«Schreibende Paare» mit Dana Grigorcea und Perikles Monioudis

„Schreibende Paare“ heisst eine der neuen Veranstaltungsreihen im Literaturhaus Thurgau. Im Falle von Dana Grigorcea und Perikles Monioudis hätte man den Abend auch „Eine Literaturfamilie“ nennen können, denn die beiden reisten mit ihren Kindern an und einer ganzen Kiste voller Bücher.

Das Leben, der Alltag der Familie Grigorcea Monioudis ist durchsetzt von Literatur, ihr Haus ein Ort, an dem alles durch eine papierene Lunge atmet. Das Paar ist sich Inspiration, Kritik, Motivation. Der jeweils andere der Erstleser, man trägt sich gegenseitig, selbst ihre beiden Kinder tun es an diesem Abend im Literaturhaus Thurgau.

Dana Grigorcea gab Kostproben aus ihrem letzten Buch, der Novelle „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ und ihrem Roman „Die nicht sterben“, der im kommenden Frühling erscheinen wird. Dana Grigorcea erzählte, dass „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ nicht zuletzt auch ein Versuch war, sich von dem Thema zu emanzipieren, mit dem man sie mit ihren letzten beiden Büchern, vor allem mit dem Roman „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“, immer wieder zu reduzieren versuchte; Rumänien. Nicht dass sich die Autorin ablösen wollte, denn in ihrem neuen Roman spielt ihr Herkunftsland wieder eine zentrale Rolle, die Macht totalitärer Regierungen, der Wunsch vieler nach einer starken Führung, einem Phänomen, das sich trotz aller historischen Erfahrungen nicht ausrotten lässt. Aber kein Schriftsteller, keine Schriftstellerin will in eine Schublade gezwängt werden. Dana Grigorcea wollte mit „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ „austesten“, ob man sie auch liest, wenn Rumänien kein Thema ist. Ein Versuch, der sie nur bestärkte. „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ war und ist sehr erfolgreich.
„Die nicht sterben“ ist die Geschichte einer jungen Bukarester Malerin, die sich nicht nur mit dem totalitären kommunistischen Machthaber Rumäniens konfrontiert sieht, sondern auch mit dem langen Schatten Graf Vlad des Pfählers, der der Welt als Dracula bekannt ist.

Dana Grigorcea und Perikles Monioudis wollen mehr als „bloss“ schreiben. Sie wollen nicht nur ihre eigenen Bücher zu Geschenken machen, sondern auch jene anderer Autorinnen und Autoren. Solchen, die ihre Manuskripte schon Jahrzehnte mit sich herumschleppen und nirgends in ein Verlagsprogramm zu passen scheinen. Texte, die zu vergessen drohen. Ihr Leben als Schriftstellerpaar ist untrennbar mit jenem eines Verlegerpaars verbunden. Ihr beider Leben in allem Schreiben, Auseinandersetzung, Buch, Papier, Gestaltung, Kunst und täglich Brot.

Perikles Monioudis, der schon bald dreissig Jahre schreibt und ein weigefächertes Werk präsentiert, will sich mit jedem Buch neu erfinden, Perspektiven ausloten, Textarten auskosten. „Azra und Kosmàs“ ist eine Liebesgeschichte und doch keine Liebesgeschichte. „Azra und Kosmàs“ ist eine Erzählung, die aufgebaut ist wie eine liegende Acht, als könne ich als Leser überall und immer in die Erzählung einsteigen und mich von den Geschehnissen um die beiden wegtragen lassen. Perikles Monioudis setzt sich in seiner Erzählung mit grossen Themen auseinander, sei es die Flüchtlingskatastrophe am Mittelmeer oder der Wunsch, sich aus seinem Leben abzusetzen, zu verschwinden. Ein Thema, das nicht nur für Menschen, die sich im Brennpunkt der Öffentlichkeit befinden, existenziell werden kann, sondern sich als Phänomen durch sämtliche westliche Gesellschaften zieht. Für Perikles Monioudis ist literarisches Schreiben alles andere als Handwerk. Er gibt sich in seine Stoffe hinein. Schreiben ist Kunst!

Der Abend war tief beglückend.

«Wer einen handfesten Beweis dafür braucht, dass uns die Literatur zu genussfähigeren, glücklicheren Menschen macht, sollte zu Gallus Frei-Tomic ins Literaturhaus Thurgau. Den Abend, den inspirierenden Gedankenaustausch, das goldene Licht im Dachbodenlesesaal des Bodmann-Hauses und das grossartige Publikum werden wir nie vergessen.» Dana Grigorcea

Beitragsbilder © Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

Schreibende Paare: Dana Grigorcea und Perikles Monioudis

Ein neues Format im Literaturhaus Thurgau ist «Schreibende Paare». Erste Gäste auf der Bühne sind Dana Grigorcea und Perikles Monioudis. Ein schreibendes Paar, das Liebe und Leidenschaft weit über ihr Leben als Paar verbindet. Liebe und Leidenschaft für die Literatur.

2018 begeisterte Dana Grigorcea LeserInnen und Kritik mit dem Buch «Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen», einer Novelle, in der sie Anton Tschechows „Die Dame mit dem Hündchen“ aus dem Jahr 1899 ins Zürich der Gegenwart transformierte. Eine Verwandlung, die die Gewichte der Novelle von damals vertauscht und die doch viel vom Liebreiz Tschechows Novelle übernimmt. Eine Lektüre für einen Abend. Ein Stück Literatur als hätte ein Musiker ein Stück neu arrangiert. Die Liebe zweier Menschen, die zur Lüge zwingt.
Ein warmer Frühlingstag am See. Hungrig nach Sonne und Wärme sitzen die Menschen in Cafés und spazieren an der Seepromenade. An einem der Tische treffen sich Anna, die Ballerina, mit ihrem Hündchen und Gürkan, der Gärtner. Sie verheiratet mit einem Arzt, er, ein Kurde, vor vielen Jahren mit seiner Familie aus der Türkei in die Schweiz gezogen. Sie beide in einer Atempause. Entgegen ihren Gewohnheiten wird aus der Zufälligkeit ein gemeinsamer Spaziergang, bei dem Anna nicht nur zuhört. Gürkan fasziniert; sein Gesicht, seine Stimme und die scheue Art, die ihn von den sonstigen Avancen anderer Männer abhebt. Anna fühlt sich hingezogen, nicht nur weil er jünger als sie zu sein scheint. Sie treffen sich wieder, immer wieder, fast jeden Tag.

Perikles Monioudis veröffentlicht schon seit dreissig Jahren Romane, Erzählungen, Theater und Essays ist vielfach ausgezeichnet und veröffentlichte 2019 die Erzählung «Azra und Kosmàs», keine Liebesgeschichte, aber die Geschichte einer Begegnung. Kosmàs Gros, einst ein umtriebiger, erfolgreicher und berühmter Schriftsteller lebt alt geworden zurückgezogen in Berlin. Auf der Flucht vor dem Erkanntwerden, auf der Flucht vor sich selbst. Azra ist Ärztin in einem Berliner Krankenhaus und steht eines Tages am Bett des Schriftstellers, der nach einem Unfall eingeliefert wurde. Kosmàs mit griechischen Wurzeln, Azra mit tunesischen Wurzeln. Beide tragen Vergangenheiten und Wurzeln mit sich herum. Kosmàs versucht sich an verlorene Sätze zu erinnern, Azra an ihr Versprechen als Ärztin.
Azra und Kosmàs treffen sich an der griechischen Küste wieder, dort wo sich Schwimmwesten türmen und behelfsmässige Zelte die Ankömmlinge von der anderen Seite des Meeres am Strand erwarten. Azra und Kosmàs, beide zwischen Flucht und Suche.

2019 gründeten Dana Grigorcea und Perikles Monioudis den Verlag «Telegramme für Literatur» und beweisen, dass die Leidenschaft für das Buch weit über das Schreiben hinausgehen kann.

Dana Grigorcea und Perikles Monioudis lesen an diesem Abend aus ihren Büchern und diskutieren am 14. November im Literaturhaus Thurgau über das Schreiben, die Literatur und ihre Bücher – und was die Schriftstellerei für ihre Beziehung bedeutet.

Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, studierte Deutsche und Niederländische Philologie in Bukarest und Brüssel. Mit einem Auszug aus dem Roman «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit» wurde Dana Grigorcea in Klagenfurt beim Ingeborg Bachmann-­Wettbewerb 2015 mit dem 3sat-­Preis ausgezeichnet. Ihr Erstling «Baba Rada. Das Leben ist vergänglich wie die Kopfhaare» ist im Oktober 2015 ebenfalls im Dörlemann Verlag erschienen, 2018 die Novelle «Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen». Nach Jahren in Deutschland und Österreich lebt sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Perikles Monioudis, und Kindern in Zürich.

Perikles Monioudis wurde 1966 in Glarus, Schweiz, geboren und hat Soziologie und Politische Wissenschaften in Zürich studiert. Nach zwölf Jahren in Berlin lebt er mit Frau und Kindern wieder in Zürich. Für seine in mehrere Sprachen übersetzten Romane und Erzählbände («Palladium», «Eis», «Die Trüffelsucherin», «Deutschlandflug» u.v.a.) wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, darunter der Preis des Schweizerischen Schriftsteller­verbandes und der Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Im Rimbaud Verlag sind bisher erschienen zuletzt «Azra und Kosmás» (2019), bei dtv die Romane «Frederick» und «Land» und beim Deutschen Kunstverlag die Biografie «Robert Walser».

Rezension von «Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen auf literaturblatt.ch

Rezension von «Robert Walser» auf literaturblatt.ch

Webseite von Dana Grigorcea

Webseite von Perikles Monioudis

Illustration © leafrei.com / Literaturhaus Thurgau