Fatma Aydemir «Dschinns», Hanser

«Weisst du, wer du bist?»

In ihrem Familienroman «Dschinns» schreibt Fatma Aydemir über eine kurdisch-deutsche Migrantenfamilie, welche sich nach dem Tod des Vaters ihrer grössten Angst stellen muss: der Wahrheit.

Gastbeitrag von Yasemin Sarikus
Yasemin Sarikus studiert Germanistik und Philosophie und ist selbst kurdischer Abstammung. Ihr Grossvater gehörte zu den ersten Gastarbeitern Deutschlands.  

Wir erleben die letzten Minuten von Hüseyin Yilmaz. Der Familienvater wandert in den 1970er Jahren gemeinsam mit seiner Familie als Gastarbeiter nach Deutschland aus. Dort erhofft er sich ein besseres Leben. Doch die Realität holt ihn schnell ein.
Deutschland ist kalt und finster. Hüseyin bleibt nichts anderes übrig, als für seine Familie zu arbeiten und genug Geld zu sparen. Und das tut er, 30 Jahre lang mit einem einzigen Wunsch: Er möchte zurück in die Türkei und sich ein Eigenheim kaufen. Gemeinsam mit seiner Frau Emine und seinen vier Kindern spart er jahrelang auf diesen Traum hin, nun hat er es endlich geschafft. Er steht auf dem Balkon seiner eigenen Wohnung in Zeytinburnu über den Dächern Istanbuls.
Doch Hüseyins Traum hält nicht lange an. Er stirbt, aufgrund eines Herzinfarktes, am ersten Tag in seiner Wohnung. Also reist Familie Yilmaz eine Woche früher als geplant nach, um ihren Vater und Ehemann zu bestatten.

Nach diesem Auftakt stellt Fatma Aydemir nun den Rest der Familie Yilmaz vor. Aydemir widmet den Protagonisten jeweils ein eigenes Kapitel. Somit rücken die Geschichte und der Tod des Vaters Hüseyin in den Hintergrund und es wird dem Leser ein Einblick in das Leben der Kinder und seiner Frau Emine geschenkt.

«Weisst du, wer du bist?» – eine Frage, die sich die Figuren oft stellen. Aydemir präsentiert eine zerbrochene Familie, in welcher jeder seine eigene Identität infrage stellt. So auch Ümit, der jüngste der Familie. Ümit ist homosexuell, das weiss er, seine Familie aber nicht. Wie sollte er ihnen auch so etwas erzählen? In seiner Familie wird über solche Themen nicht gesprochen.

«Aber wie kann es sein, dass Ümit nicht mitbekommen hat, dass seine Mutter kurdisch ist? War sein Vater es etwa auch? Was sind dann seine Geschwister und Ümit selbst?»

Fatma Aydemir «Dschinns», Hanser, 2022, 368 Seiten, CHF 35.90, ISBN 978-3-446-26914-9

Es wird schnell klar, dass die Familie unter kommunikativen Problemen leidet. Mit jedem Charakter spricht Fatma Aydemir bewusst aktuelle Schlüsselfragen an, welche mit der türkisch-kurdischen Kultur einhergehen. Sevda, die älteste Tochter der Familie wird jung von ihren Eltern zwangsverheiratet. Als sie sich dazu entscheidet, sich von ihrem Alkoholiker-Ehemann zu trennen, wird sie von ihren Eltern ausgestossen. Peri, die zweitjüngste, studiert als einzige und zieht nach ihrem Abitur weit weg von ihrer Familie und in ihre Freiheit. Hakan ist Dealer und war deshalb oft schon in, wie er meint, diskriminierende polizeiliche Verfahren verwickelt. Und Emine, die sich all diese Jahre nicht in Deutschland einleben konnte, hat mit Depressionen zu kämpfen, ohne dass sie sich derer bewusst ist. Denn Themen wie Depressionen werden in ihrem Kulturkreis nicht angesprochen.

Schnell wird uns eine Botschaft vermittelt. Aydemir möchte mit ihrer Erzählung aktiv politische und kulturelle Konflikte ansprechen. Es handelt sich um die grossen, fast schon stereotypen Themen: Rassismus, Sexismus, Integration und Gleichgeschlechtlichkeit. 

Das sind sie also, diese «Dschinns». Es sind nicht etwa die Dämonen selbst damit gemeint. Den Begriff «Dschinns» verwendet Aydemir metaphorisch. Über diese wird im islamischen Kulturkreis nicht ohne Hemmungen gesprochen und sie werden von der islamischen Gesellschaft meist gefürchtet, da Dschinns das Böse und Negative repräsentieren. Die Wahrheit, das sind die Dschinns der Familie Yilmaz, die sie schon so lange bekämpfen wollen.

Fatma Aydemir spiegelt mit ihrem Familienroman die Erfahrungen eines Grossteils der Migrantenfamilien Deutschlands wider. Sie schafft es, schwere Konflikte anzusprechen, ohne dabei provokant zu werden. Jedoch sind all dies Klischees. Jede Figur repräsentiert individuelle Konflikte, doch es scheint so, als müssten die Figuren mit diesen hier allzu schematisch umgehen. Und aus dieser Oberflächlichkeit kommt Aydemir auch nicht mehr raus. Manch eine:r fühlt sich vielleicht verstanden und wiederum andere fühlen sich persönlich angegriffen. Aydemir spricht hier viel zu oberflächlich für eine Mehrheit migrantischer Communities. Das macht es sehr schwer für die Leser, vor allem wenn man ähnliche Erfahrungshintergründe teilt, sich mit den Geschichten zu identifizieren. Man muss sich ständig klarmachen, dass es eben doch nicht immer so ist, wie Aydemir schreibt. Und genau deswegen ist gut vorstellbar, dass Aydemirs Roman, vor allem bei eben dieser Gemeinde nicht besonders gut ankommt und vielleicht sogar für Empörung sorgt. Doch vielleicht will Fatma Aydemir eben genau das mit Ihrem Roman bewirken. Wenn dem so sei, ist es ihr allenfalls gelungen.

(Dieser Text entstand im Rahmen eines Seminars zur Literaturkritik im Frühjahr 2022 an der Uni Basel, Seminarleitung: Daniel Graf, Literaturkritiker beim Republik Magazin.)

Fatma Aydemir wurde 1986 in Karlsruhe geboren. Sie lebt in Berlin und ist Kolumnistin und Redakteurin bei der taz. Bei Hanser erschien 2017 ihr Debütroman «Ellbogen», für den sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis erhielt. 2019 war sie gemeinsam mit Hengameh Yaghoobifarah Herausgeberin der Anthologie «Eure Heimat ist unser Albtraum». Ihr zweiter Roman «Dschinns» wurde mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet.

Beitragsbild © Sibylle Fendt

Nadja Niemeyer «Gegenangriff. Ein Pamphlet», Diogenes

Alles ist eine Frage der Zeit. Wohl auch das Ende der Menschheit. Dieses schmale, unscheinbare Buch, dass daherhommt, wie eines der unzähligen Katzenbücher, die sich auf Büchertischen ausbreiten, seziert mit messerscharfer Klinge und Spitze am noch lebenden Objekt. „Gegenangriff“ ist das Protokoll eines Untergangs.

Nadja Niemeyer ist ein Pseudonym. Angesichts dessen, womit mich die Schreibende konfrontiert, verstehe ist diesen Schritt. Sie wolle nicht an Debatten teilnehmen, habe dem Buch nichts hinzuzufügen. Ich hätte ihr gerne ein paar Fragen gestellt, vielleicht auch nur, um nach der Lektüre ihres Buches meine Fantasie zu beruhigen. Ihr Pamphlet hat nichts Beschwörendes, ist weder Drohung noch Warnung, vielleicht nicht einmal als Gedankenspiel zu verstehen. Nadja Niemeyer beschreibt mit aller verfügbarer Sachlichkeit nicht weniger als das baldige Ende der Spezies Mensch, das schnelle Ende eines Schädlings, der sich über die Jahrtausende wie ein Geschwür über diesen einen Globus ausbreitete.

Ameisen leben in riesigen Gemeinschaften. Wälder sind nicht bloss Ansammlungen von Bäumen und Gesträuch, sondern Pflanzengemeinschaften, die miteinander verbunden sind. Pilze ebenfalls. Wie irrig zu glauben, diese Art von kollektiver Intelligenz wäre der unsrigen weit unterlegen, zumal man beim Menschen in keiner Weise von einer kollektiven Intelligenz sprechen kann. Was den Menschen ausmacht, seine Individualität, hat durchaus das Zeug, das Gift für seinen Untergang zu werden. Die Geschichte und die Gegenwart macht überdeutlich, wie sehr die Menschen in den Würgegriff eines einzelnen Individuums geraten können, wie leicht die Intelligenz seiner Untergebenen in soldatischen Gehorsam ausgelöscht werden kann. Indizien gibt es genug, dass das Horrorszenario, das Nadja Niemeyer beschreibt, einen bedrückenden Anteil Wirklichkeit in sich trägt.

Nadja Niemeyer «Gegenangriff. Ein Pamphlet», Diogenes, 2022, 176 Seiten, CHF 26.90, ISBN 978-3-257-07183-2

Bis vor zweihundert Jahren waren es die Menschen, die sich in Städten einschlossen, um sich vor der Natur zu schützen. Besiedlung war ein Kampf gegen die Tücken der Natur. In der Gegenwart ist es die Natur, die man vor den Menschen und ihrer aggressiven Ausbreitung schützen muss, mit Stacheldraht und Mauern. Warum sollte sich der Rest, der geblieben ist, die kollektive Intelligenz, über die das Tier- und Pflanzenreich verfügt, nicht mit einem Mal kurzschliessen, um sich in einem finalen Kraftakt gegen jene Spezies zu stemmen, die alles unternimmt, um diesen Planeten für restlos alle und alles unbewohnbar zu machen?

Zuerst sind es die Ratten in den grossen Städten, zum Beispiel in New York. Es gibt Millionen von ihnen, kampferprobt. Sie zerbeissen Stromleitungen. Das genügt nicht nur, um das Leben in der riesigen Stadt zum Erlahmen zu bringen; die U-Bahn bleibt stehen, Menschen verhungern in Aufzügen, selbst Notstromaggregate können nicht verhindern, dass Menschen in Spitälern reihenweise sterben, auch das Internet regt sich nicht mehr. Alle Informationsströme sind gekappt, Panik bricht aus.

Ich glaube ebenso an eine kollektive Intelligenz der Natur wie an die grenzenlose Naivität und Dummheit der Menschheit. Solange wir mit einem SUV zum Einkaufen fahren, zum Shopping nach New York fliegen, Kleidungsstücke wie Souvenirs kaufen und unser Geld in Bitcoins investieren, statt in direkte Projekte, die sich um den Fortbestand eines friedlichen Miteinanders von Menschheit und Natur bemühen, solange der Mensch dem Untertan Natur noch mit dem immer gleichen Prinzip der Unterwerfung und Ausbeutung an den Kragen geht, sind Szenarien, wie denen von Nadja Niemeyer nur wenig entgegenzuhalten. Und wenn sich die Autorin durch ein Pseudonym vor all den Entschuldigungen, Beteuerungen und Verniedlichungen schützen will, verstehe ich das sehr wohl. Nichts desto Trotz ist „Gegenangriff“ absolut lesenswert, auch wenn das Buch mit den zwei niedlichen Kätzchen auf dem Cover das Zeug hat, sich in Alpträume zu mischen!

Die Autorin schreibt absolut sachlich, ohne jeden Pathos, schildert das Fallen der Dominosteine. Irgendwann wird es wieder ruhig auf dem Planeten, denn die eigentliche Ausrottung der Menschheit übernimmt der Mensch selbst – Männer.

Nadja Niemeyer heisst in Wirklichkeit anders. 

Beitragsbild © Sandra Kottonau

Lukas Maisel «Tanners Erde», Rowohlt

„Buch der geträumten Inseln“ war sein furioses Debüt! Und nun liegt mit „Tanners Erde“ eine Novelle von Lukas Maisel bereit, der ich ein Heer von LeserInnen wünsche. Ein kleiner Hof im hügeligen Irgendwo. Und dann, mit einem Mal, tut sich die Erde auf.

Tanner ist Bauer. So wie es sein Vater war. Ein Kleinbauer irgendwo im Alpenvorland; ein paar Kühe, ein bisschen Getreide, immer Arbeit. So viel, dass es immer reichte für Marie und ihn. Vielleicht versteht Tanner seine Kühe besser als seine Frau Marie. Wenn das Vreni im Stall eine harte Zitze hat, weiss er genau, was es braucht, um der Kuh zu helfen. Aber gegen das stille Zusammensein mit seiner Frau, das alltägliche Einerlei des Alltags in Stube und Bett ist kein Kraut gewachsen. Wahrscheinlich wäre alles wie immer seinen Lauf gegangen, wenn eines Morgens der Kirschbaum in der Weide vor dem Haus nicht schief gestanden, wenn nicht in der Folge alles in Schieflage geraten wäre.

Huswil liegt abseits und Tanners Hof noch etwas mehr. Das ändert sich komplet, als sich in Tanners Weide über Nacht zwei Löcher öffnen, das eine gross, mehr als fünf Meter breit, das andere etwas kleiner. Zwei schwarze Löcher in Tanners Erde. Was sich da auftut, kann Tanner nicht fassen, denn das einzig Beständige waren bisher immer die Weiden und Wiesen, die Äcker und Hügel auf denen Tanner sein ganzes Leben verbrachte. Die Erde wankt nie. Und jetzt, mit einem Mal, von gestern auf heute, bricht sie weg, macht sich auf in schwarze Untiefen. Und über Löcher spricht man nicht, so wie man auch über die Löcher in Körpern nicht spricht.

Lukas Maisel «Tanners Erde», Rowohlt, 2022, 115 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-498-00308-1

Tanner sperrt die Wiese um die Löcher ab. In seiner Stube und im Schlafzimmer hat er das mit seiner Marie schon lange vorher getan. Auch wenn er sie noch immer liebt. Dabei hat der Frühling gut begonnen, galoppieren Tanners Kühe wie jedes Jahr wild springend auf die fetten Matten, nachdem sie während Monaten im halbdunklen Stall den Winter wörtlich durchstanden. Und nun? Tanner traut sich nicht einmal mehr, mit seinen Maschinen sein Land zu befahren, Gras einzuholen. Tanner traut sich auch nicht, Marie von seinen Löchern zu erzählen, nicht bloss von denen, die sich auf der Wiese auftun. 

Sind die Löcher Strafe? Tanner geht zur Polizei, Tanner geht in den Staubigen Esel, den Gasthof in Huswil. Tanner geht zum Pfarrer. Tanner geht zur Gemeindevorsteherin. Aber Tanner ahnt, dass er sich nur selber helfen kann. Irgendwann klingelt das Telefon, man habe da von Löchern auf seinem Grundstück gehört, ob man für einen Exklusivbericht zusammenkommen könne. Dann sind es Wissenschaftler, die sich abseilen lassen, die Messungen machen, dann ist es das Fernsehen, irgendwann sogar solche aus dem Ausland.

„Das Loch kommt aus dem Nichts, es ist ja selber ein Nichts: ein Nichts aus dem Nichts. Tanner wird fast schwindlig von so viel Nichts.“

Im Stall beginnen die Tiere zu hungern. Marie rückt immer weiter weg, weil Tanner nicht in Worte fassen kann, was mit ihm geschieht. Da sind die schwarzen Löcher auf seiner Wiese. Aber es öffnet sich auch ein schwarzes Loch in seinem Innern. Ein Loch, mit dem er ganz alleine bleibt. Ein Loch, das immer mehr alles Licht zu schlucken droht.

Lukas Maisels Novelle ist ein Juwel. Selten habe ich so zärtlich Erzähltes gelesen! Kein Schmalz, kein Kitsch, auch kein Gotthelf-Verschnitt. Lukas Maisel erzählt gradlinig, eindringlich, lässt viel Platz für die verschiedensten Lesarten und Interpretationen. Es öffnen sich Metaphern, die sich niemals anbiedern. Es ist nicht die Geschichte des armen Bauern. Aber die Geschichte von Sicherheiten, die mit einem Mal wegrutschen, die ein Leben unkorrigierbar aus den Angeln heben. Es ist die Geschichte eines Verlorenen, eines Gefangenen, den der Sog eines schwarzen Lochs in den Abgrund zieht.

„Er würde wohl kaum irgendwas anders machen, wenn er sein Leben noch mal leben könnte. Ausser vielleicht die Marie häufiger auf die Stirne küssen.“

„Tanners Erde“ ist der Beweis, das schwergewichtige Literatur nicht an der Anzahl Seiten gemessen werden kann. Diese Novelle liest man gerne immer wieder, weil unsäglich viel Güte darin liegt, sei es jene des Erzählers oder jene des verzweifelnden Bauern! Danke Lukas Maisel!

© Sandra Kottonau

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker, bevor er am Literaturinstitut in Biel studierte. Für seinen ersten Roman «Buch der geträumten Inseln» erhielt er einen Werkbeitrag des Kantons Aargau, den Förderpreis des Kantons Solothurn und zuletzt den Terra-nova-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.

Lukas Maisel «Ewiger Wanderer», Plattform Gegenzauber

Beitragsbild © Internationales Literaturfestival Leukerbad 2021

Lucy Fricke «Die Diplomatin», Claassen

Fred ist deutsche Konsulin, ehrgeizig, taff und eigentlich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Sie ist beruflich dort, wo sie immer hinwollte, hat das erreicht, wovon sie immer träumte. Aber war es das wirklich? Zu welchem Preis? Lucy Fricke trifft pfeilgenau in das wunde Herz einer Frau, eines Lebens, eines Systems. „Die Diplomatin“ reisst den Vorhang weg!

Fred heisst eigentlich Friederike Andermann. Sie tut das, was bis vor wenigen Jahrzehnten noch fest in Männerhand war; sie ist Diplomatin. Sie studierte, dachte eine Weile, Richterin werden zu wollen, begann dann aber eine Diplomatinnenkarriere im Auswärtigen Amt. Ursprünglich aus der Idee, etwas bewirken, sich einbringen, an etwas Grossem teilhaben zu wollen. Aber diese Idee geriet schon länger ins Wanken. Nicht erst in Uruguays Hauptstadt Montevideo, ihrer ersten Stelle als Botschafterin.

Über Wochen muss sie sich im Hinblick auf das Fest zur Deutschen Einheit Anfang Oktober in Montevideo mit Grillfleisch, Bratwürsten, Gästelisten und anderen Kleinigkeiten herumschlagen. Sicher auch deshalb, weil sie sehen muss, wie andere Frauen Mütter werden und sie einsam. Und als dann noch eine bekannte Verlegerin aus Deutschland anruft und von ihr verlangt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, weil sie seit 24 Stunden keine Nachricht mehr, keinen Post von ihrer Influencertochter erhalten habe und sich das Verschwinden nach ihrem Zögern als eine Entführung entpuppt, wird aus der Enge, in der sie sich fühlt, eine schlammig zähe Masse. Nachdem die junge Frau tot aufgefunden wird, sich das ganze zur Katastrophe mit unabsehbarem Ende auswächst, suhlt sich Fred in Schuldgefühlen, die ihr von niemandem genommen werden können. Bis sie versetzt wird, zuerst zurück nach Deutschland, später in die deutsche Botschaft in Istanbul.

Lucy Fricke «Die Diplomatin», Claassen, 2022, 256 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-546-10005-2

Aber so mondän die Räumlichkeiten und Einrichtungen der dortigen Botschaft sind, die Türkei hat sich unter dem jetzigen Präsidenten zu einem repressiven Staat entwickelt, dessen Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, von Völkergemeinschaft und Europa ganz andere sind, als jene, die in Freds Seele noch immer als Idee herumschwirren. Istanbul, eine Stadt, die Fred gleichermassen liebt, fasziniert und überfordert. Wie ihre Arbeit.

Irgendwann taucht Barış (türkisch die ‚Versöhnung’) ein deutsch-türkischer Student auf, der seine Mutter in einem der türkischen Gefängnisse besucht. Jene Mutter geriet wegen Nichtigkeiten ins Visier der türkischen Polizei, wurde verhaftet und ohne Anklage und Verhandlung eingesperrt. In eine überfüllte Zelle, gezeichnet von den Strapazen, von mangelnder medizinischer Betreuung. Barış will seine Mutter frei, will Gerechtigkeit. Aber sein Besuch für die Mutter bringt keine Erleichterung. Auch er wird Ziel des türkischen Sicherheitsapparats, muss untertauchen, sich verstecken. Für Fred beginnt ein heikler Tanz auf Messers Schneide, ein Konflikt, den sie nicht nur auf diplomatischer Ebene verloren sieht, ein Konflikt, der ihr mit schmerzlicher Deutlichkeit zeigt, wie wenig Macht zur Veränderung nicht nur in ihren Händen liegt.

Dass Lucy Fricke ihren Roman zum grössten Teil in der türkischen Hauptstadt spielen lässt, dass sie Istanbul nicht bloss zu einer pittoresken Kulisse macht, dass sie glasklar zeigt, wie die Macht des türkischen Kontrollstaates eine Atmosphäre der Angst und permanenten Bedrohung erzeugt, dass hinter all den Fassaden aus Schein und Lügen Repression herrscht, ist mutig. Ich glaube kaum, dass Lucy Fricke, die mehrere Monate im Land und in dieser Stadt verbrachte, je wieder unbehelligt die Grenze wird überqueren können.

„Die Diplomatin“ ist ein Roman über eine Frau, die mitten in ihrem Leben ernüchtert und desillusioniert feststellen muss, dass jenes Leben, dass sie führt, jener Beruf, in dem sie zu wirken versucht, kaum mehr etwas davon hat, wovon sie einstmals träumte. Hoffnungen sind verschwunden, Leidenschaft erkaltet. Ein Kampf, den alle in ihrem Leben ausfechten müssen, Erkenntnisse, die allen drohen, unabhängig von Geschlecht, Stand oder Beruf. Was bleibt von den Idealen, die man einst wie Leuchtfeuer durch sein Leben trug? Wie schafft man es, dass jenes Feuer nicht erlischt? Auch die Sehnsucht nach Erfüllung und Liebe!

Lucy Frickes Roman ist mutige Literatur!

Interview

Ihr Roman lässt sich in verschiedene „Richtungen“ lesen. Zum einen ist es der Roman über die Ernüchterungen einer Frau, nicht nur in ihrer Arbeit, auch mit ihren Beziehungen, nicht zuletzt mit der Liebe. Und dann ist es auch ein Roman, der sich mit der Diplomatie direkt auseinandersetzt, wie sehr einem die Hände gebunden sind. Aktuell scheint es die Diplomatie noch schwieriger zu haben. Man verhandelt zwar irgendwie, aber im Ukrainekrieg sprechen beide mit einem Vokabular, dass vor 80 Jahren schon einmal Konjunktur hatte und mit Diplomatie rein gar nichts mehr zu tun hat. Ängstigt Sie das auch?
Es ist Angst gepaart mit Ohnmacht, die denkbar schlechteste Kombination. Wir, die wir nicht Macht haben, die grossen Entscheidungen zu treffen, können nur im Kleinen tun, was immer uns möglich ist. Humanitäre Unterstützung in jeder Form. 

Ein grösserer Teil Ihres Romans spielt in der türkischen Hauptstadt, in der Sie mehrere Monate verbracht haben. Eine Stadt, in die man sich genauso verlieben wie verlieren kann. Eine Stadt mit pittoresker Kulisse, fest im Klammergriff eines rigiden Alleinherrschers. Ihr Roman nimmt kein Blatt vor den Mund. Befürchten Sie, in Zukunft nie mehr in die Türkei einreisen zu können?
Nie mehr, das würde ich nicht sagen. Auch dieser Präsident wird nicht ewig an der Macht bleiben. Aber den nächsten Sommer werde ich sicher nicht in Istanbul verbringen, das ist ein kleines Opfer im Vergleich zu dem, was den Figuren im Roman und so vielen Menschen in der Türkei widerfährt. 

Fred fürchtet sich als Diplomatin permanent vor Fehleinschätzungen. Eine Furcht, die auch mich zuweilen lähmt. Wer weiss schon, welche Entscheidung die richtige ist. Diese Furcht schleicht sich bis in ihre Gefühlswelt, wenn sie nicht weiss, ob sie ihnen trauen kann. Mein Schwiegervater war ein Leben lang Bauer. Er meinte einmal, als ich mit ihm auf dem Feld bei der Aussaat mitfuhr, nichts garantiere ihm eine gute Ernte. Haben wir Instinkt und Urvertrauen verloren?
Vielleicht sind wir generell vorsichtiger geworden, oder auch umsichtiger. Meine Hauptfigur Fred hat dazu jeden Grund, ihre Entscheidungen und Einschätzungen betreffen das Leben anderer direkt. Das ist ein Fakt und kein Gefühl. Vertrauen ist schwierig, wenn Gespräche abgehört werden, Überwachung und Geheimdienst allgegenwärtig sind. Sie ist in ihrer Position einsam geworden, wie es oft einsam ist an der Spitze. Sie kann nie wissen, ob sich ihr Gegenüber für sie oder für ihre Funktion interessiert. Bevor sie Entscheidungen trifft, sammelt sie Informationen, sie muss permanent die politischen und menschlichen Konsequenzen ihres Tuns bedenken. Eine Diplomatin sollte nicht in erster Linie ihrem Instinkt vertrauen, aber sie darf in ihn auch nicht verlieren. Darin liegt eine grosse Herausforderung.  

Die Gefängnisse auf der ganzen Welt sind mit Menschen gefüllt, die zu unrecht eingesperrt sind. Meist sind wir im scheinbar kultivierten Westen gezwungen, dies zähneknirschend hinzunehmen, auch wenn Unrecht und Willkür offensichtlich sind. Sie nehmen ein Schicksal stellvertretend in ihren Roman. Ein Schicksal, das ein „gutes“ Ende findet. Hätte es nicht ebenso viele Gründe gegeben, die „Befreiung“ scheitern zu lassen?
Noch vor dem ersten Satz war mir klar, dass dieses Buch mit Hoffnung enden wird. Hoffnung, die daraus entsteht, dass Menschen sich engagieren. Denn daran glaube ich, und es hat mich wirklich glücklich gemacht, während meiner Recherche solchen Menschen zu begegnen. Anwälte, Künstlerinnen, Journalisten und eben auch Diplomatinnen, die nicht aufhören zu kämpfen. Irgendwann kommt immer ein Sieg dabei heraus, und auch wenn es nur ein einzelner sein mag, ist dieser eine alles wert.  

Hat Fred den Glauben an die Wirkung ihres Handelns nicht verloren? Und glauben Sie an eine positive Wirkung der Literatur?
Ich habe neulich gehört, dass mein Roman, in Verbindung mit Briefen an das Gericht, dazu beigetragen haben könnte, die drohende Abschiebung eines kurdischen Paares zurück in die Türkei zu verhindern. Sie wären nach ihrer Einreise dort direkt inhaftiert worden. Im besten Fall ist es so, dass Literatur den Blick auf die Welt oder auf einzelne Schicksale verändert und schärft. Wenn man sich mit diesem Anspruch ans Schreiben macht, hat man, glaube ich, einen guten Kompass für seine Arbeit.  

Lucy Fricke wurde in Hamburg geboren und lebt in Berlin. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt war sie Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya in Istanbul. Ihr Roman «Töchter» erhielt 2018 den Bayerischen Buchpreis, wurde in acht Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt.

Beitragsbilder © Gerald von Foris

Das 60. Literaturblatt zum 60.!

«So etwas habe ich noch nie aus einem Kuvert geschält – handgeschrieben, handgezeichnet, wunderschön. Am Anfang stehen vier Bücher und ein weisses A4-Blatt. Wo andere in die Tasten hauen, greift er zum Kugelschreiber. Anstelle von Fotos setzt er auf zarte Zeichnungen. Jede Ausgabe ein Kunstwerk: Gallus Frei-Tomics Literaturblätter. Abonnieren, lesen, staunen – Unbedingt!» Rebekka Salm

«Seit langem ist das Literaturblatt mein Favorit unter den Abos und den mit Mitgliedschaften einhergehenden Printprodukten. Während papier-, bild- und werbelastige Vereins- und Verbandspost kontinuierlich auf einen Stapel wandert, der nicht immer Freude bereitet, viel eher ein schlechtes Gewissen verursacht, weil er schon fast chronisch zum Brachliegen verurteilt ist, ergeht es dem Literaturblatt anders. Ich will das gefaltete, von Hand beschriebene und sorgfältig illustrierte A4-Blatt sofort anschauen, will wissen, welche vier Bücher Literaturblatt-Redaktor Gallus Frei-Tomic letzthin weshalb ans Herz gewachsen sind. Ob er die Besprechungen von Hand schreibt aus Respekt vor der zeitaufwändigen schriftstellerischen Arbeit und damit quasi bewusst einen Kontrapunkt zur Schnelllebigkeit im Literaturbetrieb setzt? Ich interpretiere es so – und fühle mich deshalb umso mehr geehrt, in der jüngsten Ausgabe mein neues Buch besprochen zu sehen.» Marianne Künzle

„In Zeiten, in denen die Feuilletons immer dünner, die Kulturseiten immer weniger und Rezensionen immer seltener werden, ist das von Gallus Frei mit viel Herz, Wissen und Leidenschaft bespielte Literaturblatt.ch eine wunderbare Quelle für lesebegeisterte Menschen, die in Sachen Literatur (gerade auch der Schweizer Literatur!) auf den neusten Stand gebracht werden möchten.“ Frank Heer

„ Ganz herzlichen Dank einmal mehr für dieses einzigartige analoge Kunstwerk – Dein Literaturblatt!“ Claudia Wüest

Neue AbonnentInnen begrüsse ich ganz herzlich. Ihr Beitrag ist ein Beitrag für die Literatur! Hier abonnieren!

Sarah Kuratle «Iris. Kapitel 1», Plattform Gegenzauber

Ich höre im Schlüsselmeer das Wasser klirren. Diesen Riss, er zieht durchs Gebirge, der Fluss, unter meine Haut geht er. Die Tür ins Schloss fällt das Fest heuer aus. Ich kam bis zum Tisch nicht, wo Bänder golden bemalt mit Servietten tändeln, mit Tannennadeln und Wachs. Trocken meine Zunge fühlt sich belegt an wie die Lider, bring mir ein Glas Wasser, bitte schluck die Fragen hinunter. Mein Gesicht ist verklebt. Kannst du mich umarmen, oder neben meinen angezogenen Beinen sitzen und eines der Lieder singen, als wäre nichts oder alles so, wie es sein soll.
Das kleine Haus ein Knarren über unter mir bei jedem Schritt, den ein andrer tut. Ich liege mit der Stirn gegen die Wand, mit dem Rücken zur Tür. Durchs Glas höre ich die reißende Thur, glaube Luft voller Schnee und kann nur Holz riechen, das mir am nächsten ist. Drängt mich zurück, in die Enge, mich selbst zu umarmen. Weißt du noch, unser erster Kuss: flüchtig, Lippen und Wimpern. Neben über uns die Flocken, sie stoben wie Hobelspäne fein auseinander. Am Abend lag ich allein auf meinem Bett und hielt mich fest an meinen Schulterblättern. Allein hörte ich das Rauschen der Autos im Park mit dir unhörbar. Unsere letzten Küsse – ich weiß es nicht mehr.
Sobald es drinnen stille Nacht geworden ist, breche ich auf. Es gibt diese Stadt am Wasser. Bis zum Meer schaffe ich es ohne dich. Dann werde ich endlich schlafen und es nicht mehr müssen. Au dessus des nuages marche la minuit, heißt das Bild, es fängt mein Träumen ein. Die Schlüssel ohne den Anhänger lasse ich da und ein Blatt: Ihr seid die Liebsten. Macht euch keine Sorgen, ich komme in ein paar Tagen zurück. Eure Iris.

Eine Bergkette Rauschen, innerlich. Ich weine nicht. Weinte wahrscheinlich nicht, als es passiert war. Ob Nebel aufgebauscht um die hohen Hälse der Stadt lag ich zur Schnecke gedreht, den Kopf an meiner Schulter, schlief ich. War es früher, ja an dem Abend, als durch deine Hände mein Kleid hinabsegelte, dunkelblau, in einer Welle zum Boden der Schwägalp sieht man nur, wenn klare Luft herrscht. Vielleicht begann es schon im Sommer, knackte ich mir mein Schild an, als ich den Kopf voller To-dos, die Hände voller Bücher in der Bibliothek saß. Geduckt unter allem, von dem mir jetzt nichts wichtig scheint.
Gegen die Eisnadeln trage ich auf dem Weg zum Bahnhof den zerknitterten Himmel unterm Mantel. Damit du nicht immer frierst, einmal etwas richtig Warmes. Gegen die Kälte zupfe ich mit den Fingern in den Fäustlingen, Musik. Watte kommt von oben, betäubend in den Ohren lag mir zwischen den Wimpern Schnee, fröhlich geküsst. Sterne wie weiße Blüten und du sagtest, die zwei dort sind Planeten.
Eine frische Spur schimmert vor meinen Augen, ein Saum um den ruhenden Wald, das pochende Fließen. Mit einem, dann mit beiden Füßen versuche ich die Abdrücke zu treffen, mich dem Rhythmus des Menschen anzuschmiegen, der mir vorgegangen sein muss. Die Bögen meiner Sohlen über den ungeprägten Grund werden länger, um nicht auszuscheren, stillzustehen. Schneller mein Schritt dem anderen nachzulaufen wurde mir schwer, wenn ich dir nahe sein wollte. Schnecke, ein Schneckentänzchen bist du, an anderen Tagen was machst du da, du drängst mich ab, wenn ich meine Schulter an deinen Arm lehnte, als wärst du mir ein Flügel. Mit einem Tritt und noch einem schlage ich auf die Spur ein. Sterne wirbeln durcheinander.

Werde nicht müde, nur schwerer wird es mir. Ich müsste mich unter deinem Himmel geschützt vom Schnee eingraben lassen. Ausharren, bis meine eilenden Gedanken fest werden wie meine Finger, in den Saiten verheddert, meine Nase, die immer noch das Holz der Wand riecht. Es geht so nicht. Den Fluss einfrieren, Zeit. Sag doch endlich, was ist mit dir.
Bis ein, zwei Stunden nach Mitternacht konnte ich äußerlich mich gleichsam totstellen und gesundspielen, in deinen ruhigen Atem einstimmen. Dann Flattern: Lippen und Lider. Ein Zappeln: anhaltend. Iris, wach auf, was ist mit dir und ich sagte nur ein Alptraum, ging raus ins Badezimmer, durch die Küche, auf den Balkon in den Innenhof schaute ich zu den anderen Wohnungen. Ich erspähte ein Licht und fragte mich, wie viele neben unter mir wachliegen, den oder ein Morgen fürchten und gleichermaßen verlangen. In der ersten solchen Nacht standst du irgendwann vor mir, eine Haarsträhne um deinen Zeigefinger zur Locke zwirbelnd, sie entglitt dir. Ich schmiegte meinen Kopf an deine Brust und du umarmtest mich. Spürte unser Herz schlagen. Nicht lange und wir gerieten ins Schwanken, ein Zittern anfangs in Zeitlupe. Du ließest von mir ab. Bei dem Nachbar war es noch immer hell.
Ausgeleuchtet von den Schneefeldern oder um die Häuser und Zäune gedrehte Lichterketten stapfe ich in der Richtung der hier leicht fallenden Thur. Busse fahren keine jetzt nicht einmal Autos oder ein Moped. Ab Wattwil werde ich Züge nehmen und nach Stunden mein Dunkelblau gegen die eisigen Nordseewellen halten können: Évocation dʼune île. Die Insel muss ich mir selbst machen. Dunkle Tusche auf klarem Grund sieht aus wie Wellen, aufgeschüttetes Land, wo eine Figur innehält, endlich Aussicht, Weite.

Ich tausche den Atem mit den nadelbesteckten Ästen, den Geruch der Holzwand gegen den von Schneefall, nichts. Grauweiße Fäden zu Vorhängen zugezogen mein Hals, kriege kaum Luft, die Berge rücken näher. Durchstieß ich, wenn ich meine Hand ausstreckte, das Eis, berührte ich gefrorenen Stein, der mir nicht und nicht weich wird keinen Fingerbreit zurückweichen. An jeder Flocke grenzt ein Berg an meine Stirn, deinen Himmel. Im Flachland ist es, als müsste man am eigenen Blick scheitern. Im Gebirge aber – es stützt mich und du wolltest nicht verstehen, eng ist es hier. Denk nur, wie lange es dauert, bis die Sonne kommt.

Erstveröffentlichung: Literaturzeitschrift manuskripte Nr. 211 (2016)

Sarah Kuratle, geboren am 23. Mai 1989 in Bad Ischl, aufgewachsen dies- und jenseits der Schweizer-österreichischen Grenze, ist in beiden Ländern daheim. Studium der Germanistik und Philosophie an der Universität Graz. Ihre Liebesgeschichte «Iris» erschien in Fortsetzungen in den manuskripten. Ihre Gedichte wurden ebendort sowie im wespennest veröffentlicht. Ihr Romandebüt «Greta und Jannis. Vor acht oder in einhundert Jahren» erschien 2021 im Otto Müller Verlag und stand auf der Shortlist für den Literaturpreis «Text & Sprache 2022».

Webseite der Autorin

«so viel gefüll» Simone Lappert und Andreas Bissig, eine Performance

Es sollte ein Abenteuer sein, ein Experiment. Ein solches könnte scheitern, das Abenteuer in einem Fiasko enden. Aber da ich sowohl die Lyrikerin Simone Lappert wie den Musiker und Komponisten Andreas Bissig kannte, beide schon erlebt hatte, wusste ich, es würde klappen.

Ich hörte Simone Lappert mit ihrem ersten Gedichtband am Internationalen Lyrikfestival 2022 in Basel. Ich hatte mir ihren Gedichtband «längst fällige verwilderung» schon länger besorgt, wollte mit der Lektüre aber so lange warten, bis ich den Sound ihrer Stimme in meinem Kopf haben würde. Ich wusste, Gedichte und Stimme würden sich unauslöschlich miteinander verzahnen. Was dann auch wirklich geschah, was noch immer geschieht, wenn ich ihren Gedichtband zu Hand nehme und darin lese. Jetzt noch viel mehr, nach mehrmaliger Lektüre, nach einer Performance mit der Bassisten Martina Berther an den Solothurner Literaturtagen 2022 und nun nach der einen im Literaturhaus Thurgau mit dem Saxophonisten Andreas Bissig.

Eindrücke aus dem Prozess:

Simone Lappert beweist, dass Lyrik weit weg sein kann von vergeistigter, intellektuell verstiegener Wortkunst, die sich mehr verschliesst als offenbart. Simone Lappert Gedichte sind Sinn-Bilder, sinnlich im wahrsten Sinne des Wortes, atmosphärisch dicht, mit Worten und Sätzen gezeichnet, die sich wie Fahrten durch innere und äussere Landschaften anfühlen, manchmal gar in Breibandmanier, durch die Waagrechten der Zeit und die Senkrechten des Seins. Bilder voller Leidenschaft, Liebeserklärungen an Sprache, Klang, das Bild, den Moment und das Gefühl.

«Danke für Wortraum und Seewind und Weitsicht und Wein, danke fürs Klangexperiment und einen Ort zum Wiederkehren. Schönste Bühne weitumher.» Simone Lappert

 

lieblingsmensch

ich stürze mich in deinen brombeerblick,
will wurzeln schlagen hinter deinen ohren,
wo du nach katze riechst und sommerfell,
ich will moosraufen und mohnwälzen mit dir
und ohne adresse hausen am hang.
ich will all deine schatten streicheln,
in deinen dunklen ecken singen,
ich will dir sämtliche monde kaufen,
eine veranda und einen schaukelstuhl,
ich will dich einatmen und aussprechen,
mich rau reden an dir.

Die beiden KünstlerInnen Simone Lappert und der Saxophonist Andreas Bissig kannten sich bis zur Begrüssung am Morgen dieses gemeinsamen Tages nicht. Es gab wohl die eine oder andere Absprache. Aber als ich die beiden nach einem Begrüssungskaffee am Seerhein in ihre Arbeit entliess, war es ein Abenteuer, ein Weg ins Unbekannte. 

Andreas Bissig verstand es vorzüglich, den Text mit seiner Musik zu unterstreichen. Sie beide, Simone Lappert und Andreas Bissig, sind keine KünstlerInnen der lauten Töne, sehr wohl aber der feinen Zwischentöne, der Untermalungen, der filigranen Klang- und Wortkasskaden.

«Auszug aus meiner Improvisations-Partitur für den gemeinsamen Auftritt mit Simone Lappert vom 8. Juli 2022: Zeit, dunkel, knacken -> Auto-Groove -> leise, zerzaust, warm -> (stop) -> Moon-Raggae -> Glühmotten -> […] -> Rückblende, optimistisch -> (stille) -> AUSRASTEN […] Herzlichen Dank an alle für die inspirierenden Begegnungen.» Andreas Bissig

 

2013

es ist nur noch ein leises da:
hinter dem zaun das haus und die geschrumpften zimmer,
die hierarchie der birken leicht verschoben,
zwischen den zweigen lücken, die es damals schon gab.
die gerüche im hausflur zerzaust erhalten,
und was kümmert den Hasel sein wachsender schatten,
was die hagebutte der fortgang der zeit,
zwischen den halmen, im flickwerk der felder,
fläzen kinderjahre auf der abgespielten haut.

 

Simone Lappert «längst fällige verwilderung», Diogenes, 2022, 80 Seiten, CHF 27.00, ISBN 978-3-257-07189-4

«In Simone Lapperts Lyrik vermoosen Gedanken und leuchtet der Mond siliziumhell. Die Liebe schmeckt nach Quitte, die Katastrophe nach Erdbeeren, und die Dichterin fragt sich, fragt uns: sag, wie kommt man noch gleich ohne zukunft durch den winter? Gedichte über Aufbrüche, Sehnsüchte, Selbstbestimmung und die fragile Gegenwart. Alle Sinne verdichten sich, aller Sinn materialisiert sich in diesen Texten voller Schönheit, Klugheit und Witz.»

literaturblatt.ch und das Literaturhaus Thurgau danken der Autorin und dem Diogenes Verlag herzlich für die Erlaubnis, zwei Gedichte aus dem Band «längst fällige verwilderung» veröffentlichen zu dürfen.

Beitragsbilder © Sandra Kottonau, Gallus Frei / Literaturhaus Thurgau

René Frauchiger «Ameisen fällt das Sprechen schwer», Knapp

Wissen Sie, wer sie sind? Wirklich und tatsächlich? René Frauchigers Roman „Ameisen fällt das Sprechen schwer“ erzählt von einem Mann der ohne äussere Einflüsse von einem Moment auf den andern sein Gedächtnis und damit seine Identität verliert. Ein irritierender Roman über den Trott.

Irgendwann auf Hallers Weg von der Arbeit nach Hause ist Haller Haller abhanden gekommen. Er sitzt im Zug und wacht auf, ohne zu wissen, wer er ist. Er stellt fest, dass er im Schnellzug von Zürich nach Bern sitzt, beginnt in seinen Taschen zu kramen, sucht nach Hinweisen dessen, was alle andern mit Selbstverständlichkeit mit sich herumtragen. Auf Ausweisen findet er seinen Namen, sein Alter, irgendwann sogar eine Anschrift. Es ist Abend, der Zug voller Menschen, die sich ihren Feierabend herbeisehnen, die bloss ankommen wollen. Haller ist sich nicht sicher, ob er ankommen will und kann. Ob er jenes Leben, das er aus unerklärlichen Gründen im Zug nach Bern verlor, wiederfinden will und kann. Irgendwie findet er den Weg an den Ort, der sein Zuhause sein soll, den Namen einer Strasse und eine Hausnummer, die ihm nichts sagt. Er findet das Haus, das Stockwerk, die Wohnung, die Tür, die nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit dem Namen einer Frau beschriftet ist. Seine Freundin? Seine Frau? Sandra Zuberbühl.

René Frauchiger «Ameisen fällt das Sprechen schwer», Knapp, 2022, 113 Seiten, CHF 27.00, ISBN 978-3-906311-99-9

René Frauchigers Roman „Ameisen fällt das Sprechen schwer“ kann man als Gedankenspiel katalogisieren. Kann man. Aber in einer Zeit, in der nicht nur Demenz zunehmend eine gesellschaftliche Herausforderung wird und über Fälle von Amnesie immer offener geschrieben und gesprochen wird, in der man sich immer häufiger die Frage stellt, ob man der oder die ist, die oder der man sein will, in der Diskussionen über Identitäten beweisen, wie brüchig einstige Klarheiten geworden sind, wundert es nicht, dass sich ein Roman wie der von René Frauchiger ganz direkt mit der Frage auseinandersetzen, wer die Person ist, die einem morgens aus dem Spiegel entgegenschaut. Wir haben uns mit uns selbst arrangiert. Die meisten Menschen stellen sich kaum je die Frage, wer oder was sie sind. Ob sie nicht auch anders hätten sein können. Ob das, was ihr Leben ausmacht auch wirklich so sein muss.

Da tastet sich jemand in ein Leben hinein, in dem alles bis ins kleinste Detail eingerichtet ist. In ein Leben, in dem alles fixiert zu sein scheint, in dem aber der Herausgefallene feststellen muss, wie folgenlos die Tatsache bleibt, dass man als vollkommen fremd Gewordener in ein Leben einsteigt, das man Schritt für Schritt zurückerobern muss, dessen Bindeglied zum alten Leben einzig und allein der Körper geblieben ist, jenes Gefüge, das von der Umgebung als Haller identifiziert wird.

Während Haller in sein altes Leben zurücktappt, stellt sich immer dringender die Frage, ob jenes Leben, das ihn zurücknimmt, jenes ist, das er wiederaufnehmen will, sei es an seiner Arbeitsstelle, zuhause in der gemeinsamen Wohnung mit seiner Freundin oder mit dem klein gewordenen Freundeskreis. Haller schwankt. Will er? Muss er? Nicht einmal seine „Freundin“ Sarah scheint zu merken, dass Haller nicht mehr der ist, der er war. Ist Entfremdung Normalität? Reicht die Hülle, um ein Funktionieren zu garantieren? Man beteuert sich gegenseitig die Liebe. Man erwidert Erwartetes am Arbeitsplatz und unter „Freunden“. Warum bleibt man in der Spur, obwohl man spürt, dass man in einer Sackgasse gefangen ist.

René Frauchigers überraschender Roman ist nicht bloss ein Gedankenspiel. Der Autor stellt Fragen, die man sonst vermeidet, die nicht gestellt werden wollen, weil man sich vor Konsequenzen fürchten müsste, weil wir alle in Netzen gefangen und verstrickt sind, weil wir uns nicht trauen, Hallers Fragen zu stellen.

„Ameisen fällt das Sprechen schwer“ ist ein kluger Roman. Solange wir uns in der Kolonne bewegen, solange wir unfähig sind, aus der Reihe herauszutreten, solange fällt uns das ehrliche Sprechen tatsächlich schwer.

Interview

Menschen bilden sich einiges ein auf ihre angebliche Individualität. Letztlich ein ziemlich breites Feld, um reichlich Geld zu verdienen. Peter Haller macht sich auch ohne das, was ihn einst ausmachte, ganz gut in seiner Welt, bis ins gemeinsame Schlafzimmer mit seiner Freundin. Bilden wir uns da wirklich was ein?
Peter Haller hat sein Gedächtnis verloren und macht einfach weiter, eigentlich müsste sich ja sein Leben durch den Gedächtnisverlust grundlegend ändern, er müsste jemand völlig anderes werden. Nur lässt sein Umfeld eine solche Veränderung gar nicht zu.
Wir kennen das eher aus der umgekehrten Situation, wenn wir alleine verreisen, haben wir oft das Gefühl, jemand anderes sein zu können, weil diese Erwartungen, die unsere Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Freundinnen, Freunde an uns haben, wegfallen.
Aber auch eine solche Ferien-Veränderung funktioniert meist nicht recht – oder wird zur grossen Enttäuschung, ein Stück unseres Alltags nehmen wir ja immer mit. Aber was bleibt dann noch von dieser «Individualität»?

Ameisen und viele andere Tiere funktionieren nur im Kollektiv, so wie viele andere Lebensgemeinschaften. Die Lebensgemeinschaft Menschheit allerdings macht sich ziemlich flott auf hin zum Abgrund. Optimist oder Pessimist?
Aber funktioniert das Kollektiv der Ameisen wirklich? Für die Geschichte ist die «Ameisenmühle» wichtig: Ameisen folgen Pheromon-Spuren, um Nahrung zu finden. Diese Spuren wurden zuvor von anderen Ameisen gelegt. Problematisch wird es nur, wenn eine Ameise im Kreis läuft und auf ihre eigene Spur stösst. Wenn sie dieser nachläuft, bewegt sie sich noch einmal im Kreis, verstärkt die Pheromon-Spur, so geraten andere Ameisen wiederum auf die Kreisspur und so weiter, bis Tausende von Ameisen sich in einem Kreis bewegen und schlussendlich verhungern. Das ist die Ameisenmühle. Was häufiger passiert als man glaubt. Ja, so gesehen ist das Buch äusserst pessimistisch…

Peter Haller erkennt sich mit einem Mal nicht mehr wieder, nichts, nicht einmal sein Spiegelbild. Ist sich René Frauchiger stets sicher bei dem, was er im Spiegel sieht? Zumindest bei mir schleichen sich angesichts dessen, was ich in den Spiegeln der Menschheit sehe, einige Zweifel ein.
Es gibt die deutsche Redewendung «jemandem den Spiegel vorhalten», das heisst, ihn mit den Dingen konfrontieren, die er tut. Und man sagt, jemand könne wohl nicht mehr in den Spiegel schauen – wenn er/sie etwas Schlimmes getan hat.
Ich denke jedoch nicht, dass es so einfach ist. Selbsterkenntnis funktioniert gerade nicht über den Spiegel. Im Gegenteil, die schlimmsten Diktatoren verbringen sehr viel Zeit damit, vor dem Spiegel ihre Haare zu richten. Aber was müssten wir den Diktatoren aber dann vorhalten, wenn nicht den Spiegel?

In der Mitte Deines Romans steht Er hatte herausgefunden, wer er war. Tun wir das wirklich oder beruhigen wir uns nur mit einem Konstrukt, einer dünnen Folie?
Nein, Peter Haller hat nicht wirklich herausgefunden, wer er war. Aber es könnte sein, dass er eine Spur gefunden hat …

Dein Roman ist nicht nur ein Buch über das Rätsel der eigenen Identität, sondern auch ein Roman über eine Beziehung, über die Frage, was es denn ausmacht, dass man über Jahre, Jahrzehnte oder gar ein ganzes Leben an der Seite eines anderen bleibt. Ist eine Langzeitbeziehung wie jene zwischen Haller und seiner Freundin nicht einfach Resultat vielfach liebgewordener Gewohnheiten?
Wie gesagt, der Roman ist von seiner Grundstruktur her sehr pessimistisch. So ist auch Hallers Beziehung nicht mehr als eine Oberfläche, sie besteht nur aus dem, was man in dem Spiegel sehen könnte. Ich selbst bin hier noch immer der unverbesserliche Romantiker. Nichts ist stärker als die Liebe – nicht einmal der Alltag.

René Frauchiger, geboren 1981 im schweizerischen Madiswil. Lebt in Basel. Er ist Autor von Kolumnen und Kurzgeschichten, die in diversen Zeitungen und Literaturzeitschriften erscheinen, sowie Gründer und Mitherausgeber von «Das Narr. Das narrativistische Literaturmagazin» (seit 2011). 2016 wurde er mit dem Werkbeitrag des Fachausschusses Literatur Basel ausgezeichnet. 2019 erschien der Roman «Riesen sind nur große Menschen» im homunculus Verlag.

Webseite des Autors

Gui Minhai «Ich zeichne mit dem Finger eine Tür auf die Wand», Leipziger Literaturverlag

Schreiben als Möglichkeit zu überleben. Zeichnet deshalb Gui Minhai mit dem Finger einen Fluchtweg?

Gasttext von Alice Grünfelder, Schriftstellerin, Herausgeberin, Übersetzerin und Literaturvermittlerin

Einmal gefangen, helfen nur noch die Erinnerungen, um im Gefängnis nicht verrückt zu werden. Man mag sich dazu Kritzeleien vorstellen, die seit Jahrhunderten in Zellwände geritzt werden, Kassiber, auf geheimnisvollen Wegen hinausgeschmuggelt, oder Gedichte, wie sie der chinesische Buchhändler Gui Minhai zwischen Oktober 2015 und 2017 geschrieben und seiner Tochter übergeben hat. Nun sind sie unter dem Titel «Ich zeichne mit dem Finger eine Tür auf die Wand» erschienen. Gedichte, die zwischen der Sehnsucht nach einer Heimat, die Schweden für Gui Minhai einmal war, schwanken, aber auch nach einem sicheren Ort oder, wenn dies nicht möglich ist, bleibt nur die Flucht in das Schreiben. Das lyrische Ich in den Gedichten ist wohl deckungsgleich mit dem Autor, wenn es in «Erinnerung an Delsjös Sonne» heisst: «Wer sagt, dass auf die Wand gemaltes Brot nicht satt macht / Wer sagt, dass die Sonne der Erinnerung nicht wärmt.» Und später im selben Gedicht «Meine Erinnerungen lassen langsam meine Schwermut schmelzen.»

Auf dem Rückweg vom Einkaufen verhaftet

Gui Minhai ist einer der fünf Hongkonger Buchhändler, die 2015 fast zur selben Zeit, aber an unterschiedlichen Orten, vermutlich vom chinesischen Geheimdienst entführt wurden. Im Jahr 1989 ging er als Student nach Schweden, blieb nach dem Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens dort und wurde schwedischer Staatsbürger. Als er meinte, in der einstigen Kronkolonie Hongkong gebe es eine gewisse Rechtssicherheit, auf jeden Fall mehr Meinungsfreiheit, kaufte er die Buchhandlung von Lam Wing-kee in Hongkong und machte mit Klatsch-und-Tratschgeschichten über Mitglieder der chinesischen Führungselite Geld. Bisweilen zog er sich nach Thailand zurück, weil er dort das Meer «sehen und hören» konnte – so seine Tochter im Vorwort der Gedichtsammlung. Bis Gui Minhai kurz vor seinem Domizil abgepasst wurde, nur noch rasch die Einkaufstüten verstauen konnte – und nie mehr zurückkehrte. Denn, so schreibt er in einem Gedicht: «Auf dem Rückweg vom Einkaufen gerate ich in ein Feuergefecht / Ein Staat zieht ohne Kriegserklärung in die Schlacht gegen einen Menschen.» 

Unglaubliches Entführungsdrama 

Gui Minhai «Ich zeichne mit dem Finger eine Tür auf die Wand», Leipziger Literaturverlag, 2022, 100 Seiten, CHF 24.90, ISBN 978-3-86660-283-0

Was aber geschieht weiter? Kai Strittmatter beschreibt im Nachwort diese Räuberpistole, die so unglaubwürdig klingt, dass er sich selbst immer wieder darüber zu wundern scheint. Ein Schwede also, der aus Thailand in ein chinesisches Gefängnis verschleppt, später im Staatsfernsehen als reuiger Sünde vorgeführt wird. «Man hätte einen Aufschrei erwartet. Es gab keinen.» Gui Minhai «gestand» so einiges und dass er sich in Wahrheit als Chinese fühle. Und doch sind seine Gedichte voller Wehmut, die Erinnerungen an Schweden lassen seine «Schwermut schmelzen», schreibt er in einem Gedicht. Der Autor kam ins Gefängnis, wo er diese Gedichte schrieb, wurde nach zweijährigem Arrest entlassen, um im Januar 2018 nur erneut in einer wahrhaft filmreifen Szene verhaftet zu werden: Gui Minhai suchte im schwedischen Konsulat in Shanghai Zuflucht, dort beschloss man, ihn in Begleitung von zwei schwedischen Diplomaten nach Peking zu einer medizinischen Untersuchung zu schicken, unterwegs wurde der Waggon gestürmt und Gui abermals entführt. Ein weiteres Mal wurde er zur Gefängnishaft verurteilt, dieses Mal für zehn Jahre u.a. wegen der illegalen Weitergabe von Informationen an ausländische Mächte. „Welche Informationen denn“, fragt die Tochter, da er in den letzten Jahren doch im Gefängnis saß? Wieder gab es keinen Aufschrei, konstatiert Kai Strittmatter nüchtern.

Schriftzeichen vom Kerkerboden auflesen 

Peinlich ist das Verhalten der schwedischen Diplomatie, «peinlich» nennt Gui Minhai ein Verhalten, das sich einschüchtern lässt, weil der Weg der Freiheit zu steil ist, weil den Worten Handschellen angelegt werden. 

 

Es wäre peinlich 
Keine Gedichte mehr zu schreiben 
Weil man sie in einen Käfig gesperrt hat. 

Es wäre peinlich
Keine Anthologien mehr herauszugeben
weil die Skandalnachrichten wie Pilze aus dem Boden schießen. 

Es wäre peinlich
An einem Ort, an dem die Sprache zu Stein erstarrt ist
Nicht für seine Worte eingesperrt zu werden.


Gui Minhais Gedichte sind widerständig, aber auch voll der Klage und des Zorns wie im Gedicht «Krieg», das sich allerdings auch in einem anderen Kontext lesen lässt, wenn ein Krieg ohne Widerstand zur Jagd nach dem einzelnen Individuum wird.

Später heißt es, der Krieg sei ausgebrochen
Weil die Enthüllungen die Gewehre bedroht hätten.
Ein Maschinengewehr eröffnet das Feuer gegen einen Stift
Eine Handgranate reißt eine Erzählung in Stücke
Geschrotete Worte fliegen wie Schilf durch die Luft
Auf dem Fluss treiben blutgetränkte Sätze.

So abgeklärt manche Strophen auch klingen, wie z.B. über die Vielgestalt seiner Identität in «Davidshirsch», so sehnsuchtsvoll die Zeilen über seine Wahlheimat Schweden, so brutal und balladengleich dröhnt die Entführung in dem Gedicht «Nacht auf dem Mekong», das ebenso wie auch die anderen Poeme durchaus biografisch zu lesen. Das Ich versucht schreibend, sich gegen die Übermacht einer Diktatur zu wehren, ergibt sich nicht so einfach einer Ohnmacht, auch wenn es dazu die „Schriftzeichen vom Kerkerboden auflesen“ muss. 

 

In jener Nacht glich der Mekong einer schwarzen Giftschlange
Die sich in mich bohrte und bei lebendigem Leib zerriss
Seitdem der Mekong sich meiner bemächtigt hat
Werde ich die nächtlichen Albträume nicht mehr los

Nachts auf dem Mekong, in vollkommener Dunkelheit
Muss ich gebannt auf das Raunen des Flusses lauschen
Das von den Stromschnellen stammt und dem Klang von Schritten,
Gefolgt von Faustschlägen, dann Stricke und schwarze Masken

 

Klar ist Gui Minhais Sprache, von Karin Betz schnörkellos und doch empathisch ins Deutsche übersetzt. Seine Texte hat er bis zu seiner Verhaftung wieder und wieder verworfen. «Sie waren nicht gut genug, pflegte er zu sagen», schreibt seine Tochter und auch, dass es bemerkenswert war, wie er ausgerechnet im Gefängnis zu seiner Stimme fand, «dass eine Institution, die dafür gedacht ist, zu zerstören, stattdessen versehentlich läutert.»  

© LLV/Angela Gui

Gui Minhai, geb. 1964 in der ostchinesischen Stadt Ningbo (südlich von Shanghai), mit 17 Jahren Umzug nach Peking, Studium der Geschichte, erste Gedichte, 1988 Auslands­semester in Göteborg, 1989 nach dem Massaker auf dem Tiananmen unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Schweden, seit 1992 schwedischer Staatsbürger, 2004 Umzug nach Deutschland, 2006 Mitglied des Independent Chinese PEN Centre und Kampf für Meinungsfreiheit in der VR China, 2012 Gründung des Verlags Mighty Current Media in Hongkong, der sich auf die Politik der KPCh und auf das Privatleben führender Politiker spezialisierte, 2014 Kauf der Buchhandlung Mighty Current, wurde am 17. Oktober 2015 von seinem Feriendomizil in Thailand in die VR China verschleppt, 2017 aus dem Gefängnis entlassen, am 20. Januar 2018 gemeinsam mit zwei Mitarbeitern des schwedischen Konsulats im Zug auf dem Weg zur schwedischen Botschaft nach Peking von zehn Beamten in Zivil verhaftet, am 10. Februar eine erzwungene Pressekonferenz, in der er sagte, dass er die schwedische Staatsbürgerschaft ablegen wolle – das war das letzte Mal, dass Gui Minhai in der Öffentlichkeit gesehen wurde.

Karin Betz hat in Frankfurt am Main, Chengdu und Tokio Sinologie, Philosophie und Politik studiert, ist Übersetzerin chinesischer und englischer Literatur, daneben auch Rezensentin, Moderatorin und Dozentin. Im Wintersemester 2021/22 wurde ihr die August-Wilhelm-von-Schlegel Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der Freien Universität Berlin verliehen.

Alice Grünfelder, 1964 im Schwarzwald geboren, hat Buchhändlerin gelernt, Sinologie und Germanistik studiert, als Lektorin und Übersetzerin gearbeitet und war mehrmals lange in Asien. Sie hat viele literarische und essayistische Kurztexte in verschiedenen Medien, unter anderem im Wespennest, veröffentlicht und Bücher über fernöstliche Länder herausgegeben. Zuletzt erschienen von ihr der Essay «Wird unser Mut langen?» (2019) und der Roman «Die Wüstengängerin» (2018). Neben anderen Auszeichnungen bekam sie 2019 das Werkjahr der Stadt Zürich zugesprochen.

Sabine Scholl «Die im Schatten, die im Licht», Weissbooks

In Sabine Scholls Roman „Die im Schatten, die im Licht“ begleite ich neun Frauen durch die Wirren des letzten Weltkriegs. Ich las den Roman mit angehaltenem Atem, weil meine Lesart es nicht verhindern konnte, deren Schicksale mit jenem all jener zu verknüpfen, die in der Ukraine zwischen§ Panzer und Raketen geraten. In „Die im Schatten, die im Licht“ schreibt Sabine Scholl nicht über die Bösen und die Guten, sondern über Opfer, Opfer der Geschichte und ihrer selbst.

Wir lernen in der Schule über Kriege, lesen Bücher, sehen Dokumentationen, Filme. Und doch bleibt einem auf ewig fremd, was all jenen geschieht, die miterleben müssen, die ausgeliefert sind, die in irgend einer Weise zu Opfern werden. Wir sehen es in den Nachrichten, im Internet, in Zeitungen, aber es bleiben Bilder, stumm oder bewegt. Selbst dann wenn sie mir den Schlaf rauben, wenn sie mich lähmen, mir in meiner scheinbaren Sicherheit ins Gesicht schlagen.

Es mag jene geben, die fragen: Warum ein solches Buch? Warum immer noch eines? Es mag jene geben, die sich der Lektüre verweigern mit dem Argument, man habe schon genug darüber gehört. Viel lieber liegen wir auf einem Liegestuhl in der Sonne mit Aussicht auf einen See und lassen die Seele baumeln. Man müsse ihn geniessen, den Frieden. Dabei ist die Selbstverständlichkeit, mit der wir diese Selbstverständlichkeit geniessen und für uns beanspruchen doch eigentlich nur der Fähigkeit zu verdanken, den Schrecken möglichst weit ausserhalb unseres Bewusstsein zu verbannen.
Genau das will und kann Sabine Scholl nicht. Sie weiss, dass man es immer wieder benennen, dass man Zeugnis ablegen muss, jetzt erst recht, wo die letzten jener Generation sterben, die damals als Opfer den Schrecken zu erleiden hatten.

Sabine Scholl «Die im Licht, die im Schatten», Weissbooks, 2022, 352 Seiten, CHF 35.90, ISBN 978-3-86337-193-7

Sabine Scholl nimmt die Schicksale neun ganz unterschiedlicher Frauen, die der Krieg in die innere Emigration, zu fataler Anpassung, in eine Scheinwelt, ins Exil, in den Widerstand oder einfach ins tapfere Ausharren treibt. In vier Teilen Unheil 1938/39, Krieg 1941, Widerstand 1944, Testamente 1946 zeichnet sie das Leben jener, die nicht nur im Schatten des Lichts oder Schatten der Geschichte stehen, sondern in fataler Abhängigkeit einer vollkommen dominierender Männerwelt gerieten, sei es jene der Agitatoren des NS-Regimes, der Alliierten, sei es der einfache Soldat, der Abwesende oder Zurückgekehrte, der offene und versteckte Handlanger, all jener Männer, die mit Leben bezahlten, weil sie sich nicht einbinden lassen wollten.

Dabei bedient sich Sabine Scholl genauer Recherchen. So ist die Figur der Prinzessin Huberta, die sich stets als Auserwählte sah, selbst in den US-Internierungslager, in Zeiten der Entnazifizierung der Biografie von Stephanie von Hohenlohe entlehnt. Sie erheiratete sich ihren Adelstitel und wurde 1938 von Goebbels und Hitler als neue Gastgeberin ins Schloss Leopoldskron berufen, das Max Reinhardt, dem Begründer der Salzburger Festspiele mit seiner Flucht in die USA von den Nazis geraubt wurde. Oder die französische Schauspielerin Arletty, die in den Jahren vor dem Krieg zu einem Star avancierte, der man aber ihre Liebe zu einem deutschen Offizier als Kollaboration anlastete und die nach dem Krieg langsam in Vergessenheit geriet. Als Francine in Sabine Scholls Roman kämpft die verwöhnte Schauspielerin, stets ihrer Wirkung bewusst, als gnadenlose Opportunistin ihren Kampf gegen alles, was ihr zu schaden droht. Daneben die Namenlosen, die in Sabine Scholls Roman einen Namen bekommen. Wie die während des Krieges arbeitslos gewordene Schneiderin Gretel, die aus Hunger und Verzweiflung auf eine Annonce reagiert und sich zur Aufseherin ausbilden lässt, um stramm und stets korrekt mit greller Stimme und gezückter Peitsche ihren Kampf gegen unwertes Leben zu führen, auch nach dem Krieg sich keiner Schuld bewusst. Oder Rosi, die im steirischen Aussee Villen putzt, zuerst in den Diensten jüdischer Kaufleute, KünstlerInnen, später im Dienst jener, die sich diese Häuser im Laufe der Arisierung unter den Nagel rissen. Rosis Leben wird gezwungenermassen das einer Widerstandskämpferin, nur schon um am Leben zu bleiben.

Sabine Scholls Protagonistinnen sind alles andere als Heldinnen. Die einen sind Opfer im Licht, die anderen im Schatten. Der Focus lag lange genug auf den „HeldInnen“ der Geschichte. Sie sind wie wir, die wir von uns doch nie und nimmer behaupten könnten, in vergleichbarer Situation heldenhaft zu handeln.
Beeindruckend an dem Roman ist auch, dass es Sabine Scholl gelingt, das Dokumentarische literarisch zu gestalten, dass die Autorin den neun Frauen auch neun verschiedene Stimmen, Tonarten gibt. Ein wichtiges Buch! Und weil sich Sabine Scholl dessen so sehr bewusst ist, ist nichts, aber auch gar nichts an diesem Buch Fiktion.

Interview

Ich habe über die Jahre mehrere Literaturkreise gegründet, in denen man über gelesene Bücher diskutiert. Beim Bestimmen einer neuen gemeinsamen Lektüre mache ich immer wieder die Erfahrung, dass sich viele durchaus engagierte LeserInnen sträuben, Literatur, Bücher über den letzten Weltkrieg zu lesen. Immer und immer wieder mit dem Argument, man habe schon in der Schule genug darüber gehört. Können Sie das nachvollziehen?
Ich selbst habe in der Schule kaum etwas darüber erfahren. In der ländlichen Umgebung, wo ich aufgewachsen bin, gab es nur Schweigen. Vielleicht erklärt sich der Überdruss der Leserinnen daraus, dass viele Erzählungen vom Krieg sich ähneln. Dass die Schauplätze sich gleichen. Und dann meint man, eh alles zu wissen. Deshalb wollte ich Perspektiven finden, die unbeschrieben waren, Zusammenhänge, die sich nicht auf den ersten Blick offenbaren, Geschichten, die willentlich oder auch unwillkürlich gelöscht wurden. Und tatsächlich war mein Forschen nach weiblichem Erleben während des Kriegs veranlasst durch Erzählungen von aus Syrien Geflüchteten. Da habe ich die Perspektiven von Frauen vermisst und fragte mich in der Folge, was eigentlich die Frauen in Gegenden, die ich gut kenne, während des Zweiten Weltkriegs gemacht hatten, welche Handlungsspielräume es für sie gab.

Recherchefoto © Sabine Scholl

Es sind neun Frauen, neun ganz verschiedene Schicksale. Jedes Schicksal hätte genug Stoff geliefert, um einen Roman zu schreiben. Aber die Vielstimmigkeit ihres Romans gibt ihrem Buch eine ganz eigene, besondere Note. Wie kamen sie genau zu diesen neun Leben? Und warum nicht sieben oder zwölf?
Anfangs stiess ich auf eine Notiz über eine Aristokratin, die im Roman Vera heisst und der eine wahre Geschichte zugrunde liegt. Aus dem über sie recherchierten Material ergab sich die Frage nach Frauen, die anderen gesellschaftlichen Schichten angehörten, wie etwa meine Grossmütter, die als Mägde auf Bauernhöfen arbeiten mussten. So entwickelten sich nach und nach neue Notwendigkeiten, aus denen Forschungen erwuchsen und in der Folge weitere Frauenfiguren. Ich musste dann irgendwann aufhören, weil ich so viele spannende Geschichten fand, zwei Figuren musste ich sogar streichen, weil der Roman noch einigermassen übersichtlich bleiben sollte. Und so wurden es halt neun.

Dass im Vorsatz Ihres Romans je ein Zitat von Inge und Sophie Scholl steht, kann kein Zufall sein. Erklären Sie, warum?
Wenn man diesen Nachnamen trägt, wird man immer wieder mal auf etwaige Verwandtschaftsbeziehungen angesprochen, die es, soweit mir bekannt ist, nicht gibt. Ausserdem ist Sophie Scholl sozusagen zur Stellvertreterin weiblichen Widerstands geworden. Ihre Erzählung verdeckt damit sehr viele andere wichtige weibliche Helferinnen im Kampf gegen das Nazi-Regime. Ich bin ja dafür, die Definition von Widerstand zu weiten, weg vom Bild des Kampfes mit der Waffe als einzige Möglichkeit, sondern die Miteinbeziehung von sorgenden und unterstützenden Tätigkeiten, wie etwa im Roman die Figur der Rosi. Und das war im Zitat von Inge Scholl enthalten.

Recherchefoto © Sabine Scholl

Es ist ganz leicht, über Menschen zu urteilen. Genau das tun sie nicht. Was wir sind und was wir werden, ist oft erklärbar, oft auch nicht. Das eine Verbindende aller dieser neun Schicksale ist der Umstand, dass sie alle ihr Leben auf die ein oder andere Weise selbst in die Hand genommen haben. Auf ihre Art Widerstand war es bei allen, auch wenn dieser nicht in die Schublade Widerstand passt. Ist Schreiben ein genau solcher dehnbarer Widerstand?
Genau, ich wollte nicht aus einem Abstand von mehreren Jahrzehnten den moralischen Zeigefinger erheben. Denn, wer weiss, wie wir uns in derartigen Situationen tatsächlich verhalten hätten. Deshalb zeige ich verschiedene weibliche Strategien, ohne über sie zu urteilen. Traudi z.B. zieht sich in eine Traumwelt zurück, Vera geht darin auf, für die Freilassung ihres Mannes zu kämpfen, Francine will an die Liebe, die alle Grenzen überwindet, glauben, usw. Und egal, welche Themen ich in meinen Romanen behandle, diese Mehrstimmigkeit ist mir wichtig. Menschen verschiedener Positionen sollen vorgestellt werden, und aus diesem Zusammenklang ergibt sich ein vielschichtiges Bild, das auf Schwarz-Weiss-Denken verzichtet. In diesem Sinne ist mein Schreiben als widerständige Arbeit gegen das allwissende und autoritäre Erzählen zu verstehen.

Wir nähen alle unser Kleid selber. Wir hätten es in der Hand. Es ist also das Licht, dass die Farbe ausmacht, nie der Stoff selbst?
Hm, in dieser Frage werden die Metaphern des Kleides und des Lichts zusammengebracht. Das ist diffizil. Da ich die Tochter einer Schneiderin bin, kann ich mit Bestimmtheit sagen, nein, wir nähen uns nicht alle die Kleider selber, sondern lassen sie auch nähen oder kaufen sie fertig von der Stange. Aber Kleider dienen mir in meiner Literatur sehr wohl dazu, Menschen ein Stück weit lebendig zu machen. Da ich mich viel mit weiblichen Geschichten beschäftige, die oft nicht tradiert, nicht aufgeschrieben oder gelöscht wurden, greife ich auf derart sinnliche Gewissheiten zurück, um die vielen Lücken zu füllen. Mithilfe solcher Details bringe ich ihre Geschichten ans Licht. 

Sabine Scholl, 1959 in Grieskirchen (A) geboren,  hat in Wien studiert und lebte in Aveiro, Chicago, New York, Nagoya, wo sie an Universitäten lehrte. Nach ihrer Rückkehr in den deutschsprachigen Raum unterrichtete sie Literarisches Schreiben in Leipzig, Wien und Berlin. Für ihre Romane und Essays hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten, zuletzt den Anton-Wildgans-Preis der Österreichischen Industrie 2018 und den Oberösterreichischen Landespreis für Literatur 2020. Seit 2019 lebt und arbeitet sie wieder in Wien. 2021 erschien ihr Essay «Lebendiges Erinnern – Wie Geschichte in Literatur verwandelt wird».

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Beitragsbild © Uta Tochtermann