Andreas Neeser «Solangs no goht, chunnts guet», Zytglogge

Andreas Neeser ist vielfältig wie nur wenige Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Ob Lyrik oder Prosa, ob kurz und knapp oder episch, ob in Deutsch oder seinem ganz eigenen Dialekt, ob in Verbindung mit Musik oder für Kinder … Andreas Neeser kann alles – und zwar meisterhaft.

In „Solangs no goht chunts guet“, acht Erzählungen, drei „Stückli“ und einem halben Dutzend  „Trooscht und Pfläschterli“ webt mich der Autor in eine Welt ein, die sich ganz unmittelbar gibt. Klar will der Autor unterhalten. Klar spielt er mit Wörtern, mit Sätzen, die auf ihre ganz eigene Art und Weise in mir nachhallen. Aber Andreas Neeser lädt mich ein, ein Stück mit ihm zu gehen. Sei es zum alten Vater, dem er im Übermut einen Elektroroller kauft, ein Schritt, der sich mannigfaltig rächt, zu einem Videocall während der Coronazeit mit den Eltern zuhause, mit Frau und Kind ans Meer, am Steuer eines Lasters durch den Stau… Erzählungen, die sich ganz auftun, getränkt von Ehrlichkeit und dem Bewusstsein, dass die Souveränität im Leben meist nur punktuell funktioniert. Ein Erzählton nie von oben herab oder distanziert. Da erzählt einer, als ob man nach langem Schweigen Rücken an Rücken irgendwo sitzt und genau spürt, dass es nicht darum geht, mit Klugheiten bestechen zu wollen. Manchmal ist in den Erzählungen auch eine ordentliche Portion Wut spürbar. Wut über die Kleinlichkeit, die Dummheit des Menschen. Eine Wut, die nachvollziehbar ist. 

Andreas Neeser «Solangs no goht chunnts guet», Zytglogge, 2023, mit Bildern und Collagen von Marianne Büttiker, 104 Seiten, CHF ca. 29.00, ISBN 978-3-7296-5130-2

Erfischend dann, wenn der Witz durchbricht. Wenn in all der Not, in der sich die Personen in Neesers Erzählungen winden, der Schalk meinen Lesefluss ins Holpern bringt. Ein Humor, der sich nicht am Slapstick der Figuren labt, sondern an der Selbsterkenntnis des Autors. Die Erzählungen verpacken nicht den Humor. Humor blitzt auf, wie Einschliessungen, die sich mit der Lektüre in mein Bewusstsein ergiessen. Erfrischend, nie wohlweisslich!

Den einen oder die andere schreckt Mundartliteratur ab. Das kann ich nachvollziehen. Sperren sich doch die einen oder andern Dialekte nicht nur unseren Lesegewohnheiten, sondern auch unseren Sehgewohnheiten, wenn sich Wortbild und Inhalt jeder Zuordnung sperren. Andreas Neesers neuer Mundart-Erzählband lässt solche Argumentationen nicht mehr gelten. Jede einzelne Erzählung ist mit einem QR-Code versehen – und flugs liest mir der Autor selbst die Erzählung vor, ob im Zug, auf dem Sofa, dem Hometrainer oder beim Zahnarzt. Aber warum das Buch kaufen, wenn ich mir die Erzählungen vorlesen lassen kann. Weil das Lesen und Hören gleichzeitig einen ganz speziellen Genuss ausmacht. Es ist, als würde man die Texte doppelt gleichzeitig geniessen. Sie breiten sich aus, der Genuss scheint intravenös zu funktionieren, bewusstseinserweiternd.

Wer beides gleichzeitig geniesst, das Buch und des Autors Stimme (Andreas Neeser ist ein vortrefflicher Vorleser!), dem ist nicht nur Kammerpiel-Kopfkino garantiert, sondern das seltene Gefühl, an etwas Besonderem teilhaben zu können.
Auch wenn Andreas Neeser nicht mit der grossen Geste zu überzeugen versucht – dieses Buch ist ein Mundart-Meisterwerk!

Und dann noch das eine: Auch wenn ich ganz und gar kein Freund von Paperback-Ausgaben bin. Umschlag und Erzählungen sind illustiert mit Bildern und Collagen der Basler Künsterin Marianne Büttiker, die auch schon frühere Mundartprosawerke des Autors bebilderte. Wunderbar schlichte Bilder, die in ihrer Offenheit und Verknappung die Texte Andreas Neesers auf ganz spezelle Weise spiegeln. Ein schönes Buch, trotz all dem eingepackten Schmerz!

Andreas Neeser, geboren 1964, studierte Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Von 2003 bis 2011 Aufbau und Leitung des Aargauer Literaturhauses Lenzburg. Seit 2012 lebt er als Schriftsteller in Suhr. Für sein formal und inhaltlich vielfältiges Werk wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen bedacht. «Nachts wird mir wetter» (2023) Kurzprosa und Lyrik, «Alpefisch» (2020) Mundartroman, «Wie wir gehen» (2020) Roman, «Nüüt und anders Züüg» (2017) Mundartprosa

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Die 45. Solothurner Literaturtage – Welten, die aufeinandertreffen!

Wie gut, dass es in Zeiten globaler Krisen Gelegenheiten wie die Solothurner Literaturtage gibt, die in konstruktiver Weise versuchen, vieles von dem zu spiegeln, was Grund genug gäbe, an den gegenwärtigen Tatsachen und ihrer Wirkungen zu verzweifeln. Wie noch nie strömten Besucherinnen und Besucher, als wäre jedem bewusst, wie schmal der Grat geworden ist.

Die Solothurner Literaturtage sind das Flaggschiff im nationalen Literaturbetrieb. Als solches von beachtlicher Grösse und mit viel Masse und Wasserverdrängung. Kein Wunder, wenn der eine Kapitän von Bord geht, dass es zuweilen vernünftig ist, diesen schweren Kahn unter eine furchtlose Doppelleitung zu stellen. Nathalie Widmer und Rico Engesser, beide noch lange nicht so alt wie das Festival selbst, müssen bestehen im Spagat zwischen den Erwartungen jener, die Tradition und Beständigkeit hochhalten und anderen, die dem in die Jahre gekommenen Schiff am liebsten mehr als nur neue Segel setzen wollen. 

Aber ganz offensichtlich goutiert man der neuen Leitung den guten Mix zwischen modernem Gesicht und reifer Haltung. Schon am ersten Tag wurden die Veranstaltungen förmlich überrannt. Lange Schlangen bildeten sich vor den Eingängen und Interessierte mussten freundlich weggewiesen werden, weil jeder mögliche Sitzplatz besetzt war. Der Dichter und Schriftsteller Andreas Neeser meinte im Vorfeld seiner Lyriklesung, es würden sich wohl nur eine Handvoll Interessierter an seiner Lesung finden, weil gleichzeitig Kim de L’Horizon im grossen Landhaussaal las. Weit gefehlt. Klar, die Schlange vor dem Landhaussaal war überwältigend. Aber genauso jene, die sich vor dem Einlass zur Lesung von Andreas Neeser formierte. Und als der Dichter dann las, die Stimmung von raunender Erwartung in andächtige Stille überging, war das Sprachglück fast mit Händen zu greifen. So wie sich Neesers Gedichte den Konventionen entziehen, ohne mich zu brüskieren, so schafft es das Festival immer wieder zwischen Tradition und Zeitgeist Brücken zu schlagen.

Das Festival zählt 45 Lenze. Ich mag den neuen Anstrich, die motivierte Crew und die zurückhaltenden Steuerleute, die das «Festivalgeschäft» schon jahrzehntelang kennen und es bestens verstehen, die verschiedensten Strömungen unter die gleiche Takelage zu bringen.
So wie beispielhaft die 25jährige Newcomerin Mina Hava mit ihrem Debütroman «Für Seka» und der 80jährige Routinier, das literarisches Urgestein Christian Haller mit seiner Novelle «Sich lichtende Nebel».

Mina Hava bei ihrer Lesung in der SRF-Sendung «Kultur-Talk» in der Cantina del Vino

Mina Hava schrieb sich mit ihrem Roman «Für Seka» in eine tiefe Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft Bosnien, dem Ort Omarska, der es im Krieg in den 90er Jahren nie in ein kollektives Bewusstsein schaffte, obwohl die Gräuel, die der Krieg in und um jenes Gefangenenlager anrichtete eine Wunde klaffen lässt, die bis heute weit weg von einer historischen Aufarbeitung steht. Was damals in Srebrenica vor den Augen der Weltöffentlichkeit geschah, ritzte sich ins kollektive Bewusstsein. Was in Omarska passierte, begegnete selbst der Autorin, deren Familie ganz in der Nähe lebt, erst im Laufe ihrer Recherchen zu ihrer Herkunft. Omarska, ein Konzentrationslager damals, noch heute eine Mine, in der gnadenlos ausgenutzt wird, was Menschenkraft und Natur hergibt. Omarska, ein Schreckensort ohne Denkmal, wo man alles andere als interessiert ist, die Leichen in Massengräbern mit ihren Geschichten zu Tage zu bringen.
«Für Seka» ist nicht einfach Geschichte, die erzählt wird, sondern ein literarischer Zettelkasten genau jener Recherchen, mit denen Mina Hava in Rückblenden in verschiedene Vergangenheiten taucht. Auch eine Auseinandersetzung zwischen Bosnien und der Schweiz, ihre eigenen Geschichte, die sich in der Schweiz nicht «abgebildet» findet. Einmal mehr auch eine Auseinandersetzung mit dem verklärten Begriff der «Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen».

nach seiner Lesung im voll besetzten Landhaussaal beim Signieren seiner Bücher

Oder Christian Haller, der heuer seinen 80. Geburtstag feierte und längst zu den ganz Grossen der Schweizer Literatur gehört. Ob als Romancier, Lyriker oder mit seiner kantigen Art auch als Essayist –  er mischt sich in aktuelle gesellschaftliche Fragen, in seinem neusten Essay «Blitzgewitter», wie weit digitale Medien unser Leben nachhaltig verändern.
Auch sein neuestes Buch, die Novelle «Sich lichtende Nebel» beschäftig sich mit der Wahrnehmung, dem Irritierenden. «Es kann nur existieren, wofür es Wörter, eine Sprache gibt.» Eine Geschichte darüber, wie eine Banalität einer weltbewegenden Idee die Initialzündung gibt. Christian Haller lässt Figuren auftreten, deren Biographien sich durch Handlungen und Ideen ineinander verschränken. Nach zwei Trilogien, die sich mit seiner Herkunft, seinem eigenen Leben auseinandersetzten, war der Stoff um Heisenberg und seine Quantenphysik wie eine neue, noch unbesetzte Keimzelle, die zur Novelle wurde. Eine Novelle, die viel mehr will als das Verbildlichen einer komplexen physikalischen Fragestellung. «Sich lichtende Nebel» ist eine Liebesgeschichte, nicht zuletzt eine zur Liebe des Sehens, des Erkennens.

Mina Hava und Christian Haller stellen Fragen, Schicht für Schicht. Die beiden Bücher repräsentieren das Suchen nach Antworten. Beide in reifer Distanz und doch so verschieden in der Überzeugung, was Erzählen bewirken soll. Sie bricht auf – er ordnet.

Andreas Neeser «Nachts wird mir wetter», Haymon

„Was sind wir anderes als fortgesetztes Vermuten.“ Kurzprosa und Lyrik vom Feinsten 

Braucht es Mut, Lyrik zu veröffentlichen? Man könnte die Frage Andreas Neeser oder dem Verlag stellen. Andreas Neeser würde antworten, dass sich diese Frage gar nie stellt. Seine Lyrik ist Notwendigkeit! Jene der Welt etwas entgegenzusetzen, was in dem lauten Geschrei, Müll und all der verbalen Gewalt untergeht.

Nach bald einem Dutzend Veröffentlichungen mit Lyrik und Kurzprosa, ob in der Kunstsprache Deutsch oder Mundart, vereint sein neustes Werk alles, mit dem sich Andreas Neeser seit einem Vierteljahrhundert einen Namen macht. Schon im Titel seines neusten Buches „Nachts wird mir wetter“ demonstriert Andreas Neeser, was sein Schaffen ausmacht. Andreas Neeser kann Wörtern eine ganz überraschende Bedeutung geben, sie in ein anderes Licht setzen. „wetter“ ist klein geschrieben, wird zu einem emotionalen Zustand, einem Gefühl. Ein Wort, das sonst in seiner Bedeutung klar umrissen ist. Der Autor nimmt die Mundart ins Hochdeutsche hinein, gibt einzelnen Sätzen und Texten eine ganz eigene Färbung, einen Geschmack, der sich durchaus lokal verorten lässt, den Sätzen und Texten aber nichts von ihrer Gültigkeit, ihrem Verständnis nimmt. Ganz im Gegenteil; Andreas Neeser wird mit seiner Schreibkunst zu einem Unikat. Und Andreas Neeser experimentiert, scheut sich nicht, „Dinge“ in Verbindung zu bringen, die sich sonst nur gegenüberstehen, als würde er als Maler mit ganz verschiedenen Materialien und Ingredienzen ein Neues, Überraschendes kreieren.

Sein Band „Nachts wird mir wetter“ ist in vier Kapitel unterteilt. Im ersten Teil „Naturalia“ widmet sich Andreas Neeser in Kurzprosa Erinnerungen an seinen Grossvater, jener Gegend, dem Garten, den Spaziergängen mit einem Mann, der ihm als Junge gleichermassen Geheimnis und Heimat war.

 

So keime und sprieße ich|inwendig|bilde ich Zellen
mit holprigem Nichts. Ich glaube, ich werde – ein
wahreres Leben. Respekt und Vernunft. Akzeptieren
was ist, und dann loslassen, alles, was war. Wie das
klingt, Hokuspokus, Reiki – im Gegenteil: Dreimal am
Tag geh ich raus mit dem Hund. Überhaupt bin ich
Möglichst oft draußen, ich brauche das Licht. Und die
Luft. Meine Kreise sind enger geworden, Termine sind
Selten, Verholzen braucht Energie, meine ganzen
Reserven – und das ist ein Glück.

 

Andreas Neeser «Nachts wird mir wetter», Haymon, 2023, 80 Seiten, CHF ca. 32.90, ISBN 978-3-7099-8182-5

Feine Betrachtungen über das eigene Sein, ein Nachspüren der eigenen Verletzlichkeit, ohne die Spur von Weinerlichkeit. Da verrät ein Mann seine Schwachheit, seine Ängste über den Zustand der Welt und seiner selbst.

Im zweiten Teil unter dem Titel „Zungen“ sind es Gedichte über Biographisches, Erfahrungen des Werdens, Erkundungen ohne den Zwang, erkennen zu müssen. Da in jedem in Deutsch geschriebenen Gedicht auch einzelne Mundartwörter eingeflochten sind oder eine einzelne Zeile wie ein Einschluss in einem Stein erscheint, sind diese Gedichte Umkreisungen von Geschmäckern, Gerüchen und Konsistenzen des Lebens. Die Mundarteinschliessungen werfen dabei einen ganz speziellen Schatten, erzeugen schimmerndes Licht.

 

Erweckung

Manchaml noch seh ich dich
damals
am See unserer Kindheit
erwateten zwei sich die Freiheit
und trauten sich
bis zu den Kniekehlen, manchmal
noch seh ich dich
licht auf der Sandbank
so nackt wie noch nie
standest du füdleblutt da als
ein Vorspiel auf Mundart und
Später erfuhr ich
Bei aufkommender Brise
den körnigen Klang deiner Brüste
viel praller und näher am Herz
warst du Blütter als
nackt
bist du immer noch
Zustand von Haut.

 

Mit „Einsagen. Aus“ ist der dritte Teil betitelt. Gedankenfetzen, angehängt an ein Satzzeichen. Gedanken, die schmerzen, die der Dichter nicht ausbreiten will, denen er in der Kürze den Stich mitten hinein lässt:

 

I

: Die Namen der Dinge –
doch das wär zu einfach
für alles.

II

: Aus der Haut fahren
ohne zu wissen
wohin.

III

– wäre das Grauen
nicht so unsagbar
farblos.

 

Auch im letzten Teil „Wettermachen“ bringt Andreas Neeser Wörter in neue Kombinationen, auch wenn hier Mundartausdrücke keine Rolle spielen. Aber das, was der Dichter in Mundart zu schaffen vermag, das gelingt ihm auch in der Kunst- und „Hochsprache“. Er bringt Sprache und Ausdruck in ein anderes Licht, als ob er mit einer einfachen sprachlichen Bewegung, einem Verschieben, den natürlichen Fluss eines Gedankens in neue, andere Bahnen lenken würde.

 

D-Day

Wie Geschwader von Bäuchen
zuehen sie westwärts, gestaffelt
von unten
glänzen die Schuppen
gewittergrau, schieferschwarz
unzeitliches Licht.

Kein Zweifel, sie kriechen an Land
aber uns geht es gut.

 

Andreas Neeser ist mit seinem Lyrikband Gast an den 45. Solothurner Literaturtagen vom 19. – 21. Mai 2023

Andreas Neeser, geboren 1964, lebt in Suhr bei Aarau. Studium der Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Von 2003 bis 2011 Aufbau und Leitung des Aargauer Literaturhauses Lenzburg. Seit 2012 freier Schriftsteller. Zahlreiche Buchveröffentlichungen im Bereich Lyrik und Prosa. Für seine vielfältigen literarischen Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2012 mit Atelierstipendien im Künstlerhaus Edenkoben und im Schriftstellerhaus Stuttgart sowie 2014 mit einem Werkbeitrag der Kulturstiftung Pro Helvetia. Der Gedichtband «Nachts wird mir wetter» geht ausserdem als vertontes Text-Stück auf Lesereise – mit Andreas Neeser und der Jazz-Musikerin Sarah Chaksad.

Auf literaturblatt.ch besprochen: «Alpefisch» (2020) Mundartroman, «Wie wir gehen» (2020) Roman, «Nüüt und anders Züüg» (2017) Mundartprosa, «Wie halten Fische die Luft an» (2015) Lyrik

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Von Nähe und unsäglicher Distanz; Andreas Neeser im Literaturhaus Thurgau

Nachdem ich im Frühsommer 2014 Andreas Neesers Roman „Zwischen zwei Wassern“ unmittelbar nach einem Buch von Haruki Murakami gelesen hatte, musste ich den Autor unbedingt kennenlernen. So sehr mich der Erzählband Murakamis enttäuschte, so sehr faszinierte mich der Roman des 1964 geborenen Aargauers. Ich reiste von Amriswil nach Rothrist, an eine Lesung in der Bibliothek des Ortes. Eine denkwürdige Begegnung, denn seither begleitet mich das Schreiben und Wirken des Autors in seiner ganzen Vielfalt.

© Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

Andreas Neeser ist Erzähler, Romancier, Lyriker, Performer und vieles mehr in einem. Vor allem ist er ein Schriftsteller, der sich unglaublich nahe an seine Personen schreibt. Ein Autor, der die Musik in der Sprache liebt, ihren Klang, ihren Sound. Vielleicht ist dies eine Erklärung, dass Andreas Neeser sich in den letzten Jahren auch immer wieder der Mundart widmete. Und dabei nehme ich das Wort Mund-Art ganz wörtlich.

Ausgerechnet in diesem Frühjahr erschienen nun gleich zwei Romane; bei Haymon das Buch „Wie wir gehen“ und beim Zytglogge-Verlag der Mundart-Roman „Alpefisch“. Ausgerechnet in einer Zeit, in der keine Lesungen stattfanden, keine Festivals. In einer Zeit, in der die Buchverkäufe in den Keller rutschten und SchriftstellerInnen und Verlage in Existenznöte gerieten, Nöte, die noch längst nicht ausgestanden sind.

© Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

«Wie wir gehen», Haymon Verlag Innsbruck: Was geschieht, wenn man es versäumt, eine gemeinsame Sprache zu finden? Wenn man sich trotz aller Liebe fremd bleibt? Monas Vater hat Krebs. Die Nähe zu ihrem Vater, die ihr ein Leben lang verwehrt blieb, gelingt ihr auch jetzt nicht herzustellen. Die Nähe zu all jenen, die ihr nahe stehen sollten; zu ihrer bald erwachsenen Tochter Noëlle, ihrem verloren gegangenen Mann, ihrer Aufgabe in ihrem Beruf. Was zwischen Mona und ihrem Vater steht, sind all die Geschichten davor, das Gift in den Generationen und die Unfähigkeit, Worte dafür zu finden. 

Mona drückt ihrem Vater ein Diktiergerät in die Hand und fordert ihn auf zu erzählen. All das, was über die Jahrzehnte ins Schweigen fiel, was vielleicht verständlich gemacht hätte. So wie jedem Konjunktiv ein scheinbares Versäumnis vorangeht. So wird ein Diktiergerät die Tür zu einem verschütteten Leben, zu mehreren verschütteten Leben, jenem des Vaters, der Tochter, des einstigen Mannes und der Geschichte von Mona selbst.

© Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

«Alpefisch», ein Mundart-Roman, Zytglogge Basel: Eine junge Frau, Jus-Studentin, ein junger Mann, Heilpädagoge. Sie lieben sich. Sie brauchen sich. Aber weil Liebe Nähe ist, bricht in dieser Nähe bei beiden das auf, wovor sie sich lieber verschliessen würden, beginnt aus Liebe Kampf zu werden, an dem beide zu zerbrechen drohen. Andreas Neeser lotet aus, was sonst nur Schatten wirft.

Beide schleppen den Tod mit sich, Brunner jenen seines Bruders, der vor seinen Augen von einem Lastwagen weggerissen wurde, Kathrin den partiellen Tod ihrer selbst, das Wegsterben ihrer Leichtigkeit, ihrer Hoffnung, den Würgegriff eines nicht enden wollenden Alps. Brunner kämpft gegen seine Machtlosigkeit genauso wie Kathrin.

© Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

Beitragsbilder © Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau

Andreas Neeser «Alpefisch», Zytglogge

Eine junge Frau, Jus-Studentin, ein junger Mann, Heilpädagoge. Sie lieben sich. Sie brauchen sich. Aber weil Liebe Nähe ist, bricht in dieser Nähe bei beiden das auf, wovor sie sich lieber verschliessen würden, beginnt aus Liebe Kampf zu werden, an dem beide zu zerbrechen drohen. Andreas Neeser leuchtet aus, was sonst nur Schatten wirft.

Brunner sitzt in seiner kleinen Wohnung in der Küche an einem Holztisch, den er einst aus einer Brockenstube mitgenommen hatte. Ein Tisch voller Spuren im Holz, tiefer Kerben und Ritzen. Das Geschirr in der kleinen Küche türmt sich, er trinkt Tunesier, der im längst sauer aufstösst, sitzt da und schaut aus dem Küchenfenster. Er zweifelt und verzweifelt am Hin und Her zu einer Frau, die er liebt, aber nicht lieben kann, vielleicht nicht einmal darf. Eine Liebe, die an einer inneren Hitze zu verglühen droht, je mehr man Nähe zulässt, je mehr man sich ihr hingibt. Es ist der Schmerz, der ihn einschliesst. Ein Schmerz, der ihn nicht einmal loslässt, wenn er durch den Schnee über den Nebel stapft und in die Weite schaut und dem Alpenfisch nachhängt, der vom Blau des Himmels ins Weisse des Nebels taucht, immer wieder hinein ins Undurchsichtige, um nur ganz kurz aufzutauchen, einen Moment, einen Augenblick.

Brunner weiss, dass Kathrin eine Geschichte mit sich herumschleppt. Eine Geschichte, aus der sie sich noch immer nicht herausgewunden hat, die noch nicht einmal Vergangenheit ist. Geschichten, die ihr die Fähigkeit nahmen, Nähe zuzulassen, die tausend Anfänge zu Nichte, Brunners Liebe unmöglich, zu blossem Drängen machen. Je mehr Brunner fordert, je mehr er sich hineingibt, desto stärker wird Kathrins Widerstand.

Andreas Neeser «Alpefisch», Zytglogge, 2020, 109 Seiten, CHF 29.00, ISBN 978-3-7296-5035-0

Brunner wartet. Er wartet auf einen Anruf, eine SMS, Stunden auf ihr Erscheinen, ein Zeichen, einen Anfang, ein Ende. Kathrin ist ein Fisch, der sich nicht halten lässt. Sie wohnt noch immer zuhause bei ihrem Vater, einem schwerreichen Bauunternehmer, seit dem Tod ihrer Mutter die einzige Frau im grossen Haus. Aber wenn Brunner Kathrin ausführt, wenn sie alleine sind, dann ist da immer das Gespenst, das Kathrin schon zehn Jahre mit sich herumschleppt. Dieser Mann im Haus ihres Vaters, dieser Mann, der Tochter und Vater in die Ferien begleitet. Dieser Mann, der Kathrin auch in ihren Träumen nicht in Ruhe lässt. Dieser Mann, der der jungen Frau längst den Boden unter den Füssen weggerissen hat, der sie im unendlichen Dazwischen hängen lässt, wo auch Brunner nichts auszurichten hat.

Beide schleppen den Tod mit sich, Brunner jenen seines Bruders, der vor seinen Augen von einem Lastwagen weggerissen wurde, Kathrin den partiellen Tod ihrer selbst, das Wegsterben ihrer Leichtigkeit, ihrer Hoffnung, den Würgegriff eines nicht enden wollenden Alps. Brunner kämpft gegen seine Machtlosigkeit genauso wie Kathrin. Andreas Neeser beschreibt diesen Kampf in bestechender Unmittelbarkeit. Den Kampf gegen das Schweigen, den Kampf gegen das Verlieren, den Kampf gegen die Ohnmacht.

Dass dabei die Mundart die Unmittelbarkeit noch verstärkt, liegt in der Musik Neesers Sprache, in den Worten, die mir, der ich mich sonst nur selten von Mundartliteratur verführen lasse, Resonanzen erzeugen, die sonst nur selten mitschwingen, in seiner Wärme, selbst dann, wenn sie vor Heftigkeit strotzen. Resonanzen, die durch die melodiöse Nähe der Sprache ganz unerwartet in Schwingungen geraten, die mich mehr als nur berühren. «Alpefisch» ist ein Ereignis. Auch wenn einem das Ungewohnte der Sprache zu einem anderen, viel, viel langsameren Lesen zwingt. Kein Problem bei 107 Seiten feinster Prosa!

Andreas Neeser, geboren 1964, studierte Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Von 2003 bis 2011 Aufbau und Leitung des Aargauer Literaturhauses Lenzburg. Seit 2012 lebt er als Schriftsteller in Suhr. Für sein formal und inhaltlich vielfältiges Werk wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen bedacht.
Mitglied von Autor/innen der Schweiz (AdS), Deutschschweizerisches PEN-Zentrum und VAA. Mitglied der Jury für den Franz-Tumler-Preis. Neben seiner bei Zytglogge erscheinenden Mundartliteratur glänzt Andreas Neeser bei Haymon mit seinem neusten Roman «Wie wir gehen».

Rezension von «Wie wir gehen» auf literaturblatt.ch

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Literatur am Tisch: Andreas Neeser

Ein grosser Tisch, darauf Leckereien und Wein, rundum Gäste, dazwischen Bücher. «Literatur am Tisch» hat Tradition; Angelika Waldis, Bettina Spoerri, Jens Steiner, Hansjörg Schertenleib, Patrick Tschan u. a. waren schon Gäste am Tisch in Amriswil. Andreas Neeser brachte seine beiden neuen Romane «Alpefisch» und «Wie wir gehen» mit an den Tisch.

Es gibt sie, die Menschen, die lesen. Jetzt in Zeiten einer Pandemie vielleicht immer mehr. Lesen kann aber weit mehr als blosse Unterhaltung sein, denn Bücher stellen Fragen. Bücher öffnen Türen. Bücher setzen einen Spiegel vor. Und wer nach der Lektüre sein Buch nicht einfach ins Regal schieben möchte, wer sich mit all dem, was hinter dem Papier verborgen ist, auseinandersetzen und gleichzeitig Gemeinschaft geniessen will, ist bei Literatur am Tisch genau richtig.

So richtig, dass ich in meiner Amtszeit als Programmleiter Literaturhaus Thurgau in Gottlieben am Seerhein dieses Format mit ins Programm des Literaturhauses bringen will. Nicht nur weil das Format eine einmalige Gelegenheit ist, einer Autorin oder einem Autor zu begegnen, sondern weil auch die Schreibenden das Format «geniessen». Nur selten bekommen SchriftstellerInnen wie Andreas Neeser die Rückmeldungen zum Buch so direkt, so emotional und ehrlich zu hören, wie bei Literatur am Tisch. Im Gegensatz zu einer Lesung sitzt man mit den Künstlern am Tisch, auf Augenhöhe, denn SchriftstellerInnen sind nichts ohne ihre LeserInnen.

«Literatur am Tisch bei Gallus und Irmgard Frei-Tomic – das ist ein bisschen wie fliegen. Wenn ein knappes halbes Dutzend Leserinnen und Leser über ein Buch reden, unverkopft und unverkrampft, ehrlich und auf Augenhöhe, dann stellt sich ein Gefühl ein, als setze die Schwerkraft aus. Für zwei, drei Stunden. Eine wunderbare Leichtigkeit, die man gerade als Autor selten empfindet.
Ich wünsche Gallus und Irmgard, dass Sie noch lange die Kraft haben, Menschen auf diese Art und Weise das Gefühl vom Fliegen zu ermöglichen!» Andreas Neeser

Ich danke Andreas Neeser und der Runde um den Tisch für den unvergesslichen Abend!

Rezension zu «Wie wir gehen» auf literaturblatt.ch

Eine Rezension zu «Alpefisch» folgt!

Fotos © Sandra Kottonau

Andreas Neeser «Wie wir gehen», Haymon

Monas Vater hat Krebs. Die Nähe zu ihrem Vater, die ihr ein Leben lang verwehrt blieb, gelingt ihr auch jetzt nicht herzustellen. Die Nähe zu all jenen, die ihr nahe stehen sollten; zu ihrer bald erwachsenen Tochter Noëlle, ihrem verloren gegangener Mann, ihrer Aufgabe in ihrem Beruf. Was zwischen Mona und ihrem Vater steht, sind all die Geschichten davor, das Gift in den Generationen und die Unfähigkeit, Worte dafür zu finden.

Es gibt Momente, die alles in Frage stellen, die einem aus der gewohnten Sicherheit kippen. Monas Vater droht zu sterben. Und mit ihm all die Geschichten, von denen sie weiss oder ahnt oder auch keine Ahnung hat. Die Geschichten, die aus ihrem Vater jenen Johannes machten, den sie als Vater zu lieben versucht. Und zwar nicht einfach, weil er ihr Vater ist. Sie möchte ihn lieben wie damals als Kind, uneingeschränkt. Mit dem Tod eines nahen Menschen sterben Geschichten, das Verstehen, all die Leben dahinter, die mit jeder Generation zurück im Nebel des Vergessens entschwinden.

Mona drückt ihrem Vater ein Diktiergerät in die Hand und fordert ihn auf zu erzählen. All das, was über die Jahrzehnte ins Schweigen fiel, was vielleicht verständlich gemacht hätte. So wie jedem Konjunktiv ein scheinbares Versäumnis vorangeht.

Andreas Neeser erzählt die Geschichte von Johannes, erzählt das, was viele mitnehmen, wenn sie gehen, sei es eine Scheidung oder der Tod. Erzählt von einem Leben als ungeliebter Sohn, verdingt an den reichen Onkel, der auf der anderen Talseite den grossen Hof bewirtschaftet. Von der Armut, die wie eine unheilbare Krankheit an der Familie klebt, sie nicht aus dem Würgegriff lässt. Wie Johannes, obwohl man ihn als Arbeitskraft schätzt, überzählig bleibt, keinen Platz findet, schon gar keine Liebe, auch dort nicht, wo sein Zuhause sein müsste.

Trotz Tuberkulose findet Johannes den Tritt, davon überzeugt, dass das Leben ein steter Kampf, niemandem zu trauen ist. Er findet Arbeit in der Fremde, bei den Bauarbeiten zum Grand-Dixance-Staudamm, wird Schweisser. Aber erneut von der Tuberkulose zurückgeworfen, schrammt er nur ganz knapp am Tod vorbei. Was Johannes in seiner Familie nie erfährt, vermag er auch in seiner Familie den Kindern nicht zu schenken, Mona, seiner Tochter nicht und schon  gar nicht Martin, seinem tot zur Welt gekommenen Sohn, der für die Eltern zum Trauma wird, das alles überschattet.

Andreas Neeser erzählt von Noëlle, Monas Tochter, die miterleben muss, wie die Ehe ihrer Eltern zerbricht, wie Noëlles Vater nach einem Raubüberfall in sein Goldschmiedeatelier den Boden unter den Füssen verliert, nicht nur wirtschaftlich. Wie Mona zur Projektionsfläche wird, es niemandem Recht zu machen versteht, nicht ihrem Vater, der ihr zu entgleiten droht, nicht ihrer Tochter, die nicht verstehen will und kann, nicht den Menschen, die sie beruflich zu betreuen hat, die einer Heimat entflohen, viel weiter als Mona, die die ihre in Sichtweite zu verlieren fürchtet.

Wie nahe kommt man den Nächsten? Wie zu einem Vater, zu einer Mutter? Braucht es Krankheit und Tod, um jene Nähe zurückzugewinnen, die man ein Leben lang Stück für Stück verliert? Wie gross muss der Schmerz sein, bis die Wunde aufreisst? Wie viel Leben versäumt man, wenn man den tiefen Schmerz in seinem Leben unausgesprochen mit sich herumschleppt? Väter und Mütter sind nie weg, nicht wenn sie sich für immer verabschieden, nicht wenn sie verschwinden, nicht wenn sie sterben. Mona verliert ihren Vater, genauso wie Noëlle den ihren. Aber Väter bleiben. Fragt sich nur wie.

Andreas Neeser erzählt in seiner gewohnt gekonnten Art, webt ein dichtes Netz, öffnet Türen, die er manchmal nur einen Spalt offen lässt, lotet nicht aus, tut genau das, was das Leben auch macht. Er erklärt nicht, öffnet sacht, manchmal nur unvollständig, bewusst lückenhaft. Andreas Neeser erzählt von Familie, diesem zarten Gefüge, das lebenslangen Schmerz und tiefsitzende Verletzung bedeuten kann.

Fast zeitgleich erscheint Andreas Neeser erster Mundartroman «Alpefisch». Nach mehreren Sammlungen mit Kurzprosa, die unter den Titeln «No alles gleich wie morn» (2009), «S wird nüme, wies nie gsii isch» (2014) und «Nüüt und anders Züüg» (2017) sein erster buchfüllender Mundartroman wieder bei Zytglogge.

© Ayse Yavas

Andreas Neeser, geboren 1964, studierte Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Von 2003 bis 2011 Aufbau und Leitung des Aargauer Literaturhauses Lenzburg. Seit 2012 lebt er als Schriftsteller in Suhr. Für sein formal und inhaltlich vielfältiges Werk wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen bedacht.
Mitglied von Autor/innen der Schweiz (AdS), Deutschschweizerisches PEN-Zentrum und VAA. Mitglied der Jury für den Franz-Tumler-Preis.

Kurzgeschichte «Mücken» von Andreas Neeser auf der Plattform Gegenzauber

Rezension von «Nüüt und anders Züüg» auf literaturblatt.ch

Andreas Neeser liest am Literaturfestival Wortlaut St. Gallen sowohl aus seinem Roman «Wie wir gehen» wie auch aus seinem Mundartroman «Alpefisch».

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«Literatur am Tisch» mit Andreas Neeser und seinem neuen Roman «Wie wir gehen»

Am Mittwoch 4. März besucht Andreas Neeser mit seinem neuen Roman «Wie wir gehen» den Literaturport Amriswil. Wer das Buch bereits gelesen hat und mit dem Autor am Tisch über sein Schreiben, die Literatur und den Roman diskutieren möchte, ist herzlich an den Tisch eingeladen. Für Essen und Trinken ist gesorgt. Der Mindesteintritt ist 30 CHF. Eine Anmeldung unter info@literaturblatt.ch ist unbedingt erforderlich!

4. März, 20 Uhr, Maihaldenstrasse 11, «Literatur am Tisch»
mit Andreas Neeser

Mona steht mitten im Leben. Von Pierre hat sie sich getrennt, ihre Tochter Noëlle geht zunehmend eigene Wege. Ganz am Anfang hingegen ist die Beziehung zu ihrem Vater Johannes. Die beiden sind sich schon viel zu lange fremd – dabei geht sein Leben langsam dem Ende zu. Solange Zeit ist, will Mona mit ihrem Vater ins Gespräch kommen. Doch wie soll sie Zugang zu diesem spröden, gebrochenen Mann finden?
Sie bittet ihn, seine Geschichte auf ein Diktiergerät zu sprechen. Erzählerisch brillant spannt Neeser den weiten Bogen von Johannes’ Kindheit, in der
er als Verdingbub auf dem Bauernhof seines Onkels schuftet, bis in die Gegen- wart, in der sich ihm seine Tochter behutsam annähert: Welche Seele denkt und fühlt in diesem Menschen? Was für ein Leben hat ihn so werden lassen? Und wie wäre es möglich, einander doch noch lieben zu lernen? Andreas Neeser entwickelt einen feinsinnigen Familien- und Generationenroman: leise und voll poetischer Kraft.

«Literatur am Tisch» hat Tradition und ist ein Ereignis von besonderer Gute:

«Es war ein wunderbarer Abend mit wunderbaren Menschen und wunderbaren Gastgebern, und der Duende, dieser Geist, der dem Mark des Lebens die Bühne bereitet, legte sich auf die Runde und befeuerte die Energie des Erzählens, der Geschichten und des Redens über Geschichten, die den Menschen die Seele reinigen.
So war es, in Amriswil, am 29. Mai 2019, bei Irmgard und Gallus Frei-Tomic, deren Herzenskraft der Literatur den Rücken stärkt.» Patrick Tschan

«Ein Wunder, das sich Dank Gallus und Irmgard ereignet. Schön, mit Gallus einen Bruder im Geiste zu wissen, einen Verbündeten, der wie ich nicht leben kann und will ohne Bücher, ohne Geschichten, einen, der wie ich brennt für die Literatur. Danke, durfte ich Platz nehmen an besagter Tafel und meine Novelle zur Diskussion stellen.» Hansjörg Schertenleib

«Schön gibt es die Hauslesungen und «Literatur am Tisch» bei Irmgard und Gallus Frei-Tomic, wo man die Begegnung zwischen Leser/in und Autor bei bester Verköstigung üben und «likes» oder «unlikes» ausgiebig diskutieren darf. Ein grosses Dankeschön nach Amriswil. Weiter so!» Jens Steiner

«So eine Literatur am Tisch sollte es überall geben. Meiner Meinung nach schreiben viele Autor/innen genau für sie: Menschen, die sich vertieft und intensiv, mit viel Liebe und Neugier, mit Literatur auseinandersetzen.» Bettina Spoerri

Anmeldestand: 9 Anmeldungen, 3 Stühle frei

12. Sankt Galler Literaturfestival Wortlaut

Vom 26. bis 29. März 2020 erwartet die Besucherinnen und Besucher eine grosse Auswahl wortlauter Kunst in den vier etablierten Programmreihen Luise, Laut, Lechts und Rinks. Die vier Reihen strukturieren das Programm und fordern zu literarischen Grenzüberschreitungen auf. Insgesamt bietet das Sankt Galler Literaturfestival an vier Tagen 25 Veranstaltungen an den unterschiedlichsten Orten der Stadt, allesamt fussläufig erreichbar. Ab heute (06. Februar) ist das Gesamtprogramm des Literaturfestivals auf der neu programmierten sowie neu gestalteten Webseite wortlaut.ch abrufbar.

Buchvernissage mit Laura Vogt
Was bedeutet es in der heutigen Zeit, Mutter zu sein? Was ist Weiblichkeit? Welche Beziehungen sind ­möglich und wie bleibt man darin selbstbestimmt?  Zusammen mit dem Basler Zytglogge Verlag feiert Wortlaut die Buchvernissage von Laura Vogts neuem Roman «Was uns betrifft«. Die Ostschweizer Autorin liest am Donnerstag, den 26. März, um 19:30 Uhr im Raum für Literatur. Musikalisch begleitet wird sie von Andi Bissig. Die Moderation übernimmt der Literaturvermittler Gallus Frei-Tomic.

Eröffnungsveranstaltung und Dialekt-Poetry-Slam
Zur Eröffnungsveranstaltung im Palace wird erst einmal eine Partie «Print-Pong» gespielt. Das ist sowas wie Ping-Pong nur ohne Ball und mit Worten. Wer das Kleinkunst-Duo «Ohne Rolf» kennt, wird diese Spielart bereits lieben gelernt haben. Sie ist gespickt mit seitenweise überraschenden Momenten. Was als Strassenaktion vor eineinhalb Jahrzehnten begann, tourt vier abendfüllende Programme und einige Preise später erfolgreich durch den ganzen deutschsprachigen Raum. Wortlaut präsentiert das sehens- und hörenswerte Künstler-Duo Christof Wolfisberg und Jonas Anderhub am Freitag, den 27. März, um 19 Uhr. Eine kurze Begrüssungsrede hält die Wortlaut-Festivalleiterin Rebecca C. Schnyder.

Am gleichen Abend, um 21 Uhr, findet in der Grabenhalle, nur einen Steinwurf vom Palace entfernt, der schweizweit einzigartige Dialekt-Poetry-Slam (Säg rächt!) statt, bei dem Mundarten aus der Schweiz und dem angrenzenden deutschsprachigen Raum aufeinandertreffen.

Tour littéraire in den vier Reihen
Vier Reihen strukturieren das Wortlaut-Programm und fordern insbesondere am Wortlaut-Samstag, dem 28. März, zu literarischen Grenzüberschreitungen auf: Comic-Autorinnen lassen ihre Zeichnungen zu Wort kommen, es reden und singen Kabarettisten, Spoken-Word-Poetinnen performen die Sprache und Autoren lesen aus ihren aktuellen Werken.

In der Reihe Luise stellt zum Beispiel die Autorin Karen Köhler ihr Romandebüt «Miroloi» vor. Das Buch stand im letzten Herbst auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Ähnlich wahrgenommen bzw. rezipiert wurde das Buch «Die Nachkommende» von Ivna Žic. Mit ihrem Erstling war sie u.a. für den Schweizer Buchpreis 2019 nominiert. Die Moderation der Lesung übernimmt die Schriftstellerin Tabea Steiner, die im letzten Jahr ebenfalls für den Schweizer Buchpreis nominiert war. Mit einem bildstarken, und vor kurzem mit dem Basler Lyrikpreis ausgezeichneten Debüt, zeigt Eva Maria Leuenberger, welche eigene Kraft Lyrik entfalten kann. Sie liest am Samstag, um 14 Uhr, im Raum für Literatur.

Einen Webteppich aus Kurztexten und Celloimprovisationen (Hommage an John Cage) präsentieren Christine Fischer (Text)  und Brigitte Meyer (Musik) am Sonntag, 16 Uhr, im Museum of Emptiness.

Ostschweizer Bühne: Neben weiteren Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum betreten am Wortlaut-Samstag vier Literaturschaffende aus dem Literaturnetz Ostschweiz die Bühne im Splügeneck. Ab 13 Uhr treten auf:  Tobias Bauer, Liv Naran, Mathias Ninck und René Oberholzer. Es moderiert Tamara Hostettler.

In der Reihe Lechts stellt das Festival bekanntlich Werke aus dem Bereich «Comic und Graphic Novel» vor. Veranstaltungsort ist das Palace. Dieses Jahr wird neben der Hamburger Illustratorin Orphea Heutling, dem Cartoon-Kollektiv «Pause ohne Ende» und dem Comic-Künstler Frank Schmolke («Nachts im Paradies»), der Illustrator Nando von Arb mit seinem Buch «Drei Väter» zu Gast sein. Ihm verdankt Wortlaut das aktuelle Plakatmotiv, das in enger Kooperation mit dem Büro Sequenz entstanden ist. Ab heute, den 06. Februar, hängen die grossformatigen Wortlaut-Plakate an den Kultursäulen der Stadt.

Die Reihen Laut und Rinks werden divers bespielt: So wird in der Reihe Laut neben «Ohne Rolf» auch Lisa Christ ihren Auftritt mit dem Programm «Ich brauche neue Schuhe» haben. Sie präsentiert ihr einstündiges Programm ab 21 Uhr in der Kellerbühne. Bei Rinks stellt u.a. der Slam-Poet Nektarios Vlachopoulos sein zweites Bühnenprogramm mit dem Titel «Ein ganz klares Jein» vor. Mal geht’s dabei um Rechtspopulismus, mal um mitgebrachte Rotweingläser bei der Studentenparty, mal um die Liebe, mal um morphogenetische Spektralbarometer. Weitere Spoken-Word-Künstler an diesem Samstag werden sein: Rolf Hermann/Trio Chäslädeli, Jan Rutishauser, Cruise Ship Misery, Diana Dengler und Marcus Schäfer (Gassenhauer). Nähere Infos dazu finden sich auf wortlaut.ch oder im Wortlaut-Programmheft.

Festivalzentrum mit Illustrationskiosk
Die Buchbeiz ist zentrale Ticket-Verkaufsstelle. Hier können Tagespässe erstanden, reservierte Tickets abgeholt und sich über das aktuelle Programm informiert werden. Achtung: Tickets für einzelne Veranstaltungen können nur an den jeweiligen Kassen in den Lokalitäten erworben werden.

«Wir weben den Teppich den Teppich des Lebens, fliessen ineinander. Alles ist miteinander verbunden.» gezeichnet von Jana Siegmund

Illustrationskiosk: Angehende Illustratorinnen und Illustratoren zeichnen für Besucherinnen und Besucher des Festivals: Textpassagen werden in Zeichnungen übersetzt – überraschend, vielfältig, kreativ. Ab 13 Uhr, Eintritt frei, Kollekte. Speis und Trank.

TeilnehmerInnen Wortlaut 2020 – nach Programmreihen
Luise (Lesungen und Gespräche): Laura Vogt (musikalische Begleitung: Andi Bissig), Tobias Bauer, Liv Naran, Eva Maria Leuenberger, Mathias Ninck, Ivna Žic, René Oberholzer, Andreas Neeser, Lorenz Langenegger, Karen Köhler, Richard Butz und Nathalie Hubler (Literatur in der Stadt), Christine Fischer (musikalische Begleitung: Brigitte Meyer)

Laut (Musik- und Sprechkabarett): Ohne Rolf (Christof Wolfisberg und Jonas Anderhub), Lisa Christ

Lechts (Comic und Graphic Novel): Orphea Heutling, Frank Schmolke, Nando von Arb, Pause ohne Ende

Rinks (Slam Poetry und Spoken Word): Säg rächt! Dialekt-Poetry-Slam mit: Teresa Reichl (Regensburg), Emil Kaschka (Tirol), Jan Rutishauser (St.Gallen), Sven Hirsbrunner (Thurgau), Remo Rickenbacher (Thun), Valerio Moser (Langenthal), Diego Häberli (Schaffhausen) und Simon Libsig (Baden), Spoken Word: Nektarios Vlachopoulos, Rolf Hermann/Trio Chäslädeli, Jan Rutishauser, Cruise Ship Misery, Diana Dengler und Marcus Schäfer (Gassenhauer)

Aus der Reihe «Literaturzeitschriften stellen sich vor»: literaturblatt.ch – SEIEN SIE DA!

Nach den Literaturzeitschriften orte und und Mütze stellt der Schriftsteller Peter K. Wehrli in der Röslischür des Vereins Quartierkultur Kreis 6 die Literatur»zeitschrift» literaturblatt.ch vor. Zusammen mit der Schriftstellerin Bettina Spoerri und dem Schriftsteller Andreas Neeser und unterstützt vom Jazzduo Stories zeigt sich, was Literatur alles zu bewegen vermag:

AM 19. SEPTEMBER SIND SIE HERZLICH EINGELADEN!
Webseite des Veranstalters

© Ayşe Yavaş

Bettina Spoerri ist in Basel aufgewachsen, studierte in Zürich, Berlin und Paris Literaturwissenschaft, Philosophie und Musikwissenschaft, arbeitete nach einem längeren Aufenthalt in Israel als wissenschaftliche Assistentin am Deutschen Seminar der Universität Zürich und promovierte zum Thema literarische Todesdarstellungen. In u.a. einer Post-Doc-Arbeit beschäftigte sie sich mit transnationaler und kosmopolitischer Literatur. Sie ist Mitherausgeberin des Buches «Diskurse in die Weite». Bettina Spoerri arbeitet heute als freie Autorin, Filmkritikerin, Kulturvermittlerin und leitet das Aargauer Literaturhaus. Ihr letzter Roman «Herzvirus» erschien bei Braumüller.

© Ayşe Yavaş

Andreas Neeser, geboren 1964, studierte Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Von 2003 bis 2011 Aufbau und Leitung des Aargauer Literaturhauses Lenzburg. Seit 2012 lebt er als Schriftsteller in Suhr. Für sein formal und inhaltlich vielfältiges Werk wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen bedacht.
Mitglied von Autor/innen der Schweiz (AdS), Deutschschweizerisches PEN-Zentrum und VAA. Mitglied der Jury für den Franz-Tumler-Preis. Letzte Veröffentlichungen sind im Haymon Verlag der Roman «Zwischen den Wassern» und im Zytologge Verlag «Nüüt und anders Züüg». 2020 wird sowohl ein neuer Roman wie auch neue Mundartprosa erscheinen.

Jazzduo STORIES sind Christian Berger (Saiteninstrumente) & Dominic Doppler (Drums). Christian Berger und Dominic Doppler erzählen musikalische Geschichten in vielfarbigen Klangräumen. Eine Musik, die verführt und die Seele in verborgene Klangwelten entführt. So entstehen Stücke die sich im Spannungsfeld von Komposition und Improvisation entwickeln.

Kommen Sie in die Röslischür an der Röslistrasse 9, Zürich.
Im Anschluss sind alle bei Musik zu einem Apéro eingeladen.

Quartierkultur Kreis 6
Stories
Webseite Bettina Spoerri
Webseite Andreas Neeser
Webseite Peter K. Wehrli