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Das 67. Literaturblatt ist versandfertig.
«Wo gibt es das sonst: ein analoges Literaturblatt, von Hand kalligraphiert, sorgfältig illustriert, mit Lesetipps, die überzeugen.» Tabea Steiner
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Es hat viel länger gedauert, als es hätte sein sollen. Gründe dafür gibt es viele. Umso grösser ist die Freude, dass ich es doch noch geschafft habe.
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«Als passionierte Bücherfrau und langjährige SRF-Literaturredaktorin weiss ich aus eigener Erfahrung, wie stark das Bedürfnis beim leseaffinen Publikum ist, Zugang zu haben zu professioneller, unabhängiger Berichterstattung über Literatur. Leider steht den Feuilletons in den herkömmlichen Medien dafür immer weniger Platz zur Verfügung. Umso schöner, dass es Webseiten gibt wie literaturblatt.ch und das Literaturblatt von Gallus Frei, die diese Lücke mit Knowhow und Herzblut füllen: Sie fördern die Motivation zu lesen und geben Orientierung in einem schier unüberschaubaren Markt.» Luzia Stettler,
Lesekreis Literaturhaus St. Gallen „Gegenwartsliteratur“
Der Lesekreis! Mindestens 2 Bücher, 5 Abende, maximal 12 Teilnehmerinnen oder Teilnehmer, jeweils von 19 bis 21 Uhr in St. Gallen, bei Wein und Knabberzeug und mit der einmaligen Gelegenheit, die ausgewählten Schriftstellerin und Schriftsteller persönlich kennenzulernen.
Anmeldungen direkt an literaturhaus@wyborada.ch
17. September (Bitte bis Seite 98 in «Die Ränder der Welt» lesen!)
22. Oktober
12. November (im Gespräch mit Jens Steiner)
10. Dezember
7. Januar (im Gespräch mit Rebekka Salm)
Dieser Lesekreis ist ein ganz besonderer! Nicht nur dass wir uns im Gespräch ganz intensiv an mehreren Abenden mit den Romanen zweier Schweizer Schriftsteller der Gegenwart beschäftigen. An zwei der fünf Abenden besuchen uns die jeweiligen Autoren der gelesenen Bücher und ermöglichen so einen ganz speziellen Einblick in das Werk dieser Künstler. Diese Begegnungen bei einem Glas Wein eröffnen Gespräche weit über die Bücher hinaus!
Jens Steiner (1975), studierte Germanistik und Philosophie in Zürich und Genf. Sein erster Roman »Hasenleben« erschien 2011 und stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. 2013 gewann er mit „Carambole“ den Schweizer Buchpreis und stand erneut auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Es folgten die Romane „Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit“, „Mein Leben als Hoffnungsträger“ und „Ameisen unterm Brennglas“. Jens Steiner lebt heute als Schriftsteller und Journalist in der französischen Region Burgund
„Die Ränder der Welt“: Als Sohn estnischer Auswanderer wächst Kristian im Basel der Nachkriegszeit auf und freundet sich mit dem Nachbarsjungen Mikkel an. Mikkel rotiert wie ein Kreisel durchs Leben und macht sich, kaum erwachsen, auf nach Dänemark, wo er sich einer Gruppe junger Künstler anschließt. Und Kristian bald nachholt. Auch Kristian findet in Dänemark Inspiration für seine Bildhauerei. Aber dann schlägt Mikkel sein Leben aus den Fugen, indem er eine Affäre mit Kristians großer Liebe Selma beginnt.
Die Wut jagt Kristian durch die Welt, bis ins ferne Patagonien, wo er neu anfangen kann. Erst viele Jahre später reist Kristian wieder zurück nach Europa und erhält einen mysteriösen Brief, der ihn auf die kleine Fähre nach Christansø schickt…
„Statt geschmeidig den Markt zu bedienen, folgt Steiner als Autor seinen eigenen Interessen: mit einer gewissen Sturheit, aber auch mit Witz und sprachlichem Eigensinn.“ Bettina Kugler, St. Galler Tagblatt
Rebekka Salm (1979), wohnhaft in Olten, studierte Islamwissenschaften und Geschichte in Basel und Bern, arbeitet als Texterin und Erwachsenenbildnerin im Migrationsbereich und ist Mutter einer Tochter. 2019 gewann sie den Schreibwettbewerb des Schweizer Schriftstellerwegs. Ihre Siegergeschichte ist im Buch „Das Schaukelpferd in Bichsels Garten“ (2021) erschienen. Bei Knapp erschien 2022 ihr vielbeachtetes Debüt „Die Dinge beim Namen“ und 2024 „Wie der Hase läuft“. 2023 erhielt sie von den Kantonen Baselland und Solothurn je den Förderpreis Literatur sowie von der Hans und Beatrice Maurer-Billeter-Stiftung den Förderpreis Dreitannen.
„Rebekka Salm hat ein absolut tolles Gefühl für Dramaturgie, Aufbau, Erzählökonomie. Sie schreibt gute Dialoge und hält wunderbar die Spannungsfäden zusammen bis zum Ende.“ Elke Heidenreich über das Debüt „Die Dinge beim Namen“
„Wie der Hase läuft“: Amsterdam, 1943: In einer Bäckerei fällt ein Schuss, hinter dem Tresen stirbt ein junger Mann. Seine Witwe, fast noch ein Kind, flieht in die Schweiz. Fünfzig Jahre später verlässt im Basler Hinterland ein Familienvater Frau und Kind, in der gleichen Nacht liegt eine Frau zwischen zwei Dörfern tot am Strassenrand.
Jahrzehnte später begegnen Teresa und Mirco einander. Sie verlieben sich und versuchen sich an ihre Kindheit zu erinnern, die geprägt war von Verlust und Schweigen.
Mirco hat Angst, dass die Vergangenheit sich wiederholt, wenn man sie nicht ruhen lässt. Aber Teresa begibt sich auf Spurensuche und erschafft Stück für Stück ihre gemeinsame Geschichte.
«In ihrem neuen Roman entfaltet Rebekka Salm ein Panoptikum aus Geschichten und Erinnerungen zweier Familien, die sich nicht erinnern wollen – und die doch, ob’s ihnen gefällt oder nicht, Teil einer grossen Erzählung sind.»
Das 67. Literaturblatt macht sich flugfertig.
Die Schnepfenvögel sind eine Familie der Vögel aus der Ordnung der Regenpfeifer. Die vor allem auf der Nordhalbkugel brütenden Arten sind durch ihre meist langen Schnäbel und Beine gekennzeichnet. Viele Schnepfenvögel sind Langstreckenzieher, die auf der Südhalbkugel überwintern. Die Pfuhlschnepfe fliegt auf Ihrem Weg in das Winterquartier bei Neuseeland oder Australien die Strecke von Alaska nonstop. Einige Arten, wie das Thorshühnchen, überwintern in planktonreichen Zonen der großen Ozeane weitab von der Küste. Die Bezeichnung Schnepfe leitet sich vermutlich aus dem althochdeutschen «snepho», «sneppe» für Schnabel ab und hebt das markante Merkmal dieser Vögel, der lange und biegsame Schnabel, der auch als Tastorgan eingesetzt wird, hervor.
Katharina Winkler «Siebenmeilenherz», Matthes & Seitz
Statistisch wurden 2023 in Deutschland über 18000 sexuelle Übergriffe an Kindern polizeilich erfasst. Über eine Million Deutsche erlebten im Laufe ihres Kindseins einen sexuellen Übergriff. Wie kaum eine andere Kunstgattung nimmt sich die Literatur dieser heiklen Thematik an – und Katharina Winkler mit unsäglich tiefgreifender Empathie!
Nicht auszudenken, wie hoch die Dunkelziffer sein wird. In der Schweiz erlebt rund jedes siebte Kind mindestens einmal sexualisierte Gewalt mit Körperkontakt durch Erwachsene oder ältere Kinder. Ungeheuerliche Zahlen, von denen niemand gerne spricht, am wenigsten die Politik, werden doch die meisten Übergriffe von Familienmitgliedern begangen. Monströse Zahlen und ebensolche Vorstellungen, wie all die Kinder und all die Erwachsenen, die solches als Kinder über sich ergehen lassen mussten, mit dem umgehen sollen. Ein Alp, bei dem weder Justiz, Medizin noch Psychologie heilen können, weil die Betroffenen mit dem Erlebten weitgehend alleine bleiben und sich die offenen Wunden über Jahre und Jahrzehnte tief in die Seelen fressen.
«Hast du Papa lieb?
Ja»
Einen Roman darüber schreiben? Schon alleine das Risiko, nach der Veröffentlichung permanent der Neugier der Leserinnen und Leser ausgesetzt zu sein, ob das Erzählte autobiografisch sei, könnte abschrecken. Nicht weniger der potenzielle Vorwurf, doch gar nicht in der Lage zu sein, ohne eigene Erfahrung solches glaubhaft erzählen zu können. Literarischer Treibsand! Aber Katharina Winklers Roman „Siebenmeilenherz“ entzieht sich diesen Risiken, weil seine sprachlichen Qualitäten alle Risiken überstrahlen. Weil er in seiner Form so geschrieben ist, dass er sich so weit wie möglich von Betroffenheitsliteratur unterscheidet. Wer das Buch aufschlägt, glaubt in einem Gedichtband zu lesen, was in gewisser Weise auch stimmt, denn „Siebenmeilenherz“ erzählt lyrisch, manchmal in ganz kurzen Zeilen, manchmal repetitiv, wie ein Lied, ein Aufzählvers, ein Gebet.
«Ich bin vom Erdboden verschluckt.
Niemand sieht mich.
Niemand weiss.
Ich hoffe, ich bleibe für immer verborgen.»
Ganz zu Beginn des Buches ist die Erzählstimme die eines kleinen Mädchens, das ganz und gar nicht versteht, wie ihr geschieht, das verzweifelt nach Liebe und Geborgenheit sucht, sei es bei ihrem Vater, der sie zu seiner Prinzessin erhebt, einen Geheimbund mit ihr schliesst, nachts am Bett jede erdenkliche Grenze überschreitet – und einer Mutter, die in kalter Distanz und Abweisung wohl einfach nicht wissen und sehen will. Im Laufe des Buches wird die Stimme älter, reifer, wissender, aber auch verzweifelter, weil die junge Frau keine Möglichkeit sieht, ihrem Alp zu entfliehen, obwohl da immer wieder einmal eine Hand wäre, die sich ihr anbietet. Aber wer verrät schon seine Nächsten. Woher die Kraft, vom Opfer zur Anklägerin zu werden, sich zu erheben und den Vater zu konfrontieren. Sie ist alleine, erst recht, als da ein Mann ist, eine Liebe, irgendwann gar ein Kind in ihrem offenen Bauch. Wird man irgendwann sehen, was sie erdulden, über sich ergehen lassen musste.
«Widerhaken, die sich im Kopf verfangen
und sich nicht verflüchtigen.»
Die suchende Sprache des Kindes im ersten Teil des Buches, die Unfähigkeit des Benennens, des Nicht-Einordnen-Könnens schmerzt förmlich bei der Lektüre, ebenso die Ausweglosigkeit, die alles einnehmende Einsamkeit der jungen Frau, die scheinbar unrettbar verloren ist im Gefängnis ihrer Erinnerungen, ihres Schmerzes, ihrer Versehrtheit. «Siebenmeilenherz» ist ein buchlanges Selbstgespräch, der verzweifelte Versuch eines Auf- und Ausbruchs.
Ich las „Siebenmeilenherz“ mit angehaltenen Atem, voller Scham, voller Angst, auch in meiner Umgebung Zeichen nicht zu sehen, unangemessen zu reagieren.
Phantastisch ist Katharina Winklers Sprache, die Form, mit der sie auf ganz eigenwillige Weise dem Schrecken nicht bloss begegnet, sondern sich ihm mit einer ungeheuren Direktheit aussetzt. Da hat sich eine Autorin ein Herz genommen, um mit Siebenmeilenstiefeln ins Herz dieses Sturmes, ins windstille Auge der Tornados zu rennen.
Interview
Was dem Mädchen in seiner Familie widerfährt, sei es die Übergiffigkeit ihres Vaters oder die Kälte ihrer Mutter, was sie als Jugendliche, als Liebende, als werdende Mutter, als Verwundete und Gezeichnete ausstehen muss, ist höllisch. Und dieser Schwarm an Fragen, Selbstbezichtigungen, Schuldgefühlen, ein Trommelfeuer, dem sie nicht entfliehen kann. Ich selbst bin auch Vater. Was der Protagonistin geschieht, ist hunderttausendfach erlittenes Schicksal. Warum tut sich die Gesellschaft derart schwer hinzuschauen? Warum spüre ich selbst bei mir diesen Schauer, wenn ich darüber lese, schreibe oder spreche?
Diese Wirksamkeit ist das Wesen des Tabus.
Sexueller Missbrauch in der Familie ist eines der letzten grossen Tabus.
Der Tabubruch stösst naturgemäss auf Widerstand und ist schmerzhaft.
Ein Tabu entsteht, um Schmerz und Überforderung von der Gesellschaft abzuspalten.
Es ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, ein stillschweigend praktiziertes Regelwerk, unhinterfragt, strikt, bedingungslos, universell und ubiquitär. Wir sind darauf konditioniert. Ein Tabubruch fällt uns entsprechend schwer. Wir handeln gegen die Regeln des Kollektivs, gegen unsere eigene Konditionierung. Und wenn wir das Tabu brechen, bricht auch der darin gebundene Schmerz auf und die akute Überforderung.
Aber wenn wir das Tabu unangetastet lassen, manifestieren wir es – und damit auch den entsprechenden gesellschaftlichen Status quo. In unserer Gesellschaft bleibt sexueller Missbrauch in der Familie dann unangetastet und unverändert.
Sie hätten einfach eine Geschichte erzählen können. Aber ganz offensichtlich reichte das nicht. Sie wählten eine ganz spezielle Form. Eine Art innerer Monolog, gespickt mit Textstellen, die an Lieder, Gebete, Märchen… erinnern. Wie kamen Sie zu dieser Form? War die Form schon von Beginn weg klar? Musste sie es sein, um darüber schreiben zu können?
Ich musste diese Geschichte aus der Innenperspektive erzählen. Ich wollte keinen Blick von aussen, jeden voyeuristischen Blick verhindern. Das Buch soll dem Leser ausschliesslich das Erleben aus dem Inneren der Figur ermöglichen. Denn ich wollte eine intensive Empathie des Lesers mit der betroffenen Figur, dafür musste ich den Leser so nah wie möglich an die Figur heranführen.
Die gedicht-, lied- und märchenhaften Elemente in der Sprache sind der kindlichen Figur im ersten Teil geschuldet, in dem man erlebt, wie ein Kind in das von den Eltern dargebotene Weltbild wächst – ohne Möglichkeit zu hinterfragen oder zu relativieren.
Dass diese Kindersprachenelemente auch im zweiten Teil präsent sind, in dem die junge Erwachsene geschildert wird, verdeutlicht, wie die kindliche Erfahrung das weitere Leben prägt.
Auch die Zeichensetzung setzen Sie manchmal ausser Kraft. Warum?
Der Umgang mit der Zeichensetzung ist für mich eine ständige Gratwanderung.
Meine Sprache ist sehr musikalisch gedacht. Leider ist das System zur Verschriftlichung von Sprache aber nicht so präzise wie die Notenschrift. Die Melodie, die ein Satz in meinem Kopf hat, ist manchmal gegenläufig zu der Melodie, die die grammatikalisch korrekten Interpunktionszeichen dem Leser nahelegen.
Die Melodie der Sprache prägt die gedankliche Dynamik. Ein Punkt provoziert zum Beispiel den Abschluss einer Melodie und damit den Abschluss eines Gedankens, obwohl ich es oft wichtig finde, Melodie und Gedanke offen ausklingen zu lassen, damit sie weiter wirken und sich weiter entwickeln können. An entscheidenden Stellen verzichte ich deshalb manchmal auf den Punkt.
Nichts ist so diffizil wie der Kosmos Familie. In keinem Gefüge ist so viel Liebe, Zuwendung, Zärtlichkeit und Nähe wichtig und Teil dieses Kosmos. Ausgerechnet in dieser ultimativen Intimität geschehen Übergriffe, die Wunden verursachen, die nie vernarben. Als ich das Abenteuer „Familie“ startete, war ich 23, meine Frau 21. Aus heutiger Sicht erscheint das beinahe fahrlässig, denn fast alles, was wir taten, geschah aus Intuition. In der Schweiz gibt es Ehevorbereitungskurse. Müsste es nicht viel mehr Familienvorbereitungskurse geben?
Eine optimale Vorbereitung auf das Leben ist eine schöne Idee und unbedingt zu verfolgen! Aber das Leben ist zu gross, zu kräftig, zu unberechenbar, um es in seiner Vielfältigkeit zu erfassen, geschweige denn zu antizipieren. Und Erfahrungen sind schwer vermittelbar. So stolpern wir im Grunde alle mehr oder minder unvorbereitet und oft auch stümperhaft durchs Leben. Als Individuum wie als Gesellschaft. Wir sind alle nicht vorbereitet auf ein Leben im 21. Jhdt.
Beklemmend bei der Lektüre ist die Einsamkeit der Protagonistin. Ich nehme an, dass sie in der Recherche mit vielen Betroffenen gesprochen haben. Wie schafften diese es, aus dem Bannkreis des Schweigens herauszutreten?
Durch die Tabuisierung des Themas spalten wir auch die Betroffenen von der Gesellschaft ab.
Verschwiegene Geschichten trennen. Erzählte Geschichten verbinden.
Die Erzählung ist der Weg aus der Isolation.
Die Liebe zwischen Kindern und Eltern, Eltern und Kindern ist eine ganz eigene. Kinder überhöhen ihre Eltern, Eltern kompensieren durch ihre Kinder. Würde man in ihrem Buch alle unguten Szenen schwärzen, käme erst im zweiten Teil ein kritischer Blick zum Vorschein. Kinder lieben bedingungslos. Und ausgerechnet diese kindliche Bedingungslosigkeit wirkt bis ins Erwachsensein. Die Vertreibung aus dem Paradies?
Im Laufe des Individuationsprozesses muss jeder reflektierte Mensch sicher gehen, nicht nur ein Märchen zu sein, das die eigenen Eltern ihm erzählt haben. Und er muss die Welt auf dasselbe überprüfen.
In Fällen glücklicher Kindheiten mag dies einer Vertreibung aus dem Paradies gleichkommen.
Eine Desillusionierung ist es jedenfalls.
Aber in vielen Fällen ist es wohl auch die Eröffnung neuer, besserer Welten.
Katharina Winkler, 1979 in Wien geboren, studierte Germanistik und Theaterwissenschaft. Mit «Blauschmuck» (Suhrkamp) erschien 2016 ihr vielfach ausgezeichneter Debütroman. Das Buch wurde in sechs Sprachen übersetzt und erhielt u. a. den baskischen Buchpreis Premio Euskadi de Plata für den besten deutschsprachigen Roman sowie den französischen Prix du premier roman étranger 2017, den Preis für das beste fremdsprachige Debüt.
Beitragsbild © Bernhard Schir
Ev Arlt «frag-ment-iert (182.5) – Die unvorhersehbare Reise des Fräulein L.», Bucher
Schreiben, als ein «Ort extremer Klarheit»
«frag-ment-iert» lautet der Titel des Debüt-Romans von Ev Arlt, in dem sie das Epizentrum zwischen dem eigenen Glück und die Grenzen der Freiheiten literarisch auslotet.
Gastinterview mit Urs Heinz Aerni
Urs Heinz Aerni: Der Sog des Lesens ist Ihnen gelungen. Kompliment, auch wenn der Einstieg uns gleich wieder in die Pandemie zurück katapultiert. Wann wussten Sie, dass Sie mit diesem Setting beginnen werden?
Ev Arlt: In meiner Geschichte geht es um die Frage nach der Konstruktion von Identität. Wir sehen der Protagonistin bei ihrem identitären Trauma zu, das im Verlust sozialer Rollen und des vertrauten sozialen Kontextes besteht. Diese rein persönliche Erfahrung wurde in ihren Auswirkungen ja in der Pandemie kollektiv erlebt, natürlich je nach persönlicher – kultureller und beruflicher wie ökonomischer – Situation anders ausdekliniert.
Aerni: Die Lektüre schickt die Lesenden schon zurück in eine Zeit, die man vergessen möchte, was keine Kritik ist, übrigens…
Arlt: Diese Analogie der sozialen, ökonomischen und psychischen Ausnahmesituation vermittelt den Lesenden zu Beginn der Erzählung jene Beklemmung, jenes Gefühl von Isolation und sozialer und eventuell ökonomischer Unsicherheit, die aus eigener Erfahrung bekannt sein dürften. Im Buch geht es dann ja überhaupt nicht um die Pandemie – vielmehr um die Themen Würde, Freiheit und Selbstbestimmung.
In einer Szene wird ein aus dem Radio tönender Song von David Bowie wie folgt kommentiert: «Wie aus einer anderen Zeit überschaubarer Weltprobleme – Heroin und Langstreckenraketen.» Ist heute so alles anders als früher?
Gar keine Frage, wobei wir jetzt natürlich exklusiv über unseren Teil der Welt reden. Das Ende des Kalten Krieges, der 11. September und nun der Krieg in Europa markieren eine tiefgreifende Wende, die deutlich sichtbar zu einer breiten Verunsicherung geführt und strukturelle gesellschaftliche Veränderungen nach sich gezogen hat. Ob alles anders ist als früher, muss jeder individuell für sich beantworten.
Was war für Sie der Fokus hierbei?
Mir geht es bei dieser Beobachtung um die ökonomische und politisch-soziale Entwicklung in Europa und die nicht einfache, hochkomplexe Problemlage in unseren Gesellschaften. Ich glaube durchaus, dass es eine Sehnsucht nach einer Welt in schwarz-weiß gibt.
Woran machen Sie das fest?
Das Ablehnen komplexer Realitäten erkennt man ja klar am zunehmenden Erfolg vereinfachender Rhetorik der Debatten oder am breiten gesellschaftlichen, von Algorithmen gelenkten Diskurs, der gar keiner mehr ist. Man wirft sich die Feindbilder an den Kopf, die Angst geht um, jeder zieht sich in sein Lager, seine Bubble, zurück. Überspitzt gesagt: Politisch korrekte Realitätsverweigerer stehen dem aggressiven Machtanspruch der Vereinfacher gegenüber.
Statt «Roman» steht unter dem Titel «Die unvorhersehbare Reise des Fräulein L.» Was war die Überlegung auf die Gattung Roman zu verzichten?
Aber ich halte ja ohne Zweifel einen Roman in der Hand. Es handelt sich lediglich um einen Untertitel, der angesichts des sicherlich enigmatischen Buchtitels der Leserschaft letztlich doch etwas Orientierung geben soll. Man erfährt: es geht um einen weiblichen Hauptcharakter und um eine Reise, die offenbar so nicht geplant war.
Sie entschieden sich im Untertitel für das Wort «Fräulein»…?
Ja. Ich gehöre zu einer Generation, die diese Bezeichnung in ihrer diskriminierenden Dimension nicht nur überwunden, sondern vermutlich niemals als Problematik begriffen hat. Wir fokussieren uns auf andere Probleme im heterosexuellen Miteinander, die Debatten sprechen da für sich. Wir besitzen Ironie und Selbstbewusstsein und ein eigenes Portemonnaie. Es gibt wichtige Frauenthemen – das ist keines.
Hört sich erfrischend an, denn das «Fräulein» liest sich bekanntlich antiquieret an allerdings mit auch mit einem literarischen Beiklang.
Die Bezeichnung „Fräulein“ wird tatsächlich schon seit Jahren auch für Produkte verwendet – Modeartikel, Eisdielen. Offenbar klingt das Wort kokett, frech, jung, ansprechend. Was mein Buch angeht, ist die Protagonistin am Anfang ihrer Reise definitiv so: jung, kokett – naiv und etwas verloren. Das steckt doch eigentlich im Untertitel, der den Namen des Fräuleins dann ja nur mit einem Großbuchstaben verrät – ein Verweis auf das Verwirrspiel mit Identitäten.
Die junge Protagonistin wird Mutter Anfang der Nullerjahren in Deutschland. Es schien alles offen zu sein für die jungen Menschen, von Karriere bis alle Freiheiten. Und doch kam es anders. Abgesehen vom Geschehen im Buch, wie sehen Sie die Zukunft der jetzigen Jugend?
Die Frage lässt sich angesichts der ungelösten und sich zuspitzenden globalen Probleme im Grunde leicht beantworten. Andererseits ist die junge Generation auch wieder laut und macht sich bemerkbar. Sie haben definitiv andere Instrumente als meine technologiefern aufgewachsene Generation, der die Reste der Ideologien am Ärmel klebten und der der Druck einer neoliberalen Gesellschaft die großen Gewissensfragen im großen Ganzen bequem ersparte.
Und die…
Die jetzige Jugend?
Ja.
Im schlimmsten Fall sind sie brave Konsumenten, im Besten viel weniger beeinflussbar vom System, das sie längst durchschaut haben und ironisieren bis verachten. Ein großes Problem unserer Zeit beim Beurteilen von Fragen wie diesen ist doch die allumfassende Inszenierung, der wir hilflos ausgesetzt sind und aus der wir nur schwer Wahrheiten ableiten können.
Sie arbeiten mit fast surrealen Einschüben in kursiver Schrift im Buch. Wie kamen Sie zu dieser Idee solcher stilistischen Mitteln?
Es stellt sich hier, denke ich, weniger die Frage nach der Idee zur Textmontage als vielmehr zur zweiten Protagonistin des Buches. Die surreale Ebene von Phoenix – nennen wir sie eine Scheintote, die gegen die strukturelle Herrschaft alter Männer vorgeht – muss natürlich zwangsläufig zu diesem Stil führen. Phönix sehnt sich dabei in Wahrheit die ganze Zeit nach der Auflösung ihrer Opferrolle und sucht mit Gewalt nach einem Ausweg.
Das hat sich also beim Schreiben mutierend entwickelt…
Es steckt generell tatsächlich weniger Konstruktion hinter dem Ergebnis meines Schreibens als vielmehr Entwicklung und Reifen – es gibt durchaus eigenständige Prozesse, mit denen ich behutsam umgehe, von denen ich überrascht werde, die sich mir aufdrängen und die mich leiten. Das Kursiv in meinem Roman, wenn Sie so wollen, steht für Abrechnung, für Hoffnung auf Erlösung, für Sehnsucht nach persönlichem Glück, für Erkenntnis.
Sie studierten Theater- und Politikwissenschaften und Soziologie, waren als Journalistin tätig und leben – soviel ich weiß – in Italien. Bleibt es dabei, mit Italien und dem Schreiben?
Tatsächlich kann ich mir da in nächster Zukunft so einige Veränderungen vorstellen – wieder mehr redaktionell zu arbeiten wäre schön. Mein italienisches Domizil darf man sich jetzt nicht verspielt mit Zitronenbäumen und eleganten Zypressen an der Einfahrt vorstellen, ich bin wirklich drin in dieser widersprüchlichen, ächzenden Gesellschaft.
Mit welcher Wahrnehmung Ihrerseits?
Die Italiener sind emsig arbeitende Stehaufmännchen und phantasievolle Lebenskünstler mit einer bewundernswert unverbrüchlichen Energie und Lebensfreude und zutiefst humane Menschen – allerdings in einem System, welches mich seit je an den realen Sozialismus erinnert, wobei die zentrale ineffiziente Verwaltung mafiös unterwandert ist. Um hier zu überleben, muss man die Schlupflöcher im System kennen. Frauen wie Männer arbeiten viel, den Freizeitanspruch der Deutschen kennen sie nicht. Sie ernähren die Familien gemeinsam, die Geschlechterproblematik beginnt im Privaten und der Sexismus hierzulande ist bodenlos salonfähig und allseits geduldet. Ich würde dem Land mehr Transparenz und Gerechtigkeit wünschen.
Deutliche Worte…
Was das Schreiben angeht: das ist nie eine Option gewesen, sondern für mich primärer Ausdruck. Das Leben drinnen und draußen entwirren. Ein Ort extremer Klarheit. Eine Spielwiese für verschachtelte Gedanken und unklare Emotionen. Figuren, in die ich mich verliebe. Schreiben ergo sum.
Ev Arlt wurde 1978 in Nürnberg geboren, studierte Theaterwissenschaften, Politikwissenschaften und Soziologie in München, Berlin und Siena. Sie war unter anderem als Radiomoderatorin und Journalistin tätig. Derzeit schreibt sie aus Italien.
Beitragsbild zVg
«Die Literaturrunde» auf Tele-D vom Mai 2024
Besprochene Bücher:
- «Zitronen» von Valerie Fritsch, Suhrkamp 2024
- «Gnadenlos geirrt» von Barbara Bonhage, Tredition 2021, erscheint neu im Herbst im Verlag elfundzehn unter dem Titel «Zwischen Herd und Hakenkreuz»
- «Lichtungen» von Iris Wolff, Klett-Cotta 2024
Empfohlene Bücher
- «Verwildern» von Douna Loup, Limmat 2024
- «Apeirogon» von Calum McCann, Rowohlt 2020
- «Maifliegenzeit» von Matthias Jügler, Penguin 2024
1500 Mal literaturblatt.ch – eine kleine, doch beherzte Würdigung, von Ruth Loosli
Gallus Frei ist nicht nur ein unermüdlicher Leser, sondern auch ein sorgfältiger und eigenwilliger. Er ist sich nie zu schade, auch unbekannten Stimmen eine Stimme zu geben, wenn er sich entschieden hat, ein neues Buch aufzuschlagen und es zu lesen.
Gallus Frei ist sich keines Genres zu fein: Wenn er sich zu eben diesem Buch entschließt, dann legt er es kaum weg, oder es wäre begründet, und das lässt er uns LeserInnen dann natürlich nicht wissen. Er ist ein Gentleman durch und durch, als Leser ebenso wie als Veranstalter und Moderator. Heisst, er ist immer fair und wohlwollend den SchriftstellerInnen gegenüber, ihm ist bewusst, dass sein Lesen, seine Einladungen und „Beurteilungen“ ein Gewicht haben.
Die Kritik des Germanisten interessiert ihn weniger, denn er ist kein Germanist – darauf weist er auch selbst gerne hin – sondern ein vorzüglicher und vielleicht darf man sagen, ein besessener Leser, wie es ihn vermutlich nur noch selten gibt.
Wer ein Buch – von Gallus besprochen – zur Hand nimmt, muss nicht seiner Meinung sein, lässt sich aber gerne von seiner Leseerfahrung mitnehmen und beeinflussen. Zudem gibt es sehr oft nachgehend ein Interview mit dem Autor, der Autorin, das ebenfalls manch Erhellendes zum Buch und zur Arbeit aufzeigen wird.
Von meiner Seite kommt ein übermütiger Dank und eine große Gratulation zu seinem 1500. Beitrag!
Sein 1500. Beitrag!
Man lasse diese Zahl auf sich wirken.
In diesem Sinne meine allergrößte Hochachtung.
Es grüsst eine befreundete Weggefährtin in Sachen Literatur Ende des Jahres 2023 mit den allerbesten Wünschen für sein weiteres Schaffen.
Ruth Loosli
Herta Müller «Eine Fliege kommt durch einen halben Wald», Hanser
Herta Müller wird wie eine Königin in den mit viel Marmor ausstaffierten Raum im ehrwürdigen Hauptgebäude der Uni Zürich geleitet. Ein krasser Gegensatz für eine Frau, die vor ihrer Vertreibung aus Rumänien ganz unten war, verraten und einsam, von einem kollektiven Verleumdungs- und Lügenapparat systematisch in die Enge getrieben.
Wird man verfolgt und mit dem Tod bedroht, wenn man «gestorben werden kann», wird man sich bewusst, dass das Leben ein Geschenk ist, sagte Herta Müller im Gespräch über ihr neustes Buch «Eine Fliege kommt durch einen halben Wald», organisiert durch das Zentrum für literarische Gegenwart Zürich. Leben wird subversiv, weil das Leben selbst in Frage gestellt wird. In einem totalitären Staat, in jedem totalitären Staat wird bewusstes Leben zu einem politischen Leben. Und so trägt jede Frage, die Herta Müller in ihren Büchern oder in Gesprächen zu beantworten versucht, eine starke politische Komponente. Leben wird automatisch zu einem politischen Leben, das sich permanent gegen den Wall an Verboten stemmen muss. Man kann verweigern und ausblenden, bis man dann doch irgendwann konfrontiert wird und sich für die eine oder andere Seite entscheiden muss. «Eine Fliege kommt durch einen halben Wald» ist eine Sammlung von Essays und Reden, die zusammen mit dem titelgebenden «Monolog» zur niedergeschriebenen Auseinandersetzung mit staatlich inszenierter Unterdrückung werden, dem immer wiederkehrenden Thema der Autorin.
Herta Müller, Verfolgte, Bestrafte und Drangsalierte wurde schon vor ihrer Flucht nach Deutschland eine Einsame, eine Ausgeschlossene, eine von Lügen und Neid Eingeschlossene. Unvorstellbar, dass die Frau, die auch über ein Jahrzehnt nach ihrem Nobelpreis Säle füllt, einst ihren Arbeitsplatz als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik wegen Verleumdung und strategischen Verdächtigungen räumen und diesen ins Treppenhaus der Firma verlegen musste, um ihre Arbeit nicht ganz zu verlieren. Totalitäre Systeme, ob Rumänien damals oder all die totalitären Staaten heute, bedienen sich stets der Lüge, der Fälschung, der Verdrehung. Man wird effizient zum Einzelnen gemacht, Lüge wird zum System. Die Behauptung, sie sei Staatsfeindin, Schwarzmarkthändlerin und prostituiere sich, wird Mittel zum Zweck. Gelogenes und Erfundenes wird Teil eines Unrechtssystems. Fatal ist, dass damit selbst die Wahrheit Schatten bekommt. Man ist sich nie sicher, ob man auf Wahrheit oder Lüge trifft. Und diese permanente Verunsicherung erzeugt Angst.
Verfolgung wurde in den Jahren in Rumänien zu einem dauernden Kampf, den die Autorin immer in Isolation und Angst abdrängte, umgeben von Opportunisten, besonders schmerzhaft dann, wenn selbst die Familie, die Eltern zum langen Arm des Staates wurden.
«Eine Fliege kommt durch einen halben Wald» ist ein Buch, das Beklommenheit auslöst, eine Beklommenheit, von der sich die Autorin nicht lösen will und kann, eine Beklommenheit, die angesichts der globalen Probleme noch vertieft. Verfolgung, grassierender Antisemitismus, offensichtlicher Opportunismus und Rassismus schlagen Wellen wie noch nie, erzeugen ein gefährliches, mehr und mehr explosives Gemisch mit unabsehbaren Folgen. Herta Müller macht Bilder von Unsäglichem, ohne Klischee, ohne Angegriffenheit. Seltsam genug, dass sich nicht nur die Literatur der Sprache bedient, auch die Politik, selbst die Diktatur. Darum ist Sprache stets Politik, Literatur Stellungnahme. Im Gespäch beschwört Herta Müller, dass gerade deshalb viel mehr über Literatur diskutiert werden müsste. Man ist verpflichtet, sich selbst zu erzählen, mündig zu werden. Ein Prozess, der nie zu Ende sein kann, für den die Nobelpreisträgerin noch immer schreibt und lebt.
Wenn ich schreibe, muss ich mich mit dem auseinandersetzen, was mich von innen bedrängt. Ein Zustand, der die Angst stets miteinschliesst. Schreiben ist der Drang, sich nicht verlieren zu wollen, ein Kampf gegen die Hässlichkeiten.
Herta Müller wurde 1953 im deutschsprachigen Nitzkydorf im Banat in Rumänien geboren. Sie studierte in Temeswar rumänische und deutsche Literatur. Sie arbeitete nach dem Studium in einer Maschinenbaufabrik als Übersetzerin. Weil sie sich weigerte, ihre Kollegen für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu bespitzeln, verlor sie ihre Stelle, fand danach nur noch Aushilfstätigkeiten und geriet selbst ins Visier der Securitate. Es folgten Verhöre und Hausdurchsuchungen und die Verleumdung. 1987 konnte sie nach Berlin ausreisen, wo sie heute noch lebt. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt wurden ihr der Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museum Berlin sowie der Internationale Brückepreis der Europastadt Görlitz/Zgorzelec verliehen und sie wurde in den Orden Pour le mérite aufgenommen. 2009 erhielt sie den Literaturnobelpreis.
Rezension zu «Die Lüge ist ein Klettertier«
Rezension zu «Der Beamte sagte«
Beitragsbild © Gallus Frei (anlässlich einer Lesung der Autorin an der Uni Zürich, November 2023)
(Das war der 1498. Beitrag auf literaturblatt.ch.)
Retzhofer Dramapreis 2025 – Ausschreibung
Der Retzhofer Dramapreis ist ein Preis für Einsteiger:innen im Bereich Szenisches Schreiben, er unterscheidet sich von vielen anderen Preisen im deutschen Sprachraum. Das Besondere: Bewerber:innen werden in der Arbeit an ihrem Wettbewerbsbeitrag von Expert:innen für Szenisches Schreiben (Regisseur:innen, Dramaturg:innen, Schauspieler:innen und Autor:innen) kostenlos beraten und unterstützt.
Gerade die Verbindung aus Stückentwicklung und Wettbewerb erhöht die Chancen der jeweiligen Teilnehmer:innen mit ihren Stücken in der Theaterwelt wahrgenommen und aufgeführt zu werden. Dies beweist der Werdegang von Autor:innen wie Gerhild Steinbuch, Johannes Schrettle, Natascha Gangl, Ewald Palmetshofer, Christian Winkler, Henriette Dushe, Ivna Žic, Susanna Mewe, Ferdinand Schmalz, Miroslava Svolikova, Allex Liat Fassberg, Thomas Perle, Lisa Wentz und Leonie Lorena Wyss.
Der Retzhofer Dramapreis wird in drei Kategorien ausgeschrieben. Die Ausschreibung „für Erwachsene“ richtet sich bevorzugt an Einsteiger:innen. Seit 2021 wird der Preis auch für zwei Stücke in der Kategorie „für junges Publikum“ verliehen. Mit diesen Preisen (für Kinder von 4-8 Jahren, sowie für Jugendliche von 9-13 Jahren) möchte das DRAMA FORUM junge ebenso wie erfahrene Autor:innen dazu anregen bzw. dabei unterstützen, auch für ein junges Publikum qualitativ hochwertige Texte zu schreiben.
Der Preis ist mit jeweils 7.000 Euro dotiert.
Wie bewirbt man sich?
Man sendet per E-Mail (dramapreis@uni-t.org) einen Lebenslauf, einen Stückentwurf und zwei ausgeschriebene Szenen des Stücks. Per Post bitten wir um Zusendung des Lebenslaufs, des Stückentwurfs und der zwei ausgeschriebenen Szenen des Stücks in vierfacher Ausfertigung an uniT, sowie um eine eigenhändig unterschriebene Erklärung (in einfacher Ausfertigung), dass das Stück bisher noch nicht veröffentlicht ist, von keinem Verlag vertreten wird und von den Autor:innen selbst stammt. Wichtig ist auch sowohl im Mail als auch im postalisch übermittelten Text zu vermerken, für welche Kategorie eingereicht wird.
Die ausgeschriebenen Szenen sollten den Umfang von elf Seiten nicht überschreiten. Wenn das eingesandte Stück länger ist, bitten wir die Einsendenden, die von der Auswahljury zu lesenden Seiten zu markieren. Die Einsender:innen erklären sich bereit, im Falle der Auswahl ihres Projekts an den Workshops zur Stückentwicklung von uniT teilzunehmen und ihr Stück fertig zu stellen.
Zeitplan
Der Einsendeschluss für die Bewerbungen ist der 04. Februar 2024. Bis Mitte April 2024 erfahren die Einsendenden, ob sie in den Bewerber:innenkreis für den Preis aufgenommen werden. Ende Juni starten die insgesamt vier geblockten Workshops – zumeist am Wochenende (3 x drei Tage, 1 x vier Tage). Die Termine und Orte der Workshops werden rechtzeitig bekannt gegeben. Die Kosten für Unterkunft an den Workshop-Orten sowie für die Anreise sind grundsätzlich von den Teilnehmer:innen selbst zu tragen. Die Preisverleihung wird im Juni 2025 erfolgen.
Einreichung
Die finalen Texte werden der Preisjury anonymisiert vorgelegt.
Rechte
uniT erwirbt mit der Teilnahme der Bewerber:innen das Nutzungsrecht, kostenlos Ausschnitte aus den Stücken öffentlich zu präsentieren und die Uraufführungsrechte für die fertig gestellten Stücke, um das jeweilige Stück mit den Kooperationspartner:innen zu realisieren.
Unsere Kooperationspartner:innen für die Uraufführungen:
Kategorie „für Erwachsene“: Burgtheater Wien
Kategorie „für junges Publikum“: Next Liberty gemeinsam mit TaO! Theater am
Ortweinplatz und Theater an der Parkaue –Junges Staatstheater Berlin.
DSGVO
Die Einsendenden erklären sich damit einverstanden, dass ihre Texte an die
Jurymitglieder weitergegeben werden.
Kontakt
uniT GmbH
Jakominiplatz 15/5
A-8010 Graz
Tel.: +43 316 380 7480
Mail: dramapreis@uni-t.org
www.dramaforum.at/retzhofer-dramapreis