Julia Weber «Die Vermengung», Limmat

Vielleicht hat Julia Weber mit ihrem zweiten Roman „Die Vermengung“ etwas erschaffen, was einmalig ist. Der Titel ihres Romans ist nicht nur Überschrift, sondern Programm. „Die Vermengung“ vermengt biografisches mit fiktionalem Schreiben, die Sicht nach Innen mit jener nach Aussen, ist Roman über Frausein, Menschsein, Muttersein und Schriftstellerinnensein.

Julia Webers Roman ist keine Nabelschau. Solche mag ich nicht. Und doch schreibt Julia Weber über eine Julia, verheiratet mit H (Heinz Helle). Beide sind Schriftsteller und Eltern von B, einem Mädchen, das bereits in die Schule geht. Julia schreibt, H schreibt. Julia ist Mutter, H ist Vater. Sie wohnen zusammen in einer nicht übergrossen Wohnung mitten in Zürich. Sie schreibt in „freien“ Zeiten zuhause, er in seiner kleinen Kammer, die er irgendwo in der Nähe gemietet haben. Sie haben sich eingerichtet, das Leben als Paar, Eltern und Schreibende. Bis klar ist, dass Julia ein zweites Kind mit sich trägt. Bis klar ist, dass nach der Geburt alles anders ist und es mehr braucht als bloss eine Umgewöhnungsphase. Wird sie weiter schreiben können? Wird sie das eine zugunsten des andern „abbrechen“ müssen, so wie es in der Geschichte des Frauseins über Jahrhunderte passierte? Reicht es, einen fürsorglichen und einfühlsamen Mann an ihrer Seite zu wissen, um all dem gerecht zu werden, was sich mit bei kleinen Kindern intensivieren wird? Julia fühlt sich bedrängt, in die Enge getrieben. Eine Mischung aus Verzweiflung, Mutlosigkeit und Ängsten zieht sie in tiefe Trauer, in einen Kampf, der ihre Existenz gleich mehrfach bedroht.

Julia Weber «Die Vermengung», Limmat, 2022, 352 Seiten, CHF 30.00, ISBN 978-3-03926-041-6

Julia Weber bleibt aber nicht eindimensional. Sie verknüpft ihre Auseinandersetzung mit ihrem Schreiben, der Geschichte, mit der sie sich während und nach der Schwangerschaft auseinandersetzt, mit den Figuren dieser fiktiven Geschichte, Ruth, Linda und Karl machen in ihrer Fiktion Ähnliches durch; Schwangerschaft, Zukunftsängste, Stürme in ihren Beziehungen. Aber die reale Julia kommuniziert mit ihren Romanfiguren. Sie schreiben sich, beschwören einander, mischen sich ein. Die reale Familienkonstellation spiegelt sich in der fiktiven und umgekehrt. Dabei ist Julia Webers Schreiben über das Schreiben weit mehr als das Protokollieren einer „Buchwerdung“. Die Geschichte, an der die Autorin schreibt, ist das Spielfeld eine Wahrscheinlichkeit. Die Personen in ihrer Geschichte treten aus der Fiktion heraus und mischen im Realen mit.

«In jener Nacht verstand ich, dass sich alles vermengt, dass ich die Kunst bin, die ich mache, und die Kunst ist ich. Ich bin die Mutter dieses Kindes, und das Kind hat mich als Mutter. Wir werden ineinander und auseinander herauswachsen, und die Kunst wird neben uns her wachsen und auch in uns hinein.»

In einer weiter Ebene mischen sich auch noch weitere Beziehungen in „Die Vermengung“ ein; eine Freundin, die ihre Eizellen einfrieren lässt, weil ihr Wunsch, Mutter zu werden, den Vater noch nicht gefunden hat. Oder die Mutter, die ihr mitteilt, man habe einen Krebs in ihrer Brust gefunden. Julia Weber vermengt all die „Bedrohungen“ einer Frau in einem Roman, der mich bei der Lektüre schwindlig macht. Keineswegs, weil er unübersichtlich geschrieben oder nur schwer lesbar wäre. Julia Webers Roman ist in einer Sprache geschrieben, die sich mühelos ebenso klar wie verspielt zeigt. „Die Vermengung“ ist ein Roman, den man mit Bleistift hinter dem Ohr liest, der mit tiefer Sehnsucht geschrieben wurde, nicht nur den Moment, sondern die Welt zu verstehen, Ordnung in Gefühle zu bringen, die einem in ihrer Heftigkeit bedrohen können. Julia Webers fiktionale Figuren in ihrem Roman eskalieren stellvertretend. Die Briefe zwischen Ihr und ihrem Mann zeugen von jener Ernsthaftigkeit, die ich einer Gegenwart, die sich verliert, nur wünsche. 

Julia Webers Experiment der Vermengung hätte leicht scheitern können. Aber weil die Autorin die Vielstimmigkeit ihres Stimmenorchesters so virtuos dirigiert, gelingt ihr ein grosses symphonisches Werk, das getragen wird von Grossherzigkeit, Mut und der Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit.

Julia Weber wird 1983 in Moshi (Tansania) geboren und zieht 1985 mit ihrer Familie nach Zürich. Nach der Schule macht sie eine Lehre als Fotofachangestellte und absolviert die gestalterische Berufsmaturität. Von 2009 bis 2012 studiert Julia Weber literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel/Bienne. Im Jahr 2012 gründet sie den Literaturdienst (www.literaturdienst.ch ) und ist 2015 Mitbegründerin der Kunstaktionsgruppe „Literatur für das, was passiert“ zur Unterstützung von Menschen auf der Flucht. Im Frühjahr 2017 erscheint ihr erster Roman «Immer ist alles schön» beim Limmat Verlag in Zürich. «Immer ist alles schön» wird mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem internationalen Franz-Tumler-Literaturpreis, der Alfred Döblin Medaille der Universität Mainz, 2017 steht der Roman auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises.

Beitragsbild © Ayse Yavas

Heinz Helle «Wellen», Suhrkamp

In „Wellen“ will der Erzähler glücklich sein, nie gelangweilt und immerzu anwesend. Ein Mann, der eben zum zweiten Mal Vater geworden ist und sich zwischen Momenten des Glücks und Überforderungen zurecht finden will, als Vater, Ehemann, Schriftsteller und Beobachter einer Welt, die ihn prüft.

Dass man es als Vater zweier kleiner Kinder, nimmt man denn seine Rolle als Vater in einer Gegenwart, die die Abwesenheit eines solchen nicht mehr so einfach akzeptiert, schwer haben kann, einen Roman zu schreiben, versteht sich leicht. Umso erstaunlicher, dass es Heinz Helle als Vater zweier kleiner Kinder geschafft hat, sich nicht in Fiktionen aus dem Alltäglichen wegtragen zu lassen, sondern mit „Wellen“ ein Buch präsentiert, das sich in absoluter Unmittelbarkeit mit seiner eigenen Welt auseinandersetzt. „Wellen“ ist ein Buch übers Vater-, Mann- und Schriftstellersein. Nicht wirklich ein Roman, auch wenn das Buch als solcher angeschrieben ist. Viel mehr ein Tagebuch, ein Simultankommentar zu einem Leben mitten in der Familie, zwischen Windeln, Spielzeug, Volvo, Wäscheleinen und Milchfläschchen.

Am Abend fragst du mich, warum ich dich liebe, und ich sage: „Weil du so riechst, wie du riechst.“

Heinz Helle «Wellen», Suhrkamp, 2022, 284 Seiten, CHF 34.90, ISBN 978-3-518-43077-4

Auch wenn man „Wellen“ als Nabelschau bezeichnen kann, eine Gattung Buch, die mich mit wenigen Ausnahmen nicht fasziniert, ist Heinz Helles neustes Buch weit mehr. Mit Sicherheit eine Liebeserklärung. Eine Liebeserklärung an seine Frau, seine beiden Kinder, seine Familie, seine Aufgaben, sein Leben, jenen Lauf der Zeit, der mit zwei kleinen Kindern so sehr von Alltäglichkeiten dominiert wird, dass sich mein verklärter Blick in die Vergangenheit und Heinz Helles Blick in seine Gegenwart mitunter heftigst streiten. „Wellen“ schildert das Leben eines Mannes in der Brandung seiner Pflichten. Kein weinerliches Reflektieren eines Mühlsteinträgers, kein Suhlen in den Niederungen menschlicher Abgründe. Der Erzähler liebt seine Welt, auch wenn sie ihn zuweilen einengt, nicht loslässt. Der Erzähler liebt seine Kinder, auch wenn sie ihn nachts vom Schlafen abhalten und die Kleine erst in den Armen der Mutter zu schreien aufhört. Der Erzähler liebt seine Frau, die ihren Kopf noch immer an seine Brust legt, die ihn an der Hand nimmt. Und der Erzähler liebt sein Schreiben, sein schreibendes Nachdenken, auch wenn er in seinem kleinen Arbeitszimmer abseits seiner Wohnung manchmal einfach zuerst zur Ruhe kommen muss.

„Und dann merke ich, dass ich darum so gerne darüber schreibe, wie ich lebe, weil ich Frieden finde in der Anordnung der Zeichen, mit denen ich versuche, nachzubilden.“

Heinz Helles Buch sind Aufzeichnungen eines Nachdenkens. Der Erzähler denkt vom Kleinen ins Grosse, vom Grossen ins Kleine. Er weiss genau, dass das, was er als Vater tut, wenn er nachts die verstopfte Nase seines neugeborenen Kindes tröpfchenweise zu befreien versucht, keine Nichtigkeiten sind, sondern die kleinen Schritte zum Grossen. Jenes Grosse, das man im Sog der Alltäglichkeiten leicht aus den Augen verliert. Jenes Grosse, das verloren gegangen ist, wenn man in den Medien von Eltern liest, die die Kontrolle verlieren. Der Erzähler ist einem Geheimnis auf der Spur. Dass der Erzähler oft und gerne philosophische Abschweifungen unternimmt und diese mit Alltäglichkeiten, Träumereien und Beobachtungen vermengt, macht das Buch auch für mich zu einem Quell vieler Überraschungen. Und dass die einzelnen Kleinkapitel fast immer mit „Und dann“, „Und als“ „Und dass“ beginnen, gibt dem Text eine Unmittelbarkeit, als würde der Erzähler sein Leben im O-Ton kommentieren.

Als ich 1985 zum ersten Mal und zehn Jahre später zum letzten Mal Vater wurde, waren viele Selbstverständlichkeiten mit denen von heute identisch. Und doch unterscheidet sich die Rolle eines Vaters, eines Mannes, eines Ehemannes in vielem diametral von der damals, auch wenn nur 40 Jahre dazwischenliegen. Vielleicht war das meine grösste Herausforderung bei der Lektüre; die Erkenntnis, wie gedankenlos ich damals meine Rolle lebte, auch wenn die Zeichen der Zeit damals Grund genug gegeben hätten, gewisse Selbstverständlichkeiten mit Schamröte aufzugeben.

Heinz Helle, geboren 1978, studierte Philosophie in München und New York und arbeitete als Texter in Werbeagenturen, bevor er Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel studierte. Für seinen letzten Roman, «Die Überwindung der Schwerkraft», wurde er mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2019 ausgezeichnet und stand 2018 auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises. Er lebt mit seiner Frau, der Schriftstellerin Julia Weber, und den beiden gemeinsamen Töchtern in Zürich.

Beitragsbild © Tobias Bohm/Suhrkamp Verlag

Literaturhaus Thurgau: Das Programm Oktober bis Dezember 2022

Liebe Besucherinnen und Besucher, Freundinnen und Freunde, Zugewandte und grundsätzlich Interessierte

Zwischen Oktober und Dezember 2022 knistert es im Literaturhaus Thurgau: Dramatische Verwandlungen in dystopischer Kulisse, Kunst und Familie im Schreiben vereint, ein Sommer mit Geschichte, ein Schicksal aus der Mitte heraus, eine Virtual-Reality-Reise, eine Widerstandsgeschichte vom Ufer des Bodensees und ein AutorInnenkollektiv, das sich stellt:

Mehr Informationen auf der Webseite des Literaturhauses

Illustrationen © leafrei.com / Literaturhaus Thurgau

«Schreibende Paare»: Annette Hug und Stefan Keller im Literaturhaus Thurgau

In der Reihe «Schreibende Paare» lädt das Literaturhaus Thurgau zu literarischen Gesprächen ein, die über Text, Sprache und Inhalte hinausgehen. Keine «Homestories», aber Einblicke in das Leben von schreibenden Paaren sollen es sein. Was bedeutet es, wenn sich zwei literarische Gestirne treffen? 

Annette Hug, die mit ihrem vierten Roman «Tiefenlager» die Geschichte einer ganz besonderen Gemeinschaft erzählt. Fünf Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen, mit ganz verschiedenen Herkunftsgeschichten gründen eine Gemeinschaft. «Die Müllmänner». Eine Krankenpflegerin, ein Kraftwerkarbeiter, ein Nuklearphysiker, eine Finanzberaterin und eine Linguistin gründen einen Orden und entwickeln Methoden, um das Wissen über die Gefahren des Atommülls verlässlich zu dokumentieren und von Generation zu Generation weiterzugeben. Die Vision: Kein Mensch soll durch die Strahlung eines Endlagers für nukleare Abfälle getötet werden. Annette Hug wollte keinen dystopischen Roman schreiben. Sie leuchtet in dieses Pentagon, mäandert in Perspektiven und Erzähltypen und überzeugt durch eine fein ziselierte Sprache. 

Stefan Keller, der neben Reportagen, journalistischen Arbeiten und Sachbüchern auch literarische Texte schreibt, las aus «Spuren der Arbeit». Ein erzählte Sprache gewordenes Archiv aus 200 Jahren, dass den Kanton Thurgau, die Ostschweiz zu einem Spiegel der Weltgeschichte macht. Von den feudal organisierten «Manufakturdörfern», über das Leiden von schwerst arbeitenden Kindern, das koloniale Selbstverständnis wachstumsberauschter Jungunternehmer bis nach Hinterindien, Hungersnöte und verzweifelter Aufstände bis hin zur Datenfabrik hinter Stacheldraht. Stefan Keller spinnt in seinem Buch ein feines Netz von Namen und Fakten, das Zuhörer:innen und Leser:innen bewusst macht, das Weltgeschehen vor der Haustüre stattfindet – und auf wie viel Schmerz, Leiden und Blut unser gegenwärtiger Reichtum aufbaut.

Ihnen beiden, die in zwei verschiedenen Wohnungen in Zürich leben und arbeiten, ist viel gemeinsam, nicht zuletzt die leidenschaftliche Recherche und die Fülle an Themen, über die sie gerne schreiben würden. Und doch scheint es die unterschiedliche Ausdrucksweise der beiden, die sie gegenseitig beflügelt.

Annette Hug, geboren 1970 in der Schweiz, hat in Zürich und Manila Geschichte und Women and Development Studies studiert. Nach Tätigkeiten als Dozentin und Gewerkschaftssekretärin arbeitet sie heute als freie Autorin. Für ihren dritten Roman «Wilhelm Tell in Manila“ erhielt sie den Schweizer Literaturpreis des Schweizer Bundesamtes für Kultur.

Stefan Keller, geboren 1958 im Thurgau am Bodensee, lebt in Zürich und arbeitet als Historiker und Journalist. Er hat mehrere Bücher zur Arbeiter- und Sozialgeschichte geschrieben oder herausgegeben. Insbesondere sein Buch «Grüningers Fall» war ein international beachteter Erfolg und trug wesentlich zur Rehabilitierung des St.Galler Polizeihauptmanns und Flüchtlingsretters Paul Grüninger (1891–1972) bei. Keller hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten.

Annette Hug und Stefan Keller waren von 2012 bis 2015 die Intendanten des Literaturhauses Thurgau.

«Schreibende Paare» mit Dana Grigorcea und Perikles Monioudis

„Schreibende Paare“ heisst eine der neuen Veranstaltungsreihen im Literaturhaus Thurgau. Im Falle von Dana Grigorcea und Perikles Monioudis hätte man den Abend auch „Eine Literaturfamilie“ nennen können, denn die beiden reisten mit ihren Kindern an und einer ganzen Kiste voller Bücher.

Das Leben, der Alltag der Familie Grigorcea Monioudis ist durchsetzt von Literatur, ihr Haus ein Ort, an dem alles durch eine papierene Lunge atmet. Das Paar ist sich Inspiration, Kritik, Motivation. Der jeweils andere der Erstleser, man trägt sich gegenseitig, selbst ihre beiden Kinder tun es an diesem Abend im Literaturhaus Thurgau.

Dana Grigorcea gab Kostproben aus ihrem letzten Buch, der Novelle „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ und ihrem Roman „Die nicht sterben“, der im kommenden Frühling erscheinen wird. Dana Grigorcea erzählte, dass „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ nicht zuletzt auch ein Versuch war, sich von dem Thema zu emanzipieren, mit dem man sie mit ihren letzten beiden Büchern, vor allem mit dem Roman „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“, immer wieder zu reduzieren versuchte; Rumänien. Nicht dass sich die Autorin ablösen wollte, denn in ihrem neuen Roman spielt ihr Herkunftsland wieder eine zentrale Rolle, die Macht totalitärer Regierungen, der Wunsch vieler nach einer starken Führung, einem Phänomen, das sich trotz aller historischen Erfahrungen nicht ausrotten lässt. Aber kein Schriftsteller, keine Schriftstellerin will in eine Schublade gezwängt werden. Dana Grigorcea wollte mit „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ „austesten“, ob man sie auch liest, wenn Rumänien kein Thema ist. Ein Versuch, der sie nur bestärkte. „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ war und ist sehr erfolgreich.
„Die nicht sterben“ ist die Geschichte einer jungen Bukarester Malerin, die sich nicht nur mit dem totalitären kommunistischen Machthaber Rumäniens konfrontiert sieht, sondern auch mit dem langen Schatten Graf Vlad des Pfählers, der der Welt als Dracula bekannt ist.

Dana Grigorcea und Perikles Monioudis wollen mehr als „bloss“ schreiben. Sie wollen nicht nur ihre eigenen Bücher zu Geschenken machen, sondern auch jene anderer Autorinnen und Autoren. Solchen, die ihre Manuskripte schon Jahrzehnte mit sich herumschleppen und nirgends in ein Verlagsprogramm zu passen scheinen. Texte, die zu vergessen drohen. Ihr Leben als Schriftstellerpaar ist untrennbar mit jenem eines Verlegerpaars verbunden. Ihr beider Leben in allem Schreiben, Auseinandersetzung, Buch, Papier, Gestaltung, Kunst und täglich Brot.

Perikles Monioudis, der schon bald dreissig Jahre schreibt und ein weigefächertes Werk präsentiert, will sich mit jedem Buch neu erfinden, Perspektiven ausloten, Textarten auskosten. „Azra und Kosmàs“ ist eine Liebesgeschichte und doch keine Liebesgeschichte. „Azra und Kosmàs“ ist eine Erzählung, die aufgebaut ist wie eine liegende Acht, als könne ich als Leser überall und immer in die Erzählung einsteigen und mich von den Geschehnissen um die beiden wegtragen lassen. Perikles Monioudis setzt sich in seiner Erzählung mit grossen Themen auseinander, sei es die Flüchtlingskatastrophe am Mittelmeer oder der Wunsch, sich aus seinem Leben abzusetzen, zu verschwinden. Ein Thema, das nicht nur für Menschen, die sich im Brennpunkt der Öffentlichkeit befinden, existenziell werden kann, sondern sich als Phänomen durch sämtliche westliche Gesellschaften zieht. Für Perikles Monioudis ist literarisches Schreiben alles andere als Handwerk. Er gibt sich in seine Stoffe hinein. Schreiben ist Kunst!

Der Abend war tief beglückend.

«Wer einen handfesten Beweis dafür braucht, dass uns die Literatur zu genussfähigeren, glücklicheren Menschen macht, sollte zu Gallus Frei-Tomic ins Literaturhaus Thurgau. Den Abend, den inspirierenden Gedankenaustausch, das goldene Licht im Dachbodenlesesaal des Bodmann-Hauses und das grossartige Publikum werden wir nie vergessen.» Dana Grigorcea

Beitragsbilder © Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau