«Ein Knäuel aus etwas Hartem» Bettina Scheiflinger liest im Literaturhaus Thurgau aus ihrem Debüt «Erbgut»

«Am Bahnhof abgeholt und wiedererkannt werden, später herausfinden, dass man weit entfernt vom Bodensee den gleichen Fleck Erde so gut kennt, mich von Cornelia und Gallus in der Lektüre meines Buches so gut verstanden fühlen, ein zugewandtes und einfühlsames Publikum: wie manchmal einfach alles zusammen kommt und passt, so war das letzten Samstag im Bodmanhaus. Danke, dass ich bei euch lesen durfte!» Bettina Scheiflinger

Im Roman «Erbgut» verschmelzen die Lebensspuren von vier Generationen zwischen den Jahren des Zweiten Weltkriegs bis in die unmittelbare Gegenwart des 21. Jahrhunderts. Szenen aus verschiedenen Biografien breiten sich wie Mosaiksteinchen nebeneinander aus, bis allmählich sichtbar wird, wie über Generationen Verhaltensweisen, Lebensentwürfe und Traumata weitergegeben werden.

Rund um die Ich-Erzählerin wird ein Netz aus Beziehungen offenbar: vom gewalttätigen Grossvater väterlicherseits, der NSDAP-Mitglied und später Kriegsgefangener war, der Grossmutter mütterlicherseits, die als Tochter von italienischen Gastarbeitern in der Schweiz aufwuchs, bis zu den Eltern, die sich in Bezug auf ihre Vergangenheit in Schweigen hüllen. Als sie erwachsen wird, steht die junge Frau vor der Wahl, welchen Weg sie selbst gehen möchte. Der Roman setzt sich mit grossen Lebensfragen auseinander: Wie wurde ich zu der, die ich bin? Wie viele Erlebnisse, Erinnerungen und Traumata meiner Familie trage ich in mir und was macht das mit mir?

Im vom Verlag produzierten Trailer zum Buch, bei dem Teig und Erde von zwei Händen verarbeitet wird, werden die Szenen von Schlagwörtern überblendet: Fremde, Familie, Ich, Geburt, Körper. Bettina Scheiflingers kunstvoll konstruierter Roman taucht in ganz viele Themen. Das prägendste gibt dem Buch auch den Titel: «Erbgut». Nicht nur die Traumatisierung des Grossvaters durch Krieg und Gefangenschaft wird weitergegeben an den Vater der Ich-Erzählerin. Traumata oder andere prägende Erlebnisse prägen und beeinflussen nur schon durch die Erziehung spätere Generationen. Die Frage ist nur: Ist es möglich, sich von diesem „Erbe“ zu befreien?

Ein anderes Thema offenbart sich in der Geschichte der Eltern der Erzählerin. Arno, Sohn jenes gewalttätigen Grossvaters, heiratet eine Italienerin und wird mit Tausenden anderer «Saisonier», oder wie man in der Schweiz scheinheilig freundlich formulierte, «Gastarbeiter». 1970 sprach sich die Schweiz nur ganz knapp in einer abgelehnten Initiative (Schwarzenbach-Initiative) dagegen aus, dass der Anteil «Überfremdung» die 10%-Marke nicht überschreiten darf. Eine politische Diskussion, die nicht nur den Abstimmungskampf ausserordentlich hitzig machte, sondern auch die Ängste all jener schürte, die ihr Auskommen in der Schweiz fanden, fern ab von ihrer Heimat. Ängste, die für die illegal nachgeholten und sehr oft versteckten Kinder katastrophale Folgen hatte.

Noch ein Thema in «Erbgut» ist das Körperliche selbst, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sein, dem eigenen Körper, mit Schwangerschaft und Geburt. «Erbgut» ist ein erstaunlich körperlicher Roman, ein mutiges Stück Literatur!

Rezension «Erbgut» auf literaturblatt.ch

Matthias Zschokke «Der graue Peter», Rotpunkt

Vielleicht müsste man das Buch mit einem roten Kleber markieren, der vor Risiken und Nebenwirkungen warnt. Abgesehen davon, dass ein solcher Kleber die Verkaufszahlen eines solchen Buches mit Sicherheit positiv beeinflussen würde. Wer mit dem Buch eine Lektüre in die Nacht beginnt, muss riskieren, dass einem das Buch bis in die Träume begleitet.

Wer es am Strand liest, wird nicht sicher sein, ob es die Sonne oder die Lektüre ist, die einem den Kopf verdreht. Wer sich Spannung, eine Story verspricht, wird sich mehr als nur wundern, denn Matthias Zschokke ist wohl gewiefter Geschichtenerzähler, dessen Geschichten sich aber aller Voraussehbarkeit entziehen. Matthias Zschokke nimmt mich mit in seine leicht entrückte Welt, ein in Schieflage geratenes Kleinstuniversum.

Ein Mann in mittleren Alter wird in seinem Büro von der Polizei aufgesucht, die ihm mitteilt, dass sein kleiner Sohn von einem Lastwagen totgefahren wurde. Der Mann verlässt das Büro und torkelt durch die Stadt, torkelt durch sein Leben, das nicht erst mit dem Tod seines Sohnes aus dem Tritt gekommen ist. Peter, den man seit seiner Kindheit Saint-Blaise nennt, ist verheiratet. Aber das Leben mit seiner Frau ist zu einem funktionierenden Nebeneinander geworden. Keiner interessiert sich für das Leben des anderen. Peter fühlt sich in seinem Büro einer Verwaltung zusammen mit seinem Büropartner Prosciutto mehr geborgen, als im Ehebett zusammen mit seiner Frau. 

Matthias Zschokke «Der graue Peter», Rotpunkt, 2023, 176 Seiten, CHF28.00, ISBN 978-3-85869-977-0

Eines Tages beauftragt man ihn gegen seinen Willen mit der Organisation kleinerer Feierlichkeiten zu einem Jubiläum mit einer französischen Partnerstadt. Auf dem Weg zurück nach Berlin, mit dem Zug nach Basel, wo er ins Flugzeug wechseln soll, vertraut ihm eine Fremde ihren kleinen Sohn an, wohl gerade so alt wie sein tödlich verunfallter Sohn, mit der Bitte diesen nach Basel zu seinem Onkel zu begleiten. Ein kleiner Junge mit oranger Schwimmweste und bleischwerem Skisack. Überrumpelt nimmt sich der Mann dem Jungen an, obwohl der die nervöse Mutter warnt, er habe keine Lust, den Jungen zu unterhalten. Sie unterhalten sich dann aber doch, stockend, wirr, als würde der graue Peter mit letzter Kraft der sein wollen, der er in seiner Familie als Vater nie war; ein Verbündeter, ein Freund, ein Gefährte.

Irgendwann erzählt ihm der Junge von einer Tante Anne in Mulhouse, was den Mann veranlasst, dort eine Pause einzulegen und der Tante einen Besuch abzustatten. Sie deponieren das schwere Gepäck des Jungen in einem Kiosk, trinken heisse Schokolade in einem Café und sind, weil die eisernen Jalousien des Kiosk ganz überraschend geschlossen sind, gezwungen, in Mulhouse ein Hotel zu suchen. Was sich in dem Zimmer zwischen dem Mann und dem Jungen abspielt, ist eine Mischung aus verschrobenen Kindereien und unverständlichen Verrücktheiten. So wie sich Mattias Zschokke mit keinem seiner Bücher um Konventionen schert, so sehr weigert sich der Protagonist, „gesunden Menschenverstand“ walten zu lassen. Nichts an Zschokkes Roman folgt allgemeingültiger Logik. Zschokke, den man auf Fotos mit Nadelstreifenanzug und Taschenuhr fotografiert sieht, der wie sein Protagonist wohl nie ein Smartphone mit sich herumtragen würde und an der Rezeption jenes Hotels die Rezeptionistin fragen muss, ob er kurz seine Frau verständigen könne, es werde etwas später, ist nicht an der Art des Geschichtenerzählens interessiert, die sich mir als Leser anbiedert. Zschokke erzählt seine Bilder, seine Kleinstgeschichten, leicht verrückt, aber dafür gemalt, als wären sie kubistisch erzählt.

Es braucht mehr als die Suche nach Unterhaltung, will man den Büchern Matthias Zschokkes gerecht werden. „Der graue Peter“ entzieht sich aller Strömungen, aller Vorsicht. Die Lektüre seines Romans wird zu einer Achterbahnfahrt im Nebel. Zschokkes Literatur ist ein Monolith in der immer seichter werdenden Masse.

Interview

Ihr Buch ist ein besonderes Buch, so wie alle Ihre Bücher besondere sind. Zum einen scheinen sie nicht in die aktuellen Themen zu passen, entziehen sich all den Strömungen, denen sich viele Bücher anbiedern. Ihr Schreiben ist solitär, einzigartig. Zum andern sind die Handlungen Ihrer Bücher so gar nicht voraussehbar, bewegen sich weit weg von Klischees. Das muss man als Lesende aushalten können. Erstaunlicherweise akzeptiert man das in der Musik, der Malerei oder Bildhauerei. Man muss nicht verstehen. Und ausgerechnet in der Literatur soll alles erklärbar, logisch, rational, durchsichtig sein. Das verstehe ich nicht. Aber vielleicht hat das damit zu tun, dass der gegenwärtige Mensch das Nicht- und Unerklärbare gar nicht mehr aushält. Die Medien sind voll von Erklärern. Und die meisten widern mich an.

Sie sind lustig! Für mein Empfinden plansche ich permanent mitten drin. Vielleicht schwimme ich gegen die Themen an oder quer zu den Strömungen, aber ich fühle mich jederzeit bis in die letzte Pore getränkt von ihnen. 
Zum Beispiel erwähne ich auf einer der ersten Seiten in zwei Nebensätzen, Peter habe als Kind fürs Leben gern auf Baustellen gespielt. Das schönste sei für ihn gewesen, von Lastwagenfahrern hochgehoben, auf den Beifahrersitz gesetzt und mitgenommen zu werden, wenn frischer Teer oder Zement geholt werden musste. Der in der Gegenwart verpeilte Leser vermutet darin reflexartig einen Hinweis auf Missbrauch. Der LKW-Fahrer gehört seiner Meinung nach angezeigt, dem Kind wird drastisch auseinandergesetzt, was alles hätte passieren können. Es zieht sich verängstigt in sein Zimmer zurück, setzt sich vor seinen Computer und spielt mit Kopfhörern über den Ohren Onlinegames – das ist mir alles selbstverständlich bewusst, und während ich das sage, fällt mir siedendheiss ein, dass das vielleicht inzwischen Kopfhörerinnen heissen muss. So bestimmt die Gegenwart permanent mein Denken und beeinflusst das, was ich aufschreibe, bis ins letzte Komma.
Oder das Beispiel, das Sie erwähnen: Im ersten Satz erfährt Peter, dass sein Kind überfahren worden ist. Jede Woche mindestens einmal wird in Deutschland am Fernsehen ein Krimi gezeigt. Da wird innerhalb der ersten Minute mindestens eine Leiche präsentiert – das ist die Vorgabe der Redaktionen –, von der aus sich dann der Fall entwickelt. Jahrelang sah man abends also eine Haustür, an der zwei Polizisten klingelten. Die Tür wurde von einer Frau oder einem Mann geöffnet. Ihr oder ihm wurde mitgeteilt, dass der Partner oder das Kind oder die Mutter oder sonst jemand Vertrautes überfahren oder erstochen oder ertränkt worden sei. Daraufhin bemühte sich der Mann oder die Frau, sich auf besonders expressive Weise erschüttert zu zeigen. Diese Art von Erschütterung wurde früher an den Schauspielschulen „ein Ausbruch“ genannt. Bei Aufnahmeprüfungen musste man „einen Ausbruch“ improvisieren: „Stellen Sie sich vor, Ihre Geliebte wurde eben vor Ihren Augen erstochen. Los!“
Ich meine, mein Protagonist reagiere so nah an sich wie nur möglich. Er bemüht sich, von seinen Empfindungen nur die zuzulassen, die er beim besten Willen nicht verstecken kann. Weil wir Normalsterblichen schliesslich nicht ans grosse Drama gewöhnt sind. Wir haben gelernt, so was tut man nicht; man beherrscht sich.
Das erkläre ich selbstverständlich nicht im Buch, denn das weiss der Held ja nicht von sich. Er hat es in seinen Genen.

Peter erträgt Mitmenschen nur schwer.  Seine Frau ist die einzige, die er neben sich erträgt.  Selbst seine Eltern waren dem „grauen Peter“ fremd geblieben. Sie leben seit Jahrzehnten in Berlin. Muss es eine grosse Stadt sein, um darin verschwinden zu können? Um sich vor den Menschen zu schützen?

Ich kenne nur wenige, die die Frage vorbehaltlos bejahen würden. Es ist kaum ein Zufall, dass sich immer mehr von uns in den virtuellen Raum zurückziehen. Menschen reagieren unberechenbar. Das ist auf die Dauer ermüdend. Im Internet wird man nicht dauernd unterbrochen. Das ist leichter auszuhalten. Berlin ist besonders gut geeignet dafür, niemandem zu begegnen, da haben Sie recht. Die Distanzen sind hier gross. Wenn ich jemanden treffen möchte, den ich kenne, muss ich lange Wege auf mich nehmen und viel Zeit investieren. Selbst auf der Strasse sind die Distanzen zueinander sehr viel grösser als gewöhnlich. Wenn man jemandem begegnet, muss keiner ausweichen. Man geht mit zwei Metern Abstand aneinander vorbei. Das ist angenehm. Ein wenig traurig vielleicht, aber angenehm.

Zéphyr, der Junge, der von seiner verzweifelten Mutter im Zug in die Obhut von Peter gerät, trägt eine orange Schwimmweste und schleppt einen bleischweren Skisack mit sich herum. Ist Zéphyr Peters Spiegelbild?

Die Schwimmweste wie auch das Gewicht des Skisacks sind beide erklärt. Die Mutter des Jungen hat in den Medien von einem Fluss gelesen, der über die Ufer trat, und möchte ihr Kind vor dem Ertrinken schützen. Und sie las von Winterorkanen in den Alpen und bittet den Jungen, Bleigewichte in die Taschen zu stecken, bevor er auf die Piste geht. Ob diese beiden Informationen zusätzlich symbolische Bedeutung haben, weiss ich nicht. Ich meine, auch das ist die Gegenwart, die mitschreibt: Ich empfinde eine permanente Überfürsorge, eine Begluckung, die mir zunehmend die Luft abklemmt.

Auf aktuellen Fotos sieht man Sie mit dunklem Nadelstreifenanzug und Uhrenkette. Nicht nur ihres Aussehen wegen, denke ich oft an Robert Walser. Auch er war ein Unikat, ein Monolith. Ihre Romane scheren sich nicht um Stringenz, Plott und Spannung. Es ist das Bild des Ganzen, der Pinselstrich. Es ist die Sprache. Es sind die Fragen, die ich mir während des Lesens stelle, Fragen, die sich manchmal weit weg vom Geschehen in ihrem Roman aufzwängen. Wieviel Walserisches steckt in Ihnen?

Der Anzug hat eine Geschichte. Die ist zu lang zum Erzählen. Ich habe ihn geschenkt bekommen. Und fand, je öfter ich ihn trug, desto mehr, ein dreiteiliger Anzug sei ein perfektes Kleidungsstück, durch Jahrhunderte verfeinert, durchdacht. Mit den richtigen Taschen an den richtigen Stellen, mit der Möglichkeit, ein Teil davon auszuziehen, wenn’s zu warm wird, und umgekehrt. Ich muss fast nichts mehr einpacken, wenn ich zwei, drei Tage irgendwo hinfahre. Alles hat Platz in ihm. Es ist eine ideale Berufskleidung (fotografiert werden gehört zur Arbeit; privat mag ich mich nicht fotografieren lassen). Wenn man heimkommt, kann man ihn ausziehen und an die frische Luft hängen. Nach zwei Tagen ist er wieder wie neu. Ein grossartiges Kostüm. Privat ziehe ich ihn selten an. Da brauche ich nicht so viele Taschen.

Zur Taschenuhr: Von Armbanduhren habe ich am Handgelenk in meiner Jugend einen Ausschlag bekommen. Und ich schlug oft mit ihnen an Gegenstände und fühlte mich eingeschränkt in der Bewegung. Darum habe ich früh angefangen, Taschenuhren zu tragen. Und ich mag das Aufziehen.
Zu Robert Walser: Jeder von uns ist ein Unikat. Die meisten schleifen an sich herum, um weniger anzuecken und leichter durchs Leben zu kommen. Walser war darin wohl besonders unbegabt und musste es aushalten, ein Monolith zu sein. Ich hoffe, es steckt nicht allzu viel von ihm in mir drin. Es war bestimmt anstrengend, er zu sein.

Ihre ersten Romane erschienen bei List und Luchterhand, grossen Verlagen, später bei Ammann, dem damals renommiertesten Verlag in der Schweiz. Als Amman von der Bildfläche verschwand, war es Wallstein. Nun Rotpunkt. War Wallstein Ihr Buch zu heftig, zu risikoreich?

Keine Ahnung. In Deutschland ist die Stimmung zurzeit extrem angespannt. Jedermann und jedefrau reagiert auf alles überempfindlich. Man ist panisch darum bemüht, sich nach den Vorgaben des Justemilieu auszudrücken und bloss nicht aus Versehen zu sagen, heute sei ein besonders kalter Tag (wegen der Klimaerwärmung gibt es nur besonders warme Tage) oder die Nato habe … oder Corona …
Mag sein, es ist eine Gratwanderung, was ich im Buch mache. Da Deutschland nicht viele hohe Berge mit Grat hat, scheut man hier vielleicht mehr zurück vor solchen Wanderungen als in der Schweiz?

Matthias Zschokke, geboren 1954 in Bern, ist Schriftsteller und Filmemacher und lebt seit 1979 in Berlin. Für seinen Debütroman Max erhielt er 1982 den Robert-Walser-Preis. Später wurde er u.a. mit dem Solothurner Literaturpreis, dem Grossen Berner Literaturpreis, dem Eidgenössischen Literaturpreis, dem Gerhart-Hauptmann- und dem Schillerpreis geehrt – und, als bislang einziger deutschsprachiger Autor, mit dem französischen Prix Femina étranger für Maurice mit Huhn.

Beitragsbild © Suzanne Schwiertz

Eleonore Frey «Cristina», Engeler

Dass Eleonore Frey mit ihrer Erzählung „Cristina“ an die Solothurner Literaturtage eingeladen wurde, ist ein erster Schritt. Eigentlich würde der Autorin nichts weniger als einer der grossen Literaturpreise zustehen, sei es für ihre neuste Erzählung „Cristina“ oder für ihr Gesamtwerk, mit dem die Dichterin seit über dreissig Jahren für Eingeweihte zum Fixstern am deutschsprachigen Literaturhimmel gehört.

Woran es liegt, dass sich nur ein einziges Buch, das Eleonore Frey je schrieb, Roman nennt, mag ein Geheimnis sein. Vielleicht ist es aber auch nur Teil genau jener Bescheidenheit, die diese Autorin ausmacht, sei es in der Art und Weise ihres Auftritts oder in den Themen, aus denen Eleonore Frey Literatur macht. Ihr Schreiben ist ein Veredelungsprozess. Die ehemalige Professorin für Neuere Deutsche Literatur verwendet ihr Instrumentarium unspektakulär, nie explizit, sondern immer im Dienst des Kunstwerks. Klar ist da eine Geschichte, die erzählt werden will, aber Eleonore Frey durchsetzt ihren Stoff mit feinen Linien, denen sie mit aller Konsequenz folgt, ohne jede Vorhersehbarkeit. Sie umkreist ihren Stoff in verschiedenen Perspektiven, leuchtet ihn nie aus, sondern spürt der Wirkung nach, die Sprache und Inhalt entwickeln. So bescheiden sich ihre Erzählung „Cristina“ auf Verkaufstischen gibt, so dicht, überraschend und überzeugend ist „Cristina“. Was Eleonore Frey kann, ist selten genug – Sprache, die funkelt!

Eleonore Frey «Cristina», Engeler, 2022, 168 Seiten, CHF 18.00, ISBN 978-3-907369-06-7

Cristina ist eine noch junge Frau, die mit Hilfe ihres Mannes auf eine Vergangenheit zurückschaut, die ihr beinahe alles genommen hat. Ein Kind, ein selbst bestimmtes Leben, eine Zukunft und die Hoffnung. Cristine war schon immer ein Kind, das Grenzen auslotete, dass schon früh spüren musste, dass ein Mädchen- oder Frauenleben im Portugal des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht viel zählt. Frauen hatten zu dienen, zu funktionieren. Und als sie nach einer wilden Bekanntschaft mit dem Matrosen Fernando mit siebzehn schwanger wird, ist die Katastrophe besiegelt. Nicht so sehr jene der jungen Frau, als die der Familie, der Mutter, des Vaters, einer ganzen Stadt. Und weil die Schande verborgen werden muss, schickt Cristinas Mutter die junge Schwangere gegen ihren Willen zu einer Tante weit weg aus Land. Die Tante ist Hebamme und mit der wachsenden Freundschaft der beiden Frauen wächst auch die Hoffnung auf eine Zukunft zusammen mit dem werdenden Kind. Aber Cristinas Mutter erweist sich bei der Geburt des Kindes als böser Engel. Zusammen mit einem Pfarrer lässt sie den neugeborenen Jungen von Cristina ungesehen wegbringen, behauptet er sei tot und gibt ihn zur Adoption frei. Der Schmerz für die junge Mutter ist unsäglich. Noch bleibt sie bei der Tante, beginnt eine Ausbildung als Hebamme, aber ihr Entschluss, ihr Kind zu finden, wird zur Manie. Jeden Jungen, der im Alter ihres Sohnes sein könnte, spricht sie an, stets in der Hoffnung, dieser würde ihre Stimme erkennen.

Jahre später trifft Cristina ein letztes Mal ihre Mutter und stellt all die Fragen, die sich nie beantworten liessen. Aber ihre Mutter antwortet nur: Ein Kind? Du hast nie ein Kind gehabt. Das hast du geträumt. Für Cristina ist ihre Mutter gestorben, Jahre vor ihrem eigentlichen Tod.

Wie viel Schmerz kann man ertragen? Gibt es Wunden, die sich nie verschliessen? Eleonore Freys Erzählung spiegelt die Unverträglichkeiten in den Leben vieler Frauen damals, Leben die sich bis in die Gegenwart spiegeln. Geschichten, die offenbaren, dass nicht das Leben selbst wichtig ist, sondern bloss dessen Wirkung. Wie leicht wirft man drohender Schande gegenüber alles in einen Topf! „Cristina“ ist ein mit aller Zartheit nacherzähltes Stück Frauenschicksal, eine Erzählung, die einem in die Knochen fährt, über die Mechanismen einer Zeit, die weder geografisch noch zeitlich weit von der unseren entfernt ist. „Cristina“ ist eine starke Erzählung über eine starke junge Frau, der Familie und Kirche das Rückgrat brechen wollten – und es nicht schafften.

Ich verneige mich tief vor einer grossen Erzählerin!

Eleonore Frey, geboren 1939 in Frauenfeld, lebt in Zürich. Von 1958 bis 1966 studierte sie Germanistik, Romanistik und Komparatistik an der Universität Zürich und der Sorbonne. 1966 promovierte sie mit einer Arbeit über Franz Grillparzer; 1972 erfolgte ihre Habilitation. Von 1982 bis 1997 wirkte sie als Titularprofessorin für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich.

Hansjörg Schertenleib «Im Schilf», Atlantis

Väter und Mütter sucht sich niemand aus. Was sie einem mitgeben, lässt sich sehr oft erst nach Jahren umschreiben. Manchmal bleibt Dankbarkeit, manchmal der Wunsch, es besser zu machen und viel zu oft vernarbte Verletzungen, verschorfte Seelen und die permanente Angst, es würde etwas aufbrechen, was nicht mehr zu schliessen wäre.

Zwischen Schilf, noch in den Morgenstunden im Ruderboot erhält Viktor einen behördlichen Anruf; sein Vater sei gestorben. Was bei anderen Trauer auslöst, ist für Viktor eine Befreiung. Auch wenn er sich von seinem Vater vor Jahrzehnten losgesagt hatte, war die Gleichzeitigkeit beider Leben ein permanenter Vorwurf. Mit vierzehn stellte ich mir zum ersten Mal vor, er sei tot, mit fünfzehn brachte ich ihn zum ersten Mal in Gedanken um, mit sechzehn zog ich von zu Hause aus. Aber weil man sich von Vätern und Müttern wohl lossagen kann, nie aber gänzlich befreien, bleibt der Alp und die Nachricht vom Tod seines Vaters Anlass genug, dass Erinnerungen aufploppen, denen sich Viktor nicht entziehen kann. Viktors Vater war nie der Vater, der er hätte sein sollen – und er nie der Sohn, den sich der Vater gewünscht hatte. Aus gegenseitigem Unverständnis, den Erwartungen, die ausgesprochen und unausgesprochen nie Wirklichkeiten wurden, entstand eine Mauer, deren Mörtel sich mit blankem Hass mischte.

Viktor erinnert sich an Max, den Vater seiner geschiedenen Frau. Von Max erbte er das kleine Angelhäuschen am See und das Boot. Und von Max bekam er damals das Gefühl, das es auch ganz anders hätte sein können. Zusammen mit Max erlebte er Tage und Stunden, die in väterlicher Freundschaft den Schmerz darüber nicht verkleinerten, was Familie hätte sein können. Viktor erinnert sich an den Anruf seiner Ex-Frau Charlotte, die ihm vor ein paar Jahren am Telefon mitteilte, er müsse sie ans Sterbebett ihres Vaters nach Irland begleiten. Max hätte keine Ahnung, dass sie beide kein Paar mehr seien. „Es wird dir leichtfallen, nur zu spielen, mit mir verheiratet zu sein.“

So fliegt man zusammen, arrangiert sich für dieses eine Mal, als wäre das Zusammensein vertraglich festgelegt, emotional distanziert und zeitlich befristet. Aber weil schnell klar ist, dass da Altes wieder aufgekocht wird, man alten Mustern nichts entgegenzusetzen weiss, wird die Reise ans Sterbebett des alten Mannes eine ungewisse Reise in zwei Leben, die sich längst verabschiedet hatten. Was wird, wenn sich zwei, die sich einst liebten und für immer brachen, in der Not zusammenfinden?

Hansjörg Schertenleib «Im Schilf», Atlantis, 2023, 176 Seiten, CHF 29.00, ISBN 978-3-7152-5025-0

Während sich die beiden auf dieser Reise immer mehr dem einen Ziel nähern, die Zeit am Sterbebett von Max aber nur ganz kurz wird und man sich dort auch noch mit Renate herumschlagen muss, der Frau, mit der Max seine letzten Lebensjahre teilte, als man über die Art und Weise seiner Bestattung zu streiten beginnt, werden Viktors Bilder und Fragen immer drängender. Viktor erinnert sich. Und weil man in dem Gefüge, was seine Familie hätte sein sollen, nie erzählte, keine Fragen stellte und Nähe in keiner Form zuliess,  erinnert sich Viktor auch an eine Vergangeneheit, die hätte sein können. An einen Vater, den er sich herbeizeichnet, den er zu verstehen versucht, weil Viktor weiss, dass Erinnerungen zu Mühlsteinen werden, die ihn in Abgründe reissen können.

Hansjörg Schertenleibs Roman ist viel mehr als ein Erinnerungsbuch eines Versehrten. Viktor macht sich auf. Das alleine beschreibt den Unterschied zu den meisten anderen, die die zerstörerische Wucht der Vergangenheit geschehen lassen. Da geht einer auf eine Reise, weil er weiss, dass es nur wenige Chancen gibt, die Dynamik der schmerzhaften Erinnerung zu brechen. „Im Schilf“ ist ein zärtliches Buch, weder Abrechnung noch Aufarbeitung, aber die Geschichte eines älter werdenenden Mannes, der die Richtung seiner letzten Jahre selbst bestimmen will. Die Geschichte eines Mannes, der sich stellt und in den Trümmern seiner Vergangenheit das sucht, was ihm seine Ruhe zurückgeben kann.

Hansjörg Schertenleib, geboren 1957 in Zürich, gelernter Schriftsetzer und Typograph, ist seit 1982 freier Schriftsteller. Seine Novellen, Erzählbände und Romane wie die Bestseller «Das Zimmer der Signora» und «Das Regenorchester» wurden in ein Dutzend Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, seine Theaterstücke auf der ganzen Welt gezeigt. Schertenleib, der auch aus dem Englischen übersetzt, lebte zwanzig Jahre in Irland, vier Jahre auf Spruce Head Island in Maine und wohnt seit Sommer 2020 bei Autun im Burgund. Im Kampa Verlag sind bislang erschienen: «Die Fliegengöttin«, «Palast der Stille» und «Offene Fenster, offene Türen» sowie die Maine-Krimis «Die Hummerzange» und «Im Schatten der Flügel».

Betragsbild © leafrei.com

Lisa Elsässer «ich hab dir nichts versprochen» und «Tango», Plattform Gegenzauber

ich hab dir nichts versprochen

nur ein paar schritte
durchs fegefeuer
kalt hatten wir nie

nur eine hand voll 
schnee im licht
wir tranken das wasser

nur eine amsel
gesang vom baum
wir entwurzelten ihn

das feuer brannte
fegte über die worte
funken streunten durch die asche

unsere augen tränten im rauch

 

Tango

Das Ende liegt jetzt näher. Wenn man nach dem Durchschnitt geht, bin ich über die Mitte hinaus. Wenn ich morgen sterben müsste, wäre ich länger schon, ohne es zu wissen, über sie hinaus gewesen. Dann wäre ich also in der Mitte des Lebens schon an dessen Ende gewesen. Aber wer spricht denn jetzt vom Sterben!

Jetzt denke ich manchmal daran. Es wird ein Gefühl, in dem die Freude am Leben und die Gewissheit über das andere miteinander tanzen. Ich stehe daneben und schaue ihnen zu. Sie finden keinen gemeinsamen Takt, sie bewegen sich wie völlig unmusikalische Wesen. Beide haben noch nicht erkannt, dass eines sich dem andern überlassen müsste, damit von einem Tango gesprochen werden könnte. Wer führt wen!

Ich führe ein stinknormales Leben. Ich stehe am Morgen auf und am Abend lege ich mich wieder hin, und nachts träume ich von einer Ameisenstrasse. Wenn ich nicht schlafen kann, träume ich von Schlaf oder ich stehe mitten in der Nacht auf und spreche mit dem Mond. Das ist ganz neu! Die Nachtkerze erwähnt die Hormone, die sie besitzt, und ich zeige ihr die Haare, die am falschen Ort wachsen. Du schöne Blüterin, sage ich, ich blute nicht mehr. Ich höre den wilden Schrei eines Katers. Ich will nicht sterben, vor allem nicht morgen.

Morgen habe ich nämlich einen Termin bei einem Gehörspezialisten. Seit ich meinen Mann verstehe, höre ich nicht mehr so genau, was er sagt. Als ich ihn noch gut hören konnte, stellte ich mich manchmal taub. Unsere Liebe wächst mit zunehmender Entfernung von der Lebensmitte. Ich versuche, ihm vom Mund abzulesen. Das ist die einzige Perspektive, falls es mich übermorgen noch gibt. Dieser schöne Mund ist noch da. Wir hängen die Liebesbriefe magnetisch bestückt an den Backofen oder an den Kühlschrank. Vergiss nicht, steht darauf, mein, steht auch da: Vergiss nicht, mein Hemd zu bügeln. Ich lege den Brief ins Gefrierfach. Ich küsse ihn dann auf den kahlgewordenen Schädel, wenn er, was immer öfters vorkommt, sagt, dass Altwerden ein Skandal sei. Wenn ich frage, woher er denn das habe, sagt er, er wisse das auch nicht mehr und ich sage, dann lass diesen Spruch. Manchmal sitzen wir bei heiterem Wetter abends vor dem Haus, in dem er geboren wurde, in dem ich hinzukam, in dem wir uns nie schlüssig waren, ob das Haus überhaupt ein Dach hatte. Auf jeden Fall hatte es einen Keller.

Er benutzt die stets herumliegende Schiefertafel bloss für Zahlen, beim Jassen oder bei der Einteilung des AHV geschwächten Haushaltsbudgets. 

Ich schreibe zum Beispiel auf die Schiefertafel: Ich bin im Keller. Er weiss dann, dass ich am See sitze, um meine Gedanken, die wie etikettierte Einweckgläser daran erinnern, dass man von ihnen noch Gebrauch machen kann, zu ordnen, um sie berauschen zu lassen, als gelänge das nur noch mit der Kraft des Wassers, an dem man sitzt. Er kommt dann auch an den See und wir betten uns mit gegenseitiger Hilfe auf die Grasnarbe, die das Ende des Sandstrands oder der Anfang unserer Gemütlichkeit ist. Eine Flasche Wein steht zwischen uns. Zwei schöne Gläser, mit Olivenöl beträufelte Brotstücke, mit Pfeffer bestreuter Weichkäse, geviertelte Tomaten, der sinnvolle Gang der Uhr, das Ebenmass der luftigen Kräfte, das Wunderspiel dieses Raums und seiner Zeit. Wir haben uns einmal geschworen, dass wir nur und immer aus richtigen Gläsern trinken werden. Wenn wir sie zerschlagen, was nun auch immer öfters und nicht absichtlich wie früher geschieht, nehmen wir einfach zwei andere aus dem Schrank, die auch nicht mehr neu sind. Es ist fast erheiternd, wie die Gläserlinie im Schrank immer weiter nach hinten rückt, als wäre sie längst über ihre Mitte hinaus und als verschwände auch sie eines Tages einfach irgendwohin.

Ich zitiere ihm aus den Hymnen an die Nacht. Er verweist mich auf die Sonne, die gerade das Wasser belegt wie eine Silberschlaufe ein dunkel eingepacktes Geschenk und ein Schwan zerreisst gerade vor unseren Augen dieses Band, als hätte die verschwindende Göttin es ihm angetragen, in uns die Neugier dafür zu wecken, was sich unter diesem Dunkel der aalglatt gewordenen Fläche verbergen könnte.

Wir essen und trinken, beides sehr langsam und bedächtig. Wir können bleiben, könnten gehen. Der Tag kennt den Abend jetzt nur noch als Feststellung. Eine weitere, kleine Entfernung oder Annäherung und dass es die Momente gibt, wo ich das eine oder das andere vergesse.

Auf dem Nachttischchen liegen die künstlichen Tränen, in kleinen Plastikampullen. Das Auge damit zu treffen, ist eine wahre Kunst. Wenn es gelingt, fühlt es sich an wie früher, als sich der Kummer einen Überlauf erst in der Dunkelheit gestattete. Es ist das gleiche Brennen im Auge. Ich habe vergessen, worum es nicht ging. Ich habe nicht vergessen, worum es ging. Wahrscheinlich Komik, die zum Lachen und zum Weinen war, und jetzt, wo die echten Tränen fliessen könnten, gibt es nichts mehr zu Weinen. Das ist auch komisch.

Er liegt im Bett neben mir, er schläft. Sein Mund steht offen. Ich habe Lust, ihn am Gaumen zu kitzeln. Aber ich bin jetzt weit weg. Ich bin auf Sizilien.

Ich hielt den Fotoapparat in der Hand und erklärte dir, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Alles ganz weit weg, sagte ich zu dir. So neu und schon kaputt, futsch, sagte ich und schade. Ich steckte ihn in die Handtasche. Wir hatten uns auch gegenseitig aufgenommen. Eine wunderschöne Blumenwiese, die sich auf der Weiterfahrt auftat, schien es uns wert zu sein, aus dem Auto zu steigen und nochmals den Apparat auszupacken. Dann lachte ich so sehr und du lachtest mit. Später, wenn wieder einmal alles verkehrt und weit entfernt schien, was nahe hätte sein können, sagtest du, dass ich das jetzt nicht verkehrt herum aufnehmen solle, sondern geduldig ein paar Tage warten, um es wieder ganz nah zu sehen.

Es stimmt. Die Tage werden immer länger. Die Tage werden jetzt länger. Man muss abends wieder wartend vor dem Haus sitzen, weil es nichts mehr zu tun gibt ausser warten. Oft steht der Mond schon oben, wenn die Sonne noch nicht unten ist. Sie geht ja nicht unter, aber plötzlich oder langsam macht die Dunkelheit von ihrem Recht Gebrauch, so dunkel wie nur möglich zu sein. Dann zünde ich eine Kerze an und er meint: «Ist das nötig!» Aus Nachbars Garten dringen die Räucherschwaden und Schwaden von verbranntem Fleisch. Man hört Gläser klirren und Worte klappern, schlechterzogene Kinder lärmen und Hunde bellen, schlicht und einfach: ein unerträglich gewordenes Leben voller Leben. Er hat die Beine hochgelagert, damit seine eingebundene Zehe immer sichtbar bleibt, ein Grund, kleinere Dienstbotengänge in die Küche mir zu überlassen. Bis vor kurzem hatte ich einen Mann, der mir abends das Bett abdeckte. Der mir half, das künstliche Gebiss ins Wasserglas zu legen, oder meinte, das wäre sehr schön, wenn ich ihn zahnlos küsste und er keine Bisse eines falschen Gebisses fürchten müsste, der meine geschwollenen Beine mit einer schwungvollen Bewegung aufs Bett hievte und sagte: so das hätten wir. Und am Morgen tat er das alles jeweils in der umgekehrten Reihenfolge und meinte: Du, das wird ein schöner Tag mit uns. 

Einmal, vor langer Zeit, warteten wir in einer Kneipe aufeinander. Ich oben, du unten. Ich ass oben alleine, du unten alleine. Gleichzeitig. Als wir uns am Ausgang zufällig trafen, redeten wir uns sofort ins Wort und verbrachten die Nacht getrennt durch unsere Wand des Eigensinns. Du hinter der Wand, ich vor der Wand. Und einmal – das geht mir jetzt alles durch den Kopf und an deinem schlafenden, offenen Mund vorbei – hast du mir an Weihnachten eine Pfeffermühle geschenkt. Ich war auf Seidenunterwäsche eingestellt und hielt diese klobige Maschine in der Hand. Ich trug die Gans trotzdem auf, weil sie ja schon im Ofen war. Als ich beim Geschenk auspacken dachte, jetzt knistert dann gleich die Seide, war diese Gans schon mindestens eine Stunde im Ofen und zum Schluss konnte ich dann gleich die Mühle – teures Holz, sagtest du – in Gebrauch nehmen, was ja mit der Unterwäsche schlecht gegangen wäre. Nachts im Bett fragtest du mich, ob mir denn die Pfeffermühle gar nicht gefalle. Ich erinnere den Wortlaut meiner Antwort nicht mehr. Es kann sogar so gewesen sein, dass ich gar keine Antwort hatte. Ja – ich glaube, es war so!

Er hat seit einiger Zeit diese blaue Zehe und seit er sie hat, decke ich bei ihm das Bett auf, und ich tue auch alles andere, abends und morgens in umgekehrter Reihenfolge. Aber ich bringe es nicht über die Lippen zu sagen: Du, das wird wieder ein schwieriger Tag! 

Das Blut ist damit beschäftigt, durch das zunehmend verkalkte System die kleinste Zehe noch zu erreichen oder die noch verbliebene Haarwurzel. Und wir sind uns jetzt die gegenseitigen Tröster. Wenn einer den Titel des Films nicht mehr weiss, deutet der andere auf die schlecht durchblutete, blaue Zehe und stellt die mögliche Amputation dem namenlos gewordenen Film gegenüber. Alles wird relativ, sogar der Titel eines Buchs. Wenn ich seine blaue Zehe anschaue, weiss ich beim besten Willen nicht, was eigentlich dazu geführt hat, dass er so viel schlechter durchblutet ist als ich.

Wir waren doch beide dem Rauchen und dem Trinken zugetan. Aber eine blaue Zehe blieb mir bis jetzt erspart.  Als Prävention schauen wir uns am besten keine Filme, keine Theater, keine Bücher mehr an, so müssen wir uns gegenseitig nicht trösten. Und in absehbarer Zeit werden wir eh zu Staub. 

Aber jetzt muss ich schlafen. Die Brote für morgen sind gestrichen. Die Möglichkeit besteht, sie besteht natürlich immer, aber jetzt steht sie uns mit wesentlich mehr Kraft gegenüber als wir ihr entgegenzusetzen vermögen. Es kann sein, dass morgen einer von uns alleine aufstehen, die Brote allein essen muss. Er muss dann sogar alleine leben!

Ich sollte schlafen. Die Dunkelheit begeistert mich. Ich stelle mir vor, wie ich dann ganz allein die Brote esse, das heisst, dass ich mit dieser Vorstellung die Annahme verknüpfe, dass ich ihn, den Mann, mit dem ich lebte, lebe, überleben werde. Ich denke dabei überhaupt nicht an die Statistik, die würde mir zwar sogar Recht geben, nein, ich denke an die Hörgeräte, die auf mich warten, und die es mir wieder ermöglichen, ihm nicht immer alles vom Mund ablesen zu müssen.

Leben ist alles. Die Nacht wird kommen, himmlische Freiheit, selige Rückkehr  

Was für eine begeisternde Vorstellung!

(Erzählung aus «Erstaugust»/ Edition blau/ Rotpunktverlag Zürich / 2019)

Lisa Elsässer «An dich», Erzählung auf der Plattform Gegenzauber

Illustration © leafrei.com

«Sicher ist nur, dass nicht wir bestimmen, wer wir sind.» Anna Kim im Literaturhaus Thurgau mit «Geschichte eines Kindes»

Anna Kim, 1977 in Südkorea geboren, als kleines Kind mit ihrer Familie nach Deutschland und später nach Österreich gekommen, veröffentlicht seit 2004, bald 20 Jahre, vor allem Romane und Essays. Ein erstes Mal hörte und sah ich Anna Kim in Leukerbad am Internationalen Literaturfestival 2017 mit ihrem Roman „Die grosse Heimkehr“, ein Roman über die Geschichte Nord- und Südkoreas nach dem zweiten Weltkrieg, von einer jungen Frau auf den Spuren ihrer Wurzeln.

Anna Kim trennt ihr biographisches nicht von ihrem politischen Schreiben, das Individuelle und das Politische wäre stets eine Einheit gewesen, weil ihr Aussehen scheinbar nicht das repräsentiert, was ihrer Biographie entspricht, weil man Menschen allzu schnell nach ihrem Äusseren taxiert. 

Logische Konsequenz daraus ist ihr Roman „Geschichte einer Kindheit“, mit dem Anna Kim von Wien nach Gottlieben angereist war.

Wie alle ihre Bücher ein erstaunliches Werk schon deshalb, weil sich Anna Kim nie auf das Kleinräumige, Nationale, Regionale reduzieren lässt, weil ihre Geschichten, die Schauplätze ihrer Romane stets einen global übersetzbaren Hintergrund besitzen, der sich genauso global verortet in den Romanen niederschlägt; ob in Grönland, Kosovo, Korea oder den Nordamerika; ihre Romane sind Suchen nach den Gründen, warum Menschen nicht zur Ruhe kommen, warum Menschen sich und andere stets in Schubladen pressen, grosse Schubladen oben mit viel Raum, enge unten, in die man alles stopft, was man oben nicht haben will. Sozio-politische Themen, die die Autorin, so verriet sie in einem Interview, auch dann nicht loslassen, wenn die Romane zu ende geschrieben sind und ihr Fokus auf Neues ausgerichtet wird.

„Geschichte einer Kindheit“ führt uns in eine us-amerikanische Kleinstadt im im Jahr 1953. Carol Truttmann ist jung und bekommt ein Kind. Als Vater ist keiner da. Aber auch ihre Muttergefühle siegen nicht über den Entschluss, den kleinen Jungen noch in der selben Nacht zur Adoption freizugeben. In der kleinen, konservativen Stadt, in der nichts verborgen bleibt, wäre das schon Skandal genug. Aber der kleine Junge ist nicht „weiss“ wie seine Mutter, sondern „negrid“. Und seine Mutter weigert sich, den Vater zu nennen, obwohl sie von den Sozialdiensten der Stadt immer und immer wieder aufgefordert wird, einen Namen zu nennen, um das Verfahren einer rechtsgültigen Adoption in Gang zu bringen. Der kleine Daniel wird bis zur Adoption in ein Heim gebracht, während eine ganze Maschinerie versucht, einen Pflegeplatz für den dunkelhäutigen Jungen zu finden und eine übereifrige Angestellte das Sozialdienstes keinen Versuch unterlässt, der jungen Mutter wegen des unbekannten Vaters auf den Zahn zu fühlen. Detektivische Nachforschungen, die aus gegenwärtiger Sicht mehr als übergriffig erscheinen, die mehr als verständlich machen können, dass sich eine junge Frau mehr und mehr verweigert.

Man sorgt sich durchaus um den kleinen Daniel. Man ahnt, dass er es in einem rein weissen Umfeld in Zukunft schwer haben wird. Dass auch eine Familie, die den kleinen Daniel adoptieren wird, nicht einfach einen Jungen in ihre Familie aufnehmen wird, sondern sich einer beinah feindlichen Gesinnung stellen muss. Anna Kim verdeutlicht das schmerzhaft eindringlich in den Akten des Sozialdienstes der Erzdiözese Green Bay, die in drei Teilen die Nachforschungen dokumentieren. Briefe, Telefonate und Berichte, die schneidend präzise verdeutlichen, wie sehr Behörden und vor allem die österreichischstämmige Sozialarbeiterin Marlene Winckler, durchdrungen sind von völkischem Gedankengut, der Überzeugung, dass alle nichtweissen Menschen der weissen Rasse unterlegen sind. Die Passagen dieser Akten, die Sprache, die Art und Weise, wie über das Schicksal des kleinen Jungen verhandelt und verfügt wird, schmerzt und macht offensichtlich, wie tief das elitäre Bewusstsein institutionalisierte „Nächstenliebe“ dominiert.

Anna Kims Roman hat mehrere Stimmen. Zum einen jene der jungen Frau, die einen ruhigen Ort zum Schreiben sucht, die eine Fährte aufnimmt und in Rückblenden zu reflektieren beginnt und von ihrem eigenen Leben erzählt, zum andern die unterkühlten Aktenpassagen, denen tatsächliche Akten zu Grunde liegen, die einen Schriftverkehr dokumentieren, der in schmerzhaft übergriffiger Weise zeigt, wie wenig es bei einer scheinbar objektiven Beurteilung um den jeweiligen Menschen selbst geht. Schon der Titel des Romans „Geschichte eines Kindes“ impliziert, dass Anna Kims Roman exemplarisch sein will.

Warum steht der Mensch so sehr unter dem Zwang, einzuordnen, alles in eine von Werten geprägte Hierarchie zu bringen? Ist das unsere Unfähigkeit, die natürliche Gleichheit von allen zu ertragen? Weil wir Menschen uns als Spitze der Evolution sehen?

In den Akten werden ungeheuerliche Behauptungen aufgestellt, die wie in Beton gegossene Wahrheiten präsentiert werden. Zum Beispiel: Im Durchschnitt ist die Intelligenz der Negerkinder um zwei Prozentpunkte niedriger als die der weissen Kinder.“ Aussagen, die heute zu tiefst schockieren, gleich mehrfach, in ihrer Zeit aber hingenommen wurden. Heute passiert solches Erwachen fast täglich, wenn gefragt wird, ob gewisse Bücher heute noch lesbar sind bis hin in die bildende Kunst, wo Männer wie Picasso auf ihren Sockeln wackeln.

„Geschichte eines Kindes“ ist aber auch der Roman einer jungen Frau, die sich aus welchen Gründen auch immer weigert, ihre Mutterschaft anzutreten. Ein scheinbares Unding, ganz im Gegensatz zu all den Vätern, die nicht bereit sind, ihre Vaterschaft anzutreten.

Anna Kims Roman beschreibt die menschliche Unfähigkeit, das Gegenüber nicht an Äusserlichkeiten zu messen: Warum kannst du mich nicht so akzeptieren, wie ich bin? Eine Schlüsselfrage, die bis in die Weltpolitik hineingeht.

Kurzgeschichte «Die Zähne» von Anna Kim auf der Plattform Gegenzauber

Rezension «Geschichte eines Kindes» auf literaturblatt.ch

Beitragsbilder © Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

Bettina Scheiflinger «Erbgut», Kremayr & Scheriau

am 22. April Gast im Literaturhaus Thurgau

Was und wie Bettina Scheiflinger schreibt und erzählt, beeindruckt sehr. Ihr Debüt „Erbgut“ überzeugt durch aussergewöhnliche Reife, durch Mut und hätte es in den vergangenen Monaten verdient, einiges an Beachtung mehr zu bekommen. Mit der Einladung der Autorin ins Literaturhaus Thurgau verneigt sich der Schreibende vor der Autorin.

Ernstzunehmende Untersuchungen erklären, dass jedes Leben genetisch vorbelastet ist durch die Generationen davor. Auch wenn man solchen Aussagen gegenüber kritisch bleibt, wird es einleuchtend, wenn man zugestehen muss, dass traumatisierte Menschen, die eine Familie gründen, ihre Erlebnisse bei der Erziehung nicht einfach ausblenden können. Es ist nicht möglich, in einem neuen Leben einfach bei Null zu beginnen. All das, was sich in die Jahrringe eines Menschenlebens einfrisst, was sich als dunkle Schatten in den Seelen ablagert, was im Untergrund modert, wirkt im Tun – oder auch im Unterlassen. Dass sich Bettina Scheiflinger schon mit dem Titel ihres Erstlings unzweifelhaft in dieses Thema hineinzuwagen versucht und dabei alles andere als scheitert, ist beeindruckend. Schon der Titel selbst – „Erbgut“ – offenbart die Vielschichtigkeit des Wortes selbst. Was sich als Erbe von Generation zu Generation weitergibt, ist nicht immer ein Gut, aus dem die nächste Generation schöpfen kann. Beispiele aus der Geschichte gibt es viele. Was heute in Israel passiert, ist in vielem mit Sicherheit mit dem kollektiven Traumata mehrerer Generationen zu erklären, die in der Folge von Judenverfolgung und -vernichtung millionenfach Leben zerstörte.

Bettina Scheiflinger «Erbgut», Kremayr & Scheriau, 2022, 192 Seiten, CHF 31.90, ISBN 978-3-218-01329-1

Bettina Scheiflingers Roman erzählt aber keine grossen geschichtlichen Zusammenhänge, auch wenn die Geschehnisse des zweiten Weltkriegs eine nicht unwesentliche Rolle in ihrem Roman spielen. Die Erzählstimme ist eine junge Frau, zwischen einer schweizerischen Kleinstadt, Wien und einem Dorf, einem Haus in Kärnten. Die junge Frau löst sich gegen den Willen der Eltern aus der fürsorglichen Umklammerung ihrer Familie und zieht nach Wien. Sie ist allein, hat Arbeit, bleibt länger, hadert mit sich und ihrer Vergangenheit. Sie weiss, dass in der Familie Sperrzonen eingerichtet wurden, dass es Dinge gibt, die ausgeschwiegen werden, sei es in der Geschichte ihrer Mutter oder in der ihres Vaters. Selbst die gemeinsame Geschichte ihrer Eltern ist nicht jene, die an der Fassade präsentiert wird. Die junge Frau stolpert, schwankt und taumelt, selbst als sie schwanger wird und in einer Klinik ein Kind zur Welt bringt.

Ein weiteres Qualitätszeichen des Romans ist, dass sich Bettina Scheiflinger keines billigen Erzähltricks bedient. Da sind keine Briefe im Dachboden, kein Geständnis einer Grossmutter, kein Tagebuch. Bettina Scheiflinger erzählt in einzelnen Bildern, die sich erst während der Lektüre zu einem ungefähren Ganzen zusammenfügen. Aber schon diese einzelnen Bilder haben es in sich. Sie sind von einer derartigen Intensität, dass sie wie Selbsterlebtes in der Erinnerung bleiben. Da sitzt Arno, der Vater der Erzählerin, als Halbwüchsiger auf einem Baum und weigert sich selbst in der Nacht herunterzukommen. Sein Vater hat ihn wegen einer Nichtigkeit windelweich geschlagen. Die Mutter droht, die Schwester fleht. Aber Arno bleibt. Am nächsten Tag ringt er seiner Mutter das Versprechen ab, dass es nie wieder soweit kommen darf. Ein anderes Beispiel: Johanna, die Grossmutter der Erzählerin, die auf einem Hof mit Wirtshaus in Kärnten lebt, muss während des Krieges miterleben, wie Partisanen ihre Eltern aus dem Haus zerren und verschleppen. Franz, ihr Vater, ist Nationalsozialist. (Vielleicht ist mir diese Binnengeschichte auch deshalb so in die Kniekehlen gefahren, weil sich das immer Gleiche in der Geschichte wiederholt.)

Bettina Scheiflinger wollte kein chronologisch, stringentes Erzählen. So wie Ablagerungen, sich das Erbgut toxisch auffüllt, so erzählt Bettina Scheiflinger. Sie erzählt vom grossen Schweigen in der Familie, all den Auslassungen, die alles andere als klären. Von den Ängsten, nicht zu genügen, den Traumatas einer Kindheit, wenn Gewalt und Einsamkeit, das Gefühl von Verlassenheit, die Angst vor Verlust das eigene Tun dominieren. Wenn man sich nicht befreien kann. Wenn man im Niemandsland hängen bleibt.

Ich bin mir sicher; Da beginnt Vielversprechendes!

Bettina Scheiflinger, geboren 1984 in der Schweiz. Auf das Lehramtsstudium und einige Jahre Unterrichtstätigkeit folgte 2017 der Umzug nach Wien, um am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst zu studieren. Sie schreibt Theaterstücke und Kurzhörgeschichten, veröffentlicht Prosa in Literaturzeitschriften und Anthologien. Eins ihrer Hörstücke wurde 2020 beim sonohr Radio- und Podcastfestival nominiert. 

Webseite der Autorin

Juan Gómez Bárcena «Auch die Toten», Secession

„Auch die Toten“ von Juan Gómez Bárcena ist keine leichte Kost. Aber wer sich an das Monument traut, taucht ein in einen Spiegelsaal der Geschichte. Ein Söldner macht sich auf eine Reise durch Raum und Zeit. „Auch die Toten“ ist ein Tripp durch die Menschheitsgeschichte der letzten 500 Jahre, eine Zeit, die nicht viel Gutes verspricht.

Manchmal werde ich gefragt, was es denn ausmache, dass mir ein Buch mehr als bloss gefällt. Keine leichte Frage, denn es sind bei weitem keine objektiven Parameter, die entscheiden, wie heftig mein literarisches Schwingungsmessgerät nach rechts ausschlägt. Aber ein Kriterium ist mit Sicherheit das der Überraschung. Und „Auch die Toten“ von Juan Gómez Bárcena hat mich so sehr überrascht, dass ich nach der Lektüre eine ganze Weile brauchte, um meine Eindrücke sammeln zu können, um das Buch nicht nur materiell zur Seite legen zu können. „Auch die Toten“ hat etwas Einmaliges, Singuläres. Da schrieb sich einer in einen Rausch, der auf mich übergeht. Ein Fest der Sinne, der Überraschungen, ein Buch, das man eigentlich sofort ein zweites Mal lesen sollte, um all die kleinen und grossen Geschichten, die es birgt, in ihrer Mächtigkeit mit- und nacherleben zu können.

Juan hat eigentlich ausgedient und führt mit seiner Frau eine kleine, ärmliche Schenke irgendwo in Mexiko. Juan war Söldner in den Diensten des spanischen Königs, kämpfte gegen die Azteken, brachte die „Neue Welt“ auf den Kontinent der Wilden, vor einem halben Jahrtausend. Er hat Blut an seinen Händen und will eigentlich nur seine wohl verdiente Ruhe haben.
Eines Tages erscheinen zwei Gesandte in seiner Schenke und fordern Juan auf, gegen fürstliche Bezahlung einen Indio zu suchen und an die Besatzer auszuliefern, einen Mann, den man verantwortlich macht für Auflehnung und Gegenwehr. Einen Mann, den man wie ihn Juan nennt. Man würde ihm bei seiner Rückkehr noch weiteres Gold aushändigen, wenn er diesen Juan und das Buch, das es stets mit sich trägt, ausliefere. Juan erliegt den Verlockungen des Goldes und macht sich auf die Suche nach Juan. Eine Reise, die ein paar wenige Wochen hätte dauern sollen, eine Suche, die den Jäger Juan wie den Gejagten Juan zu einem ewig Jagenden und ewig Gejagten machen. Eine Reise nicht nur quer durch einen Kontinent, der mit der Eroberung durch fremde Mächte zu einem Sumpf aus Krankheit, Gier, Gewalt und Entfremdung wird. Eine Reise durch die Zeit, vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Durch Wüsten aus Sand, Tod, Verlorenheit, durch Wüsten aus Leere, Verblendung und Abweisung.

Juan Gómez Bárcena «Auch die Toten», Secession, aus dem Spanischen von Matthias Strobel, 2022, 450 Seiten, CHF 49.90, ISBN 978-3-96639-058-3

„Auch die Toten“ ist die Geschichte einer nicht enden wollenden Reise durch die Zeit. Das, was als Menschenjagd beginnt, ist die endlose Suche nach einem sich wandelnden Geist, einem unfassbaren Phantom, das sich hinter Masken zu verbergen weiss, die sich dauernd wandeln, denen man aufsitzt und verfällt, denen man zujubelt oder die man hasst. Es ist die Jagd nach dem Bösen, das aber nur aus der jeweiligen Perspektive böse erscheint. Es ist die Ernüchterung darüber, dass es weder das rein Gute wie das rein Böse gibt. Dass sich beides mehrdeutig wandeln kann, dass beides unfassbar bleibt.

Je länger die Reise des Jägers dauert, je mehr er über den Gejagten erfährt, desto grösser wird die Distanz, desto undeutlicher die Kontur eines Mannes, der in Wirklichkeit unfassbar ist und bleibt. Juan der Jäger macht sich auf einen langen Weg durch die Jahrhunderte, durch Krankheiten, Pest, Sklaverei, Kriege – auch die Hölle. Juan, der Gejagte, wandelt sich, ist nie der, der er scheint, blendet und täuscht, spaltet und zerreisst, gibt und nimmt.

„Auch die Toten“ ist ein Höllentripp eines Verlorenen entlang der Spuren, die eine halbes Jahrhundert der Kolonialisierung des „Westens“ jenen ewig fernen Kontinent blutrot einfärbt, bis in die Gegenwart hinein. Was an dem Roman beeindruckt, ist neben seiner Sprachgewalt (Wie sehr der Begriff hier passt.) die Vielfalt an Figuren und deren Geschichten. Ich reise an der Seite dieses ewig Suchenden durch die Zeit und lerne Menschen und Schicksale kennen, die sich wie eine lange Kette aneinanderhängen, Binnengeschichten, die zeigen, wie sehr sich der Mensch in seiner jeweiligen Zeit verstrickt, wie sehr er sich blenden lässt, wie der stete Kampf ums Überleben das Mass an Schrecken nie schwinden lässt. „Auch die Toten“ ist ein literarisches Monument, ein gigantisches Sittenbild menschlicher Unvollkommenheit, ein düsteres Fresko über ein verlorenes Paradies.

Juan Gómez Bárcena, in Santander, Spanien geboren, studierte Geschichte und Literaturwissenschaften in Madrid. Sein Band mit Erzählungen «Los que duermen» (Die, die schlafen) wurde 2012 von der spanischen Zeitschrift «El Cultural» als eines der besten Debüts des Jahres ausgezeichnet. Er ist Herausgeber einer Anthologie mit Texten spanischer Autoren unter dreissig. Er lebt als Schriftsteller und Dozent für Kreatives Schreiben in Madrid.

Matthias Strobel, geboren 1967, übersetzt aus dem Spanischen und Englischen, u.a. Alfredo Bryce Echenique, Federico Axat und Daniel Griffin. 2014 wurde er mit dem Europäischen Übersetzerpreis Offenburg ausgezeichnet (Förderpreis), 2017 gehörte er mit einer Übersetzung von Alberto Barrera Tyszka zu den Finalisten des Internationalen Literaturpreises. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Beitragsbild © Isabel Wagemann

Das 63. Literaturblatt ist zum Druck bereit!

Die kleinste, aber feinste Literaturzeitschrift

«So etwas habe ich noch nie aus einem Kuvert geschält – handgeschrieben, handgezeichnet, wunderschön. Am Anfang stehen vier Bücher und ein weisses A4-Blatt. Wo andere in die Tasten hauen, greift er zum Kugelschreiber. Anstelle von Fotos setzt er auf zarte Zeichnungen. Jede Ausgabe ein Kunstwerk: Gallus Frei-Tomics Literaturblätter. Abonnieren, lesen, staunen – Unbedingt!»
Rebekka Salm

Das digitale Literaturblatt, die Webseite literaturblatt.ch lebt nur, weil es das analoge, von Hand geschriebene und gezeichnete Literaturblatt gibt und dieses von unerschrockenen, trotzigen, treuen Abonnentinnen und Abonnenten unterstützt wird.

Für mindestens 50 Fr./€ schicke ich ihnen die kommenden 10 Nummern der Literaturblätter. Die Literaturblätter erscheinen ca. 5 – 6 Mal jährlich.

Für mindestens 100 Fr/€ schicke ich ihnen als Freunde der Literaturblätter 10 Literaturblätter, 5 – 6 pro Jahr. Zudem sind sie auf literaturblatt.ch vermerkt.

Für mindestens 200 Fr./€ sind Sie als Gönner stets eingeladen, als Gönner der Literaturblätter auf literaturblatt.ch vermerkt bekommen 10 Literaturblätter (5 – 6 pro Jahr), also etwa zwei Jahre lang und werden einmalig auf Wunsch mit einem Buch beschenkt.

Kontoangaben: 
Literaturport Amriswil, Gallus Frei-Tomic, Maihaldenstrasse 11, 8580 Amriswil
Raiffeisenbank, Kirchstrasse 13, 8580 Amriswil
CH05 8080 8002 7947 0833 6
ID (BC-Nr.): 80808
SWIFT-BIC: RAIFCH22

Seit Januar 2022 ist das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar prominenter Abonnement des Literaturblatts!

„Das Blatt macht mich platt.“
Christian Futscher

 

Wolfgang Hermann «Bildnis meiner Mutter», Czernin

Wolfgang Hermann stellt sich mit seiner neuen Erzählung „Bildnis meiner Mutter“ die Frage: Was weiss ich von meiner Mutter? Ich habe Bilder, Erinnerungen, Fantasien. Und ich habe mein Nichtwissen: Aus diesem Nichtwissen will ich meine Kraft schöpfen. Ein Buch über viele Mütter!

Vater- und Mütterbücher scheinen in Mode zu sein. Das ist aber nur oberflächlich betrachtet so. Ein grosses Thema, nicht nur in der Literatur, ist die Herkunft. Letztlich beschäftigt sich auch die Geschichtsforschung mit nichts anderem als unserer Herkunft. Grosse Teile der Astronomie, der Naturwissenschaften überhaupt; Woher komme ich. Wer und was wir sind, ist in vielem Resultat. Wir alle haben Mütter und Väter, die einen als Geschenk, viele als lebenslange Hypothek. Man kann sich dieser Herkunft stellen. Man kann sein familiäres Erbe nicht ausschlagen. Wer in den Spiegel sieht, sieht all die Generationen zuvor, mit Sicherheit Mutter und Vater. Was und wie viel ist Teil meiner selbst? Wie sehr leitet mich, was Generationen vor mir mitverursachten?

Wolfgang Hermann schrieb eine Erzählung über seine Mutter, nicht über seinen Vater. Auch wenn dieser in seiner Erzählung „Bildnis meiner Mutter“ auch eine Rolle hat, wenn nicht sogar eine eigentliche Hauptrolle, denn er war der Grund, warum es seiner Mutter nie gelang, die zu werden, die sie gerne hätte werden wollen; eine eigenständige, emanzipierte Frau, eine erfolgreiche Sängerin, eine Künstlerin, eine Mutter, die ihren Kindern nicht aus lauter Verzweiflung all ihre verfügbare Liebe gibt, sondern eine, die sich im Gefüge einer liebenden Familie allen zuwenden kann; milde, fürsorglich.

Wolfgang Hermann «Bildnis meiner Mutter», Czernin, 2023, 120 Seiten, CHF 29.90, ISBN 978-3-7076-0788-8

Aber Wolfgang Hermanns Mutter wurde ein solches Leben verweigert. Nicht nur von ihrem Ehemann, auch von der Zeit, der Geschichte, dem Leben in der Provinz, in den Fesseln von Konvention und Patriarchat. In einem Interview erklärte Wolfgang Hermann, er habe seiner Mutter mit dem Buch ein „kleines Denkmal“ setzen wollen. Die Erzählung ist sehr wohl ein Denkmal. Ein Denkmal für all die Frauen in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten, die Pläne, Gaben, Talente mit sich herumtrugen, die Zeit es ihnen aber verweigerte, diese zu Gelebtem werden zu lassen.

Wolfgang Hermanns Mutter wächst in der Zwischenkriegszeit auf, ist die Tochter eines erfolgreichen Geschäftsmannes, der in Bregenz eine Sägerei betrieb. Zusammen mit ihren Geschwistern wuchs sie in einer Familie auf, in der es klar war, dass man die Kinder ihren Neigungen entsprechend unterstützte. Nicht zuletzt, weil das Geld vorhanden war. Sie nahm Gesangsstunden, träumte von einer Karriere als Sängerin. Aber weil man erst etwas Solides lernen sollte, begann sie in der Sägerein ihres Vaters, später im Bauunternehmen ihres Onkels zu arbeiten. Dass sie neben ihrer künstlerischen Ader auch eine für Zahlen und Bilanzen hatte, schien erst ein Fluch, später im Leben der Mutter die Rettung. Früh hatte sie ein eigenes Auto, schien genau zu wissen, was sie wollte, wie ihr Weg in eine selbstbestimmt Zukunft aussehen sollte. Aber weil sie stets alles zu kalkulieren versuchte, weil sie alles bestimmen wollte, nahm ihr das Schicksal schnell das Heft aus der Hand. Ihre wahre Liebe heiratete eine andere und der Mann, der sich erst mit Manieren von der besten Seite zeigte, ihr Mann, der Vater ihrer Kinder wurde, entpuppte sich immer mehr zum Wüterich, zum unbeherrschten Patriarch, zum unkontrolliert um sich schlagenden Tyrannen. Nicht nur seiner Frau, auch seinen Kindern, auch dem kleinen Wolfgang gegenüber, der schon als kleiner Junge seine Mutter aus schierer Verzweiflung aufforderte, sich scheiden zu lassen. Ihr Mann, anfänglich glühender Kommunist, versucht sich mehr schlecht als recht als Architekt in einem bürgerlich konservativen Umfeld, dass es dem «Roten» alles andere als einfach macht. Trotz seines langsam wachsenden Erfolgs zwingt er seine Familie zu sparen, schickt seine Kinder in abgetragenen Kleidern zur Schule, gibt sich gegen alles und jeden misstrauisch, nimmt in keine Weise an jenem Leben teil, dass seiner Frau einst alles bedeutete.

Obwohl seine Mutter die ist, die die Familie durch die Wirren der Nachkriegszeit manövriert, die das brüchige Gefüge zusammenhält, die sich gegen die Ablehnung ihrer eigenen Familie stemmen muss, die nichts von dem erreicht, was einst ihr Herz bewegte, bleibt sie an der Seite des Tyrannen. Trennung ist keine Option. Einmal ja gesagt, ist ein Versprechen, das sich nicht erweichen lässt. Erst als ihr Mann stirbt, als reife Frau, nimmt sie in schriftlichen Aufzeichnung „das Heft in die Hand“ und rächt sich zumindest im geschriebenen Wort.

„Bildnis meiner Mutter“ ist ein Denkmal für all die Frauen, denen man(n) die Kraft absaugte, das zu tun, was ihnen gegeben war. Wolfgang Hermann zeichnet mit aller Liebe dieses Bildnis. Das Bildnis seiner Mutter, die auf Fotos zu lächeln versucht, die aber ein Leben lang beinahe erstickt an den Zwängen ihrer Zeit.

Interview

Auch wenn es ein Buch über Deine Mutter ist, ist es auch eines über Deinen Vater. Ein Vater, der seine Liebe verloren hatte. Nicht nur die Liebe zu Deiner Mutter, auch die Liebe zu seinen Kindern. Eine Tatsache, für die es kein Zurück mehr gab. Der Ehemann Deiner Mutter, Dein Vater war ein Gefangener seiner selbst. „Bildnis meiner Mutter“ ist eine Liebeserklärung an Deine Mutter – aber nicht auch ein leiser Beginn, jenen groben Vater verstehen zu wollen?
Familie ist ein Labyrinth an unterirdischen Verbindungen. Ich wollte meiner Mutter ein kleines Denkmal setzen. Sie hat viel mitgemacht mit meinem Vater. Keine mitteleuropäische Frau würde das heute mit sich machen lassen. Mein Vater kam aus einer kargen, harten Welt. Sozialistische Ideale, keine Menschlichkeit. Und Armut. Meine Mutter setzte dem ihre Operettenwelt entgegen.
In ihren letzten Lebensjahren fanden beide zu Frieden und beinahe Harmonie. Vielleicht war es auch nur Erschöpfung.

Du hast das Buch noch zu Lebzeiten Deiner Mutter zu schreiben begonnen, es aber erst lange nach ihrem Tod zu Ende geschrieben. Im Buch erklärst Du, warum Du es damals nicht hättest veröffentlichen können. Braucht es nicht auch eine gewisse Distanz, um sich beim Schreiben nicht von einem verzehrenden Feuer leiten zu lassen?
Ich schrieb einmal eine kleine Erzählung nach einer Episode aus dem Leben meiner Mutter, die sie mir erzählt hatte. Die Erzählung hiess „Die Eisenbahn“. Nach der Veröffentlichung meinte meine Mutter: „Ach, das war doch alles ganz anders! Das hast du falsch verstanden!“
So ist es wohl immer, wenn jemand anderes unsere Geschichte aufschreibt; es kann nie stimmen.

Dein „Bildnis meiner Mutter“ ist das Bildnis der Mehrzahl aller Frauen über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Meine Mutter beispielsweise wäre gerne länger zur Schule gegangen, hätte gerne ein Instrument erlernt. Aber ihre Eltern hatten dafür kein Ohr. Sie würde sowieso heiraten und hätte genug zu tun als Ehefrau, Mutter und Haushälterin. Zwänge sind auch heute Thema und werden es bleiben. Verschieben sie sich einfach? Was Du an Deiner Mutter exemplarisch zeigst, erleben Frauen auch noch heute millionenfach.
Ja, Frauen erleben in großen Teilen der Welt auch heute noch Unterdrückung und Unfreiheit. Meine Mutter stammte aus vergleichsweise privilegierten Verhältnissen, sie nahm Gesangsstunden, besuchte die Handelsschule. Eine Generation zuvor wäre das unmöglich gewesen. Austrofaschismus und Naziherrschaft warfen das Land für Jahrzehnte zurück. Meine Mutter, auf der Suche nach Selbstverwirklichung im Gesang, heiratete einen Mann, der dafür keinerlei Verständnis aufbrachte. Es ging um wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand, da blieb keine Zeit für die Kunst. Ausserdem wurde sie Mutter von fünf Kindern.

Das Leben Deiner Mutter war von „Verzicht“ dominiert. Eine durchaus katholisch geprägte Haltung, trug ihre Mutter noch während Jahren einen Kapuzinergürtel, ging zu Beichte. „Verzicht“ an sich ist nicht schlechtes. Vielleicht ist Verzicht sogar der einzige Weg, unsere Existenz auf diesem Planet auch in hundert Jahren noch zu ermöglichen. War ihr Verzicht eine reine Selbstgeisselung, die Überzeugung, dass ein Mensch grundsätzlich schlecht ist?
Meine Mutter wurde streng katholisch erzogen, aber sie war lebensfroh und gesellig. Sie hatte das Pech, in karge, düstere Zeiten geboren zu werden. Fleiss und Arbeit waren hohe Werte für sie, aber sie war gesellig und liebte Bälle und tanzen. Sie glaubte immer an das Gute, sah auch in jedem Menschen seine guten Qualitäten. Sie glaubte daran, daß es allen gut gehen sollte. Nein, sie war keine Asketin, sie war sehr dem Leben zugewandt.

Dein Vater war in seinen frühen Jahren ein glühender Kommunist. Doch eigentlich auch nur auf der Suche nach einer Gesellschaftsform, die allen ihr Recht geben soll. Wann und warum kippte die Suche in Gram, Wut und unsägliches Misstrauen?
Mein Vater wuchs in Armut im Austrofaschismus auf, er finanzierte sich das Geld fürs Gymnasium selbst durch Nachhilfestunden. Kaum aus der Schule heraus, steckte er in der Uniform der deutschen Wehrmacht und nahm am Polen-Feldzug teil. Durch eine Entzündung kam er ins Lazarett und war von da an b-tauglich, d.h. ihm blieb die Teilnahme am Überfall auf die Sowjetunion erspart. Die Lektion, die das Leben ihn lehrte war, dass alles Kampf und Überleben des Stärkeren ist. Also Disziplin und Entsagung, um nach oben zu kommen. Seine Mutter war eine sehr harte, kalte Frau aus Böhmen. Ich denke, sie lehrte ihn Sätze wie „Beim Geld hört die Freundschaft auf“ und auch, dass du hart und stark sein musst, wenn du da draussen in dieser Welt der Wölfe überleben möchtest. Als „Roter“ hatte er es im schwarzen Vorarlberg als Architekt nicht leicht.

Wolfgang Hermann, geboren in Bregenz, studierte Philosophie in Wien, anschliessend lange Aufenthalte in verschiedenen Ländern. 1996–1998 Universitätslektor in Tokio. Lebt in Wien. Zahlreiche Bücher, u. a. «Herr Faustini verreist», «Abschied ohne Ende», «Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald«, «Das japanische Fährtenbuch», «Walter oder die ganze Welt«, «Der Lichtgeher», «Herr Faustini bekommt Besuch» und «Insel im Sommer«. Übersetzungen in zahlreiche Sprachen.

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Beitragsbild © Volker Derlath