«Was für ein grosses Glück, dass ich diesen Abend im Bodmanhaus erleben durfte, mit den Werken von Ursula Bollack um mich herum, mit kundiger und so wunderbar empathischer Moderation – und mit einem fantastischen, aufmerksamen, warmherzigen Publikum. Eine meiner schönsten Lesungen. Danke.» Bert Strebe
Septembermorgen
für Ursula & Wolfgang
die nachtkerzen weisen den weg als wir kommen
zwei uhr früh die tür ist offen
die steine ums haus herum barfußwarm
von all den sommern von den kindern vom moos
im badezimmer kauert der buchsbaumzünsler
er mag nicht mehr reden um diese zeit
die flügelspitzen sind schon in rost getaucht
der mond pustet etwas katzengold
auf first und garten und unsere wimpern
später zieht er an einer dünnen schnur
den ersten schimmer des tages herauf
und legt ihn unter die sonnenblumen
und über unsere träume
das licht kommt zurück die amseln werden blau
und die schwingen der engel und die herzen
Bert Strebe, geboren in Hunteburg, einem winzigen niedersächsischen Dorf, schon lange wohnhaft in Hannover, ist Zeitungsmann mit Leib und Seele. Seit einem Vierteljahrhundert gehört ein Teil seiner Seele aber auch der Literatur. Vor längerer Zeit kam mir eine Kuvert mit Kopien seiner Gedichte in die Hand. Schon damals war ich beeindruckt von der Zartheit dieser Texte. Neben verschiedenen Gedichtpublikationen schrieb Bert Strebe auch einen Roman, ein Theaterstück und ein Hörspiel. Dass Bert Strebe nach einer langen Reise vom Norden Deutschlands auf der Bühne des Literaturhauses Thurgau sass, freute mich sehr.
Nicht unbeteiligt am Umstand, dass Bert Strebe den Weg vom Norden Deutschlands nach Gottlieben unter die Räder nahm und dass es zu dieser einmaligen Zusammenarbeit zwischen zwei Kunstrichtungen kam, die sonst nur wenig Berührungspunkte zu haben scheinen, war vor Jahren die Keramikerin Ursula Bollack-Wüthrich selbst. Neben ihrer Lehrtätigkeit geht sie schon lange ganz eigene Wege in der Keramik und zeigte sich schon an zahlreichen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen an verschiedenen Orten in der Schweiz und im Ausland. Sie hat sich auf Raku-Keramik spezialisiert, eine alte japanische Technik.
«Der Samstagabend war schlicht und einfach wunderbar; ein sehr waches, aufmerksames Publikum, Bert Strebes Worte, die von Verletzungen und Schönheiten erzählten und danach berührende Gespräche zwischen Keramik und einem Glas Wein. Danke für die Fragen, mit denen du uns herausgelockt hast und besonders dafür, dass du dich auf dieses Wagnis eingelassen hast.» Ursula Bollack-Wüthrich
Ursula Bollack-Wüthrich produziert keine Alltags- oder Gebrauchskeramik. Ihre Werke haben Stimmen, flüstern, laden ein zu einem tieferen Blick. Dabei quillt die Sprache förmlich aus den Objekten heraus. Gedichte und Objekte sind voller Sinnlichkeit, sind materialisierte Innenansichten.
Ursula Bollack und Bert Strebe tauchten mit den BesucherInnen in sieben Blöcken in ihr Schaffen, zeigten, dass sich so verschiedene Kunstformen, in ihrer Art, sich mit Wahrnehmung und Welt auseinanderzusetzen, mehr als nur berühren können. Der Abend mit Ursula Bollack-Wüthrich und Bert Strebe war eingetaucht in Freundschaft und gab Einblick in die Tiefen zweier Kunstschaffenden, die sich abseits vom Gefälligen mit Leib und Seele in ihre Ausdrucksformen hineingeben.
Ursula Bollack-Wüthrich ist am Samstag 18. März von 15 – 18 Uhr und am Freitag 24. März von 18 – 20 Uhr im Literaturhaus Thurgau in ihrer Ausstellung anwesend.
Fotos © Gallus Frei