Lukas Maisel «Tanners Erde», Rowohlt

„Buch der geträumten Inseln“ war sein furioses Debüt! Und nun liegt mit „Tanners Erde“ eine Novelle von Lukas Maisel bereit, der ich ein Heer von LeserInnen wünsche. Ein kleiner Hof im hügeligen Irgendwo. Und dann, mit einem Mal, tut sich die Erde auf.

Tanner ist Bauer. So wie es sein Vater war. Ein Kleinbauer irgendwo im Alpenvorland; ein paar Kühe, ein bisschen Getreide, immer Arbeit. So viel, dass es immer reichte für Marie und ihn. Vielleicht versteht Tanner seine Kühe besser als seine Frau Marie. Wenn das Vreni im Stall eine harte Zitze hat, weiss er genau, was es braucht, um der Kuh zu helfen. Aber gegen das stille Zusammensein mit seiner Frau, das alltägliche Einerlei des Alltags in Stube und Bett ist kein Kraut gewachsen. Wahrscheinlich wäre alles wie immer seinen Lauf gegangen, wenn eines Morgens der Kirschbaum in der Weide vor dem Haus nicht schief gestanden, wenn nicht in der Folge alles in Schieflage geraten wäre.

Huswil liegt abseits und Tanners Hof noch etwas mehr. Das ändert sich komplet, als sich in Tanners Weide über Nacht zwei Löcher öffnen, das eine gross, mehr als fünf Meter breit, das andere etwas kleiner. Zwei schwarze Löcher in Tanners Erde. Was sich da auftut, kann Tanner nicht fassen, denn das einzig Beständige waren bisher immer die Weiden und Wiesen, die Äcker und Hügel auf denen Tanner sein ganzes Leben verbrachte. Die Erde wankt nie. Und jetzt, mit einem Mal, von gestern auf heute, bricht sie weg, macht sich auf in schwarze Untiefen. Und über Löcher spricht man nicht, so wie man auch über die Löcher in Körpern nicht spricht.

Lukas Maisel «Tanners Erde», Rowohlt, 2022, 115 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-498-00308-1

Tanner sperrt die Wiese um die Löcher ab. In seiner Stube und im Schlafzimmer hat er das mit seiner Marie schon lange vorher getan. Auch wenn er sie noch immer liebt. Dabei hat der Frühling gut begonnen, galoppieren Tanners Kühe wie jedes Jahr wild springend auf die fetten Matten, nachdem sie während Monaten im halbdunklen Stall den Winter wörtlich durchstanden. Und nun? Tanner traut sich nicht einmal mehr, mit seinen Maschinen sein Land zu befahren, Gras einzuholen. Tanner traut sich auch nicht, Marie von seinen Löchern zu erzählen, nicht bloss von denen, die sich auf der Wiese auftun. 

Sind die Löcher Strafe? Tanner geht zur Polizei, Tanner geht in den Staubigen Esel, den Gasthof in Huswil. Tanner geht zum Pfarrer. Tanner geht zur Gemeindevorsteherin. Aber Tanner ahnt, dass er sich nur selber helfen kann. Irgendwann klingelt das Telefon, man habe da von Löchern auf seinem Grundstück gehört, ob man für einen Exklusivbericht zusammenkommen könne. Dann sind es Wissenschaftler, die sich abseilen lassen, die Messungen machen, dann ist es das Fernsehen, irgendwann sogar solche aus dem Ausland.

„Das Loch kommt aus dem Nichts, es ist ja selber ein Nichts: ein Nichts aus dem Nichts. Tanner wird fast schwindlig von so viel Nichts.“

Im Stall beginnen die Tiere zu hungern. Marie rückt immer weiter weg, weil Tanner nicht in Worte fassen kann, was mit ihm geschieht. Da sind die schwarzen Löcher auf seiner Wiese. Aber es öffnet sich auch ein schwarzes Loch in seinem Innern. Ein Loch, mit dem er ganz alleine bleibt. Ein Loch, das immer mehr alles Licht zu schlucken droht.

Lukas Maisels Novelle ist ein Juwel. Selten habe ich so zärtlich Erzähltes gelesen! Kein Schmalz, kein Kitsch, auch kein Gotthelf-Verschnitt. Lukas Maisel erzählt gradlinig, eindringlich, lässt viel Platz für die verschiedensten Lesarten und Interpretationen. Es öffnen sich Metaphern, die sich niemals anbiedern. Es ist nicht die Geschichte des armen Bauern. Aber die Geschichte von Sicherheiten, die mit einem Mal wegrutschen, die ein Leben unkorrigierbar aus den Angeln heben. Es ist die Geschichte eines Verlorenen, eines Gefangenen, den der Sog eines schwarzen Lochs in den Abgrund zieht.

„Er würde wohl kaum irgendwas anders machen, wenn er sein Leben noch mal leben könnte. Ausser vielleicht die Marie häufiger auf die Stirne küssen.“

„Tanners Erde“ ist der Beweis, das schwergewichtige Literatur nicht an der Anzahl Seiten gemessen werden kann. Diese Novelle liest man gerne immer wieder, weil unsäglich viel Güte darin liegt, sei es jene des Erzählers oder jene des verzweifelnden Bauern! Danke Lukas Maisel!

© Sandra Kottonau

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker, bevor er am Literaturinstitut in Biel studierte. Für seinen ersten Roman «Buch der geträumten Inseln» erhielt er einen Werkbeitrag des Kantons Aargau, den Förderpreis des Kantons Solothurn und zuletzt den Terra-nova-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.

Lukas Maisel «Ewiger Wanderer», Plattform Gegenzauber

Beitragsbild © Internationales Literaturfestival Leukerbad 2021

Lukas Maisel «Ewiger Wanderer», Plattform Gegenzauber

Ich sah den leuchtenden Schweif eines Kometen, der nur im Abstand eines Menschenlebens erscheint, sah ihn viele Male, bis er mir zum Gefährten wurde, mir keinen Schrecken einflösste wie jenen, die an Omen glaubten. Ich sah den Himmel, als er noch so hoch war, dass Götter darin leben konnten, und ich sah diese Götter ausziehen aus dem Himmel nach und nach, einem Allmächtigen platzmachend erst, bis auch dieser ausziehen musste, sodass der Himmel nun leer ist. Ich sah die Berge, als sie noch keine Namen trugen, als niemand daran dachte, sie zu besteigen, und ich sah diese Berge nach und nach bezwungen werden, auch jene, die als heilig galten. Ich sah in der Wüste einen Mann auf einer Säule stehen, sah ihn auf dieser Säule verharren für Jahre, und der Mann antwortete auf meine Frage, warum er das tue, er wolle sich nicht in Versuchung führen, er entsage dem Weltlichen, um das Himmlische zu erlangen. Ich sah die Meere, als sie noch weit waren, als sie noch als unüberwindbar galten, als in ihnen noch Leviathan und Cetus lauerten darauf, die Seefahrer hinabzureissen, sah diese Kreaturen schrumpfen und schliesslich verschwinden von den Meereskarten, ich sah Schiffe auslaufen in diese Meere, und ich sah sie zurückkommen tief im Wasser liegend und betörend duftend. Ich sah Menschen sich so sehr fürchten vor dem Tod, dass sie behaupteten, es gäbe den Tod nicht, hörte sie sagen, das Leben ginge nach dem Sterben weiter bis in die Ewigkeit. Ich sah Menschen sich so sehr fürchten vor dem Leben, dass sie ihre Körper aufschnitten, ihre Körper aufhängten, ihre Körper wegwarfen in Schluchten und in Flüsse. Ich sah Menschen sich so sehr fürchten vor dem Verlust eines andern Menschen, dass sie behaupteten, dass das Leiden, das einem der Verlust eines andern Menschen verursache, schlecht sei, dass man niemanden so sehr lieben dürfe, dass sein Verlust einem Leiden verursachen könnte. Ich sah einen Mann brennen, angezündet von denen, die nicht glauben wollten, dass jeder Stern am Himmel eine Sonne sei, und dass um jeden dieser Sterne Planeten kreisten. Ich sah Frauen brennen, viele Frauen, denen man vorwarf, Nadeln in Milch gezaubert zu haben, ich kenne den Geruch von brennendem Haar, von schmelzender Haut, ich kenne den Anblick von Gesichtern, die in Flammen verkohlen. Ich sah Frauen sich die Zähne schwärzen, sah sie sich die Zähne weissen, die Haare lang tragen oder kurz, sah sie all diese Dinge tun im Namen der Schönheit. Ich sah Tiere, die als heilig galten, und deren Tötung bestraft wurde, und ich sah dieselben Tiere bezeichnet als schmutzig und nichtswürdig, und sah ihre Tötung gefeiert von vielen Menschen. Ich sah die Menschen Gesetze aufstellen, wen man lieben durfte und wen nicht, sah sie die eine Liebe erheben zum Höchsten, was es gebe, die andere Liebe als teuflisch verbannen. Ich sah die Menschen Dinge schaffen, die ihnen die Arbeit erleichterten auf dem Felde, sah sie Maschinen schaffen, die sich bewegten wie sie selbst,  aber nicht aussahen wie sie selbst, ich sah die Menschen Fabriken errichten, welche die Bedürfnisse der Menschen befriedigen sollten, und ich sah sie Fabriken errichten, die Menschen vernichteten.

All das sah ich mit meinen eigenen Augen, aber niemand glaubt mir, dass ich all das gesehen habe.

Lukas Maisel «Buch der geträumten Inseln», Rowohlt, 2020, 272 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-498-00202-2

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker. Bald merkte er, dass er Bücher lieber schreiben als drucken würde und studierte am Literaturinstitut in Biel. Für das Manuskript «Buch der geträumten Inseln» erhielt er 2017 einen Werkbeitrag des Kantons Aargau und 2019 einen Förderpreis des Kantons Solothurn.

Rezension mit Interview von «Buch der geträumten Inseln» auf literaturblatt.ch

Webseite des Autors

Beitragsbild © Rowohlt Verlag

Lukas Maisel «Buch der geträumten Inseln», Rowohlt

Robert Akeret macht sich auf, auf eine lange Reise. Nicht zur Erholung, nicht einmal auf die Suche nach dem Glück. Robert Akeret will seinem kleinen Leben Bedeutung verschaffen. Er will ein Grundstein der Wissenschaft werden, sein Name ein Denkmal, das bleiben soll.

Robert Akeret bezeichnet sich selbst als Kryptozoologe („Lehre von den versteckten Tieren») und schimpft seine Gegenwart, dass nicht längst an jeder Universität ein Lehrstuhl dieser Wissenschaft vertreten ist. Er hält nichts von der eidgenössischen Bescheidenheit, der Abneigung gegen das Weitschweifende, Weltumspannende. „Ein Leben ohne Zuschauer» sei sinnlos. Er macht sich auf, jenes Lebewesen zu finden, dass das Bindeglied zwischen Mensch und Tier sein soll. Jenes Lebewesen, das man in Vietnam Nguoi Rung nennt, in China Deren, Alma im Altaigebirge, Batutut auf Borneo oder Orang Pendek auf Sumatra.

Insel der unbegründeten Hoffnung

Lukas Maisel siedelt seinen farbigen, üppigen und verspielten Roman in naher Zukunft an, einer Zeit, die aus dem Flughafen und der Stadt Dubai eine heruntergekommene, kaputte Destination macht, ohne zu erzählen, was die Welt derart veränderte. Akeret schliesst sich zusammen mit Blum, einem Studenten der Ethnologie, einem jungen, empfindsamen Mann, der auf dieser Reise, deren Zweck Akeret im Dunkeln lässt, unbekannte Sprachen, Geheimsprachen zu erforschen hofft, wie Akeret eigentlich nur weg will und auf die grosse Offenbarung hofft. Als dritten auf dieser Expedition heuert Akeret Mansur an, einem Mann aus Sulawesi, Angehöriger der Bugs, einem alten Seefahrervolk. Und als letzter noch Jonah, einen stillen Maschinisten, Sohn eines Fischers, geflohen, der mit dem umgebauten Schiff mit dem übergrossen Käfig und seinem tuckernden Motor zurecht kommen soll.

So sehr sich Akeret und Blum auf ihre Aufgabe zu konzentrieren versuchen, so ergeben scheinen Mansur und Jonah, scheinbar zufrieden mit der Aufgabe allein, ohne Zukunft, ohne Perspektiven.

Insel des berauschten Paradiesvogels

Lukas Maisel «Buch der geträumten Inseln», Rowohlt, 2020, 272 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-498-00202-2

Akeret war schon als Kind ein Sonderling, einer, der mit seiner Fragerei den letzten Nerv rauben konnte. Einer der sich mit keiner Antwort abspeisen liess, einer, der sich auch in der Schule nicht abspeisen liess. Sein Lieblingsbuch damals war „Das Buch der geträumten Städte“.
Und als Erwachsener schimpft Akeret sie alle, die Lehnstuhlzoologen, die sich fürchten, ihre schlaffen Körper ins Unbekannte zu stürzen. Ob von Erfolg gekrönt oder nicht, Akeret weiss, sie würden schimpfen, ausrufen, denn er hatte nicht studiert und bekannte sich mit Vehemenz zu einer Wissenschaft, die bei Zoologen nur Kopfschütteln verursacht. Aber er würde es ihnen zeigen. Und wenn der Moment des Triumphs kommt, wird das Wesen Homo Akereti heissen! Akeret und Blum belauern sich, jeder wissend, dass das Unternehmen nie ohne den andern gelingen kann. Man misstraut sich, versteckt sich hinter seiner Aufgabe, der ganz persönlichen Aussicht auf den grossen Triumph, jedes Scheitern ausblendend.

Während die Natur immer wilder wird, der Fluss immer schmaler, das Weiterfahren mit der Marie immer schwieriger, während die Eingeborenen immer feindlicher werden, sich das, was ihnen begegnet immer mehr verschliesst, steigert sich Akerets Entschlossenheit. Irgendwann bringen Eingeborene den Forschungsreisenden tatsächlich ein Wesen, weder Mensch noch Tier. Ein eindeutig menschlicher Kopf mit haarigem Rumpf und Fischlaib, zusammengenäht mit grobem Garn. Ein Versuch, die Fremden zu beschwichtigen? Ein Glücksbringer, ein Ningyo? Eine Warnung?

Lukas Maisels Sprache ist wie seine Geschichte von einer anderen Welt, erfrischend altbacken, genauso wie der Protagonist, der in naher Zukunft unterwegs ist, wie die einstigen Entdecker, wohl wissend, wie viel Leid, Zerstörung und Krankheiten sie auslösten – im Dienst von Wissenschaft und Forschung, Eroberung und Status. So sehr es Akeret um die Erfüllung seines Traumes geht, dem Zusammenschluss zwischen seiner ganz eigenen Logik und allgemeingültiger Wahrheit, so geht es Lukas Maisel nicht um das Ziel, nicht um die Erfüllung. Das „Buch der geträumten Inseln“ liest sich tatsächlich wie ein Traum zwischen den Wirklichkeiten. Ein Mann fährt durch seine Welt, ohne je in ihr anzukommen. Die Welt bleibt fremd. 

„Ich weiss, wonach ich gesucht habe, wenn ich es finde.“ Unglaublich erfrischend!

Interview mit Lukas Maisel:

80 Prozent der gegenwärtigen AutorInnen beschäftigen sich in ihrem Schreiben in irgend einer Weise mit sich selbst, transformiert oder nicht. Wer weiss, vielleicht ist diese Selbstschau in ihrem Roman so weit verfremdet und verborgen, dass ich an ihr vorbeilese. Umso mehr interessiert mich der Ursprung ihres Romans. Was stand ganz zu Beginn?
Ich habe kein Bedürfnis, etwa meine Familiengeschichte niederzuschreiben. Ich fände es öde, das zu schreiben, und öde, zu lesen. Das ist so eine unnötige Verdopplung der Wirklichkeit, obwohl man doch alle Mittel hätte, eine ganz andere Wirklichkeit zu erschaffen. — Am Anfang dieses Romans standen ein paar Zeilen, die ich am Literaturinstitut in einem Kurs geschrieben hatte. Es gibt darin noch keine Figuren, allein die Bedrohung durch geheimnisvolle Wesen in einem Regenwald. Diese Miniatur hat viele Fragen aufgeworfen, denen ich nachgehen wollte. Es verbanden sich andere Ideen mit dieser, etwa jene von einer Expedition, bei der möglichst viele Insektenarten beschrieben und benannt werden sollten. Ich finde den menschlichen Drang, alles zu benennen, und die Hybris, es auch zu tun, unglaublich faszinierend. Erst später kam dann Robert Akeret hinzu, die Hauptfigur.

Sind Sie zu Recherchezwecken tatsächlich gereist? Und wie weit hat sich ihr Romanvorhaben während dieser Recherchen von seiner ursprünglichen Form entfernt? Oder folgten Sie einem (ge)strickten Plan?
Ja, ich bin gereist, auf die indonesischen Inseln Sumatra, Sulawesi und Ternate, auch auf Waigeo, das zum indonesischen Teil Neuguineas gehört. Auf Ternate gibt es den Vulkan Gamalama, auf den mich ein barfüssiger Führer gebracht hat, der ständig Nelkenzigaretten rauchte: das Urbild Jonahs, einer der Figuren im Roman. Auch auf Sulawesi verbrachte ich einige Zeit, um Mansur nachzuspüren, dem indonesischen Helfer der Expedition. Es geht um Details, aber Details sind alles in einem Roman. Der Kern des Romans hat sich dabei kaum verändert.

Die verbissene Suche nach etwas, was vielleicht nicht einmal sein kann, dass sich allen Wahrscheinlichkeiten entzieht, ist ein weit verbreitetes Phänomen. All die aktuellen Verschwörungstheorien sind Beispiele genug. So wie der Abenteurer Robert Akeret über die Lehnstuhlzoologen schimpft, schimpft der Verschwörungstheoretiker auf den Mainstream, die Wissenschaft, die Politik. Ist dieses „Aufsitzen“ nicht ein urmenschliches Bedürfnis? Ein Stück Zuhause?
Das wiederkehrende Narrativ ist: Nichts sei, wie es scheint, die vorherrschende Meinung sei falsch. Das würde auch Akeret unterschreiben, doch anerkennt er die wissenschaftliche Methode und die durch sie gewonnenen Erkenntnisse. Er glaubt aber, dass die Wissenschaft etwas übersehen hat, das ein unbefangener Laie eher finden kann. Man sieht nur, was man weiss, meinte Goethe.

Frauen scheinen in Ihrem Roman nur eine sehr untergeordnete Rolle zu haben. Ist es, weil die vier Archetypen, die sich auf diese Forschungsreis begeben auch wirklich den verschiedenen, männlichen Archetypen entsprechen?
So ganz stimmt das nicht: Professorin Dr. Unland beansprucht mehrere Kapitel, und auch Margarete ist keine unwichtige Figur. Den Bechdel-Test jedenfalls würde der Roman bestehen.

„Er wusste wohl, dass Scheitern möglich war, ans Aufgeben aber glaubte er nicht. Mit leeren Händen heimzukehren, war keine Möglichkeit.“ Dieses Missionarische. Wie weit gilt dieser Satz auch für die Schriftstellerei, das Leben als „Jungautor“?
Es ist schon so, wie Meister Yoda sagt: »Tu es oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen.« Natürlich ist Talent ungleich verteilt und wichtig für das Schreiben, aber genauso wichtig ist die Bereitschaft, aus jeder Zurückweisung, jedem Scheitern zu lernen. Ich hatte schon einige Jobs, ich habe in einer Weinabfüllerei, einem Warenlager, einer Druckerei etc. gearbeitet — ich weiss, dass jeder andere Beruf mich langweilen würde, nur das Schreiben nicht. Darum ist jedes Scheitern für mich, wie für Akeret, kein Anlass zu Zweifeln, sondern treibt mich weiter an.

© Rowohlt Verlag

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker, bevor er am Literaturinstitut in Biel studierte. Für das Manuskript seines ersten Romans, Buch der geträumten Inseln, erhielt er 2017 einen Werkbeitrag des Kantons Aargau und 2019 den Förderpreis des Kantons Solothurn. Er lebt in Olten.

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