Monika Helfer liest in der Bodan Buchhandlung Kreuzlingen.
Freundschaften kommen und gehen. Aber die eine oder andere bleibt, manchmal ein ganzes Leben, wenn auch mit Pausen, jahrzehntelangen Pausen. Monika ist Schriftstellerin geworden, erfolgreich, verheiratet mit Michael, Mutter von vier Kindern. Gloria ist wie sie alt geworden. Und eines Tages schreibt eine Nichte Glorias einen Brief und bittet Monika „noch einmal mit ihr in Verbindung zu treten, bevor sie sterbe.“
Sie hatten sich schon als Kinder in der Schule gefunden. Gloria war für die schüchterne Monika ein Leuchtfeuer, eine „die meine Einbildungskraft entzündete“. Während Monika aus einfachen Verhältnissen kommt, wächst Gloria in einem grossen Haus allein mit ihrer Mutter auf. Einer Mutter, die nicht zu arbeiten braucht, in einem Haus, in dem die beiden Bewohnerinnen nur drei Zimmer bewohnen, in einem Garten, der verwildert und wie alles an Haus und Bewohnerinnen in Geheimnissen getaucht ist.
Monika Helfer «Die Jungfrau», Hanser, 2023, 152 Seiten, CHF ca. 29.90, ISBN 978-3-446-27789-2
Zwischen den beiden Mädchen wächst eine Freundschaft, pendelnd von maximaler Nähe bis Distanz. Gloria ist für Monika nicht nur in Kindertagen schwer einzuschätzen. Ob als Kind oder Frau; Gloria lebt im Gegensatz zu Monika in einer Welt, die sich ständig den Realitäten zu entziehen versucht. Gloria, die permanent die Gravitation aushebeln will, der mit ihrem Aussehen und ihrer Ausstrahlung alles zu Füssen liegen scheint. Sie will Schauspielerin werden und schafft es auch tatsächlich, die Aufnahmeprüfung am Max Reinhardt Seminar in Wien zu bestehen. Noch mehr. Einer der Professoren ist derart von Gloria fasziniert, dass dieser ihr eine Wohnung einrichtet und Gloria ist dreist genug, eine Einladung ins Haus, an den Familientisch des Professors anzunehmen. Aber Gloria bricht ab, so wie sie vieles abbricht. Sie kehrt zurück ins grosse Haus ihrer Mutter und bleibt. Bis sie sich im Alter gar nicht mehr so sehr von der gescheiterten Figur ihrer Mutter unterscheidet.
So wie das Leben der erzählenden Monika in geordneten Bahnen seinen Lauf nimmt, so sehr fehlt dem Leben ihrer Freundin Gloria eine Spur. Gloria, eigentlich ein ganzes Leben für den grossen Auf- und Ausbruch bereit, ist schon mit ihrer Herkunft in dauerndem Hadern, denn wer ihr Vater ist, bleibt ein langes Geheimnis, bis Gloria, schon im reifen Alter, ihre Freundin bittet, ihrem Vater gemeinsam mit ihr einen Besuch im Pflegeheim abzustatten. Aber dort trifft sie einen dementen Mann, einen Schatten einer Existenz, der dann aber doch, nachdem die beiden für ihn ein Heinolied singen mit Daumen und Zeigerfinger ein Zeichen gibt, als wolle er die beiden Frauen abschiessen. Nicht der erste Versuch von Gloria, Monika zu ihrer Verbündeten zu machen. Eine Verbündete gegen ihren Schmerz, der wie eine Glocke über Glorias Leben steht, eine Glocke, die Gloria nie werden liess, was sie hätte werden wollen; eine Mutter, eine Geliebte, eine Ehefrau, eine Erfolgreiche, eine Souveräne.
Der Roman „Die Jungfrau“ überrascht nach der Trilogie „Die Bagage“, „Vati“ und „Löwenherz“ gleich vielfach. Monika Helfer spielt mit ihrer Erzählperspektive, erzählt von sich in der dritten Person, vom Ehemann Michael (Köhlmeier), der ihr Erzählen, ihr Schreiben begleitet, von Dialogen zwischen den beiden Schreibenden, Dialogen, die viel Intimes offenbaren. Sie erzählt die Geschichte einer Freundschaft, die zwei Leben verbindet, deren Umlaufbahnen sich immer wieder kreuzen, deren Zentrifugalkräfte aber auch zu maximaler Distanz führen. Ein Buch über Lügen und Geheimnisse, über Träume und bittere Realitäten. „Die Jungfrau“ ist ein junges Buch, alles andere als konventionell erzählt, erfrischend mutig und erstaunlich persönlich!
Monika Helfer liest und diskutiert am 15. September in der Bodan-Buchhandlung Kreuzlingen um 19.30 Uhr. Moderation: Gallus Frei Anmeldung ist erwünscht!
Monika Helfer, geboren 1947 in Au/Bregenzerwald, lebt als Schriftstellerin mit ihrem Mann Michael Köhlmeier in Vorarlberg. Sie hat zahlreiche Romane, Erzählungen und Kinderbücher veröffentlicht. Für ihre Arbeiten wurde sie unter anderem mit dem Österreichischen Würdigungspreis für Literatur, dem Solothurner Literaturpreis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis ausgezeichnet. Mit ihrem Roman „Schau mich an, wenn ich mit dir rede“ (2017) war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert. Für „Die Bagage“ (2020) erhielt sie den Schubart-Literaturpreis 2021 der Stadt Aalen. Zuletzt erschienen von ihr bei Hanser die Romane „Vati“ (2021), mit dem sie erneut für den Deutschen Buchpreis nominiert war, und „Löwenherz“ (2022).
Zwanzig Jahre lang bleibt Aurélio Fuertes der Wächter eines verlassenen Hotels. Während dieser Zeit verliert der Mann fast alles, nur seine Prinzipien nicht. Peter Höners Roman ist die faszinierende Geschichte des Verschwindens. Aber auch eine Parabel über den Zustand der Welt.
Leben Sie Prinzipien? Halten sie sich an Dinge, die Sie einstmals versprachen? Wenn es mit Prinzipien und Versprechen so steht wie mit den „ewigen Treueschwüren“, bis dass der Tod sie scheide, dann sind Menschen, die sich bis zur letzten Konsequenz an ihre Prinzipien, ihre Versprechen halten, wohl eher eine Ausnahme. Wer will sich schon festlegen. Mal schauen, ob sich der Wind nicht dreht. Was geschieht mit Menschen, die mit absoluter Konsequenz festhalten, die nichts und niemand erweichen kann? Sind das Helden oder nicht einfach unsäglich sture, unflexible Zeitgenossen? Leben wir doch in einer Welt, die uns an Flexibilität alles abverlangt. Was heute zählt, wichtig ist, unumgänglich, unumstösslich, ist übermorgen vielleicht schon kalter Kaffee.
Peter Höner erzählt in seinem Roman „Rocha Monte“ die Geschichte eines Unerschütterlichen. Aber Peter Höner erzählt auch die Geschichte vom Verschwinden, eines Mannes, der sich zuerst gegen das Verschwinden eines Traumes wehrt, einer Hoffnung, eines Versprechens. Vom Verschwinden der Liebe, Freundschaft. Und am Schluss verschwindet er selbst. Wobei auch die Raupe verschwindet, die Puppe mit einem Mal leer ist und der Schmetterling ausgeflogen.
Aurélio Fuertes ist Haustechniker im Hotel Rocha Monte, dem ersten Haus auf dem Archipel, hoch über dem Meer mit Aussicht auf die Vulkanlandschaft der Insel. Doch schon nach seiner ersten Saison droht dem Hotel das Aus, oder zumindest umwälzende Veränderungen, denn das Hotel wurde an einem Ort gebaut, an dem während 220 Tagen im Jahr der Nebel hängt, auf einer Insel, auf der sonst eigentlich fast jeden Tag während einiger Stunden die Sonne scheint. Während einer „feierlichen“ Übergabe verpflichtet man Aurélio Fuertes bis zur Neueröffnung mit anderm Besitzer mit Unterstützung des Chauffeurs José Dante Barosa auf das Anwesen aufzupassen. Und weil Aurélio glaubt, als Haustechniker in dem Hotel seine Lebensstelle gefunden zu haben, ein sicheres Fundament für seine Frau und seine beiden Kinder, nimmt er den Auftrag an, verspricht, so lange zu bleiben, bis die Tore wieder öffnen, so lange die Haare nicht mehr zu schneiden, bis wieder Leben in die Mauern des Luxushotels einkehrt. Aber aus Monaten werden Jahre, aus Jahren Jahrzehnte. Zu Beginn feiert man ihn noch als standhaften Helden, auch wenn seine Frau Lucia, schwanger mit dem dritten Kind, der Standhaftigkeit ihres Mannes nichts abgewinnen kann.
Peter Höner «Rocha Monte», Septime, 2023, 264 Seiten, CHF ca. 29.90, ISBN 978-3-99120-020-8
Aurélio merkt sehr bald, dass das Hotel nicht nur am falschen Ort, sondern auch mit einem ganzen Arsenal an Fehlplanungen gebaut wurde. Rechnungen wurden nicht bezählt, Gläubiger vertröstet, bis er mit Hilfe der ehemaligen Rezeptionistin Immaculata herausfindet, dass es nur schon wegen der angehäuften Schulden unwahrscheinlich sein wird, dass jemals wieder solvente Gäste die Zimmer beziehen. Aber Aurélio hat ein Versprechen gegeben. Ein Versprechen, den damaligen Betreibern gegenüber, ein Versprechen gegenüber seiner Familie und Verwandtschaft, aber vor allem ein Versprechen sich selbst gegenüber. Aurélio wird zum Wächter eines dahinsiechenden Betonkolosses. Nach und nach wenden sich die Menschen von ihm ab, heissen ihn stur, unnachgiebig, verbohrt. Irgendwann lässt sich gar Lucia von ihm scheiden, verwehrt ihm den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern. Schlussendlich verlässt ihn sein Gefährte José mit seiner Frau Pineda. Was ihm bleibt, ist das Haus, seine Pflanzen, die Musik und sein Hund Kuno.
Zwei Jahrzehnte lang haust der Mann in dem feuchten Betonhaufen, stemmt sich mit all seiner Kraft dem totalen Zerfall des Hauses entgegen, bleibt seinem Versprechen treu. Bis auch Kuno, der Hund, stirbt und Nevio, der Sohn, der heimlich mit ihm Kontakt hielt, von der Insel wegzieht. Bis er mehr und mehr in den Mauern, zwischen den wuchernden Pflanzen entschwindet und eines Tages ganz.
der Autor auf Recherchereise
Es gibt dieses Hotel auf den Azoren, das Hotel Palace. Peter Höners Roman ist gespickt mit Seiten aus den fiktiven Aufzeichnungen von Aurélio Fuertes, Aufzeichnungen, die dem Roman etwas ungeheuer Authentisches geben. Man spürt die Faszination dieses Ortes, die auf den Schriftsteller übergesprungen sein muss. Aber nicht jene des Ortes, sondern jener der Person des Wächters. Zum einen die Faszination einer vielleicht aussterbenden Gattung Mensch, jener, die um jeden Preis den Prizipien treu bleibt. Die Faszination des Eigenbrötlers, denn die Geschichte hat etwas robinsonhaftes. Aurélio lässt sich auf eine verlassene Insel abdrängen. Ein Hund, seine Pflanzen, seine Bücher und die Musik sind seine letzten Begleiter.
Man liest dieses Buch gleichsam fasziniert und atemlos. Peter Höner ergründet kein Geheimnis. Aber er wird zum feinsinnig, stillen Begleiter eines Menschen, der sich nicht abbringen lässt. Die Art seines Erzählens ist gezollter Respekt. „Rocha Monte“ ist ein unaufgeregtes Meisterwerk!
Peter Höner, geboren 1947 in Eupen/Belgien, freischaffender Schriftsteller und Schauspieler, lebt und arbeitet auf dem Iselisberg im Kanton Thurgau. Nach Schauspielstudium und verschiedenen Enngagements als Theaterautor, Regisseur und Schauspieler und einem vierjährigen Afrikaaufenthalt veröffentlichte Peter Höner Romane, Theaterstücke und Hörspiele. Seit 2004 wohnhaft auf dem Iselisberg. Auf dem Iselisberg gründete er zusammen mit der Schriftstellerin Michèle Minelli die Schreibwerkstatt Schreibwerk Ost.
Die österreichische Lyrikerin Margret Kreidl und der Musiker und Sänger Andrin Uetz treffen sich für einen Tag im Literaturhaus Thurgau in Gottlieben. Am Abend wird dann unter dem Dach des Literaturhauses präsentiert, was aus diesem einen Tag der intensiven gegenseitigen Auseinandersetzung entstanden ist. Eine einmalige Performance – ein künstlerisches Unikat!
Bei diesem Format treffen sich verschiedene Kunstsparten; Grenzen und starre Muster lösen sich auf, und es kann in einem solchen Experiment Neues, Überraschendes entstehen – für das Publikum genauso wie für die Künstlerinnen und Künstler. Ein Abenteuer!
Margret Kreidl, geboren 1964 in Salzburg; Studium in Graz; seit 1989 freiberufliche Schriftstellerin (Theaterstücke, Hörspiele, Prosa und Lyrik); seit 1990 Aufführungen im In-und Ausland, zum Beispiel 2016 am Centre Dramatique National de Montpellier. Zahlreiche Hörspiele für den ORF, seit 1995 auch regelmässige Buchpublikationen. Writer in Residence in Deutschland, Serbien und der Schweiz und Gastprofessorin in den USA. Seit 2015 Lehrende für Ästhetik und kreative Schreibwerkstatt an der Musikuniversität Wien. Margret Kreidl lebt in Wien.
Andrin Uetz ist Musiker, Klanganthropologe, Veranstalter und Journalist. In seiner Dissertation untersuchte er die Soundscapes von Hongkong und entwickelte dabei die Methode der promenadologischen Fieldrecordings. Er interessiert sich insbesondere für Klang und Musik als soziales Phänomen, sowie für ortspezifische Interventionen.
Die Veranstaltung wird vom Österreichischen Kulturforum in Bern unterstützt.
Sırma wächst in Pakistan auf und erwirbt ihre Sprache vor dem Fernseher. In der Schweiz soll ihre »Sprachstörung« kuriert werden. Doch nach einer Explosion entdeckt Sırma, dass sich die Zeit im Haus ihrer Gasteltern verlangsamt hat. Sırma wandert mit ihrer stummen Freundin Alexandra weiter nach Hongkong, wo diese Mutter und Programmiererin einer staatsgefährdenden App wird und sie selbst Kinderbuchillustratorin.
Sara Wegmanns fulminantes, so magisches wie realistisches Debüt erzählt von der Sprachlosigkeit in der Familie und zwischen den Kulturen. Traumata und Gespenster bestimmen das Denken und Handeln der beschädigten Figuren. Wegmann schreibt eindringlich und formal beglückend über das Unaussprechbare: Familie und Freundschaft in der Diktatur und im Willkürstaat.
»DU WEISST NICHT, WELCHES BUCH DU ALS NÄCHSTES IN DER BADI LESEN WILLST? DANN HÄTTE ICH EINEN VORSCHLAG FÜR DICH: SIRMA VON SARA WEGMANN.« Ron Orp
»SARA WEGMANN HAT VIEL GEWAGT – UND ETWAS NEUES GESCHAFFEN.« Bieler Tagblatt
Sara Wegmann, geboren 1985, Studium der Kulturwissenschaften in Frankfurt/Oder und des Literarischen Schreibens am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel, Promotion in Sozialanthropologie. Sie lebt nach längeren Aufenthalten in Berlin, Istanbul und Kairo heute in Zürich. Der Roman Sırma ist ihr erstes Buch.
Julian Schmidlis Debüt trägt alle Züge einer Roadstory, ganz in der Gegenwart verflochten mit den grossen Fragen der Zeit. Die Geschichte einer Freundschaft und der Suche nach Liebe ist eine universelle Geschichte und Julian Schmidlis Erzählweise dafür keine Suche nach Antworten, aber eine Aufforderung, sich dem wirklichen Leben zu stellen.
Nino und Tschügge wachsen als Aussenseiter in einem kleinen Ort in der Provinz auf, Nino mit Hasenscharte und schmächtig, Tschügge riesig und rund, mit kullernden Hundeaugen, ein bisschen wie Terence Hill und Bud Spencer, nur fehlt ihnen die entsprechende Schlagkraft. Tschügge ist der Sohn des örtlichen Metzgers, Nino der Sohn von eingewanderten Italienern. Gründe genug, dass sich die beiden in ihrer Freudschaft zurückziehen, auch wenn in der Jugend, Tschügge bleibt im Dorf und Nino besucht das Gymnasium im Nachbarort, nicht nur durch die sich trennenden Lebenswege, sondern auch wegen eines Mädchens, die Bande zwischen den beiden brüchig wird.
Auch Leila ist nicht wie die anderen Mädchen im Dorf. Als sie eines Tages in der Schule auftaucht, als Flüchlingsmädchen aus Bosnien, versteht sie kein Wort und schliesst sich ganz selbstverständlich den beiden Aussenseitern in der Klasse an. Aber die Freundschaft zwischen den beiden Jungs wird mit Leila auf eine harte Probe gestellt, nicht nur wegen ihrer grünen Augen. Nino, dessen Grossvater ihm den Spitznamen Belmondo gibt, ein Name, der der geprügelten Existenz des Jungen eine Richtung geben soll, fühlt, dass die Freundschaft bedroht ist. Erst recht, als es Nino immer mehr aus dem Dorf wegzieht und ihm die Streitereien mit dem geknickten Vater Gründe genug liefern, dem Kaff den Rücken zu kehren. Während Nino in der Stadt eine Karriere als Filmemacher und Fotograf zu etablieren versucht, bleibt Tschügge im Dorf, in der Metzgerei, die er dereinst übernehmen wird.
Nino spürt, dass ein Alp auf der Familie lastet, ein Trauma, dass nicht erst seit dem Tod von Salvi, Ninos Paten, über der Familie hängt. Ein Trauma, das den Vater verstummen und die Mutter resignieren liess, auch wenn Nonno, Ninos Grossvater, der die meiste Zeit in der Werkstatt unter seinem Fiat 500 Giardinera verbringt, dem Leben im Haus wenigstens dort einen Hauch Zuhause schenkt.
Julian Schmidli «Zeit der Mauersegler», Kein & Aber, 2023, 272 Seiten, CHF ca. 30.00, ISBN 978-3-0369-5024-2
Bis Nino ins Dorf zurückgerufen wird. Bis Nonno beerdigt wird und es für Nino keinen Grund mehr zu geben scheint, noch einmal in das „Nest“ zurückzukehren. Bis Tschügge ihn bittet, eine Reise mit ihm zu unternehmen, einen Roadtripp nach Bosnien, eine letzte Reise zu zweit, zur Hochzeit von Leila und ihm. Bis Tschügge ihm verrät, dass Leila schwanger ist und Nino ahnt, dass die Vaterschaft alles andere als klar ist. Nino lässt dich überreden, nicht zuletzt darum, weil die Reise Klarheit in die lasch gewordene Freundschaft bringen soll, weil Nino spürt, dass etwas geschehen muss. Eine Reise in den Kosovo mit dem Fiat 500 Giardinera seines verstorbenen Grossvaters.
Was eine Reise zurück in die Freundschaft werden sollte, wird zu einem Roadtripp voller Überraschungen. Ein wilder Ritt durch Gefühle, Gegenden und Begegnungen, eine Reise, die nicht nur die beiden auf harte Proben stellt, sondern Nino bewusst macht, dass er seinen Belmondo, den Spitz- oder Schutznamen, den ihm einst sein Grossvater gegeben hatte, ablegen muss, um Nino zu werden.
Dass Belmondo und Tschügge eine Reise mit einem viel zu kleinen Auto unter die Räder nehmen, ist sypmtomatisch für zwei Leben, die nicht in ihre eigentliche Form passen. Auch wenn wie im Märchen zwei eine Reise wagen und allerhand Prüfungen ausgesetzt sind, auch wenn zum Schluss die Korken knallen und man geneigt ist „und wenn sie nicht gestorben sind“ anzuhängen, überzeugt dieses Debüt durch seinen Drive, seinen Sprachwitz und den Mut eines Geschichtenerzählers, dem die Reise zu sich selbst zur zentralen Reise wird. Dieser manchmal fast überbordende Roadtripp ist ein Roman eines Mannes, der endlich zu sich selbst aufbricht. Und dabei wird das Aufbrechen gleich mehrfach in Handlung umgesetzt.
Obwohl sie als Investegativjournalist und Reporter schon lange schreiben, ist ihr literarisches Debüt ein sehr persönlich angehauchtes Buch, dass mit Sicherheit vieles aus ihrem eigenen Leben in sich trägt. Mit Ihrem Lebenslauf hätte ich fast eher einen „enthüllenden“ Roman aus der Welt der Medien erwartet, so wie es manch einer ihrer Kollegen mit viel Schall und Rauch tut. Nino und Tschügge werden auf ihrem Tripp in den Kosovo durchaus mit den grossen Themen der Zeit konfrontiert. Aber die eigentliche Konfrontation ist jene mit sich selbst. Ist das literarische Schreiben ein Kontrapunkt in ihrem Leben als Autor? Für mich war das Schreiben immer schon eine Suchbewegung. Von mir ausgehend in verschiedenste Richtungen, nur um am Ende Neues über mich zu lernen. Insofern ist es genau der Kontrapunkt zum Journalismus, den ich betreibe. Gleichzeitig sind es zwei komplett unterschiedliche Gehirnhälften und Herzkammern, die sie bei mir benötigen. Beide gemein haben: eine gewisse Neugierde; das Wissen um die Vielschichtigkeit der Welt; eine warme Schonungslosigkeit.
Wir machen uns unser Bild von uns selbst mit den Erlebnissen in Kindheit und Jugend, schleppen manchmal ein ganzes Leben mit uns herum, was wir uns selbst mit „gütiger“ Unterstützung unserer Umgebung an unser Selbstbild klatschen. Wir füllen tunlichst unseren ganz persönlichen Rucksack, bis er uns niederzudrücken droht und wir bewegungslos hocken bleiben. Ihr Roman schildert die Geschichte einer Befreiung, eine Emanzipation. Aus Nino, der sich hinter Belmondo zu verstecken versuchte, wird wieder Nino. Macht die Tatsache, dass Büchertische voll von Ratgebern sind und alle Formen von Therapie uns von unseren prallvollen Rucksäcken befreien wollen, ihr Buch zu einer Aufforderung? Ich will mit meinem Roman niemanden zu etwas auffordern — wer bin ich schon? Aber vielleicht regt die Geschichte und die darunterliegenden eigenen Geschichten zum Nachdenken und, ja, Handeln an. Vielleicht fallen einem eigene Merksätze ein, die man als Kind gehört hat, und die eigentlich aus etwas Gutem kamen: Von der elterlichen Fürsorge, dass einem selbst möglichst nichts passieren soll. Bloss wandelt sich dieser fromme Wunsch eher in einen Fluch, wenn er eintrifft.
Nino begegnet unterwegs Jovana, einer jungen, rebellischen Frau mit kurzen Haaren, die so gar nicht dem Idealbild Leila entspricht, dem Nino zu lange in seinem Leben nachtrauert – und glaubt, deren Liebe würde doch eigentlich ihm zustehen. Jovana hat sich befreit. Sie lebt ein kompromisloses Leben abseits aller Konventionen. Erzählen sie mit Jovana auch von eigenen Träumen und Sehnsüchten, erlebe ich doch immer wieder den inneren Vorwurf an meine Sattheit und Mutlosigkeit? Jovana verkörpert ein paar Tugenden, die, wenn man sich ihnen voll widmen will, nicht gerade lebenstauglich sind. Auch wenn sie sich mit Haut und Haar dem Guten verschreibt. Gleichzeitig strahlt sie die beneidenswerte Leichtigkeit von jemandem aus, der genau weiss, was seine Rolle auf dieser Erde ist. Ich kenne ein paar solche Menschen und kenne den Neid auf dieses Gefühl aus früheren Zeiten – aber ich verstehe inzwischen auch, dass solche grossen Aufgaben einsam machen können, wenn man sie, wie Jovana, nicht wirklich teilen kann. Wie viele Männer macht sie sich zur Insel.
Wer weiss, wie ein Fiat 500 Giardiniera aussieht, versteht die Nostalgie, die sich in einer Fahrt über die Alpen, dem Meer entlang bis in den Kosovo offenbaren kann. Eine Fahrt, die jede Unebenheit mitmacht, bei der man den Fahrtwind, das Wetter spürt, die Hitze und die Kälte. Keine Autofahrt im klimatisierten SUV-Panzer mit E-Antrieb und dem irrigen Gefühl, auch noch etwas für die Umwelt zu tun. Nino setzt sich dem Leben aus, einem Leben, das ihn auch mit Prügel nicht verschont. Ist Prügel die letzte Hoffnung für uns Menschen? Für Prügel kann ich ja unmöglich plädieren, aber vielleicht für mehr Narben! Für weniger Schutz und Wattierung und Planbarkeit, für mehr Erleben im Leben. Und gleichzeitig auch für mehr Durchlässigkeit, mehr Teilhabe, mehr Offenheit, mehr Zusammen. Führt automatisch zu mehr Narben.
Ich hatte während des Lesens immer wieder das Gefühl, ein Märchen zu lesen. Nicht „Märchen“ im Sinn von Unwahrheit oder Realitätsferne, sondern wegen der Konstruktion: Eine Hauptperson, die sich aus der Heimat vertrieben auf eine Suchwanderung macht, sich durch vielerlei Prüfungen „schlägt“ und am Schluss den „Schatz“ findet, den Lohn, die Befreiung. Wie im Märchen tauchen Figuren auf, die aus einer ganz fremden Welt zu sein scheinen. Ich mag Märchen sehr und bedauere zutiefst, dass sie in vielerlei Hinsicht in Ungnade gefallen sind. Selbst Mauersegler scheinen als Vögel nicht ganz von dieser Welt. Mit dem Satz „Erzähl doch keine Geschichten“ wird doch deutlich, was man von Geschichten hält. Muss doch überall der Zusatz stehen „Aus dem wahren Leben“, „Nach einer wahren Begebenheit“. Interessant, ihr Gedanke zum Märchen. Ich hatte mehr klassische Antiheldenreisen im Kopf: Don Quijote de la Mancha, Huckleberry Finn. Aber natürlich bedienten sich auch diese Altmeister an den Märchen. Ich denke, formal ist das Buch ein sehr klassisches Roadmovie mit nostalgischen Zügen, aber thematisch hoffentlich eine Emanzipation davon. Und, wer ein wenig am Lack des Giardiniera kratzt, findet da hoffentlich auch sehr zeitgemässe Diskussionen, die im Buch verhandelt werden. Ich bin sehr froh, dass Sie vieles davon aufgreifen mit Ihren schönen Fragen.
Julian Schmidli, geboren 1985 in Pasadena (Kalifornien) und aufgewachsen in Luzern, ist ein preisgekrönter Journalist und Filmemacher. «Zeit der Mauersegler» ist sein Debütroman und basiert auf den Erfahrungen und Reisen, die er in den letzten zehn Jahren gemacht hat. Er lebt in Zürich.
Liebe Freundinnen und Freunde des Literaturhauses Thurgau, liebe Literaturinteressierte, liebe Leserinnen und Leser dieser Webseite
Mein letztes Programm für das schmucke Literaturhaus am Seerhein, wo ich während dreieinhalb Jahren das Programm gestalten durfte. Schon jetzt melden sich erste Vorboten der Wehmut, weil sich gewisse Arbeiten bereits nicht mehr wiederholen werden. Intendant dieses Hauses zu sein, bedeutet mir sehr viel. Vor vier Jahren wurde ich telefonisch angefragt und es war, als hätte man mich mit einem übergrossen Geschenk beehrt. Eine Aufgabe, in die ich hineinwachsen musste, die mir ganz und gar entsprach; Gastgeber im Literaturhaus Thurgau in Gottlieben.
Am Samstag, 2. Dezember, 18.00 Uhr: „Frei(ab)gang“ Gallus Frei-Tomic verabschiedet sich mit Gästen: Alice Grünfelder, Urs Faes und die Musiker Christian Berger und Dominic Doppler
In den 40 Monaten unter meiner künstlerischen Leitung werden es 86 Veranstaltungen, rund 120 Künsterinnen und Künstler, Stipendiatinnen und Stipendiaten und Gäste in der Wohnung des Literturhauses, die das Leben in den obersten beiden Stockwerken des Literaturhauses ausmachten, gewesen sein. Lesungen, Performances, Ausstellungen, Konzerte, Diskussionen, Vorträge – ein reiches Programm.
Im letzten Monat meiner Amtszeit lade ich alle Freundinnen und Freude, alle Zugewandten zu einer ganz besonderen Abschiedsveranstaltung ein.
Gäste sind:
Alice Grünfelder, aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd, studierte nach einer Buchhändlerlehre Sinologie und Germanistik in Berlin und China. Sie war Lektorin beim Unionsverlag in Zürich, für den sie unter anderem die Türkische Bibliothek betreute. Seit 2010 unterrichtet sie Jugendliche und ist als freie Lektorin tätig. Alice Grünfelder ist Herausgeberin mehrerer Asien-Publikationen und veröffentlichte unter anderem Essays und Romane. Sie lebt und arbeitet in Zürich. Im Gepäck ihr 2023 erschienener Roman „Ein Jahrhundertsommer“.
Urs Faes, aufgewachsen im aargauischen Suhrental, arbeitete nach Studium und Promotion als Lehrer und Journalist. Sein literarisches Wirken begann er als Lyriker, in den letzten drei Jahrzehnten sind indes eine Vielzahl von Romanen entstanden. Sein Werk, fast ausschliesslich bei Suhrkamp erschienen, wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Schweizer Schillerpreis und dem Zolliker Kunstpreis. 2010 und 2017 war er für den Schweizer Buchpreis nominiert. Heute lebt Urs Faes in Zürich. Urs Faes nimmt sein neustes Manuskript mit, das in Teilen in Gottlieben entstanden ist.
Christian Berger (Gitarren, Loop, Electronics, Büchel, Sansula, Framedrum) und Dominic Doppler (Schlagzeug, Schlitztrommel, Perkussion, Sansula), zu zweit «Stories», Musiker aus der Ostschweiz, besitzen die besonderen Fähigkeiten, sich improvisatorisch auf literarische Texte einzulassen. Schon in mehreren gemeinsamen Projekten, zum Beispiel mit jungen CH-Schriftstellerinnen und ihren Romanen oder internationalen LyrikerInnen mit lyrischen Texten, bewiesen die beiden auf eindrückliche Weise, wie gut sie mit ihrer Musik Texte zu Klanglandschaften weiterspinnen können.
Abgerundet wird die Veranstaltung durch einen reichen Apéro. Ein Anmeldung ist unbedingt erwünscht!
Es wird auch an diesem Tag heiss in Berlin. Ruth Lember, angesehene Ethikprofessorin, auf dem Zenit ihres Berufslebens, läuft morgens ihre Runde. Bis ein Hund, ein Biss, ein Mann, ein Couvert sie aus der Bahn wirft. Was wie in Stein gemeisselt schien, zerbröselt. Ulrich Woelk schrieb mit „Mittsommertage“ einen Roman über unsere fiebrig aufgeladene Gegenwart.
Ruth ist in diesen Mittsommertagen durchaus in Festlaune. Da ist nicht nur ihre Berufung als Mitglied des Deutschen Ethikrats. Ben, ihr Mann gewinnt einen Architekturwettbewerb, der Türen und Tore öffnen soll und Jenny, seine Tochter, die er mit in die Ehe brachte, studiert Kommunikation und scheint dort angekommen zu sein, wo sie schon immer hinwollte. Durchaus Glück angesichts dessen, was in der Ukraine passiert, was man in der Pandemie durchzustehen hatte und was sich in der flimmernden Hitzeglocke über der Hauptstadt überdeutlich manifestiert. Ruth spürt genau, dass nichts so ist, wie es scheint, ob im Beruf oder ihrer Ehe, ob mit ihren Idealen oder der scheinbarenPerfektion ihrer inszenierten Gegenwart.
Als sie in den noch frischen Morgenstunden auf ihrer Laufrunde dem Lietzensee entlang von einem nicht angeleinten Hund gebissen wird, kein schlimmer Biss, aber einer, der mehr als nur zwei kleine Wunden hinterlässt, scheint etwas förmlich angestochen zu sein. Ein jahrzehntelang ruhender Einschluss der Zeit, der sich wie ein aufgestochener Furunkel als Gift in ihrem Körper, ihrem Sein, ihrer Gegenwart verteilt. Was mit einem harmlos scheinenden Biss seinen Anfang nimmt, entzündet sich mehr und mehr, bricht auf, bis Ruth gezwungen ist, ihr Leben nicht bloss zu überdenken, sondern neu zu ordnen.
Ulrich Woelk «Mittsommertage», C. H. Beck, 2023, 284 Seiten, CHF ca. 36.90, ISBN 978-3-406-80652-0
Den Biss des Hundes bekommt Ruth nach anfänglichem Zögern mit Hilfe von Antibiotika in den Griff. Aber als zuerst bei einer Vorlesung ein älterer Mann im Hörsaal sitzt, den sie nicht einordnen kann und dieser ihr wenig später noch einmal in einer Strassenbahn schräg gegenübersitzt und schlussendlich an der Tür ihres Büros an der Uni klopft und wie ein Geist aus einer vergessenen Vergangenheit auftaucht, schwant Ruth, dass sich etwas ausbreitet, das zu einem Gift werden kann. Denn Ruth spürt, dass ihr Leben eine Dynamik angenommen hat, der sie kaum mehr etwas entgegenhalten kann. Aus den Idealen der Vergangenheit ist satte Zufriedenheit geworden. Aus der Liebe mit Ben ein gut inszeniertes Nebeneinander ohne Leidenschaft und Zärtlichkeiten. Aus der Gegenwart einer 55jährigen erfolgreichen Professorin ein Leben in Zwängen und Mechanismen.
Der Mann, der in ihrem Büro auftaucht, ist Stav. Als Ruth jung war, auf der Suche nach Antworten, als man sich gegen Atomkraft und die Macht der Konzerne auflehnte und nach Wegen suchte, sich dem Unausweichlichen entgegenzustellen, war Stav nicht nur ihr geheimer Freund und Liebhaber, sondern Kampfgenosse. Er sei wieder augetaucht, weil er ihr übergeben wolle, was von jenem Kampf übrig-, zurückgeblieben sei, ein Umschlag mit Fotos, Plänen und Bekennerschreiben, den Spuren eines Geheimnisses, das Ruth eigentlich begraben geglaubt hatte, einem Geheimnis, von dem niemand wusste, auch Ben ihr Mann nicht.
Was Klimaaktivisten zur Strategie erklären, war Ruth damals Programm. Was ihrer Ziehtochter Jenny als Notwendigkeit erscheint und einer ganzen Generation den Atem raubt, schlummerte wie eine hart gewordene Pustel unter der gepuderten Gegenwart von Erfolg und aufgesetzter Zufriedenheit. Es ist heiss über der Stadt, fiebrig heiss. Was sich unter Ruths Haut in ihrem ganzen Körper ausbreitet, ist ein Gift, das sie zu Fall bringen droht, das alles mit sich in die Tiefe reisst. Ruth wird aus ihrem Gravitationfeld katapultiert.
Ulrich Woelk beschreibt, wie sich das Gift langsam entfaltet, wie es den Stein, auf dem Ruth ihre Gegenwart einrichtete und ihre Zukunft sieht, zerbröselt. Und Ulrich Woelk stellt Fragen. Was macht echtes Leben aus? Stellen wir uns dem, was die Zeit von uns fordert, was in der Vergangenheit tief unter den Schichten des Vergessens und Verdrängens modert? Sind wir ehrlich, uns selbst gegenüber und all jenen, von denen wir behaupten, sie zu lieben? Ist das, was wir an Rebellion in jungen Jahren durchleben wie der Biss eines Hundes, den man mit „Antibiotika“ behandeln kann? „Mittsommertage“ ist der Versuch einer Diagnose einer Gegenwart, die in Schieflage geraten ist, von Menschen, die sich nur allzu gerne täuschen lassen wollen.
Interview
In ihrem Roman ist es der Biss eines Hundes. Eigentlich nichts Spektakuläres. Aber mit anderem kombiniert wird der Biss zu einem Teil einer fatalen Kettenreaktion. Viele von uns erleben solche Situationen. Und einer, der wie ich Jahrzehnte joggte, mit Hunden sowieso. Situationen, die eine Lawine auslösen. Lawinen, die alles verändern. Das eine verschütten, anderes freilegen. War ein Hund die Initialzündung zu Ihrem Roman? Die Ursprünge der Idee zu dem Roman liegen in den Vor-Corona-Jahren 2018 und 2019, als sich Greta Thunbergs Fridays for Future-Bewegung schnell zu einem weltweiten Phänomen entwickelte. Ich musste dabei an meine Studentenzeit denken. Ich hatte in Tübingen in den Achtzigern eine Kabarettgruppe, und „global warming“, wie es damals hiess, und das Ozonloch waren Themen. Dass gut dreissig Jahre später Schüler und Studenten für das Klima auf die Strasse gingen, hat mich beschäftigt. Da wirft die junge Generation der älteren etwas vor, was diese gar nicht anders gesehen hat – jedenfalls in jenen Kreisen, die man seinerzeit mit den Begriffen Alternativkultur oder Ökoszene etikettiert hat. Und aus diesem Widerspruch ist dann so peu á peu die Idee zu „Mittsommertage“ hervorgegangen. Die Szene mit dem Hund entspringt aber tatsächlich meinen Erfahrungen als Gelegenheitswalker. Und irgendwann dachte ich, dass sie ein hervorragender Einstieg in die Geschichte ist, die ich erzählen wollte.
Ruth und Ben zusammen mit seiner Tochter Jenny entsprechen so ziemlich dem „Durchschnittsbild“ einer erfolgreichen, westeuropäischen Familie. Beide haben Karriere gemacht, das Familiengefüge das „Resultat“ mehrerer Beziehungen, man wähnt sich auf der sicheren Seite – bis Ereignisse, die nicht zu steuern sind das doch so filigrane Gefüge mehr als nur ins Wanken bringen. Haben wir auf Sicherheit und Reibungslosigkeit getrimmte Bewohner der „ersten Welt» nicht längst die Bodenhaftung verloren, den Sinn für das „Risiko Leben“? In der Vor-Coronazeit hätte man das sicher sehr uneingeschränkt behaupten können. Aber die Ereignisse seither – die Pandemie, der Krieg gegen die Ukraine, die wirtschaftliche Unsicherheit – haben schon dazu beigetragen, bei vielen das Gefühl einer unberechenbaren Bedrohung durch äussere Umstände aufkommen zu lassen. Diese Themen bilden den Hintergrund der Romanhandlung im Sommer 2022. Das ist der Ausgangspunkt für Ruth, meine Protagonistin: Die Welt ist diffus instabiler geworden, und nur beim morgendlichen Joggen um den See „kann Ruth sich der Vorstellung hingeben, dass sich überhaupt nichts geändert hat“, wie es gleich zu Beginn heisst. Und in diesem vermeintlich letzten sicheren Refugium passiert dann der Hundebiss, der eine für Ruth so fatale Kette von Ereignissen in Gang setzt.
Ruth hat eine Vergangenheit, die sie für sich beerdigte, von der nicht einmal Ben etwas wusste. Sie schleppt einen Teil ihres Lebens herum, der unter Verschluss hätte bleiben sollen. Eine Vergangenheit im „radikalen Widerstand“. Ist dieser Hundebiss letztlich nicht ein Glück? Er beisst etwas auf. So kann man das rückblickend natürlich sehen. Aber immerhin kommt Ruth nach dem Biss durch einen anaphylaktischen Schock beinahe ums Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte sie mit der Verdrängung ihrer Vergangenheit recht gut, erfolgreich und glücklich leben – abgesehen vielleicht davon, was ja immer mal wieder an ihr nagt, dass sie kein eigenes leibliches Kind hat. Auch das ist eine Folge ihrer Vergangenheit und der Tatsache, dass sie Karriere als Philosophie-Professorin gemacht hat und zum Mitglied in den Deutschen Ethikrat berufen wird. Doch da sie sich mit der Tochter ihres Mannes sehr gut versteht, ist sie mit sich im Reinen. Jenny kommt mit Ruth in politischer Hinsicht sogar besser klar als mit ihrem Vater, der für Klimakleber und Gendersprache nicht besonders viel übrig hat. Dass dieses berufliche und familiäre Gefüge, in dem Ruth sich gut eingerichtet hat, am Ende einzustürzen droht – das ist für sie zunächst mal eine Katastrophe. Als Erzähler gewähre ich ihr am Schluss aber eine Art Lichtblick. In jedem Ende liegt ja auch ein Anfang, das stimmt. Doch ob von Ruths bisherigem Leben noch etwas zu retten ist, lasse ich bewusst offen.
Jenny ist jung und wie viele aus ihrer Generation sehr wohl aufgeschreckt durch die Klimaprotestaktionen in Städten und Ballungszentren. Ich glaube, sie spürt wie viele, dass es unmöglich sein kann, dass das Weltgeschehen ohne Kurswechsel an einer globalen Katastrophe vorbeischrammen kann. Warum traut sich Ruth nicht, ihren Panzer aus Sicherheit und Angst zu verlassen? Es ist ja sehr menschlich, dass man versucht, an dem, was gut funktioniert hat, so lange wie möglich festzuhalten. Die Anzeichen, dass etwas nicht mehr stimmt, kommen für Ruth sehr schleichend. Sie spürt, dass ihrer Ehe allmählich der Schwung abhanden kommt. Als Jenny auszieht, ist das Leben mit Ben ungewohnt und nicht so frei, wie beide sich das vorgestellt haben. Es hat für sie als Paar nie eine Zeit ohne Jenny gegeben. Die äusseren Veränderungen stellen Ruths Leben aber nicht gleich auf den Kopf. Es gibt für sie einfach nicht den Punkt, alles radikal infrage zu stellen. Und dann kommt es in dieser Woche, von der ich erzähle, in wenigen Tagen zum Einsturz ihres Lebenssystems. Der Hundebiss ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Stav taucht auf. Der Mann aus der Vergangenheit. Eigentlich der perfekte Gegenentwurf zum Leben von Ruth und Ben. Selbst ich als Leser traute ihm zu Beginn alle möglichen bösen Absichten zu, weil er ausgerechnet in dem Moment, wo Ruth in den Fokus einer grossen Öffentlichkeit tritt, mit brisanten Zeugnissen aus der Vergangenheit auftaucht. War meine Lesereaktion eine von Ihnen „programmierte» Absicht Als Autor war mir bewusst, dass Stav zu Beginn, da man seine Absichten noch nicht kennt, als ambivalente Person in Erscheinung tritt und sich damit ein Spannungsmoment verbindet. Es ist ein klassisches Motiv des Erzählens. „Der unheimliche Gast“ bei E.T.A. Hoffmann oder der Landbesitzer Pozzo in „Warten auf Godot“. Beim Lesen oder Zuschauen weiss man, diese Figuren bringen etwas in Bewegung – auch wenn diese Bewegung bei Beckett als einem Vertreter der Moderne komplett ins Leere läuft. Als Autor fühle ich mich dem Erzählen literarisch mehr verbunden als dem Formalen. Bestimmte Dinge werden immer unser Interesse wecken: Die Tür geht auf, und man fragt sich, wer hereinkommt? Da sieht man hin.
Sind wir eine Gesellschaft der Opportunisten geworden? Ich denke, es hat zu allen Zeiten beides gegeben: Opportunismus und Überzeugungshandeln. Es ist sogar so, dass aus dem einen das andere hervorgehen kann. Die Umweltbewegung ist dafür auch ein Beispiel: Die Anfänge dieser Bewegung aus den Siebziger- und Achtzigerjahren waren eine von tiefen Überzeugungen getriebene Entwicklung. Mittlerweile – das jedenfalls ist mein Eindruck – sind eine Menge Opportunisten auf den Zug aufgesprungen. Es kostet nicht mehr viel, für Umwelt- und Klimapolitik einzutreten, es ist fast schon wohlfeil. Man hat den Eindruck, alle sind dafür, und trotzdem wird weiter Auto gefahren, ungebremst konsumiert und in den Urlaub geflogen. Das schürt Frustrationen, Ärger und Ängste. Eines kann man aber sagen: Ruth ist sich dieser Problematik bewusst. Es ist ihr wichtig, ihre Handlungen und Überzeugungen immer wieder daraufhin zu überprüfen und zu hinterfragen, ob sie nicht auch längst einem opportunistischen Prinzip folgen. Dass sie sich immer wieder auch in Frage stellt, verbindet mich als Autor mit ihr. Am Ende gesteht sie sich ein, dass sie zu dem Stehen muss, was ihr widerfahren ist. Sie schiebt die Schuld nicht anderen in die Schuhe. Als Autor muss ich immer auch ein Teil meiner Figuren sein, ich muss sie in mir aufspüren können. Und das ist bei Ruth so.
Ulrich Woelk (1960) lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Er studierte Physik und Philosophie. Sein erster Roman «Freigang» erschien 1990. Zuletzt veröffentlichte er mit großem Erfolg den Roman «Der Sommer meiner Mutter«, der auf der Longlist des deutschen Buchpreises stand und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Für die Fertigstellung von «Für ein Leben» erhielt Ulrich Woelk den Alfred-Döblin-Preis.
Sarah Elena Müller zu Gast im Literaturhaus Thurgau
Sarah Elena Müllers Debütroman „Bild ohne Mädchen“ scheint LeserInnen genauso zu verunsichern wie die Literaturkritik, in der über das Unausgesprochene im Roman eifrigst geschrieben wird, über Pädophilie, Kindsmissbrauch. Nicht dass das Thema nicht wichtig wäre. Aber der Roman der jungen Autorin ist weit mehr als die Auseinandersetzung mit einem Tabuthema, das sonst eigentlich eher sprach- und fassungslos macht.
Sarah Elena Müllers Roman ist schwere Kost. Zum einen, weil er von mir einiges abverlangt, weil die Autorin der Kontur ihrer Figuren, dem Geschehen ganz langsam von einem traumhaft nebulösen Aussen gegen ein traumatisches Innen folgt, zum andern, weil es der Autorin nicht darum geht, dort den Täter als lüsternes Monster und hier das Mädchen als hilfloses Opfer zu zeichnen. Sarah Elena Müller geht es um die Zwischenräume. Zum einen um die fluide Welt eines Mädchens, das sich selbst überlassen ist, zum andern um die kaputte Welt eines Mannes, der die Bodenhaftung gänzlich verloren hat im Gravitationsfeld abgefahrener Gedankenwelten und den Untiefen seiner verlorenen Seele. Die Autorin schafft es, das Unsägliche zu beschreiben, die Verlorenheit einer Gesellschaft, die sich aus wahrhaften Beziehungen verabschiedet hat, in der die Zentrifugalkraft der Individualisierung aus dem Einzelnen einen einsamen Komet macht. Sie beschreibt Bilder aus den Grenzregionen zwischen Realität und Traum, zwischen den Feinheiten von Empfindungen und düsterem Alp.
Sarah Elena Müller «Bild ohne Mädchen»; Limmat, 2023, 208 Seiten, CHF ca. 30.00, ISBN 978-3-03926-051-5
Ein Bergdorf irgendwo. Der Grossvater des Mädchens ist gestorben, die Grossmutter die einzige, die dem Mädchen ein Gesicht zeigt. Die Mutter, eine verstiegene Bildhauerin, der Vater Biologe und Umweltaktivist, beide auf ihre Art nie da, selbst dann, wenn sie das Wort an das Mädchen richten. Das Mädchen bleibt mit sich allein. Allein mit einem Engel, allein mit ihrem Nachbarn, einem schrulligen Medienmann, einem ehemaligen Professor aus Berlin, mit Bildschirmen, Computern und allem möglichen Filmequiment, bei dem sie tun darf, was ihr zuhause verwehrt bleibt, zum Beispiel Bildschirmkonsum. Ege gibt ihr die Aufmerksamkeit, die ihr zuhause fehlt. Dort spielt sich Welt ab, hat selbst der Engel, den das Kind begleitet, eine Stimme. Das Mädchen hat keinen Namen, ganz im Gegenteil zu Ege und seiner Partnerin Gisela, die eigentlich genau spürt, was in den Kellerzimmern ihres Hauses geschieht, aber die Bilder von sich wegwischt.
Selbst das Bettnässen des Kindes, die schulischen Schwierigkeiten, das Fehlen von Freunden, das Schwänzen – nichts alarmiert die so sehr mit sich selbst beschäftigten Eltern, dass irgendetwas sie zum Handeln zwingen würde. Das Mädchen, mit seinem einzigen ernsthaften Gegenüber, dem Engel, mit dem sie Zwiegespräche führt, ist sich selbst überlassen. Was zu Beginn des Romans wie eine Welt in leicht zunehmender Schieflage erscheint, wird mit der Dauer des Romans immer mehr zu einer dunklen Fahrt in die Untiefen menschlichen Verlorenseins. Die Kapitel, überschrieben mit „das Kind – das Mädchen – die Tochter – die junge Frau“ begleiten ein Leben, in dem ein Trauma zum Koloss wird. Eine Erfahrung, die die Autorin in umfangereichen Recherchen mit dem Schreiben dieses Romans nachempfinden wollte. Es geht der Autorin weder um Schuldzuweisung noch um Verurteilung. Wir leben in einer Welt, in der man die Nähe zueinander verloren hat, in der Wegschauen zur Überlebensstrategie wurde. Alle in Sarah Elena Müllers Roman sind Verlorene – und vielleicht ist das das letztlich Schwere an diesem Roman; dass mich Sarah Elena Müller nicht in eine wiedergefundene Ordnung entlässt – ganz im Gegenteil.
Der eigentliche Protagonist dieses Buches ist der Sound, die Sprache. „Bild ohne Mädchen“ ist ein tiefer schwarzer Brunnenschacht, an dessen Rand man in die Tiefe lauscht und weiss, dass da unten seltsam dunkle Gesänge tönen.
Sarah Elena Müller, geboren 1990, arbeitet multimedial in Literatur, Musik, Virtual Reality, Hörspiel und Theater. Sie tritt im Mundart Pop Duo «Cruise Ship Misery» als Ghostwriterin und Musikerin auf und leitet das Virtual Reality Projekt «Meine Sprache und ich» – eine Annäherung an Ilse Aichingers Sprachkritik. 2019 erschien ihr Szenenband «Culturestress – Endziit isch immer scho inbegriffe» beim Verlag Der gesunde Menschenversand. 2015 erschien die Erzählung «Fucking God» beim Verlag Büro für Problem. Als Mitbegründerin des Kollektivs RAUF engagiert sie sich für die Anliegen feministischer Autor*innen in der Schweiz. Sarah Elena Müller war 2023 Stipendiatin im Literaturhaus Thurgau.
Anna Ospelt ist eine Meisterin der Miniatur. Sie malt mit scheinbar schnellem Strich Bilder, die sich einbrennen und hängen bleiben, öffnet Türen und grosse Fenster, die Verborgenes, Vergessenes, Verlorenes zeigen. Sie schreibt Bilder, die die Kraft des ganz Grossen bergen.
Anna Ospelts zweites Buch nach „Wurzelstudien“, mit dem sie sich mit ihrer Herkunft beschäftigte, eine lyrische Selbstbetrachtung durch die Natur, das Sichtbare hindurch ins Unsichtbare, die Erinnerung, jenem Wurzelgefüge, das das Woher beschreibt, legt die Dichterin mit „Frühe Pflanzungen“ eine eigentliche Fortsetzung vor. Wieder spielt die Natur, spielen Pflanzen, das Leben um sie herum eine wichtige Rolle. Aber in ihrem neusten Buch richtet sich der Blick noch mehr gegen innen. Weil da ein neues Leben wächst, weil ein Leben zu pulsen beginnt, das eine Mutter in einen ganz neuen Zusammenhang verwebt. Weil die Mutter spürt, wie verletzlich diese Zweisamkeit ist.
Ich sticke auf dem Stoff meiner Grossmutter, mit dem Faden meiner Mutter.
Ich bin ein Mann. Und vielleicht trifft mich dieses Buch gerade deshalb auf eine eigenartig empfindliche Weise. Mutterschaft und Vaterschaft unterscheiden sich diametral. Ich kann als werdender Vater ein Dutzend Bücher über Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft lesen. Ich kann unsäglich viele Dokus schauen. Ich bleibe aussen vor. Diese Erfahrung der Weltverbundenheit streife ich bloss. Ich bin Begleiter, Mittragender, Verbündeter. Meine Rolle als Vater ist nicht jene des Werdenden. Ich muss meine Rolle erobern, mich darum bemühen. Vielleicht ist die Lektüre von Anna Ospelts Buch deshalb so bewegend, weil mir dieser literarische Zugang zum Mutterwerden und Muttersein einen Blick eröffnet, der mir als Begleiter, Mittragender, Verbündeter sonst in dieser Intensität verborgen bleibt.
Es fehlt mir an Selbstsicherheit. Diese Frau mit dem Kind muss ich erst kennenlernen. Sie wurde ja gerade erst Mutter.
Anna Ospelt «Frühe Pflanzungen», Limmat, 2023, 96 Seiten, CHF 28.00, ISBN 978-3-03926-052-2
Anna Ospelts Miniaturen sind das Hineinhören selbst. Aber kein verklärtes, kein erklärendes oder wertendes und schon gar kein klagendes, auch wenn man sehr wohl spürt, wie viel Kraft und Zeit absorbiert wird, wie schwer es sein und werden kann, wenn frau sich im Alltag die Momente abstehlen muss, in denen sie sich Zeit gibt, das zu dokumentieren, festzuhalten, was als beschreibende, zeichnende, malende Stimme nach Form sucht.
Heuer ist kein Eicheljahr. Und doch eines in Erzählkapseln.
In „Frühe Pflanzungen“ schreibt Anna Ospelt auch von „Wasserkindern“. Von Fehlgeburten, einem eigentlichen Unwort, denn nichts an solchen Kindern ist Fehler, gefehlt oder verfehlt. Der japanische Ausdruck für Fehlgeburten beschreibt „Kreaturen, die nie den ersten Ozean verlassen“. Anna Ospelt lauscht jenen Ungeborenen, „Nicht-werden-wollenden“, lauscht dem Schmerz der Machtlosen. Verknüpft mit Pflanzen- und Naturbetrachtungen schreibt Anna Ospelt in Bildern, die bei mir als Leser Verbindungen provozieren, die mich mit einer ganz eigenen Art des Sehens, Fühlens, Spürens konfrontieren.
Sehe wunden Wald. In den Himmel gebäumtes Wurzelwerk.
Vielleicht müsste man sich jeweils zwei dieser Bücher kaufen. Eines, das ich lese und eines, das ich in Schnipsel zerreise, die ich überall dort hinterlasse, wo mich das Bleiben zum Denken zwingt. Anna Ospelts Notate verbergen hinter Banalem Hallräume. Viele dieser Miniaturen sind Auseinandersetzungen, solche mit dem Ich, mit einem wachsenden Du, mit der Zeit, mit Herangetragenem, Aufgeschnapptem, Mitgenommenen.
Interview
Momentan liest man viel über Mutterschaft, Familie, das Nebeneinander von Elternschaft und künstlerischer Arbeit. Verweise über ihre Lektüre solcher Bücher in ihrem eigenen Buch gibt es manche. Und doch ist ihr Zugang zu diesem Thema ein geanz anderer. Sie fächern nicht auf, zerlegen nicht, breiten nicht aus. Sie konzentrieren, fokussieren. Vordergründig scheint ihre Art des Schreibens auch ein situationsbedingter Zwang zu sein. Gleichzeitig aber auch eine ganz eigene Art des Sehens, Spürens und Fühlens. Wie tauchen solche Miniaturen aus dem Einerlei des Alltags auf?
Sie tauchen leider nicht einfach so auf. Das weiss ich, da sie, die Miniaturen allzuoft untertauchen (und mit ihnen die Sprache). In den letzten rund vier Monaten habe ich zB. nicht geschrieben, mir haben der Schreibanlass, der Rahmen, der aufgeräumte Raum, die fokussierte Zeit gefehlt. Nun hab ich wieder eine Richtung eingeschlagen und versuche, täglich zu schreiben. Seit ein paar Tagen rollt es wieder, aber davor musste ich die Buchstaben regelrecht am Nacken packen und sie haben sich nur gesträubt, sodass ich sie erstmal sein liess.
Aber zurück zur Frage:Damals, als ich den Stoff des Buchs schrieb, habe ich mehr oder weniger täglich geschrieben. In der Schwangerschaft versuchte ich, ein tägliches Haiku zu verfassen. Danach, im Wochenbett, habe ich schlicht notiert. Mal mehr, mal weniger, aber eigentlich täglich, bereits zwei Tage nach der Geburt. (ja, dort wahrscheinlich etwas zwanghaft, aber ein sehr wohltuender Zwang, es war mein Zugang zu der denkenden Anna, deren Körper im Moment hauptsächlich gefragt war.)
Und nach dem Wochenbett schrieb ich wieder öfters Elfchen. Die Haiku haben da nicht mehr so gut gepasst, waren zu streng in ihrer Form. Da kleine Babys öfters am Tag ein kurzes Schläfchen machen, war das eigentlich der ideale Rahmen zum Schreiben. (nicht nur, natürlich, aber oft) Du spazierst, das Kind schläft ein, du zückst dein Lesebuch oder Notizbuch, wenn das Kind aufwacht, spazierst du wieder heim (es war in meinem Fall ein sehr milder Frühling, ein schöner Sommer).
Wir katologisieren und schubladisieren dauernd. Vielleicht rührt meine Betroffenheit bei der Lektüre Ihres Buches auch darin, dass ich mich als Mann mitgenommen und für einmal nicht getadelt fühle. Öffnen Sie bewusst? Wollen Sie es?
Spontan dachte ich: darüber habe ich mir nicht gross Gedanken gemacht. Das stimmt allerdings nicht, im Nachhinein wirkt alles so leicht und man vergisst die Arbeit am Text, das Sitzleder, das er erfordert, eingefordert hat. Aber tatsächlich: über Männer habe ich gar nicht soooo viel nachgedacht. ☺ Es hätte den Rahmen des Buchs gesprengt, wäre wohl ein Thema für sich. Wo ich sehr vorsichtig war, war bei folgendem Thema: Es passiert oft, dass man andere, insbesondere Eltern von gleichaltrigen Kindern, «schubladisiert», sich automatisch mit ihnen vergleicht und vorschnell wertet. Das tue ich genauso wie jeder und jede andere, wenngleich ich versuche zu reflektieren. Im Text habe ich das besonders in Bezug auf Mütter versucht aktiv zu vermeiden. Im Text soll sich jede und jeder aufgehoben fühlen, egal, wie man seinen Alltag in Bezug auf Rollenbild, Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung etc gestaltet. In unserer Gesellschaft wird da oft zu eindimensional gedacht und man wird als junge Eltern sowieso andauernd in Frage gestellt (nicht zuletzt von sich selbst) – das wollte ich nicht auch noch tun.
Ich beschäftige mich derzeit, beginnend erst, mit Fragen zum Thema Zeit. Zeit im Gegensatz zur Geschwindigkeit und finde diese Frage sehr politisch, auch im Zusammenhang mit Care-Arbeit, über die Elternschaft hinaus. (Care Arbeit für Mitmenschen, Care Arbeit für die Umwelt usw.) Ich habe also nicht gegen Männer angeschrieben, sondern gegen das Idealbild der sich aufopfernden Mutter. Das in unserer Gesellschaft konstant reproduziert wird. Und gegen gesellschaftliche Strukturen, die uns alle, ob Eltern oder nicht, viel zu sehr stressen. Wie Zitronen auspressen.
Ihre Miniaturen erinnern an Aphorismen, eine literarische Gattung, die kaum mehr eine Rolle spielt. Viele ihrer Notate würden selbst isoliert und aus dem Zusammenhang genommen Wirkung erzeugen. Überprüfen Sie die „Wirksamkeit»?
Da viele der Notate ursprünglich Haiku oder Elfchen waren, macht ihr Eindruck viel Sinn. Viele der Notate sind in die Länge gezogene Kürzestgedichte, zu Sätzen zurückgeformte Gedichte, die mal für sich standen und in einem zweiten Schritt erst Teil von etwas Grösserem wurden. (Ich hatte nie vor, ein Buch zu machen. Auch wenn es kokett klingt, habe ich erstmal einfach nur geschrieben, dem Schreiben zuliebe. Das Buch als Buch hat sich, als ich meine Notizbücher durchging, regelrecht aufgedrängt.)
„Frühe Pflanzungen» ist eine sehr sinnliche Auseinandersetzung mit Mutterwerden und Muttersein, diesem langsamen Hineinwachsen in einen „anderen» Zustand. Ist Ihr Buch eine Art Selbstbefragung?
Ich finde es interessant, durch das Schreiben meine Welt für mich lesbar zu machen. Sie zu übersetzen, mich zu übersetzen.
Muss ich mir Anna Ospelt mit einem Kinderwagen oder Tragetuch vorstellen, wie sie irgendo auf weitem Feld oder mitten im Wald stehenbleibt, ihr Notizheft zückt, eine Weile am Stift «kaut» und dann festhält, was ihr zufliegt?
Ja tatsächlich, allerdings habe ich nicht am Bleistift gekaut ☺ Ich hatte in diesem ersten Jahr mit Kind, in dem ich täglich stundenlang spaziert bin, immer die Schreibsachen dabei und habe Notizen gemacht, sobald die Kleine eingeschlafen ist. Ihre Schläfchen (im ersten Jahr gibt es ja viele davon, kurze) waren meine Schreib- und Lesezeit. Übrigens hat meine «Freundin aus Ankara» (die im Text auch vorkommt) beobachtet, als sie im Herbst bei uns war und meine Tochter ihre ersten Wörter sprach, dass sie bei jedem Buch, das sie sieht, «Mama» sagt. Sie ist wohl hunderte Mal aufgewacht und hat als erstes ihre Mutter mit Buch gesehen.
Anna Ospelt, geboren 1987 in Vaduz. Studium der Soziologie, Medien- und Erziehungswissenschaften in Basel. Sie publiziert Lyrik und Kurzgeschichten in Literaturmagazinen und Anthologien. Für «Wurzelstudien» erhielt sie u. a. ein Stipendium der Stiftung Kunst + Kultur im Rahmen des Deutschen Preises für Nature Writing und war für den Clemens-Brentano-Preis nominiert. «Frühe Planzung» ist derzeit für den Europäischen Literaturpreis EUPL nominiert. Anna Ospelt lebt in Vaduz.
Vor den Nordseeinsel Amrum stösst das niederländische Bergungsschiff Freyra zufällig auf ein Wrack. Aber bei ersten Tauchgängen eines Roboters findet man nicht nur die auseinandergebrochene Hanne, sondern auch einen ertrunkenen, an die Reling gefesselten Taucher. Kommissar Liewe Cupido taucht!
Das Meer, so weit das Auge reicht. Manchmal ruhig, manchmal wild. Was an seiner Oberfläche rein und unberührt erscheint, birgt an seinem Grund einen Teppich aus Zeugnissen der Vergangenheit: Versenktes, Untergegangenes, Verlorenes, Entsorgtes, Vergessenes. Dass es Schätze zu bergen gibt, wissen wir. Dass sich Unternehmen auf die Bergung solcher Schätze spezialisieren und man sich mit Argwohn beobachtet, ist leicht nachvollziehbar. Jan Matz ist ein solcher, einer, dem seine Tauchgänge längst zur Obsession geworden sind, der in seinem Haus in der Küste, das von seiner Frau und seinen beiden Söhnen längst verlassen wurde, all die Dinge sammelt, die als Spuren auf dem Grund der See liegengeblieben sind. Einer, der vor der Insel Amrum den Kutter Hanne gefunden hat, mit Kupferplatten im Wert von einer Million. Aber wie soll ein Mann allein die tonnenschwere Fracht bergen und möglichst unerkannt an Land bringen?
Jan Matz schafft es nicht. Ganz im Gegenteil. Zufällig findet man ihn in seinem Taucheranzug, mit einer Handschelle an die Reeling der versunkenen Hanne gefesselt, den Schlüssel in Sichtweite für ihn nicht erreichbar, jämmerlich ertrunken. Man findet auch sein Schiff, gekentert und gerammt, weit weg von der Hanne, nimmt Ermittlungen auf, um festzustellen, dass Jan Matz ein Leben hinterliess, das längst in Schieflage geraten war. Eine Exfrau, die nichts mehr mit ihm zu tun haben will, ein älterer Sohn, der immer und immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kommt, einen Mitschüler halbtot geschlagen hatte und einen jüngeren Sohn, der in seiner ganz eigenen Welt abgesunken ist.
Mathijs Deen «Der Taucher», Mare, aus dem Niederländischen von Andreas Ecke, 2023, 320 Seiten, CHF ca. 32.90, ISBN 978-3-86648-701-7
Die Ermittlungen im Fall Jan Matz übernimmt Kommissar Liewe Cupido, gebürtiger Deutscher, der aber auf der niederländischen Insel Texel aufgewachsen ist. Man nennt ihn deshalb den „Holländer“. Liewe hat etwas von einem einsamen Seebären, so wie Jan Matz, der tote Taucher. Beide arbeiten lieber für sich alleine, sind nur dann gegen ihren Willen Teamplayer, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Liewe Cupido einziger Begleiter ist sein Hund Vos, den er (fast) überall mitnimmt. Liewe nimmt Spuren auf. Tauchte Jan Matz allein, obwohl es Wochen gedauert hätte, bis das Kupfer geborgen worden wäre? Hat ihm sein Sohn geholfen, für den er immer wieder Alibis für all die krummen Dinger lieferte, mit denen er die Polizei auf Trab hällt? Liewe prallt auf eine Wand des Schweigens, findet aber auch Verbindungen zu einer Tat viel früher, jener verhängnisvollen Begegnung, die einen Jungen für den Rest seines Lebens ins Spital bringen sollte, zu einer Familie, die nicht erst mit jener Tat aus dem Tritt geworfen wurde. Liewe beisst sich fest, denn ein erfahrener Taucher lässt sich nicht so leicht in den Tiefen an eine Reeling fesseln.
Was die Qualitäten des Romans ausmacht, ist weder der Plot noch die kriminalistische Raffinesse. Mathijs Deen erzählt unaufgeregt von Menschen, die in den Stürmen des Schicksals vom Kurs abkommen. Jan Matz, der zum gefährdeten Eigenbrötler wird, sein Sohn, den eine Dummheit aus der Bahn wirft, eine Familie, die sich aus der Opferrolle zu winden versucht und der Ermittler selbst, der längst zu einem Exoplaneten geworden ist, der ausserhalb aller gewohnten Bahnen seine Kreise zieht. Es sind alles mehr oder weniger Gezeichnete, weder Helden noch Bösewichte. Mathijs Deen schafft es, dass ich als Leser für alle Sympathien hege, weil für alle Verständnis wächst.
In „Der Taucher“ wird weder die Tat, noch die dafür aufgewendete Gewalt zelebriert. Kein Pathos und kein Sieg über das Böse bringt die Geschichte zu einem Schluss, von Auflösung kann keine Rede sein. „Der Taucher“ ist ein Roman, der in die Tiefen der menschlichen Seele abtaucht, ein Roman, der beweist, wie viel Schicksal in den Teifen verborgen bleibt. Und „Der Taucher“ ist ein maritimer Roman, der eine salzige Brise in die Lektüre weht, weil Mathijs Deen seine Küste nicht nur zur Kulisse macht. Er nimmt mich mit. Ich tauche mit ihm ein.
Schon 2019 überzeugte mich Mathijs Deen mit seinem Roman „Unter den Menschen“, weil er es wie nur wenige andere schafft, sich in die Leben verlorener Seelen hineinzuschreiben. „Der Taucher“ mit der Genrebezeichnung Krimi zu ettiketieren, wird dem Roman in keiner Weise gerecht.
Mathijs Deen auf der Insel Föhr
Interview
Du erzählst von Menschen, die in ihrem Leben vom Wind in eine Richtung getrieben wurden, die ihnen das Ruder genommen hat. Auch Dein Ermitter ist weder Held noch Genie. Hinter ihm verbirgt sich eine Geschichte, eine Geschichte, die nur zaghaft zum Vorschein kommt. Sparst Du so für weitere Bücher? Da mein Hamburger Verlag möchte, dass ich mehrere Bände schreibe, brauche ich tatsächlich eine Geschichte, die über die einzelnen Teile hinausgeht. Für mich ist das Schreiben über Liewe Cupido auch ein Versuch, ihn zu verstehen, zu ihm durchzudringen. Das ist in seinem Fall nicht einfach. Er ist ein verschlossener Mensch, und selbst für mich ist es nicht einfach herauszufinden, was ihn antreibt oder was ihm passiert ist. Trotzdem denke ich gelegentlich voraus. Im ersten Teil habe ich ihm eine dramatische Kindheitserinnerung und einen Hund gegeben. Damit schaffe ich Möglichkeiten, die ich in weiteren Teilen ausnutzen kann. Der Hund führt ihn z. B. zu Miriam. Und wer weiss wo Miriam ihn führt.
Auszug aus dem Schiffstagebuch des deutschen Fischdampfers «Rotersand» vom 17. September 1950
Ganz offensichtlich ist Dir die Welt der Seeleute alles andere als fremd, denn nichts an Deiner Geschichte riecht nach Recherche. Sicherlich habe ich ein paar Dinge recherchiert. Ich habe mit Tauchern, Fischern, Seeleuten und anderen Inselbewohnern gesprochen. Diese Gespräche habe ich fast alle in das Buch verwoben. Ausserdem habe ich das Manuskript von einem Wracktaucher lesen lassen, damit er mich vor Fehlern bewahren könnte. Ich bin selber kein Taucher, genauso wenig wie ich ein Extrem-Wattwanderer bin. Aber ich habe Leute interviewt, die es sind, und ihre Geschichten dankbar verwendet. Und ja, ich kenne das Meer bis zu einem gewissen Grad. Mein Schwiegervater war Kapitän zur See, meine Frau und ich leben mehrere Tage in der Woche auf der Insel Texel und ich bin selbst einige Male auf dem Meer gesegelt.
Wrackteile vor dem Clubhaus «Duikclub Costa Rica»
Liewe Cupido wird mit seiner eigenen Geschichte konfroniert. Eine Situation, die wir kennen; Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein Stück Vergangenheit auf. Ein Gegenstand, ein Bild. Krimis sind vordergründig Entschlüsselungsgeschichten – aber eigentlich doch alle Geschichten, die erzählt oder geschrieben werden. Tauchst Du selbst? Und ist nicht das ein Reiz des Tauchens, an jenen Zeugen der Vergangenheit in der Stille des Meeres vorbeizutauchen? Ist meine Sicht verklärt? Ich weiss von Tauchern, dass es eine Reise ist, zwar nicht in Outer Space, aber doch in eine andere Welt, die sich anders anfühlt, eine Welt der Stille und Schwerelosigkeit. Tauchen ist Schweben, Tauchen ist Fliegen. Es ist keine Reise in Outer Space, sondern in Inner Space. Es ist eine Welt losgelöst von der Geschichte, weil sie zeitlos ist, und andere Naturgesetze wirksam sind. In so eine Umgebung ist ein Wrack wie ein Fremdkörper, wie eine vom Himmel herabgestiegene Geschichte, ein Relikt der Zeit in einem zeitlosen Universum. Ein Wrack ist eine ausgelöschte Geschichte. Das Meer rückt alles ins rechte Licht.
aus den Schrank von Wracktaucher Jan Matz
Ist das Muster eines solchen Romans schon zu Beginn gezeichnet, zäumst Du das Pferd von hinten oder lässt Du dich leiten von den Geschichten selbst? Ich versuche so zu schreiben, dass die Szenen, die ich im Buch inszeniere, nicht nur funktional sind, dass meine Erzählung etwas mehr ist als ein verschlungener Pfad vom Verbrechen zur Auflösung der Handlung. Wie ich das mache, habe ich nicht vorher ausgedacht. Ein Beispiel: Wenn Sil van Hee, der einen toten Taucher auf einem Wrack gefunden hat, sich fragt, was er mit der Situation anfangen soll, und reflexartig die Polizei auf seiner Insel anruft, kommt dieser Anruf nicht auf einem Polizeirevier bei einem Polizisten an, der an seinem Schreibtisch sitzt, sondern bei einer Polizistin, die selbst eine Vergangenheit hat, die keine Insulanerin ist und die in diesem Moment einer verwirrten alten Frau hilft, die ihrerseits in ihre eigene Geschichte verstrickt ist. Das sind Szenen, die mir nebenbei passieren und die hoffentlich dazu führen, dass es in meinem Buch nicht nur um einen Mordfall, einen Ermittler und einen Verbrecher geht, sondern vor allem um Menschen und ihr Leben, ihre Ängste und Sehnsüchte, ihr Glück und ihre Traurigkeit. Der Mordfall selbst, offen gestanden, interessiert mich nicht echt. Ich habe darüber kaum Einfälle oder Fantasien.
Das Bergungsschiff «Freya»
Mathijs Deen, geboren 1962, ist Schriftsteller und Hörfunkautor. Er veröffentlichte Romane, Kolumnen und einen Band mit Kurzgeschichten, der für den renommierten AKO-Literaturpreis nominiert war. 2018 wurde ihm für die literarische Qualität seines Werks der Halewijnpreis verliehen. Bei mare erschien von ihm zuletzt 2022 «Der Holländer», der erste Fall für Liewe Cupido, der von Publikum und Presse begeistert aufgenommen wurde.
Andreas Ecke, 1957 in Wuppertal geboren, studierte Germanistik, Niederlandistik und Musikwissenschaft. Er übertrug u. a. Bücher von Geert Mak, Cees Nooteboom und Bert Wagendorp ins Deutsche. Für seine Übersetzung des Romans «Oben ist es still» von Gerbrand Bakker erhielt er 2010 den Else-Otten-Übersetzerpreis, 2016 wurde er mit dem Europäischen Übersetzerpreis ausgezeichnet.