauenverbraucher, einer, dessen Tod auf vielen Wunschlisten ganz oben gestanden hätte. Corinne Holder macht sich an die Ermittlungen, nicht zuletzt darum, weil sie ihrem Leben wieder Richtung geben.

«Die Hummerzange» liest sich bis zur letzten Seite spannend, wie es ein Krimi sein soll. Aber die Geschichte lebt ebenso von der Person, einer Frau, die den Halt, den sicheren Stand verloren hat, die dem Leben nicht mehr traut und schon gar nicht sich selbst. Er lebt vom Lokalkolorit, der nicht aufgesetzt und recherchiert ist. Hansjörg Schertenleib erzählt vom Ort, an dem er mehrere Monate im Jahr lebt, von den Menschen, den Gerüchen, den Dörfern und Felsen dort. Vom Meer, dem Licht und den zwei Seiten einer Insel, die man gerne fotografiert. Handwerklich perfekte Unterhaltung, ein gelungener Versöhnungsversuch für ein von mit sonst so verschmähtes Genre.

Während ich schreibe, sitzt Hansjörg Schertenleib auf Spruce Head Island ebenfalls hinter seiner Tastatur, an seinem neuen, zweiten «Maine-Krimi». Ich freue mich!

Hansjörg Schertenleib, geboren am 4. November 1957 in Zürich, machte die Ausbildung zum Schriftsetzer/Typographen; Besuch der Kunstgewerbeschule Zürich. 1981 zog er ins Künstlerhaus Boswil, arbeitete dort halbtags in der Küche und schrieb sein erstes Buch «Grip». Seit 1982 ist er freier Schriftsteller, 1980 bis 1984 und seit 2016 erneut Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift «orte», von 1984 bis 1989 Mitglied im Vorstand im Schweizerischen Schriftstellerverband. Seit 1985 journalistische Tätigkeit für verschiedene Zeitungen und Magazine, in der Spielzeit 1992/1993 Hausautor am Theater Basel unter Frank Baumbauer. Zwischen 1996 und 2016 lebte er in einem ehemaligen Schulhaus aus dem Jahr 1891 im County Donegal in der Republik Irland, seit 2011 zeitweise in Suhr im Kanton Aargau und seit 2016 auf Spruce Head Island in Maine, USA.

Rezension von «Die Fliegengöttin» auf literaturblatt.ch

Kurzgeschichte «Der Stich» auf der Plattform Gegenzauber

Webseite des Autors

Beitragsbilder © Hansjörg Schertenleib

literaturblatt.ch macht ERNST, 3. Streich

ERNST ist ein unabhängiges Kultur- und Gesellschaftsmagazin für den Mann (und die interessierte Frau). In seinen Reportagen, Portraits und Analysen geht die monothematische Publikation nahe ran und stellt politische und gesellschaftliche Fragen zur Diskussion. In seinen Rubriken analysiert das vierteljährlich erscheinende Magazin mit einer Auflage von rund 3500 Exemplaren insbesondere Gleichstellungs-, Geschlechter- und Familienpolitik.

In der neusten Nummer geht es um «Prokrastination». Was nicht anderes bedeutet als aufzuschieben. «Und so tot dieses Wort auch klingen mag, so lebendig sind seine Geschichten», so Adrian Soller, der Geschäftsführer und Redaktionsleiter.

Natürlich freut mich, dass ich mit einer Rezension wieder mit ERNST mitmischen kann:

Webseite des Magazins 

Mit dem Schriftsteller Hansjörg Schertenleib am Tisch

Am Mittwoch, den 13. Februar las und diskutierte Hansjörg Schertenleib mit Gästen am Esstisch an der St. Gallerstrasse in Amriswil über seine Novelle «Die Fliegengöttin». Bei Wein, Käse, Brot und mehr waren Büchermenschen eingeladen, mit dem Autor über sein Buch, das Schreiben, Literatur und das Leben als Schriftsteller zu diskutieren.

«Wir Leser werden weniger, jeden Tag weniger, wer dies bestreitet, lügt sich in die eigne Tasche, färbt schön; wieviele Tage fehlen, bis wir in naher Ferne ein Zirkel sein werden, der sich im Geheimen trifft und austauscht, so, wie es heute schon regelmässig im Hause Frei-Tomic geschieht, wo sich an einer reich gedeckten Tafel Leserinnen und Leser treffen und tun, was viele heute nicht mehr schaffen, es sei denn im trügerischen Schutz der sozialen Medien, nämlich miteinander zu reden, sich auszutauschen, von Angesicht zu Angesicht, gemeinsam zu lachen, zu trinken und zu essen, sich beizupflichten oder mit Respekt zu widersprechen, gar zu streiten. Ein Wunder, das sich Dank Gallus und Irmgard ereignet. Schön, mit Gallus einen Bruder im Geiste zu wissen, einen Verbündeten, der wie ich nicht leben kann und will ohne Bücher, ohne Geschichten, einen, der wie ich brennt für die Literatur. Danke, durfte ich Platz nehmen an besagter Tafel und meine Novelle zur Diskussion stellen.» Hansjörg Schertenleib