Andreas Neeser «Nüüt und anders Züüg», Zytglogge

Was für ein Geschenk! Was für ein Vergnügen, dieses Buch in Händen zu halten, darin zu lesen, sich ab beigelegter CD vorlesen zu lassen, Abende damit zu verbringen, im Halbdunkel der Stube, wegzudriften ins eigene Halbdunkel der Erinnerungen.

Schon das Glossar der aargauischen Mundartausdrücke, die oft erstaunlich weit von meiner ostschweizer entfernt scheinen, ist ein Fenster zum eigenen Erinnern, ermuntert mich selbst, mich auf die Suche nach Ausdrücken und Wörtern zu machen, die ich fast vergessen hätte, wenn sie nicht urplötzlich mit Hilfe eines Buches wie das von Andreas Neeser aus dem Dunkel des Vergessens  auftauchen würden. Andreas Neeser erzählt in seiner Mund-Art, spielt mit dem Klang seiner Sprache, dem Duktus seiner Sätze. Und wenn ich an einem Abend in meinem Ohrensessel sitze, dort, wo vor ein paar Jahren Andreas Neeser aus seinem letzten Roman «Zwischen zwei Wassern» las, dann ist mit der beigefügten CD, auf der der Autor selbst ruhig und kaum dramatisierend die Geschichten liest, während ich Zeilen im Buch folge, der Abend ein ganz besonderer. Erstaunlich, wie viel Wärme Andreas Neeser erzeugt, wie nah er mir mit seinem Erzählen kommt, selbst dann, wenn sie inhaltlich kaum mit meiner Welt Übereinstimmung finden. Andreas Neesers Geschichten haben das perfekte Mass an Auserzähltem und Verschwiegenem, an Gesagtem und Unterlassenem, an Witz und Ernst. Ohne dass er seine Freude am blossen Klang der Wörte auf die Spitze treibt.

Andreas Neesers neustes Buch ist ein Geschenk, auch mit den Illustrationen der Künstlerin Marianne Büttiker, die schon beim ersten Band «S wird nümme wies nie gsi isch» den Geschichten Andreas Neeser Luft gab. Pausen, denn seine Geschichten sind Konzentrate. Andreas Neesers Mund-Art bietet ein erfrischendes Gegengewicht zu all den Berner Mundart «Übergewichten». Andreas Neeser beweist, dass es an der Mischung zwischen Sprache, Klang, Konstruktion und Komposition loegt. Und nicht zuletzt trösten Andreas Neesers Geschichten, wie die titelgebende «Nüüt und anders Züüg», in der ein von seinem Lehrer Drangsalierter endlich ausholt zum grossen Rundumschlag gegen den allmächtigen Lehrer Ehrliholzer, den Tubel!

Andreas Neeser, geboren 1964, studierte Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Während 13 Jahren unterrichtete er an der Alten Kantonsschule in Aarau. 2003 bis 2011 Aufbau und Leitung des Aargauer Literaturhauses in Lenzburg. Seit 2012 lebt Andreas Neeser als Schriftsteller in Suhr bei Aarau.
Mitglied von Autor/innen der Schweiz (AdS), Deutschschweizerisches PEN-Zentrum und VAA. Mitglied der Jury für den Franz-Tumler-Preis.

Andreas Neesers Webseite 

Titelbild: Sandra Kottonau, Illustration: Gallus Frei-Tomic