Evelina Jecker Lambreva las bei uns im Wohnzimmer vor einem gespannten Publikum aus ihrem Roman «Mein Name ist Marcello». Überraschungsgast an dieser Lesung war Bernhard Borovansky, ihr Verleger aus Wien, der seit 2008 zusammen mit seiner Frau Konstanze Borovansky die Geschicke des Braumüller Verlags bestimmt.
«Mein Name ist Marcello»: In Mailand stellt eine berühmte Schweizer Schriftstellerin ihren neuen Kriminalroman vor. Während der Veranstaltung steht ein Mann aus dem Publikum auf und behauptet, die Schriftstellerin habe seine Biografie gestohlen und seine persönliche Geschichte erzählt. In dem darauf folgenden Skandal droht er mit einer Klage, besucht immer wieder Veranstaltungen, stalkt sie und will herausfinden, warum sie das getan hat. Die Schriftstellerin kann sich das alles nicht erklären, sie kennt den Mann nicht, lässt sich aber auf ein Gespräch mit ihm ein. Die beiden gehen eine Liaison ein und verlieben sich sogar ineinander. Durch die Nähe kommen sie der Wahrheit immer mehr auf die Spur und entdecken Unglaubliches. Eine dicht erzählte Geschichte mit einem erstaunlichen und nicht erwarteten Ende.
„Mein Name ist Marcello“ ist voller Überraschungen, liest sich wie ein Thriller, der sich immer und immer wieder meinen Interpretationen verweigert. So wie die menschliche Seele ein Labyrith ist, so gibt sich die Lektüre dieses Romans.
Verleger Bernhard Borovansky, Evelina Jecker Lambreva und Veranstalter Gallus Frei
«Schreiben» ist die persönliche Auseinandersetzung mit mir selbst, indem ich versuche, eben diese „andere“, die in mir verborgen ist, kennenzulernen. Mit den Worten C.G. Jungs: „In jedem von uns lebt noch einer/eine, den/die wir nicht sein wollen.“ Genau diese möchte ich durch das Schreiben besser kennenlernen: die ich nicht sein möchte, die aber trotzdem irgendwo (auch) mein Inneres bewohnt.
Die Ohnmacht eines Kindes bewegt mich zutiefst, und was später im Verlauf des Lebens aus dieser Ohnmacht entstehen kann – diese Frage entzündet meine künstlerische Fantasie enorm. Wie sich aus einem ohnmächtigen, systematischer Gewalt ausgelieferten Kind später eine Ärztin, eine Schriftstellerin, eine Mörderin oder eine Rechtsextremistin entwickelt, das ist die Frage, die mich in meinen Texten beschäftigt. Denn das ist und bleibt für mich eines der grossen Geheimnisse des Lebens: Wieso machen psychische Traumata von in der Kindheit erlebter physischer und/oder psychischer Gewalt manche Menschen krank und (selbst)zerstörerisch, andere zu autoritären Herrschern oder gar zu monströsen Diktatoren, und andere wiederum zu hochbegabten Künstlerinnen und Künstlern, sowie zu hervorragenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Dieses Geheimnis, so denke ich, wird wohl nie von der Wissenschaft gelüftet werden.
«Es war eine unvergessliche Hauslesung bei Gallus und Irmgard Frei-Tomic, an der ich meinen neuen Roman „Mein Name ist Marcello“ vorstellen durfte. In familiärer Atmosphäre, unter den stummen Blicken hunderter von Büchern, zweier Gitarren und eines Klaviers hörte mir ein sehr interessiertes und engagiertes Lesepublikum zu. Aufschlussreiche Fragen, tiefgreifende Gedanken und leidenschaftliche Liebe zur Literatur begleiteten durch den Abend. Ganz herzlichen Dank an alle, die zu diesem gelungenen Anlass beigetragen haben! Für mich ist er zu einem der Höhepunkte des Jahres geworden.» Evelina Jecke Lambreva
Bei vielen Leserinnen und Lesern scheint die Frage, ob ein Buch ein Stück abgebildeter Realität sei, eine wahre Geschichte, oder reine Fiktion, ein Spiel mit Realem, so zentral wie nie zuvor. Evelina Jecker Lambreva treibt eben diese Spiegelungen zwischen Realem und Fiktionalem bis auf die Spitze – erfrischend und mit tiefgründigem Scharfsinn.
Fabiana Bianchi ist eine angesagte Krimiautorin. Ihre Bücher scheinen ein nach Crime hungerndes Publikum längst von selbst zu finden. Wo sie auftritt, füllt sie Säle, ihre Bücher verkaufen sich sensationell. Sie geniesst ihren Erfolg, ist sich ihrer Wirkung auch auf der Bühne sicher, geniesst die Zuwendungen ihrer Fans. Aber bei der Präsentation ihres neusten Romans meldet sich während der Lesung ein Mann in der ersten Reihe und behauptet, sie habe die Geschichte im Buch gestohlen, das sei seine Geschichte und er sei nie gefragt worden, ob sie so einfach Gegenstand eines Buches werden dürfe; die Geschichte einer zerrütteten Familie, eines Verbrechens. Und als er ihr beim Signieren mit einem Prozess droht und sie auch auf den darauf folgenden Lesungen in den Metropolen Europas verfolgt, wird aus dem Vorwurf, den Drohungen ein Alp, der Fabiana Bianchi bis ins Mark erschüttert. Fabiana weiss nicht, wie ihr geschieht.
Evelina Jecker Lambreva «Mein Name ist Marcello», Braumüller, 2024, 240 Seiten, CHF ca. 35.90, ISBN 978-3-99200-362-4
Eine sehr plausible Situation, gibt es doch im Literaturbetrieb immer wieder solch wirre und unkontrollierbare Situationen, die nicht nur ein Buch verhindern, sondern Schreibenden ihre Existenz rauben können. Aber während der Lektüre wird sehr schnell klar, dass es Evelina Jecker Lambreva nicht in erster Linie darum geht, wie Literatur mit Realem umzugehen hat. Sie erzählt auch die Geschichte von Paolo Privoli, eines erfolgreichen Kunsthändlers, der es mit Geschick und Glück von ganz unten bis nach ganz oben geschafft hatte. Er, der sich auch für Literatur interessiert, ein leidenschaftlicher Leser der Kriminalromane von Fabiana Bianchi ist, sitzt in seiner Stadt in der ersten Reihe und muss feststellen, dass die Frau, die er nur aus Büchern kennt, seine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, von der niemand, höchstens seine engsten Vertrauten wissen sollten. Die Geschichte eines Mannes, der als Kind seinen kleineren Bruder durch seine unstillbare Lust nach Macht ins Unglück treibt. Von einer Mutter, die nicht zu lieben vermag, einem Vater, der sich in seiner Verzweiflung umbringt und einem Grossvater, der zum Tyrannen wird. Eine Vergangenheit, eine Geschichte, die er nicht nur durch fünf Jahre Gefängnis hinter sich lassen wollte.
Fabiana Bianchi kann sich die Vorwürfe des Mannes nicht erklären und sämtliche Versicherungen, die Geschichte sei ganz und gar ihrer Fantasie entsprungen, perlen an dem aufgeschreckten Mann ab. Im Laufe des Romans entwickelt sich eine Art Duell. Dort die Frau, die sich an den Alp in ihrer Kindheit zurückgedrängt fühlt, dort der Mann, der glaubte, sein Leben in absolute Kontrolle getaucht zu haben und feststellen muss, dass ein Buch sein ganz eigenes Trauma offenbart.
Aber dabei bleibt es nicht. Evelina Jecker Lambrevas Roman zwischen Krimi und Verwirrspiel, zwischen Familiengeschichte und Vergangenheitsbewältigung stellt zwei Menschen einander gegenüber, die sich beide auf ihre Weise mit ihrer Kindheit, den dunklen Flecken in ihrer Vergangenheit konfrontiert sehen. Bin ich der, den ich mit Akribie selbst inszeniere oder doch nicht durch die Poren meiner Fassade das, was ich nie zu verdauen in der Lage war? Evelina Jecker Lambrevas Wissen um die Vielschichtigkeit menschlichen Seins macht das Spiegellabyrinth, durch das ich mich als Leser winde, verständlich. Unser Innenleben ist verschachtelt, voller dunkler Sackgassen und tückischer Geheimnisse.
„Mein Name ist Marcello“ ist voller Überraschungen, liest sich wie ein Thriller, der sich immer und immer wieder meinen Interpretationen verweigert. So wie die menschliche Seele ein Labyrith ist, so gibt sich die Lektüre dieses Romans.
(bis ca. 21 Uhr), Eintritt inkl. Konsumation 35 CHF, zwingend Anmeldungen bis 10. August unter info@literaturblatt.ch oder 076 448 36 69 (Platzzahl beschränkt!)
Interview
„In each of us there is another whom we do not know…“, ein Zitat von C. G. Jung, ist Deinem Roman vorangestellt. Wären wir uns dessen mehr bewusst, wäre das Verständnis für die Schattenseiten anderer wohl viel grösser. Du bist Psychiaterin, Psychotherapeutin und Schriftstellerin und damit prädestiniert, den Spalt hinter Fassaden zu finden. Ist das Schreiben auch ein Ventil? Ein Ventil? Mein Beruf hat mich zwar schon immer zum Schreiben inspiriert, mit den Themen, die sich aus den Gesprächen mit meinen Patientinnen und Patienten ergeben, aber das Schreiben als Ventil habe ich noch nie gebraucht. Ich wüsste auch nicht, wozu ich ein Ventil bräuchte. Viel mehr dient mir das Schreiben für die persönliche Auseinandersetzung mit mir selbst, indem ich versuche, eben diese „andere“, die in mir verborgen ist, kennenzulernen. Für mich habe ich sogar die Worte von C.G. Jung so perephrasiert: „In jedem von uns lebt noch einer/eine, den/die wir nicht sein wollen.“ Genau diese möchte ich durch das Schreiben besser kennenlernen: die ich nicht sein möchte, die aber trotzdem irgendwo (auch) mein Inneres bewohnt.
Fabiana Bianchi ist eine überaus erfolgreiche Krimiautorin. Derer gibt es viele, man denke an Donna Leon oder Charlotte Link. Autorinnen, die Buch an Buch veröffentlichen, Bestseller an Bestseller reihen und mehr als gut von ihrem Schreiben leben können. Doch eigentlich die Ausnahme, denn die meisten AutorInnen leben mehr schlecht als recht von ihrer Schriftstellerei. Aber wie jede Person, die sich im Focus einer breiten Aufmerksamkeit bewegt, hat diese Popularität auch seinen Preis. Verkauft eine erfolgreiche Künstlerin, ein erfolgreicher Künstler mit seinem Ruhm nicht auch ein Stück seines Lebens? Natürlich tut er/sie das. Vermarktung der Intimität ist heutzutage hoch im Trend. Für mich ist es jedoch unklar, wie bewusst ein Künstler/eine Künstlerin so was macht. Ich glaube kaum, dass es viele Schriftsteller und Schriftstellerinnen gibt, die ganz gezielt ihr Leben für Geld an das Lesepublikum verkaufen. Vielleicht ist es bei einigen eher ein Bedürfnis, das eigene Leben in die Welt hinauszuschreien, hinauszuweinen, auszukotzen, mitzuteilen? Man kann dieses Bedürfnis aber auch diskret verschlüsselt und eingepackt in Figuren, Metaphern oder Allegorien ausleben, derart, dass nur der Künstler/die Künstlerin weiss, dass es sich um sein/ihr Leben handelt. Somit wird auch der finanzielle Profit eines Verkaufs fern vom Bewusstsein gehalten.
Naviglio Grande, Milano @ Evelina Jecker Lambreva
In den unendlichen Möglichkeiten menschlichen Lebens ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit seinem Schreiben die Wirklichkeit eines fremden Menschen trifft, nicht so verschwindend wie man glaubt. Du als Schriftstellerin hoffst doch auch, dass Leserinnen und Leser sich in Deinen Geschichten gespiegelt sehen oder sogar wiedererkennen. Ist das nicht genau die Resonanz, die man als Schreibende erhofft? Schriftsteller/Schriftstellerin sein, ist ein einsames Schicksal, so denke ich. Wenn ich schreibe, denke ich nie an die potentiellen Leserinnen und Leser, nicht an Rezensentinnen und Rezensenten, nicht an die Medien. Ich bin allein in der Auseinandesetzung mit meinen Gedanken, Stimmungen, Atmosphären, Heldinnen und Helden. Die Lesenden müssen sich nicht unbedingt in meinen Geschichten wiedererkennen oder sich darin gespiegelt sehen. Von mir aus können meine Figuren auch befremdend, schrecklich, sogar abstossend auf das Lesepublikum wirken. Das würde mich gar nicht stören, wenn es so wäre. Viel wichtiger ist es mir, dass ich durch meine Figuren die Leserschaft zu neuen Gedankenanstössen anregen kann. So hoffe ich auf eine Resonanz zu den Lebensthemen, die ich in meinen Werken durch meine Heldinnen und Helden behandle. Dies aber erst, wenn das Buch veröffentlicht ist, nicht während des Schreibens.
Beide Protagonisten kommen aus Familien, die ihnen nicht geben konnten, was man jedem Kind wünscht. Beide tragen einen Alp mit sich herum. Ich bin Sohn und Vater und weiss sehr genau, wie tief die Schluchten sein können, an denen man sich als Mutter oder Vater vorbeihangelt. Mittlerweile lebt eine ganze Industrie von den Auswirkungen dieser Untiefen. Und auf der anderen Seite die Literatur; Bücher, die sich in den Untiefen tummeln, Bücher, die bewusst machen. Du schreibst Deine Bücher ja auch nicht zur blossen Unterhaltung und Zerstreuung. Wo liegt das Urmotiv dieses Romans? Wie kamst Du zu dieser Idee? Beziehungen zwischen Eltern und Kinder haben einen zentralen Platz in all meinen Werken. Vielleicht hängt das mit meinem Beruf als psychoanalytisch orientierte Psychotherapeutin zusammen, denn bei mir gehen Medizin und Literatur Hand in Hand. Das Urmotiv meines Romans kam von einem Mord, den ich als Falldarstellung an einem Studentenunterricht präsentiert habe. Während ich den Studentinnen und Studenten den Fall schilderte, lief plötzlich im Hintergrund der ganze Romanplot in meinem Kopf ab, wie in einem Film. Mehr dazu möchte ich nicht sagen, da ich nicht in eine Situation der Arztgeheimnisverletzung geraten möchte.
Das Städtchen mit dem Namen einer Heiligen in Ligurien @ Evelina Jecker Lambreva
In Deinem Roman geht es viel um Macht. Paolo Privoli kompensiert die Machtlosigkeit, die ihn als Kind ins Abseits drängte mit der Sehnsucht, Macht auszuüben. Macht ist ein grosser Antrieb, der in Politik und Wirtschaft aber allzuoft, hauptsächlich von Männern, zu Katastrophen führt. Geniessen die Schriftstellerin die „Macht“ über ihre Leserschaft? Ich habe nicht das Bewusstsein, Macht in irgendeiner Form auf die Leserschaft auszuüben. Wenn ich über Macht schreibe, dann ist das, weil mich Macht interessiert, insofern sie fast immer als unbewusster Kompensationsversuch von in der Kindheit erlebter Ohnmacht auftritt. Die Ohnmacht eines Kindes bewegt mich zutiefst, und was später im Verlauf des Lebens aus dieser Ohnmacht entstehen kann – diese Frage entzündet meine künstlerische Fantasie enorm. Wie sich aus einem ohnmächtigen, systematischer Gewalt ausgelieferten Kind später eine Ärztin, eine Schriftstellerin, eine Mörderin oder eine Rechtsextremistin entwickelt, das ist die Frage, die mich in meinen Texten beschäftigt. Denn das ist und bleibt für mich eines der grossen Geheimnisse des Lebens: Wieso machen psychische Traumata von in der Kindheit erlebter physischer und/oder psychischer Gewalt manche Menschen krank und (selbst)zerstörerisch, andere zu autoritären Herrschern oder gar zu monströsen Diktatoren, und andere wiederum zu hochbegabten Künstlerinnen und Künstlern, sowie zu hervorragenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Dieses Geheimnis, so denke ich, wird wohl nie von der Wissenschaft gelüftet werden.
Evelina Jecker Lambreva, 1963 in Stara Zagora, Bulgarien, geboren, lebt seit 1996 in der Schweiz. Sie arbeitet als niedergelassene Psychiaterin und Psychotherapeutin in Luzern und als Klinische Dozentin an der Universität Zürich. Ihr literarisches Schaffen in deutscher Sprache begründete sie mit dem Gedichtband «Niemandes Spiegel» sowie den Erzählbänden «Unerwartet» und «Bulgarischer Reigen». Bei Braumüller erschienen: «Vaters Land» (2014) «Nicht mehr» (2016) «Entscheidung» (2019) und «Im Namen des Kindes» (2022)
«Als passionierte Bücherfrau und langjährige SRF-Literaturredaktorin weiss ich aus eigener Erfahrung, wie stark das Bedürfnis beim leseaffinen Publikum ist, Zugang zu haben zu professioneller, unabhängiger Berichterstattung über Literatur. Leider steht den Feuilletons in den herkömmlichen Medien dafür immer weniger Platz zur Verfügung. Umso schöner, dass es Webseiten gibt wie literaturblatt.ch und das Literaturblatt von Gallus Frei, die diese Lücke mit Knowhow und Herzblut füllen: Sie fördern die Motivation zu lesen und geben Orientierung in einem schier unüberschaubaren Markt.» Luzia Stettler,
Ein Kunstraub oder gar ein Mord im Museum? Markus Bundis Roman «Wilde Tiere» ist kein Krimi – und schon gar keine Strandlektüre. «Wilde Tiere» ist ein literarisches Abenteuer, geschrieben von einem Schriftsteller, der sich nicht gerne eingrenzen und schubladisieren lässt.
Museen sind Unorte, weder Biotop, noch Lebensraum. Man besucht sie, zuweilen gar nachts. Aber es sind Orte des Schauens. Orte, an denen die Uhr anders oder gar nicht tickt. Orte, an denen die Zeit konserviert wurde, ob Kunstmuseum, Historisches Museum oder dergleichen. Auch wenn Schulklassen manchmal etwas Leben in solche Tempel bringen, bleibt leblos, was da drin von der besten Seite gezeigt wird. Museen sind Orte des Erinnerns, eingelagertes Bewusstsein, nur durch BesucherInnen mit dem Leben, der Gegenwart verbunden.
Dass Markus Bundi in seinem neuesten literarischen Streich einen solchen Unort gewählt hat, ist für einen Philosophen wie ihn doch eigentlich nicht verwunderlich. Sind Museen doch Spiegel der jeweiligen Zeit, passen sich ihrer jeweiligen Zeit wie ein Chamäleon an, wenn auch nicht aus eigenem Antrieb. Museen wollen Antworten geben. Museen wollen zeigen, verblüffen, manchmal bluffen, festhalten, das wie alles andere der Vergänglichkeit unterworfen ist. In seinem Roman „Wilde Tiere“ leuchtet der Schriftsteller in ein ganz besonderes Terrarium.
Markus Bundi «Wilde Tiere», Septime, 2024, 115 Seiten, CHF ca. 22.90 ISBN 978-3-99120-037-6
In diesem Haus kreuzen sich die Wege vieler, von Besucherinnen und solchen, die dort arbeiten. Bis eines Morgens die Polizei auftaucht und man im Haus ein Kapitalverbrechen vermutet. Julius Assinger, Stammgast mit Dauerkarte im Museum, wittert den grossen Kunstraub, bis durchsickert, dass in der Herrentoilette des Hauses eine Tote gefunden wurde. Kaum bekannt, überstürzen sich die Mutmassungen. Ist die Direktorin, die erst seit kurzem das Haus führt, Opfer eines Verbrechens geworden? Sie, die alles umkrempelt, dem Museum eine neue Richtung geben will, Einsparungen für notwendig erachtet und lieber Geld ausgibt für elektronische Überwachung statt für Personal? Odradek, der Museumswärter (In Franz Kafkas „Ein Landarzt“ ist Odradek eine nach Sinn und Unsinn fragende Gestalt oder ein Ding, wie eine seitlich gekippte Spule, von der nicht gesagt werden kann, wozu sie nütze wäre.), der in seiner Abstellkammer mehr Zeit mit Sinnieren verbringt, als mit tätiger Arbeit, glaubt an grosse Zusammenhänge und dass das erst der Anfang sein kann. Oder Hammi, die „Putze“, übrig geblieben von einer ganzen Putzkolonne. Oder Greta, die den Museumsshop führt und an der im wahrsten Sinne des Wortes keine und keiner vorbeikommt. Bis mit einem Mal klar wird, dass doch alles ganz anders ist, als angenommen. Kein Wunder in einem Haus, in dem die Scheinwelt eingerahmt an den Wänden hängt.
Markus Bundis Roman ist sonderbar. So museal die Szenerie, so museal die Sprache. Leicht gestelzt, als hätte der Autor beim Schreiben stets den kleinen Finger der Schreibhand nach oben gereckt. Wer ist heute noch ‹frappiert›? ‹Ehedem› und ‹einerlei› – Wörter wie aus dem Setzkasten der Vergangenheit. Markus Bundis „Wilde Tiere“ sind die Figuren im Museum, die durch das Auftauchen der Polizei in Aufruhr gesetzt werden. Hier die stoische Ruhe der Kunst, dort das hektische Treiben der Menschen im Haus. Einem Haus mit offener und versteckter Bühne, mit Räumen und Sälen für das Publikum und solchen, die auf keinem Übersichtsplan vermerkt sind. „Wilde Tiere“ hat kafkaeske Züge und liest sich dann mit Vergnügen, wenn die Lust am Geheimnis grösser ist, als deren Klärung. Was auf den ersten Seiten wie ein Krimi daherkommt und nach Verbrechern und Motiven sucht, ist ein Tiefgang in die Vieldeutigkeit. So wie es die akstrakte Kunst schon lange tut. Ein grotesk-skurriles Kammerstück voller Poesie und Witz für FeinschmeckerInnen!
Markus Bundi, 1969 geboren, lebt heute in der Nähe von Zürich. Er studierte Philosophie und Germanistik, arbeitete als Sport- wie auch als Kulturredakteur und unterrichtet seit vielen Jahren an der Alten Kantonsschule Aarau. Seit Beginn des Jahrhunderts publiziert er literarische und essayistische Texte, zuletzt «Vom Verschwinden des Erzählers. Ein Essay zum Werk von Alois Hotschnig» und «Des Möglichen gewärtig. Ein Essay zum Werk von Klaus Merz». 2018 veröffemtlichte er sein Essay zur Ästhetik in Franz Tumlers Spätwerk «Wirklichkeit im Nachsitzen» und seit 2011 erscheint unter Bundis Herausgeberschaft die Klaus-Merz-Werkausgabe im Haymon Verlag. Bei Septime erschienen bisher der Kriminalroman «Alte Bande, Der Junge, der den Hauptbahnhof Zürich in die Luft sprengte» und «Die letzte Kolonie».
Veranstaltungen: So, 10. März 2024, 11 Uhr, Wettingen, Gluri Suter Huus, Buchvernissage
Moderation: Klaus Merz
Mi, 17. April 2024, 19.45 Uhr, Lenzburg, Literaturhaus, Lesung mit Gespräch
Moderation: Luzia Stettler
Sa, 4. Mai 2024, 18 Uhr, Amriswil, Maihaldenstrasse 11, Hauslesung bei Irmgard
und Gallus Frei-Tomic, Anmeldung unbedingt an info[at]literaturblatt.ch
Catalin Dorian Florescu, Schweizer Buchpreisträger 2011, besuchte im September Amriswil, erzählte und las aus seinen Büchern, verzauberte ein Wohnzimmer mit seinen Geschichten genauso wie mit seiner flammenden Leidenschaft. Geschichten spielen nicht in Büchern. Catalin Dorian Florescu findet sie in Begegnungen, in seinem Herkunftsland Rumänien, trägt sie mir sich, seine sechs Roman wie ein nie versiegender Kosmos, der seine Strahlung nie kleiner werden lässt.
Am Morgen danach sassen meine Frau und ich in der Stube mit Blick auf den Stuhl, der immer noch vor dem Fenster stand. „Catalin ist immer noch da“, sagte meine Frau. Und das stimmte. Die Luftströme im Raum wirbeln noch immer von seinen Gesten, die Erzählungen hängen im Raum vor dem Bücherregal. Es waren drei wunderbare, intensive, unvergessliche Stunden. Jenen, die da waren, brannte Catalin Dorian Florescu tief in ihre Seele.
«Liebe Irmgard, lieber Gallus, In all den Jahren, seitdem ich schreibe und veröffentliche, sind mir immer wieder Menschen begegnet, die mich daran erinnerten, worum es beim Lesen geht: Um die Bereitschaft, sich von einem Text mit dem ganzen Wesen ergreifen zu lassen. Ihr seid zwei davon, und ich danke euch – auch bestimmt im Namen vieler anderer Autoren – dass euch beim Lesen Begeisterung, Herz, Leidenschaft leiten. Der Vormittag bei euch, umgeben von all den Büchern, mit den netten Zuhörern und den tollen Leckereien war ein Aufsteller!! Lieben Dank, Catalin Florescu»
Die Zeichnung ist gemacht. Die vier Schriftstellerinnen und Schriftsteller und ihre herausragenden Bücher ausgewählt.
Ein Interview mit mir selbst:
Seit ein paar Jahren gibt es diese Literaturblätter. Was bewegt dich dazu, mit so viel Aufwand ein Blatt für das gute Buch zu gestalten? Am Anfang war immer wieder die Frage nach einem guten Buch, einem Lesetipp, Lesefutter für Ferien. Zudem gab es einen Kurs, bei dem ich am Schluss schriftlich Empfehlungen abgab, auch damals schon vier Bücher. Aber man nahm meine Empfehlungen bloss zur Kenntnis, selbst die Tatsache, dass ich die Rezensionen nicht bloss aus dem Netz kopierte. Altpapier. Dann zeichnte und schrieb ich mein erstes Literaturblatt und die Reaktionen waren umwerfend.
Wie gestaltest du diese Blätter? Sind sie verkleinert? Die Blätter sind im Format A4 und Originalgrösse. Ich zeichne und schreibe immer mit schwarzem Kugelschreiber, kann mir Fehler und Korrekturen nur ganz begrenzt leisten. Es kam auch schon vor, dass ich ziemlich weit gereifte Blätter noch einmal beginnen musste. Ich zeichne und schreibe gerne. Und ich bin ein haptischer Mensch. So wie elektronische Bücher für mein Genussverständnis undenkbar sind, bleibt ein Schriftstück und eine Zeichnung das ganz Spezielle.
Wie lange arbeitest du an einem solchen Blatt? Immerhin sind es mittlerweile 42 an der Zahl. Die Arbeit beginnt mit der Auswahl der vier Bücher, den Rezensionen. Auf meinen Blog schaffen es Bücher, die mir in irgendeiner Weise gefallen, die ich nicht einfach weglege. Bücher auf meine Literaturblätter schaffen es nur, wenn sie mir ganz besonders ans Herz wachsen, wenn ich glaube, dass sie beinahe jede und jeder gelesen haben muss. Dann brutzelt in meinem Kopf, was und wie ich gestalte, welche Zeichnung aufs neue Literaturblatt gesetzt werden soll. Dann die Suche nach dem Sujet – und dann in meiner Bibliothek am Schreibtisch das konzentrierte Arbeiten mit dem Kugelschreiber. Fertig ist die Arbeit noch lange nicht. Aber es vergehen viele glückliche, intensive Stunden, manchmal über Wochen.
Warum Kugelschreiber? Warum muss die Schrift so klein sein. Unbedingt lesefreundlich erscheint mir ein solches Blatt nicht. Es gab einen schweizer Schriftsteller, Redaktor und Zeichner, der fast alle seine Skizzen und Zeichnungen mit Kugelschreiber fertigte. Vor Jahrzehnten entdeckte ich ihn für mich, begann ihn zu lieben und zu verehren. Arnold Kübler war auch jahrelang Redaktor der Kulturzeitschrift DU, die einst eine ganz andere Bedeutung hatte, als sie es heute neben all den digitalen Medien hat. Arnold Kübler machte Reisen, besuchte Ausstellungen. Er fotografierte kaum, zeichnete stets. Zeichnen als eine Art des Schauens. Und die Schrift ist meine Schrift. Zugegeben ein bisschen angelehnt an die Mikrogramme von Robert Walser. So wie Arnold Kübler war und ist Robert Walser einer der Grossen in meiner Bibliothek, auch im unendlich grossen Regal in meinem Herzen.
42 Literaturblätter. Wie lange soll die Reihe werden? Was bewegt dich jedes Mal, mit einem neuen Blatt zu beginnen? Alle, die einmal mit einer Reihe begonnen haben, wissen, wie schwierig es ist aufzuhören. Das wissen SammlerInnen aller Couleur. Die Literaturblätter sind zu einem „Konzeptkunstwerk“ geworden. Sie haben längst eine Eigendynamik bekommen, sind zu etwas geworden, was es sonst kaum mehr gibt. Allein die Tatsache, dass ich sie alle per Post mit ein paar persönlichen Worten auf der Rückseite verschicke, gibt den Blättern den Wert eines Briefes. Und wer bekommt heute noch einen Brief? Ich bekomme Fotos von Menschen, die die Literaturblätter in ihrer Wohnung aufhängen, sogar eingerahmt. Vielleicht sind sie etwas von einer Welt, die unterzugehen droht. Alles bunt, digital, perfekt, billig, schnell… vielleicht ein notwendiger Kontrapunkt zu meinen Rezensionen im Netz. Die analogen Literaturblätter und die digitale Form unter literaturblatt.ch erreichen ganz verschiedene Lesegruppen, geben meiner Arbeit etwas Spezielles.
Und zu meiner Freude hängen sie nun an Wänden, Türrahmen, werden aufbewahrt und gehortet.
Meine grosse Freude aber sind die vielen Reaktionen auf die Literaturblätter. Seien es nun Leserinnen und Leser oder Autorinnen und Autoren; Lesende, die sich bekräftigt fühlen oder einfach nur Freude am Literaturblatt haben – und Schreibende, die sich erkannt und verstanden fühlen!
Sind Sie interessiert?
Sie können die Literaturblätter abonnieren:
Gallus Frei-Tomic
LITERATURPORT Amriswil
St. Gallerstrasse 21
8580 Amriswil
«Lieber Gallus, seit einiger Zeit erhalte ich von dir das persönlich geschriebene Literaturblatt und habe es bis vor ganz kurzem nicht so richtig geschätzt, was ab sofort anders geworden ist. Deshalb: vielen Dank und Bewunderung für deinen Einsatz für unsere Literatur.»
«Ihre Literaturblätter sind sehr beeindruckend! Ich habe sie auf Ihrer Webseite gesehen; schon in diesem kleinen Format entfalten sie eine eigene Wirkung.» Melinda Nadj Abonji
«Danke Ihnen auch herzlich für das Literaturblatt, das angekommen ist. Ich finde das wirklich sehr schön mit den handschriftlichen Kritiken, und es zeigt Ihre Hingabe und Wertschätzung für die Literatur. Vielen Dank und bis bald. Herzliche Grüße, Carmen Stephan»
«Lieber Herr Frei, ich habe ihr wunderbares, einzigartiges Literaturblatt erst vor Kurzem entdeckt und bin begeistert von ihrer Leidenschaft und Kreativität für die Literatur. Ich liebe es zu lesen und bin immer wieder dankbar für Buchbesprechungen, die mir die Entscheidungen in der Buchhandlung erleichtern. Arja Lobsiger»
«Lieber Herr Frei-Tomic, vielen Dank für das Literaturblatt aus Papier! Ist es alles mit Handschrift? Sehr schön und elegant. Viele Grüsse aus Lausanne, Marie-Jeanne Urech»
Die Reihe der Hauslesungen wird fortgesetzt. Mitte August liest Catalin Dorian Florescu aus seinem bei C. H. Beck erschienen Erzählband „Der Nabel der Welt“ und seinem Essayband „Die Freiheit ist möglich“ aus dem Residenz Verlag. Die Veranstaltung beginnt wie immer mit einem Apéro um 11 Uhr. Auf die Lesung folgt ein Gespräch mit dem Autor und im Anschluss, wieder bei einem Glas Wein, ist Platz für ganz persönliche Gespräche. Ein Büchertisch steht zur Verfügung!
Genauere Informationen folgen. Eine Anmeldug ist wegen beschränkter Platzzahl unbedingt erforderlich! info@literaturblatt.
Catalin Dorian Florescu, geboren 1967 in Timişoara in Rumänien, lebt als freier Schriftsteller in Zürich. Er veröffentlichte die Romane «Wunderzeit» (2001), «Der kurze Weg nach Hause» (2002) und «Der blinde Masseur» (2006). Er erhielt zahlreiche Stipendien und Preise – u. a. den Anna Seghers-Preis und 2011 den Schweizer Buchpreis. Im Jahr 2012 wurde er mit dem Josef von Eichendorff-Literaturpreis für sein Gesamtwerk geehrt.
Am Montag, 15. Januar 2018, liest und diskutiert Jens Steiner. Alle Interessierten sind zu dieser ganz «privaten» Runde eingeladen. Um 19 Uhr zu Wein, Brot und Käse am grossen Esstisch an der St. Gallerstrasse 21 in Amriswil TG! Einzige Voraussetzung für eine Teilnahme: Sie sollten das Buch gelesen haben! Melden Sie sich an und seien Sie dabei. 30 CHF inkl. Konsumation. info@literaturblatt.ch.
Unregelmässig findet an unserem grossen Esstisch «Literatur am Tisch» statt: Eine Autorin oder ein Autor wird zusammen mit seinem neusten Buch zu Tisch geladen, ebenfalls maximal 10 Gäste, die das Buch gelesen haben. Man trinkt ein Glas Wein (oder mehr), geniesst Häppchen aller Art und unterhält sich, setzt sich angeregt und manchmal auch kritisch mit dem Buch, dem Schreiben, dem Lesen und der Literatur auseinander. Kosten für Teilnehmende inkl. Nachtessen und Getränke mind. 30 Fr., Beginn 19 Uhr
«Literatur am Tisch» soll Leserinnen, Leser und Autorinnen und Autoren an einen Tisch bringen, die Möglichkeit bieten, sich in ein echtes Gespräch, einen für beide Seiten zum Gewinn werdenden Austausch einzulassen. Traditionelle Lesungen oder Gespräche lassen Lesende auf Distanz, bieten kaum die Gelegenheit, eigene Lesarten, Gedanken miteinzubringen.»
«Lesungen auf einer Bühne sind das eine. Im intimen Rahmen von Gallus› und Irmgards Literatur-am-Tisch-Abenden ist man der mitdiskutierenden Leserschaft ungleich ausgelieferter, da Künstlergarderobe als Rückzugsmöglichkeit, erhöhte Bühne als distanzschaffendes Element und blendende Scheinwerfer fehlen, welche die Fragestellenden anonymisieren. Im besten Fall – und so einer lag bei meinem Besuch vor – erlaubt so eine Konstellation ein vertieftes Eintauchen, eine angeregte, kritische Diskussion, bei der man als Autor gezwungen wird, sich wieder einmal ganz grundsätzliche Fragen zum eigenen Werk zu stellen. Besonders ergötzlich gestaltet sich so eine Auseinandersetzung bei gutem Essen und feinem Wein am Tisch der Gastgeber in Amriswil.» Frédéric Zwicker
«So eine Literatur am Tisch sollte es überall geben. Meiner Meinung nach schreiben viele Autor/innen genau für sie: Menschen, die sich vertieft und intensiv, mit viel Liebe und Neugier, mit Literatur auseinandersetzen. Der Runde am 17. August war die bei vielen vorhandene jahrelange Erfahrung mit Diskussionen und Reflexion über Texte anzumerken. Mit Sorgfalt bitten die Gastgeber Gallus und Irmgard zu Tisch, und schon ganz bald ist man mitten in publizistischen und literarischen Fragen: Wer bestimmt das Cover eines Buches? Warum trägt es genau den Titel? Wie viel hatte die Autorin dazu zu sagen? Wie ist die Idee zum Text entstanden, wie erlebte ich die Schreibarbeit an einem Thema, das einem wohl nicht anders als unter die Haut gehen muss. Warum diese Erzählperspektive? Und wie spiegeln sich die Leser/innen im Text, den sie lesen? Diese und viele andere Fragen haben wir diskutiert. Dabei war es für mich immer wieder auch spannend, einfach zuzuhören, zu erfahren, wie unterschiedliche Menschen einen Text lesen und darauf reagieren. Ich bin reich beschenkt nach Hause gefahren. Danke!» Bettina Spoerri
Vier spezielle Bücher von vier beeindruckenden Autorinnen und Autoren. Drei junge Schriftstellerinnen; eine aufstrebende Österreicherin, eine schon sehr erfolgreiche Norwegerin von den Lovoten und eine Schweizerin, die in einem Kleinverlag ein erstaunliches Debüt in die Buchhandlungen schickt. Und ein Arzt und Dichter aus Bern, der im vergangenen September seinen 70. Geburtstag feiern konnte.
Bei der Auswahl der vier Namen und vier Bücher, die jeweils auf ein Literaturblatt kommen, lasse ich mich ganz von der Intuition leiten. Es sind Bücher, die bleiben. Die nicht einfach entschwinden, wenn ich sie ins Regal schiebe. Im Gegenteil; solche, denen ich gerne einen ganz besonderen Platz geben will – auf dem neuen Literaturblatt.
Heute Bücher schreiben, über Jahre recherchieren, an der Geschichte bleiben, mit sich und dem Text ringen, den Bettel nicht hinschmeissen, nicht wissen, was aus den Papierbündeln einmal werden wird, ob sich je jemand dafür interessieren werde und schlussendlich kaum etwas damit verdienen, ausser ganz wenigen.
Heute Bücher verlegen, Bücher auf den Markt, bringen, an Texte so sehr glauben, dass man sich in ein finanzielles Abenteuer stürzt, sich mit Leib und Seele dem Büchermachen verschreiben, wohl wissend, dass man damit mit Sicherheit nie einen Mercedes finanzieren kann, dem Wort, dem Satz, dem Gedicht, dem Text, der Geschichte, dem Theater ein Bühne geben.
Heute Bücher verkaufen, einen Buchladen führen, den Mut haben, Amazon zu trotzen, dem grossen Moloch, der alles zu schlucken droht, nicht nur die kleinen, unabhängigen Buchhandlungen, sondern auch die Freiheit und Würde jener, die bei Onlineriesen arbeiten müssen.
Heute an die Leserin und den Leser glauben, dass es sie gibt, noch immer gibt, dass sie nicht aussterben, jene, die zur Unterhaltung lesen, aber auch jene, die von Literatur erschüttert und gerüttelt werden wollen, jene, die sich begeistern lassen möchten, die ein Buch auch mit dem Wissen kaufen, dass dahinter eine Dichterin, ein Dichter steht, ein Verlag, niemand, der sich bereichern will, aber viele, die uns bereichern wollen. Jene, die kaufen – Bücher – gebundene Bücher!
Zwischen Weihnachten und Neujahr wird das 39. Literaturblatt per Post, mit Briefmarke und Couvert verschickt. Wer es auch zugeschickt bekommen möchte, melde sich unter:
info@literaturblatt.ch
oder
Gallus Frei-Tomic
Literaturport Amriswil
St. Gallerstrasse 21
CH 8580 Amriswil
das 38. Literaturblatt: „Ich habe ihr wunderbares, einzigartiges Literaturblatt erst vor Kurzem entdeckt und bin begeistert von ihrer Leidenschaft und Kreativität für die Literatur. Ich liebe es zu lesen und bin immer wieder dankbar für Buchbesprechungen, die mir die Entscheidungen in der Buchhandlung erleichtern.“ Arja Lobsiger