Jochen Kelter «Grönlandsommer», Caracol

47 Jahre nach seinem Debüt, dem Lyrikband „Zwischenbericht“, und eingebettet ins 25-Jahr-Jubiläum des Literaturhauses Thurgau – Jochen Kelter war der erste Programmleiter des Literaturhauses – feierte der Dichter vergangene Woche mit seinem neuen Gedichtband „Grönlandsommer“ im Bodmanhaus Buchtaufe.

Jochen Kelter, in Köln geboren, aber schon ein halbes Jahrhundert auf der Schweizer Seite des Bodensees beheimatet, mit Sicht auf sein Herkunftsland, lernte ich 1992 persönlich kennen, als ich im Publikum einer seiner Lesungen sass. Damals war Jochen Kelter ein Autor aus dem Verlagshaus von Egon Ammann. Darunter die Erzählung „Die steinerne Insel“, ein Buch, das von seinem langen Aufenthalt in New York erzählt. New York, Paris, Konstanz, Ermatingen, vielleicht jene Achse, auf der sich das Leben Jochen Kelters bewegte, ein Dichter, der weit mehr ist als ein an seiner Scholle haftender Regionaldichter. Sein Blick ist stets weit, wach, empfindsam und klar. Da ist nichts Verklärendes, aber umso mehr Sehnsucht, nicht zuletzt die des immer älter, immer eingeschränkter werdenen Mannes, der aber nichts von seiner kreativen Lust an der Schönheit der Sprache eingebüsst hat.

Dass Jochen Kelter von der einen Seite des Bodensees auf die andere Seite schaut, ist symptomatisch für seinen Blick. Nicht der Blick eines Außenseiters, aber oft der Blick eines Aussenstehenden, eines Besorgten, eines Betroffenen, eines Nachdenklichen.

Blick und Erinnerung

Die Bäume auf beiden Seiten
der Straße kahl im Wintergrau
sind mächtig gewachsen
du erinnerst dich an die Reihen
ihrer lange gefällten Vorgänger
ihr Sommergrün wölbte sich
schattig über die ganze Straße
wie viel Zeit ist seither vergangen?

Du fährst an Häuserreihen
in der Stadt entlang als sähest du
sie zum ersten Mal so fremd
erscheinen sie jetzt wahrscheinlich
sind ihre ockerfarbenen ihre
grauen und rostroten Mauern schon
gestanden als du den dir fremden
Ort zum ersten Mal sahst

Jochen Kelter «Grönlandsommer», Caracol, 2025, 136 Seiten, CHF ca. 20.00, ISBN 978-3-907296-42-4

Jochen Kelter schreibt mit einem hohen Anspruch an Schönheit, Klang und Präzision. Seine Gedichte, die sich manchmal wie Kurzprosa lesen, in wenigen Zeilen ganz tief ins Leben blicken, aus einem einzigen Moment ein monumentales Bild machen, Erinnerungen nicht verklären, dafür umso mehr schärfen und mit Witz und Schalk den Widrigkeiten seiner Gegenwart begegnen, sind Sprachbilder, die zwischen den Zeilen weit mehr erahnen lassen, ohne sich ex­hi­bi­ti­o­nis­tisch zu gebärden. Manchmal filmreife Actionszenen, manchmal ein ganzes Leben im Schnelldurchlauf, oft ein klares Festschreiben der Schizophrenie, menschlichen Tuns, aber ganz ohne Larmoyanz.

Albtraum

Schwester und Schwager
laden ihn ein er soll sein soeben
erschienenes Buch mitbringen
im Wohnzimmer drängen sich
Journalisten und Kameraleute
er soll aus dem Buch vorlesen
er bittet um eine Leselampe
man zieht ihm den Tisch weg
er sucht verzweifelt sein Buch
was sagen Sie zum Krieg in der
Ukraine? Man hält ihm ein
Mikrofon unter die Nase: Haben
wir wirklich eine Klimakrise?
Nun sagen Sie doch endlich etwas
wo ist mein Buch? Welches Buch?
Ihre Meinung zum Krieg im Sudan
zum Überfall auf Bergkarabach
man zieht den Tisch weiter weg
schweißgebadet erwacht er
tappt ins Nebenzimmer macht
Licht – hier endlich Licht

Immer wieder finden sich in Jochen Kelters Gedichten Einschließungen, Verweise auf Musik, nachhallende Verszeilen von Liedern aus der Klassik, genauso wie Textzeilen aus Songs von Joni Mitchell. Einschliessungen aus der Lektüre anderer Bücher, so wie „Menschenwerk“ der südkoreanischen Nobelpreisträgerin Han Kang, die sich in ihren Büchern immer wieder mit unverdauter Geschichte, all der Gewalt, die sich ins kollektive Gewissen von Generationen frisst, auseinandersetzt. Themen, die auch Jochen Kelter nicht loslassen. Genauso wie der Verlust eines kulturellen Bewusstseins. Und immer wieder blitzt der Witz auf, für Jochen Kelter das einzige Mittel, um sich aktiv gegen die Oberflächlichkeiten der Gegenwart zu sperren.

Weiße Fahnen

Der Marktplatz ist aufgebrochen
völlig mit Pflastersteinen übersät
im Boden stecken grüne Fähnchen
wie geheimnisvolle Rätsel von
Außerirdischen hierher gebracht
aus uns unbekanntem Grund

Hinter den Türmen der Kathedrale
ragen weiße Fahnen wie Zeichen
der endgültigen Kapitulation
die Nebenstraßen stehen hoch
unter Wasser die Türen aller
Häuser verschlossen Hochwasser

Krieg wer weiß das? Keiner weiß
Genaues die Zeit scheint an ihr Ende
zu kommen was wird nach der Zeit
werden wir wenn wir am Morgen
erwachen in einer anderen Welt
oder in keiner Welt jemals mehr?

Sommernacht

Durch die Zweige der alten
Bäume im Dunkel der Nacht
beleuchtet der Vollmond strahlend
von unten die langsam westwärts
ziehenden grau hellen Wolken

Nach dort draußen in die Welt
der Attentäter Naturkatastrophen
der Hassprediger normalen Mörder
sagt der Nachbar zum Nachbarn
traut sich von uns niemand mehr

Außer den Mutigen Waghalsigen
Verrückten und alltäglichen Mördern
den Irrsinnigen ohne Furcht vor
Massenpanik und der übrigen Welt
wir hier unter dem friedlichen Mond

Zusammen mit „Fremd bin ich eingezogen“ (2020), „Im Grauschlaf stürzt Emil Zátopek“ (2021) und „Verwehtes Jahrhundert“ (2023) bildet „Grönlandsommer“ den beeindruckenden Reigen von vier Gedichtbänden im Caracol Verlag. Die beiden Gedichte zum Eingang sind aber auch ein deutlich Statement, dass sich die Dichtung von Jochen Kelter alles andere als Nabelschau sieht. Seine Texte sind eingebettet in die Zeit, ein geschichtliches und politisches Bewusstsein, immer auch in Sorge um die Spezies Mensch, zugleich aber Bilder eines Sprachmalers, der mit wenigen Strichen markieren kann, dessen wacher Blick auf die Welt jener eines Strengen ist, streng mit sich selbst, streng mit jenen, die in ihrer Egomanie krachen lassen.

2020 / 2021 / 2023 / 2025

Jochen Kelter ist 1946 in Köln geboren. Studium der Romanistik und Germanistik in Köln, Aix-en-Provence und Konstanz. Seit über fünfzig Jahren lebt er auf der Schweizer Seite des Bodensees in Ermatingen (von 1980 bis 2014 zudem in Paris). Lyriker, Erzähler, Essayist. 1988 bis 2001 war er Präsident des European Writers’ Congress, der Föderation der europäischen Schriftstellerverbände, und von 2002 bis 2010 Präsident der Schweizer Urheberrechtsgesellschaft ProLitteris.

Sprachsalz 2025 – das Salz in der Ursuppe der Literatur

Was ist für sie das Salz in der Suppe? Für die einen mag es der Erfolg im Beruf sein, die Anerkennung, der Applaus, für andere die Momente der Verzückung, das fluide Glück, oder die Begegnung mit Menschen, bis zur Unmittelbarkeit. Sprachsalz, ein grossartiges Literaturfestival in Kufstein im Tirol bietet an drei Tagen die Gelegenheit, der Literatur so nahe zu kommen, wie sonst kaum: Einzige Voraussetzung; man muss sich aufmachen.

Dacia Maraini, eine der Grossen der italienischen Literaturszene, eine unermüdliche Kämpferin, nicht nur in der Literatur mit ihrem Buch „Ein halber Löffel Reis“, ein autobiographischer Roman über ihre Gefangenschaft als Kind zusammen mit ihrer Familie in einem japanischen Internierungslager während des zweiten Weltkriegs oder die japanische Autorin Mieko Kawakami, von deren deutscher Erstveröffentlichung „Brüste und Eier“ der japanische Grossmeister Maruki Murakami meinte So grossartig, dass es mir den Atem raubt oder der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew, der 2022 mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine sein Heimatland verlassen musste und seither in Berlin lebt und mit blitzgescheiten und scharfzüngigen Büchern wie „Der grosse Gopnik“ zu Lebzeiten Putins wohl nie mehr einen Fuss in sein Heimatland setzen kann – um nur drei von einer langen Liste grosser Namen aufzuzählen. Wie jedes Jahr glänzen die internationalen Literaturtage in Kufstein im Tirol mit einem überzeugenden Mix aus grossen Namen, wichtigen Themen und Autorinnen und Autoren, denen die grosse Bühne endlich die Gelegenheit bietet, sich einem breiteren Publikum zu zeigen.

Mieko Kawakami © Yves Noir / Sprachsalz

Wer die Liste aller bisher ins Sprachsalz eingeladener Künstler*innen liest, ist schwer beeindruckt. Da findet sich fast alles, was ein literaturinteressiertes Herz in Wallung bringt. Erstaunlich, was das Team um den Festivalgünder, Autor, Komponist und Musiker Heinz D. Heisl seit fast einem Vierteljahrhundert aus dem Boden stampft; ein Fest der Literatur, ein Tummelplatz für all jene, denen die Literatur, das Buch, die Kunst, die Musik Türöffner zu etwas viel Grösserem sind, zu einer Welt, die all jenen verborgen bleibt, die bloss im Hamsterrad des Alltags rennen. So sehr sich der Inn in Kufstein von seiner abweisenden, distanzierten Seite zeigt, einem bewusst wird, wie bedrohlich gefährlich dieses milchig weisse Wasser werden kann, wie hoch die Mauern zu seiner Bändigung sind, so nah wird mir die Kunst, die Welt aus Leidenschaft, Poesie und Erzählkunst im Kultur Quartier, einer Festivallocation, die alles bietet, was ein Festivalpublikum braucht; stimmige Räume, in denen man sich dem Sound der Sprache hingeben kann, ein Festivalzentrum für Begegnungen, Gespräche, ganz nah einem leckeren Kaffee, einem guten Glas Wein. Da sitzt sogar einer an einer kleinen Hermes Reiseschreibmaschine und schreibt, tippt mit grünem Hut und seinem Zeigerfinger. Marco Kerler, Dichter aus Deutschland, schenkt jedem, der sich auf den Stuhl neben ihn traut, ein Poem, ein Gedicht, ein Unikat, witzig, hintersinnig, kitschig, romantisch, um es nachher, eine Treppe tiefer vor der Linse festzuhalten. Da wird Literatur zu einem Stück von mir. Ich nehme sie nicht nur in meinem Herzen mit nach Hause, sondern mir fast unmittelbar auf den Leib geschnitten.

Franz Hohler © Denis Moergenthaler / Sprachsalz

Wie ich ihn mag, den alten Mann, der mittlerweile leicht gebeugt, die Bühne besteigt und mit dem Alter ein sympatisches Weilchen braucht, bis er wie immer kluge Antworten gibt. Nicht nur für Schweizer ist Franz Hohler ein beinah kulturhistorisches Urgestein. Wenn er hinter dem Stehpult seine Geschichten vorträgt, dann strahlen Gesichter wie die von Kindern. Man applaudiert aus purer Freude. Franz Hohler ist ein Geschenk. Auch wenn sich der Künstler als Kaberettist zur Ruhe setzte: er weiss, wie er seine Texte in Szene setzen, wie es sich selbst als Instrument seinem überaus aufmerksames Publikum zuwenden muss.

Durs Grünbein © Denis Moergenthaler / Sprachsalz

So ganz anders der Sprachkünstler Durs Grünbein, schon vor 30 Jahren mit dem bedeutensten Preis der deutsprachigen Literatur geehrt, dem Georg-Büchner-Literaturpreis, mit seinem Dresden-Epos „Der Komet“, einem Erinnerungsroman an seine Grossmutter, die die Vernichtung der Stadt im Februar 1945 erleben musste. Die Geschichte einer jungen Frau, die hoffnungsvoll in die grosse Stadt zieht, den Mann fürs Leben findet, um unter den amerikanischen Bomben, die die Stadt in Schutt und Asche legen, ihr Leben in Trümmern sieht. Ein Roman, der angesichts der Weltlage aktueller nicht sein kann.

Johan Harstad © Denis Moergenthaler / Sprachsalz

Johan Harstad besuchte Kufstein mit seinem fast 1200 Seiten schweren Roman „Unter dem Pflaster liegt der Strand“, ein Schwergewicht der norwegischen Literatur, ein Roman zwischen den Zeiten, zwischen Coming-of-Age und Agenten- und Wissenschaftsgeschichte, ein Roman vom ganz Grossen und ganz Kleinen. Schade, dass am Festival auf der Bühne nicht mehr diskutiert und ausgetauscht wurde. Nicht nur den Besucher*innen des Festivals hätte sich noch viel mehr erschlossen. Auch den eingeladenen Künstler*innen wäre diese Auseinandersetzung mit ihren Büchern zu gönnen gewesen.

Weitere Gäste waren die vielfach ausgezeichnete Dichterin und Romanautorin Ulrike Draesner, Yannic Han Biao Federer mit zwei berührenden Romanen über Verlust, Hanspeter Düsi Künzler mit einem Roman zwischen Nikotin und Soul, der Wörterfabrikant und Vokabeljongleur Stephan Tikatsch und die Dichterin und bildende Künstlerin Erika Wimmer Mazohl.

Matthias Schönweger © Denis Moergenthaler / Sprachsalz

Der Südtiroler Matthias Schönweger, Aktionskünstler, Sprachjongleur, Literaturperformer beschliesst das diesjährige Festival. Ein Mann, dessen Leben ganz Kunst ist, dessen Aufritte jedesmal Inszenierung sind, der mit jeder Faser verspielte Lebensfreude ausstrahlt, dessen Bücher zu Kunstwerken, Nachzeichnungen seiner Gedankenwelt, Spielwiese seiner grenzenlosen Fantasie sind. Ein Mann, dem ich schon in seiner Heimatstadt Meran begegnete, dessen Herzlichkeit und Nähe sich unauslöschlich einbrannte. Sprachsalz zeigte den Film «MENSCH, msch!», der Einblicke in sein Schaffen, seine Archive und seine Denkbewegungen gewährt. Matthias Schönweger ergänzt mit einer seiner legendären Performances.
Sprachsalz 2025 war ein Ereignis! Mit viel Leidenschaft perfekt organisiert, volle Säle, zufriedene Gesichter. Ein prickeldes Vollbad in der Literatur. Schon jetzt ein Fixpunkt in meinem Kalender für den Frühherbst 2026.

Danke!

Viktor Jerofejew © Denis Moergenthaler / Sprachsalz

Titelfoto: Dacia Maraini © Denis Moergenthaler / Sprachsalz

Evelina Jecker Lambreva zu Gast in Amriswil

Evelina Jecker Lambreva las bei uns im Wohnzimmer vor einem gespannten Publikum aus ihrem Roman «Mein Name ist Marcello». Überraschungsgast an dieser Lesung war Bernhard Borovansky, ihr Verleger aus Wien, der seit 2008 zusammen mit seiner Frau Konstanze Borovansky die Geschicke des Braumüller Verlags bestimmt.

«Mein Name ist Marcello»: In Mailand stellt eine berühmte Schweizer Schriftstellerin ihren neuen Kriminalroman vor. Während der Veranstaltung steht ein Mann aus dem Publikum auf und behauptet, die Schriftstellerin habe seine Biografie gestohlen und seine persönliche Geschichte erzählt. In dem darauf folgenden Skandal droht er mit einer Klage, besucht immer wieder Veranstaltungen, stalkt sie und will herausfinden, warum sie das getan hat. Die Schriftstellerin kann sich das alles nicht erklären, sie kennt den Mann nicht, lässt sich aber auf ein Gespräch mit ihm ein. Die beiden gehen eine Liaison ein und verlieben sich sogar ineinander. Durch die Nähe kommen sie der Wahrheit immer mehr auf die Spur und entdecken Unglaubliches. Eine dicht erzählte Geschichte mit einem erstaunlichen und nicht erwarteten Ende.

„Mein Name ist Marcello“ ist voller Überraschungen, liest sich wie ein Thriller, der sich immer und immer wieder meinen Interpretationen verweigert. So wie die menschliche Seele ein Labyrith ist, so gibt sich die Lektüre dieses Romans.

Verleger Bernhard Borovansky, Evelina Jecker Lambreva und Veranstalter Gallus Frei

«Schreiben» ist die persönliche Auseinandersetzung mit mir selbst, indem ich versuche, eben diese „andere“, die in mir verborgen ist, kennenzulernen. Mit den Worten C.G. Jungs: „In jedem von uns lebt noch einer/eine, den/die wir nicht sein wollen.“ Genau diese möchte ich durch das Schreiben besser kennenlernen: die ich nicht sein möchte, die aber trotzdem irgendwo (auch) mein Inneres bewohnt.

Die Ohnmacht eines Kindes bewegt mich zutiefst, und was später im Verlauf des Lebens aus dieser Ohnmacht entstehen kann – diese Frage entzündet meine künstlerische Fantasie enorm. Wie sich aus einem ohnmächtigen, systematischer Gewalt ausgelieferten Kind später eine Ärztin, eine Schriftstellerin, eine Mörderin oder eine Rechtsextremistin entwickelt, das ist die Frage, die mich in meinen Texten beschäftigt. Denn das ist und bleibt für mich eines der grossen Geheimnisse des Lebens: Wieso machen psychische Traumata von in der Kindheit erlebter physischer und/oder psychischer Gewalt manche Menschen krank und (selbst)zerstörerisch, andere zu autoritären Herrschern oder gar zu monströsen Diktatoren, und andere wiederum zu hochbegabten Künstlerinnen und Künstlern, sowie zu hervorragenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Dieses Geheimnis, so denke ich, wird wohl nie von der Wissenschaft gelüftet werden.

«Es war eine unvergessliche Hauslesung bei Gallus und Irmgard Frei-Tomic, an der ich meinen neuen Roman „Mein Name ist Marcello“ vorstellen durfte. In familiärer Atmosphäre, unter den stummen Blicken hunderter von Büchern, zweier Gitarren und eines Klaviers hörte mir ein sehr interessiertes und engagiertes Lesepublikum zu. Aufschlussreiche Fragen, tiefgreifende Gedanken und leidenschaftliche Liebe zur Literatur begleiteten durch den Abend.
Ganz herzlichen Dank an alle, die zu diesem gelungenen Anlass beigetragen haben! Für mich ist er zu einem der Höhepunkte des Jahres geworden.» Evelina Jecke Lambreva

mehr zu den Büchern von Evelina Jecker Lambreva

Beitragsbilder © Suscka Kottonau

Anna Weidenholzer «Hier treibt mein Kartoffelherz», Matthes & Seitz

Anna Weidenholzer repräsentiert genau das, was an der österreichischen Literaturszene bestechend ist; Vielfalt, Experimentierfreude und sprachliches Feingefühl. So poetisch die Titel ihrer Bücher sind, so tiefsinnig und tiefgründig sind ihre Geschichten in ihrem neuen Erzählband „Hier treibt mein Kartoffelherz“. Ein literarischer Leckerbissen.

2010 debütierte Anna Weidenholzer mit ihrem Erzählband „Der Platz des Hundes“, der von der Kritik einhellig gelobt wurde. Damals ein Versprechen für die Zukunft. Heute ist Anna Weidenholzer ein Eckpfeiler der deutschsprachigen Literatur. Nach ihrem Erzählband erschienen drei Romane: „Der Winter tut den Fischen gut“, „Weshalb die Herren Seesterne trugen“ und „Finde einem Schwan ein Boot“. Schon allein die Titel ihrer Bücher öffnen Türen, beschreiben programmatisch, was der Autorin wichtig ist. Anna Weidenholzer erzählt nicht einfach ein Stück Erlebtes, keine blossen Anektoten, schon gar nicht plottorientiert. Alles, was Anna Weidenholzer schreibt, sind menschliche Verschiebungen, Verwerfungen, die sich im Unscheinbaren manifestieren. Menschliche Verunsicherungen, die sich während des Lesens unweigerlich auf mich als Leser übertragen, eine Verunsicherung, die die Autorin mit ihrem sprachlichen Feingefühl auslöst, eine Mischung aus Verwunderung und Heiterkeit. Genau das, was literarische Feinkost bewirken soll.

25 Erzählungen, die einen eine halbe Seite lang, die anderen seitenlang, verteilt über die vier Jahreszeiten. Erzählungen, die alle für sich selbst stehen und doch miteinander verbunden sind, seien es Motive, Orte, aber auch in den letzten und jeweils ersten Sätzen, bei denen Anna Weidenholzer erzählerisch den Stab von einem Text zum andern weitergibt.

Anna Weidenholzer «Hier treibt mein Kartoffelherz», Matthes & Seitz, 2025, 155 Seiten, CHF ca. 25.90, ISBN 978-3-7518-1023-4

Anna Weidenholzers Erzählen ist unspektakulär. Aber es scheint, als hätte die Autorin ein Sensorium mehr als die meisten Menschen, als würde sie in Bereichen sehen, hören und fühlen, die den meisten anderen Menschen verschlossen bleiben. Wie eine Fledermaus, die in Frenquenzen hört, die uns verborgen bleiben. Anna Weidenholzer verrät, sie habe sich gar einen eigenen „Fledermausdetektor“ zuglegt, um in der Dämmerung den uns verborgenen Stimmen zu lauschen. Genau so schreibt die Autorin. Sie schreibt von dem, was knapp unter der offensichtlichen Wahrnehmung geschieht.

Zweimal habe ich der Autorin am Internationalen Literaturfestival zugehört, zweimal mit gebannter Verzückung, grossartig unterhalten und bas erstaunt über den feinen Witz und hintergründigen Humor, mit dem die Autorin nicht in erster Linie bestechen will, sondern meine für fest und stabil gehaltenen Untergründe in sanfte Schieflage bringt. Ein Blick auf Menschen und Dinge, der weit über Oberflächlichkeiten hinausgeht. Als ich mit einem Freund am Festival in einem Gasthaus zu Abend ass und auf die Perlen der Literatur anstiess, sass da Anna Weidenholzer nicht weit von uns an einem grossen Tisch, umgeben von anderen Akteur*innen des Festivals. Da ist nichts Divenhaftes, nichts Überzogenes. Es ist, als wäre Anna Weidenholzer genau das, was sie schreibt. Da schaut und hört jemand, der in Sphären wahrnimmt, die den meisten anderen verschlossen bleiben.

Und die Sprache. Das scheinbar Banale offenbart unsägliche Tiefe. Das spiegelt sich auch in der Sprache, in der Intensität ihres Erzählens, in dem, was die Texte bei sorgfältigem Lesen auslösen. Zugegeben, „Hier treibt mein Kartoffelherz“  ist weder Schnellfutter noch leicht verdaulich. Aber wer sich einlässt, wird mitten ins Herz getroffen.

© Literaturfestival Leukerbad

Anna Weidenholzer, 1984 in Linz geboren, lebt in Wien. Mit ihrem ersten Buch, «Der Platz des Hundes» (2010), war sie 2011 für das Europäische Festival des Debütromans in Kiel nominiert. Ihr zweiter Roman «Der Winter tut den Fischen gut» war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. 2013 wurde sie mit dem Reinhard-Priessnitz-Preis ausgezeichnet. Ihr Roman «Weshalb die Herren Seesterne tragen wurde» 2016 für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2017 erhielt sie den Outstanding Artist Award für Literatur der Republik Österreich.

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Erika Mayer

29. Internationales Literaturfestival Leukerbad – ein ganz persönlicher Rückblick

Zurück im Alltag, in der Erinnerung mehr als zwei Dutzend besuchte Lesungen, sind es Glücksmomente, wunderbare Begegnungen, Verzückungen – mit einem schalen, leicht morbiden Nachgeschmack, die mich auf die 29. Ausgabe des Festivals zurückblicken lassen.

An den eingeladenen Autorinnen und Autoren kann es nicht liegen. Auch nicht am Wetter oder fehlender Kulisse, schon gar nicht am Interesse derer, die sich für die Literatur auf nach Leukerbad machen. Vielleicht ist es der Ort. Vielleicht die örtlichen Offiziellen, vielleicht der sterbende Sommertourismus. Da täuscht auch der eine oder andere neue Strassenbelag oder der neu eröffnete Supermarkt im Busbahnhof nicht darüber hinaus. Während man in den einen Hotels ohne grossen Aufwand einen Film drehen könnte, der in den Siebzigerjahren spielt, spricht man an der Rezeption anderer nur noch Englisch oder Russisch. In der Mittagspause wird auf dem Dorfplatz nirgendwo im Schatten etwas Kühles serviert und das Festivalcafé (wenn es denn eines ist) bei der Festivalbuchhandlung im Alten Bahnhof muss mit einer Plastikplane gegen den trüben Blick in eine ewige Baugrube geschützt werden. Ich sitze an einer Mauer mit zwei Schriftstellerinnen, die wie ich nicht so genau wissen, wohin mit sich selbst, wenn der Festivalbetrieb mal eben Pause macht.

Mariann Bühler

Warum dann jedes Jahr doch? Selbst wenn ich die lang ersehnte Literarische Wanderung am Donnerstag wegen eines „Personenunfalls“ versäumte, der Spannteppich in meinem Hotelzimmer Generationen von Gästen zwischen Bett und Badezimmer trug und mir einmal mehr der Mut fehlte, die Flasche Wein zum Abendessen mit einem Freund nicht leerzutrinken, weil die Aussicht auf nächtliches Schädelbrummen ziemlich gross war?
Wegen der Literatur! Wegen jener AutorInnen, die man nur in Leukerbad trifft, die einem immer wieder über den Weg laufen und sich in Gespräche verwickeln lassen. Weil der Zustand des Dorfes ziemlich genau den Zustand der Welt, der Gesellschaft repräsentiert: bröckelnde Fassade, hier und dort Zeugnisse grosser Geschichten. Wegen der Geschichten in Büchern, jener gebannten Musik, den Partituren des Lebens. Wegen der Poesie, den letzten offenen Türen zum Paradies. Wegen der Menschen, die beim Zuhören den Atem anhalten, wegen den Tränen in den Augen, weil mich Texte aus den Socken hauen.

Birgitt Birnbacher

Wegen Birgitt Birnbacher, die mich mit ihrer Freundlichkeit, ihrer Menschenliebe überwältigt. Wegen Anna Weidenholzer, die mit ihrer feinsinnigen Beobachtungsgabe Grund zur Hoffnung gibt. Wegen Rolf Hermann, der mit seinem Witz die Bauchmuskeln strapaziert. Wegen Christian Kracht, der mit weicher, klarer Sprache überrascht, Jürg Halter, der mit Lyrik rockt, Patrick Holzapfel mit Poesie wie Meditationen zum Müssigsitzen, Victoria Kielland mit einem Seelenbrand, Katja Lange-Müller mit geschriebener Berliner Schnauze… Die Liste liesse sich noch lange weiterführen.

Rolf Hermann mit Moderatorin Monika Schärer

Wie jedes Jahr waren die Gesprächsreihen «Perspektiven» äusserst spannend und aufschlussreich; «Verständigt und verstanden», ein Gespräch mit den Schriftstellern Volker Braun und Christoph Geiser und dem Verleger Christian Ruzicska, «Gegenwarts­literatur: Kitsch mit Kultur­anstrich?» mit Literaturwissenschaftler Moritz Baßler im Gespräch mit Lukas Bärfuss und Stefan Zweifel oder «Auf der Suche nach einem besseren «Woke»» mit Kulturjournalist Jens Balzer und dem neuen Co-Leiter des Festivals Stephan Bader. Wünschenswert wäre es, wenn man in der Auseinandersetzung mit solchen Themen auch die Besucher*innen mit einbeziehen würde, wenn man nicht zum stummen Zuhören verdammt wäre. Durchaus ein Feld mit Entwicklungspotenzial!

Tanja Maljartschuk, 1983 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine geboren, seit dem russischen Angriffskrieg lebt in Wien. Sie war Überraschungsgast am Samstag Abend.

Es sind die Schreibenden, die locken. Ganz sicher nicht die Gastfreundschaft einer Tourismusdestination, die den Zenit vor Jahrzehnten überschritten hat. Da ist auch die Verleihung des Kultur- und Wirtschaftspreises des Kantons Wallis durch Staatsrat Christophe Darbellay wohl erfreulich und für das Festival mehr als verdient, aber trotzdem eher Versöhnungsversuch, weil die Absicht, der grossen Literatur ebenso grosse Bühne bieten zu können, etwas fadenscheinig wirkt.

Ab 2026 wird sich Hans Ruprecht, der das Festival fast zwei Jahrzehnte prägend gestaltete, aus der Leitung zurückziehen und der langjährigen Co-Leiterin Anna Kulp, verstärkt durch Stephan Bader, ehemaliger Redaktions­leiter beim «Literarischen Monat», das Szepter übergeben. Möge es der neu formierten Leitung gelingen, dem Festival ein neues Herz, ein echtes Festivalzentrum, einen Ort der Begegnung zu schenken, bevor sich der gute Geist des Festivals verabschiedet.

Ich reiste erfüllt und beseelt zurück, dankbar und reich beschenkt von einem Felsenkessel, in dem es brodelte.

Ich freue mich auf das 30. Internationale Literaturfestival Leukerbad 2026!

Beitragsbilder © Literaturfestival Leukerbad / Ali Ghantschi

Victoria Kielland «Meine Männer», Klett-Cotta

Brynhild Størset kam 1859 in Norwegen zur Welt und starb 1908 in den Staaten als Belle Gunness. Die Geschichte einer enttäuschten Frau, die sich nach Übersee rettete und doch nie ihre Ruhe fand, nicht einmal im Tod.

„Meine Männer“ ist in vielerlei Hinsicht ein aussergewöhnliches Buch. Was sich auf den ersten Seiten wie eine leidenschaftliche Sprachhymne an jene erste grosse Liebe, den Akt der Liebe liest, entpuppt sich mehr und mehr als rauschhaft geschriebenes Innenleben einer Frau, die bis heute als eine der übelsten Serienmörderinnen gilt, der man erst nach ihrem Verschwinden, ihrem angeblichen Tod auf die Spur kam. Als 1908 ihr Haus in Flammen aufging, fand man in den verkohlten Ruinen die Überreste zahlreicher Leichen.

Victoria Kielland, fasziniert von einer unfassbaren Person, nicht nachvollziehbaren Motiven einer Frau, der es zeitlebens nie mehr gelang, aus einer tödlichen Zwangshandlung auszubrechen, erzählt nicht einfach die fiktive Geschichte einer Mörderin. „Meine Männer“ ist eine emotional aufgeladene Schilderung einer Innenwelt, die in einer Weise fesselt und mitreisst, die selbst „geübte“ Leser*innen gleichermassen verunsichert wie begeistert.

Dieser Roman ist weder blutrünstiger Krimi oder Thriller noch überzogenes Kunstobjekt. Victoria Kielland geht es weder um einen Erklärungsversuch einer unerklärlichen Kette nicht nachvollziehbarer Verbrechen noch um ein möglichst faktennahes literarisches Spekulieren. Victoria Kielland schreibt sich in die Seele einer Frau, die nach Liebe sucht, der das Töten zum letzten Akt des Besitzens wurde, die diesen finalen Akt immer und immer wieder brauchte, um sich selbst am Leben zu halten.

Victoria Kielland» Meine Männer», Klett-Cotta, aus dem Norwegischen von Elke Ranzinger, 2023, 192 Seiten, CHF ca. 32.90, ISBN 978-3-608-50183-4

Man reibt sich während der Lektüre die Augen, schüttelt den Kopf und wundert sich unsäglich, wie schaurig schön es der Schriftstellerin gelingt, einen Seelenzustand zu schildern. „Meine Männer“ ist vollendete Sprachkunst, Sprachmusik der Extraklasse, ohne dabei in Sphärisches, Hyperintellektuelles zu entrücken. Satzkaskaden, die den Rausch jener Frau, den Rausch der Autorin zu einem Rausch des Lesens machen.

Die Liebe reichte nicht für alle.

Als Brynhild Størset mit etwas mehr als zwanzig nach Amerika auswandert, hat sie als Magd einen Gutsbesitzersohn umgebracht, der sie mit grossen Versprechungen ins Bett an seine heisse Haut lockte und mit kalter Zurückweisung den ersten grossen Feuerbrand der enttäuschten Liebe entfachte. Sie kommt nach Chicago zu einer ihrer älteren Schwestern, die dort eine Familie gründete. Brynhild ändert ihren Namen zu Belle (oder Bella), wohl nicht so sehr um eventueller Strafverfolgung zu entgegen, sondern um sich selbst eine zweite Chance zu geben. Sie wird nach der Heirat mit dem Norweger Mads Sørensen zu Bella Sørensen, wird zweifache Mutter und zusammen mit ihrem Mann zur Geschäftsfrau. Aber es stellt sich kein Glück ein, ganz im Gegenteil; eine lange, fatale Kette tödlichen Unglücks. Das Geschäft brennt, die Kinder sterben, Mats stirbt. Mit dem Geld aus der Versicherung zieht Bella weg, nimmt neuen Anlauf, findet Mann um Mann, die alle irgendwann sterben. Bella rutscht in einen Wahn und ich als Leser werde Zeuge einer wahnhaften Verklärung, eines tödlichen Rauschs, der erst in Flammen ein Ende findet.

Was Victoria Kielland gelingt, ist aussergewöhnlich, ausserordentlich. Ich gerate in eine Leserausch, bin betört von Klang, Rhythmus und Beschreibung, die es so nur ganz selten gibt. Ein Buch, das ich nicht gelesen hätte, wäre die Autorin nicht auf der Gästeliste des Internationalen Literaturfestivals in Leukerbad gestanden. Was für ein Geschenk!

Victoria Kielland, geboren 1985 in Norwegen, studierte Theaterwissenschaft. Für die Prosasammlung «I lyngen» wurde sie für den Debütantenpreis von Tarjei Vesaas nominiert, sie erhielt das wichtigste Schriftstellerstipendium des norwegischen Buchhandels. Für «Meine Männer» wurde sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet und erhielt hymnische Kritiken.

Elke Ranzinger, geboren 1980 in Passau, studierte Theaterwissenschaft, Nordistik und Neuere Deutsche Literatur in München und Bergen. Sie ist Übersetzerin, Moderatorin und Dramaturgin und übersetzt aus dem Norwegischen und Schwedischen u. a. Merethe Lindstrøm, Helga Flatland und Tore Renberg.

Beitragsbild © Julia Marie Nagelstad

47. Solothurner Literaturtage „Im Bunker Frieden“ Ein Mahnen gegen Gewalt

Dass in Solothurn nicht einfach die Literatur und ihre Akteur*innen gefeiert werden, dass etwas vom Geist der Gründungszeiten des Festivals geblieben ist, bewiesen die Solothurner Literaturtage heuer auf eindrückliche Weise. Durch den Umbau des Landhauses, seit Jahrzehnten traditionelles Festivalzentrum, sah sich das Festival zur Alternative gezwungen. Einer Alternative mit Zukunft!

Ohne dass sich das Festival ein Motto gegeben hätte, zog sich ein Thema durch fast alle Veranstaltungen der jährlich stattfindenden Werk- oder Nabelschau der nationalen Literatur; Institutionalisierte Gewalt, Rassismus, Unterdrückung, die Nachwirkungen kolonialer Gewalt, Gewalt gegen Frauen… kaum eine der Veranstaltungen belichtete nicht eine der Facetten einer menschlichen Tragödie, die sich die Öffentlichkeit noch immer nicht in seiner ganzen Breite zu stellen traut. Genau das soll passieren an diesem Festival. So wie die Gründer*innen vor 47 Jahren ein Forum für die aktuelle Literatur im Land schaffen wollten, sollte es ein Ort der Auseinandersetzung, des Austauschs werden. Eine Auseinandersetzung mit Themen und Texten.
Während uns die Fratze der Gewalt aus jeder Ecke des gegenwärtigen Lebens entgegengrinst, heisst es, sich dem Thema zu stellen. Literatur muss und soll ein Ort sein, an dem wir nicht nur konfrontiert werden, sondern eingeladen, sich ganz direkt mit den Auswirkungen von Gewalt auseinanderzusetzen.

Gabriela Wiener, geboren 1975 in Lima, ist eine peruanische Schriftstellerin und Journalistin. Zu ihren Büchern gehören «Nueve lunas» (2009), ein Memoir über Schwangerschaft, und «Sexografías» (2008), eine Essay-Sammlung über die zeitgenössische Sexkultur. Für eine Reportage über Gewalt gegen Frauen wurde Wiener mit dem peruanischen Nationalen Journalistenpreis ausgezeichnet. Ihr Debüt «Unentdeckt» stand 2024 auf der Longlist für den International Booker Prize und wird in 8 Sprachen übersetzt.

Ob das mit der peruanischen Schriftstellerin Gabriela Wiener geschieht, die aus dem spanischen Exil mit ihrem Romandebüt «Unentdeckt» 2024 auf der Longlist für den International Booker Prize stand über koloniale Gewalt, mit Lizzie Doron und ihrem Buch «Wir spielen Alltag. Leben in Israel nach dem 7. Oktober. Leben in Israel nach dem 7. Oktober» über den Terror im eigenen Land, oder mit Yevgenia Belorusets und ihrem Tagebuch «Anfang des Krieges» über den brutalen Angriffskrieg Putins in der Ukraine, oder mit dem Roman von Volha Hapeyeva «Samota. Die Einsamkeit wohnte im Zimmer gegenüber», der sich sinnlich und poetisch mit der politischen Stille in ihrem Heimatland Weissrussland beschäftigt oder auch mit den ganz eigenen und eigenwilligen Auseinandersetzungen der Schriftstellerinnen Nora Osagiobare «Daily Soap» und Regina Dürig «Frauen und Steine», die sich mit ganz persönlichen Gewalterfahrungen auseinandersetzen – die Solothurner Literaturtage boten vielerlei Anlass zu Auseinandersetzung und Diskussion.

Sagal Maj Čomafai, geboren 1995 in Stans, hat Philosophie und Indologie an der Universität Zürich und Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel studiert. Seine Texte sind bereits in zahlreichen Zeitschriften erschienen. «Fast nichts all inclusive» (2025) ist sein erstes Buch.

Aber auch in der direkten, unmittelbaren Konfrontation mit Texten. Im Format «Skriptor» diskutieren Autor*innen oder Übersetzer*innen zusammen mit dem Publikum einen in Arbeit befindlichen Text. Dabei geht es nicht wie beim Bachmannlesen in Klagenfurt um das gnadenlose Zerlegen eines Textes, sondern um das Wachsen eines Textes. Reaktionen, Fragen, Anregungen, Reibungen sollen den jeweiligen Testlieferant*innen Möglichkeiten geben, einem Text jene Hefe unterzumischen, der ihn aufgehen und wachsen lässt. Nirgendwo an den Solothurner Literaturtagen kommt man Texten näher wie an diesen Veranstaltungen – gerade eben, weil die vorgelegten Texte noch mitten im Entstehen sind.

Nora Osayuki Osagiobare wurde 1992 in Zürich geboren. Sie hat Literarisches Schreiben in Biel und Wien studiert. Ihr Debütroman «Daily Soap» (2025) wurde an den Solothurner Filmtagen und der Berlinale zur Verfilmung gepitcht. Sie lebt in Zürich.

Wie immer an den Solothurner Literaturtagen fehlen auch die grossen Namen nicht. Marlene Streeruwitz, vielfach ausgezeichnete Autorin, mit streitbaren Meinungen und immer wieder pointierten Aussagen, versuchte sich in einem Gespräch mit Jonas Lüscher zum Thema «Demokratie unter Druck» den Auswüchsen von Populismus und Radikalität zu stellen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn ein Gespräch nicht über Behauptungen hinauskommt und die Inszenierung wichtiger scheint als Inhalte. Auch Francesca Melandri, die italienische Autorin, die mit «Kalte Füsse» an die Solothurner Literaturtage kam, war nicht bereit für ein wirkliches Gespräch auf der Bühne. Ihr Auftritt war vielmehr ein Vortrag über die Auseinandersetzung mit dem «Schreiben über den Krieg», die Unmöglichkeit, sich als Unbeteiligte in diesen Schrecken hineinzufühlen und den Versuch, es mit dem Schreiben doch zu tun.

Meral Kureyshi, geboren 1983 in Prizren, kam 1992 mit ihrer Familie in die Schweiz und lebt in Bern. Sie studierte Literatur und Germanistik und arbeitet als freie Autorin. Ihr erster Roman «Elefanten im Garten» (2015) war für den Schweizer Buchpreis nominiert, wurde mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt. «Im Meer waren wir nie» (2025) ist ihr drittes Buch.

Würdig und festlich waren sowohl die Preisverleihung des Solothurner Literaturpreises an Alain Claude Sulzer für sein Lebenswerk und die Verleihung der Schweizer Literaturpreise an Laura Leupi mit «Das Alphabet der sexualisierten Gewalt», Romain Buffat mit seinem Roman «Grande-Fin«, Eva Maria Leuenberger mit ihrem Lyrikband «die spinne », Catherine Lovey mit ihrem Roman «histoire de l’homme qui ne voulait pas mourir», der 2026 auf Deutsch erscheinen soll, Nadine Olonetzky mit ihrer historisch-litauischen Auseinandersetzung «Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist», Béla Rothenbühler mit seinem Mundartroman «Polifon Pervers«, der schon für den Schweizer Buchpreis 2024 nominiert war und Fabio Andina mit seinem Roman «Sedici mesi» («Sechzehn Monate») – und Fleur Jaeggy, mit dem Schweizer Grand Prix Literatur 2025, einer Grande-Dame der Schweizer Literatur, ausgezeichnet für ein Werk, dessen Strahlkraft weit über Grenzen hinausgeht. Eine Demonstration der Vielfalt schweizerischen Literaturschaffens!

Sunil Mann wurde im Berner Oberland als Sohn indischer Einwanderer geboren. Er hat in Zürich Germanistik und Psychologie studiert, die Hotelfachschule Belvoirpark absolviert und danach zwanzig Jahre lang bei Swiss Airlines als Flugbegleiter gearbeitet. Er schreibt Kriminalromane, Romane, Erzählungen, Kinder- und Jugendbücher sowie Hörspiele fürs Schweizer Radio. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit einem halben Werkjahr der Stadt Zürich.

Wäre Peter Bichsel im März 2025, eine Woche vor seinem 90. Geburtstag, nicht gestorben, hätte man den «Meister der kurzen Form» gefeiert. Er wäre unter einem der Sonnenschirme vor dem Restaurant Kreuz gesessen, umgeben von seinen Freunden, jenen, die ihm geholfen hätten, den beschwerlich gewordenen Weg unter die Füsse zu nehmen. Man hätte ihm gratuliert und er hätte abgewinkt, so wie ihm eine grosse Feier zuwider gewesen werde. Er hätte je nach Tageszeit vielleicht einen Roten getrunken und manchmal gedankenverloren über die Schulter seiner Gegenüber geschaut.
Trotzdem war Peter Bichsel da. Und zwar nicht nur an der rührenden Gedenkveranstaltung mit Peter Stamm, Guy Krneta, Kay Matter, Flurina Badel
dem Musiker Daniel Woodtli. Seit ein paar Monaten und während der Literaturtage permanent besetzt, befindet sich an der Schaalgasse 4 in Solothurn, zehn Atemzüge entfernt vom Restaurant Kreuz, für Bichsel zeitlebens ein Dreh- und Angelpunkt seines Lebens, das Büro Bichsel. Ein einziger Raum, in dem der Geist Bichsels weiterlebt und weiterschreibt, nicht nur seine Schreibmaschine im Schaufenster. Sein Leben pulst weiter, in seinen Büchern, die im Suhrkamp Verlag einen guten Hafen gefunden haben, im Büro Bichsel, dass nicht nur erinnert, sondern Ausgangspunkt für ein mobiles Bichsel-Museum ist. Aber es pulst auch weiter im Festival selbst, war Peter Bichsel doch 1978 Initiant des Festivals, zusammen mit vielen anderen. Gut, dass dort, im Herzen der Stadt Solothurn, Peter Bichsel seinen Platz hat. «Es gibt einen Verein namens Büro Bichsel, was die genau machen, weiss ich nicht. Aber es sind gute Leute, sie dürfen.» Peter Bichsel in der NZZ am Sonntag, 19.1.2025.

Danke! Solothurn war ein Fest! Durch und durch gelungen!

Zeichnungen © Charlotte Walder / literaturblatt.ch
Beitragsfoto © fotomtina

Ein filmischer und ein illustrierter Rückblick auf das Wortlaut 2025

Das 17. St. Galler Literaturfestival Wortlaut findet vom 26. – 28. März 2026 statt.

Ein filmisches Porträt von Joel Reisinger:

und mit Zeichnungen der Illustratorin Lea Le:

„Liebes Wortlaut-Team, Dank eurer Initiative durften wir im Café San Gall die Kurzlesungen geben. Eine riesen Chance und einmalige Erfahrung für uns Neulinge. Es war ein unvergessliches Erlebnis, an das ich gerne zurückdenke. Ich freue mich jetzt schon auf nächstes Jahr, wenn St. Gallen sich wieder von seiner literarischen Seite zeigt. Von Herzen Danke“ Noreen Sheikh, Schriftstellerin

Vielen Dank für die Einladung zusammen mit meinen Kollegen und Kolleginnen vom SAL Kurs eine Lesung zu geben! Das war eine tolle Möglichkeit erste Erfahrungen im Auftreten zu sammeln. Und dann noch in dem schönen Café St.Gall! Und dann noch mit dem aufmerksamen Publikum! Tausend Dank, Stephanie Remke, Schriftstellerin

„Merci beaucoup pour l’invitation à St Gallen, c’était une joie de participer au festival!“ Douna Loup, Schriftstellerin

„Das Festival war super. Dass es in einer geöffneten, öffentlichen Biblothek stattfand, gab der Sache einen besonderen Charme. Vielen Dank für die super Organisition! Alles Liebe“ Steven Wyss, Übersetzer

„Ein riesengrosser Dank an das ganze Wortlaut-Team! Der Tag war rundum gelungen, meine Moderationen waren mir eine Ehre und Freude zugleich. Schön war auch, dass genügend Zeit zum Austausch blieb. Danke liebes Wortlaut-Team, weiter so!“ Cornelia Mechler, Moderatorin und Geschäftsführerin A*dS Verband der Autorinnen und Autoren Schweiz

„Eure Idee, das Festival nebst wenigen Satellitenveranstaltungen in der Lokremise und in der Grabenhalle, neu möglichst auf die Räumlichkeiten in der Bibliothek Hauptpost zu konzentrieren und mit dem Café de Saint-Gall ein schönes Festivalzentrum für Begegnungen, Austausch und Verpflegung zu schaffen, hat uns trotz unserer Einbindung ins Programm erlaubt, zwischenzeitlich an andern Veranstaltungen teilzunehmen und so nicht nur ausführender, sondern auch begeisterter rezipierender Teil Eures Festivals zu werden.“ Matthias Peter, Schauspieler, Regisseur, Leiter Kellerbühne St. Gallen

„Dieses Festival ist ein ganz besonderes Erlebnis gewesen. Vielen lieben Dank für die grossartige Organisation und den schönen Leseort. Es war ein grosses Vergnügen, vor dem Schweizer Publikum lesen sowie Rede und Antwort stehen zu dürfen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen! Herzliche Grüsse aus Franken“ Ewald Arenz, Schriftsteller

„Danke dir dem ganzen Wortlautteam, allen Helfenden für die Gastfreundschaft, eure umsichtige Planung, ihr habt selbst an so viele Kleinigkeiten gedacht, die es so angenehm gemacht habe. Auch mir war es eine wirklich Freude dabei sein zu dürfen. Danke für das Vertrauen in unsere Arbeit. Dieser Dank gilt auch meinen beiden Gesprächspartnern Frédérik Zwicker und Ewald Arenz, es waren sehr persönliche und spannende Einblicke in ihre Geschichten. Auf bald“ Judith Zwick, Moderatorin und Literaturvermittlerin

„Das Festival Wortlaut hat seinem Namen alle Ehre gemacht: Es gab Wörter und sie waren laut. Das allein wäre noch nichts Besonderes – aber was für Wörter es gab und auf wie viele Weisen sie zu vernehmen waren, das war ein Fest. Vielen Dank für Einladung und rundum gute Begleitung“ Jo Lendle, Schriftsteller, Verlagsleiter Hanser

Eindrücke und Statements vom 16. Wortlaut Literaturfestival St. Gallen

Das 16. Wortlaut St. Galler Literaturfestival war ein voller Erfolg. Für drei Tage war die Ostschweizer Metropole das Mekka der Literatur. 40 Gäste aus dem In- und Ausland beglückten Literaturinteressierte mit Lesungen, Performances, Gesprächen und Musik und boten spannende Impulse zum Festivalmotto «Hoffen und Bangen».

Ein sehr schönes Festival in St. Gallen, tolles Publikum, spannende Gäste, perfekte Organisation, gutes Essen. Vielen Dank dafür. Peter Stamm

© Timona Furrer
Dank an Ariane Novel, Gallus Frei und das ganze Festivalteam für Frühlingstage in St.Gallen – an Peter Stamm für die Einladung zum Carte Blanche am Sonntagmittag… und ein großer Dank an ein tolles Publikum: Schön war’s! Judith Hermann
 
© Timon Furrer
Ich durfte als Stadtrat die Begrüssungsrede halten. Ein kleiner Auszug davon: «Das Motto hat mich sehr bewegt und zugleich herausgefordert. Herausgefordert hat es mich in den vergangenen Tagen, wenn nicht Wochen, im Hinblick auf den vom OK an mich gestellten Auftrag, nämliche eine «Kleine Ansprache» zum Motto «Hoffen und Bangen» zu halten. Ich habe gehadert. Den Anstoss gegeben hat mir dann letzten Endes der Artikel im Tagblatt vom vergangenen Mittwoch, in dem Gallus Frei zitiert wird, dass ‘Texte etwas auslösen müssen – sei es Begeisterung, Faszination oder Verunsicherung’; ein Text dürfe nicht kalt lassen.» Persönliche Schicksale können und sollen im Literaturbereich verarbeitet werden. Das ist einem Publikum zuzumuten, meine ich. Danke, lieber Gallus, liebes OK für die Möglichkeit! Mathias Gabathuler, Stadtrat
 
© chrispix

«Lieber Gallus Frei, dieses Festival ist ein ganz besonderes Erlebnis gewesen. Vielen lieben Dank für die großartige Organisation und den schönen Leseort. Es war ein großes Vergnügen, vor dem Schweizer Publikum lesen sowie Rede und Antwort stehen zu dürfen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen!» Ewald Arenz

© Timon Furrer

«Quand on va de Genève à Saint-Gall, c’est comme traverser en un jour un immense pays. Et quand on arrive à la poste de Saint-Gall et qu’on est accueilli avec tant de sympathie, on se dit que ça valait vraiment le voyage. En merci, cher Gallus, de m’avoir laissé parler en public d’Un dimanche à la montagne, c’était une première en Suisse. Amicalement.» Daniel de Roulet

© Timon Furrer

«Was für ein schöner Sonntagmorgen! Die Matinee-Gäste, das Wetter und dir Betreuung vom Wortlaut-Team: alles wunderfrühlingsherrlichschön. Vielen Dank für die Einladung zu Wortlaut!» Michèle Minelli

© Sandra Kottonau

«Es war so erfreulich, wieder beim literarischen St. Galler Heimspiel mit dabei sein zu dürfen! Ich hatte – auch dank der tollen Moderatorin Cornelia Mechler – einen wunderbaren Anlass. Ein Heimspiel eben. Danke Wortlaut!» Christoph Keller

© Sandra Kottonau

«Es hat Freude gemacht, die grosse Bibliothek wie verzaubert zu sehen und immer wieder Leute zu beobachten, die Räume suchend herumeilten, um die nächste Lesung nicht zu verpassen, während andere in Sesseln sassen und lasen. Hoffen und bangen – beides Verben, die sich auf die Zukunft beziehen. Und auch ein Anlass, zu bemerken, dass sich in der Gegenwart Dinge erfüllen, die man sich gewünscht und nach denen man sich gesehnt hat!» Judith Keller

«Was erst als Notvariante erschien, entpuppte sich bei dem schlechten Wetter als goldrichtig: ein prallvolles Bibliotheks Café mit interessiertem Publikum. Die Sofabank als improvisierte Bühne gewährte zumindest einen Hauch von Strassentheater. Vielen Dank ans gesamte sehr engagierte Wortlaut Team.» Marcus Schäfer

Daniela Koch (Atlantis), Jo Lendle (Hanser), Bettina Spoerri (Geparden) und Moderator Jürg Ackermann (Tagblatt) © Philipp Neff
«Liebe Ariane und lieber Gallus, es war mir eine Freude, bei eurem schönen Festival dabei zu sein. Das Podiumsgespräch (Zukunft des Buches) war für mich sehr anregend und schlug klar Richtung «Hoffen» aus. Die Branche ist unter Druck, ja, aber sie ist auch stark und entwickelt immer wieder gute Ideen. Was man nicht zuletzt bei einem Festival wie Wortlaut in St. Gallen spüren kann!» Daniela Koch
 
Laura Vogt und Theres Roth-Hunkeler © Sandra Kottonau

«Ich trage das Wortlaut-Bändchen noch immer am Arm, damit die Erinnerungen an die Begegnungen mit Texten und Menschen, die der Literatur gewogen sind, immer wieder aufwallen. Ein grossartiges Festial habt ihr uns geschenkt. Vielfältiges Programm, tolle Moderator:innen, schöne Räumlichkeiten und heitere Atmosphäre. Ja, hoffen, hoffen, hoffen – das Bangen ist eh immer präsent. Grossen Dank für eure riesige Arbeit.» Theres Roth-Hunkeler

© Philipp Neff

«Grosses Dankeschön an das gesamte Wortlaut-Team. Dank Gallus Initiative durften wir im Café San Gall die Kurzlesungen geben. Eine riesen Chance und einmalige Erfahrung für uns Neulinge. Es war ein unvergessliches Erlebnis, an das ich gerne zurückdenke. Ich freue mich jetzt schon auf nächstes Jahr, wenn St. Gallen sich wieder von seiner literarischen Seite zeigt.» Noreen

© Sandra Kottonau

«Danke dem ganzen Wortlautteam, allen Helfenden für die Gastfreundschaft, eure umsichtige Planung, ihr habt selbst an so viele Kleinigkeiten gedacht, die es so angenehm gemacht habe. Auch mir war es eine wirklich Freude dabei sein zu dürfen. Danke für das Vertrauen in unsere Arbeit. Dieser Dank gilt auch meinen beiden Gesprächspartnern Frédérik Zwicker und Ewald Arenz, es waren sehr persönliche und spannende Einblicke in ihre Geschichten.» Judith Zwick

© Philipp Neff

«Ein riesengrosser Dank an Ariane und das ganze Wortlaut-Team, dass ihr die «Lücke» so rasch, umsichtig und mit so unendlich grossem Engagement füllen konntet. Der Tag war rundum gelungen, meine Moderationen waren mir eine Ehre und Freude zugleich. Schön war auch, dass genügend Zeit zum Austausch blieb.» Cornelia Mechler

© Timon Furrer

«Vielen Dank für die schöne Einladung zum Wortlaut-Festival, es war mir eine Freude und Ehre, bei der Eröffnung mitzuwirken.» Svenja Flasspöhler

© Timon Furrer

«Es war wunderbar, Teil des Wortlaut Festivals zu sein und zu erleben, wie sich Menschen begeistern lassen für Texte, Gedanken, das gesprochene Wort.» Barbara Bleisch

© Timon Furrer

«Perfekt aufgegleist, deshalb – und dank rasanter Reorganisation des restlichen Teams – reibungslos über die Bühne gegangen. Es war uns eine Ehre, den Eröffnungsabend mit Hekto Super musikalisch zu begleiten. Und auch meine Lesung aus Carlas Scherben – wunderbar moderiert von Judith Zwick vor vollem Saal – war eine Freude. Herzlichen Dank Ariane, Diana, Rebecca, Karsten, Gallus und allen anderen für alles!» Frédéric Zwicker

© Sandra Kottonau

„Das Festival war super. Dass es in einer geöffneten, öffentlichen Biblothek stattfand, gab der Sache einen besonderen Charme. Vielen Dank für die super Organisition!“ Steven Wyss

© Philipp Neff

«Die Wortlautausgabe 2025 hatte ein sehr tolles Programm mit vielen guten wichtigen Frauenstimmen. Meinen eigenen Talk hab ich sehr genossen! Es war so erfrischend, voll inspirierend und ungeheuer ermutigend, mich mit den drei jungen Frauen Léa, Phoebe und Vera auszutauschen.» Lika Nüssli

© Timon Furrer

«Das Gespräch von meinen Maturandinnen Lara Hofstetter und Julia Mülli mit den american poets Jan Heller Levi und Jan Herman war berührend, tiefsinnig und von gegenseitigem Respekt getragen. Ich bin dankbar, dass ich es anregen durfte.» Florian Vetsch

© Sandra Kottonau

«Merci beaucoup pour l’invitation à St Gallen, c’était une joie de participer au festival!» Douna Loup

© Philipp Neff

«Dem ganzen Wortlaut-Team ein grosses Dankeschön für die Einladung und Möglichkeit, an diesem wunderbaren Literaturfestival eine Kurzlesung zu halten. Eine tolle Stimmung, anregende Gespräche und schöne literarische Momente. Ein grosses Merci.» Raphael Schweighauser

16. Wortlaut Literaturfestival St. Gallen

Literaturhaus Vorarlberg – ein Palast der Künste

Manchmal müssen Prozesse dauern, um Ziele zu erreichen oder diese gar zu übertreffen. Was in Hohenems an der Radezkystrasse 1 noch immer entsteht und am 5. April feierlich eingeweiht wurde, ist mehr als beeindruckend.

Das grosse Haus steht mitten in Hohenems. Berta Thurnherr, eine Mundartdichterin aus Diepoldsau, erzählte mir, sie habe sich immer ein bisschen gefürchtet, wenn sie an dem lange leergestandenen Haus vorbeigegangen sei. Nur schwer zu ertragen sei es gewesen, dass mitten im Ort ein so stolzes und schönes Haus dem Zerfall preisgegeben wurde. Daniela Egger, Obfrau des Trägervereins, erzählte an der Eröffnungsfeier sichtlich stolz und gerührt, wie lange es dauern musste, dass die Literatur an diesem Ort zusammen mit diesen Menschen einen derart schönen und würdigen Raum erhält: Raum für Begegnungen, zum Schreiben und Lesen, ein Raum, der die Literatur feiert, nicht nur am Tag der Eröffnung.

Rückkehr der Fenster ins Literaturhaus © Frauke Kühn

Dass dieses Haus nun der Literatur übergeben wird, muss dem unermüdlichen Einsatz einer unerschrockenen Gruppe Literaturbegeisterter angerechnet werden und einer ganzen Reihe von Glücksfällen, nicht zuletzt jenem, dass die Kunst in Zeiten steigender Geldknappheit in der Politik, auf Landes- und Stadtebene Unterstützung erhielt. Aber es wäre nicht passiert, wenn nicht einzelne Exponent*innen über Jahre an diesen einen Moment geglaubt hätten, allen voran die Geschäftsführerin und Leiterin des Literaturhauses Frauke Kühn. Mit strategischem Geschick, dem nötigen Charme und klugem Team wurde aus einer Ruine ein Palast der Literatur.

© Frauke Kühn

Was nun in vollem Glanz erstrahlt und jede Skepsis in Luft auflösen muss, beweist, was Idealismus, Fleiss und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erreichen kann. Ganz offensichtlich muss dieser Ort nicht nur für die Literatur zu einem stolzen Flaggschiff geworden sein. Hier hat sich Politik, eine ganze Region, eine Stadt ein steinernes Statement geschaffen: in Zeiten, in denen anderorts mit der Kettensäge institutionell vernichtet wird, setzt man hier ein Zeichen, weil eine ganze Schar von Menschen und ganz offensichtlich auch eine breite Öffentlichkeit davon überzeugt sind, dass Literatur, Kunst Brücken bauen, verbinden, Neues erschaffen und Inhalt und Sinn spenden kann.

Leiterin Frauke Kühn © Lukas Mathis

Literaturhäuser sind weit mehr als Veranstaltungsorte, wenn man ihnen denn die Chance gibt, das zu werden, was in vielen Literaturhäusern geboten wird. So wie Festivals schon längst gemerkt haben, dass da mehr passieren muss als traditionelle „Wasserglaslesungen“, so werden solche Häuser das, was in Politik und Gesellschaft mehr und mehr zum diffizilen Minenfeld wird, zu einem Hort des Dialogs, des Austauschs, einem Ort der Kontemplation und Muse, einem Ort, wo sich die Künste treffen, weit über die Literatur hinaus.

allerlei lindernde Texte

Für mich als St. Galler der lebendige Beweis dafür, was ein Bewusstsein weit über den Zahlen erschliessen kann. Dass es die Buchstadt St. Gallen nicht schafft, Kulturinteressierten ein solches Haus zu bieten, erschliesst sich mir in keiner Weise. Dass es der kleine Kanton Thurgau seit einem Vierteljahrhundert möglich macht und der grosse Nachbarkanton nicht, eine Universitätsstadt nicht, der Ort einer der bedeutendsten Bibliotheken nicht, macht mich traurig. Klar, es gibt das Literaturhaus St. Gallen. Aber nur als vagabundierender, chronisch unterbesetzter Veranstalter. Was die Leitung des Literaturhauses St. Gallen an Veranstaltungen organisiert, ist erstaunlich und von hoher Qualität. Nichtsdestotrotz fehlt der physische Ort, der Hort, die Wiege, der Palast.

Die erste Veranstaltung anlässlich der Eröffnung mit Hengameh Yaghoobifarah, Nando von Arb und Raphaela Edelbauer © Lukas Mathis

Hohenems hat Jahrzehnte gebraucht. Eine lange Geschichte mit vielen glücklichen Wendungen. Noch ist von jenen Wendungen in St. Gallen nichts zu spüren. Und dabei liegen die Ursachen nicht nur in der Politik.

Webseite Literaturhaus Vorarlberg