Risse in der Idylle; Krimilesung von Sandra Hughes an der Kulturnacht Amriswil

«Spätestens wenn man sie nicht mehr hat, merkt man, wie wichtig sie ist.» Das gilt auch für Kultur – oder erst recht. Und es braucht schon eine ordentliche Portion Mut und Aufwand, in diesen Zeiten eine Kulturveranstaltung zu organisieren, die einen ganzen Ort mitnehmen soll. Die kleine Stadt Amriswil im Herzen des Thurgaus trotzte allen Ängsten und lud ein zur 2. Amriwiler Kulturnacht.

«Es war eine Meister- und Monsterleistung wie die verschiedenen Plattformen sich engagiert und organisiert haben. Es war eine Stimmung der Superlativen, alle haben sich gegenseitig geholfen, waren dankbar für die Durchführung, bereicherten sich an der kulturellen Vielfalt, waren berührt und begeistert von Begegnungen. Und auch das wunderbare Herbstwetter hat zum Geniessen eingeladen. Endlich wieder Leben mit Kultur!», schrieb die OK-Präsidentin und Stadträtin Madeleine Rickenbach in einer Mail an all jene, die sich in die Liste der VeranstalterInnen eingeschrieben haben.

Als ich zusammen mit der Schriftstellerin Sandra Hughes über den Marktplatz auf das Pentorama zuging, musste die Schriftstellerin erst einmal stehen bleiben und ihr Handy zücken, um ein Foto von dem Veranstaltungsort zu schiessen. «Das glaubt mir kein Mensch!» Wenige Wochen vor der Durchführung der Kulturnacht hatte man uns am ursprünglichen Ort «ausgeladen», weil eine coronakonforme Durchführung einer Lesung nicht gewährleistet werden konnte. So verschob man kurzerhand ins Pentorama, in eine Halle, die voll mehrere tausend BesucherInnen fassen kann. Eine Krimilesung in einer Halle? Würde das gut gehen?

Es ging gut. Auch wenn sich der Ansturm auf die Lesung in Grenzen hielt, war doch die Konkurrenz von Dutzenden anderer Veranstaltungen im Ort gross, vielfältig und potent. Sandra Hughes nahm die Lauschenden mit nach Meride in die Pastamanufktur der Familie Savelli ,einer alteingesessenen Pastadynastie im Ort. Eine kleine Fabrik mit langer Tradition, eine Perle im Ort am Fusse des Monte San Giorgio, Weltkulturerbe und weit herum bekannt für seine prähistorischen Fossilienfunde. Die junge Kindergärtnerin Stefanie Schwendener wird eines Morgens vom alten Patron der Pastamanufaktur tot im Kühlraum der kleinen Fabrik gefunden. Eine Katastrophe für die Familien, jene des Opfers, die der Manufaktur und fürs Dorf, das sich in Schockstarre befindet.

Sandra Hughes neues Ermittlerduo, die eigenwillige Emma Tschopp aus der Region Basel und der Tessiner Commissario Bianchi, wird auch in weiteren Krimis gemeinsam ermitteln. Die Fährte ist gelegt!
Eine gelungene Lesung vor aufmerksamem Publikum. Ein angeregtes Gespräch über menschliche Abgründe und das Glück des Schreibens. Vielen Dank an Sandra Hughes und die Gäste im Pentorama!

Rezension von «Tessiner Verwicklungen» auf literaturblatt.ch

alle Fotos © Bettina Schnerr