Jessica Lind «Kleine Monster», Hanser Berlin

Wie filigran die Normalität ist, wie leicht scheinbare Harmonie in Schieflage geraten kann und wie nagend und zerstörerisch Schuldgefühle sein können, davon erzählt Jessica Linds Roman „Kleine Monster“. Familie ist alles. Aber eben nicht nur im Guten.

Pia und Jakob werden für ein Gespräch in die Schule geordert. Man glaubt, dass es zwischen Luca, ihrem Sohn, und einem Mädchen in der gleichen Klasse zu einem Übergriff gekommen sein muss. Luca ist sieben und ein „lieber Junge“. So sehr Jakob davon überzeugt ist, dass das, was zwischen den Kindern vielleicht passiert war, nur eine Bagatelle sein kann, so sehr lässt sich Pia verunsichern, weil sie nicht erst seit diesem Vorfall und der Verstocktheit ihres Sohnes, der Weigerung, endlich zu erzählen, was in jenem unbeobachteten Moment passiert war, spürt, dass der Anteil dessen, was ihr an ihrem Sohn fremd, immer grösser wird. Es wächst die Erkenntnis, dass ihr Sohn mehr und mehr ein eigenes Leben führt, dass der Anteil an deckungsgleichem Leben, an Harmonie und totaler Verbundenheit immer kleiner wird. Da wächst ein Mensch, der eigenständig wird, mit all dem Hellen und Dunklen.

Pias Verunsicherung gründet in ihrer eigenen Geschichte, der Geschichte ihrer Familie, ihrer Kindheit, jenem einen Trauma, jenem einen Tag, den die Familie damals zerriss. Was mit Luca passiert, spiegelt die Verwundung aus einer Zeit, die sie lange überwunden glaubte. Pias Eltern wollten Kinder. Weil der Kinderwunsch aber nicht gleich in Erfüllung gehen wollte, entschlossen sich ihre Eltern zu einer Adoption, obwohl sich dann doch noch Kindersegen einstellte. So hatte Pia eine grosse Schwester, Romi – und etwas später gar eine kleine Schwester, Linda. Bis zu jenem Tag, als Pia krank zuhause war. Romi und Linda liefen in den Wald hinterm Haus, zum kleinen See. Pia wunderte sich noch über eine offen gelassene Haustür, dass niemand mehr zuhause war und Romi plötzlich ohne Linda nach Hause kam, alles drunter und drüber ging, Vater und Mutter am Abend am Tisch weinten und man ihr erklärte, es wäre etwas Schlimmes passiert. Linda sei ertrunken. 

Jessica Lind «Kleine Monster», Hanser Berlin, 2024, 256 Seiten, CHF ca. 35.90, ISBN 978-3-446-28144-8

Der Titel des Romans bezieht sich nicht nur auf die Einsicht, dass sich selbst in kleinen Kindern kleine „Monster“, Ungeheuerlichkeiten verbergen können. Viel mehr sind es die kleinen Monster in jedem von uns, die uns blenden, verleiten, die uns Dinge tun lassen, die wir sonst so niemals gedacht oder getan hätten, die die Wahrnehmung verzerren und uns zu Handlungen nötigen, die eigentlich nicht unserem Naturell entsprechen.

Pia sieht in ihrem Sohn ihre kleine Schwester, einen Engel, der ein Geheimnis birgt. Gleichzeitig spült die Verstimmung zwischen Pia und ihrem Sohn Luca ein altes Schuldgefühl hoch. 

Pias Mutter liebte ihre Kinder alle, wenn auch die leiblichen anders wie das adoptierte. Die drei Schwestern empfanden sich stets als Einheit und Linda tat alles, um ihrer grossen Schwester Romi zu gefallen. Mit jener Katastrophe zerbrach, was zuvor fast alles ausmachte; jenes untrennbare Dreiergespann, die Liebe ihrer Mutter, die in masslose Strenge kippte und nicht zuletzt die Ehe zwischen den Eltern. Irgendwann verschwand Romi aus der Familie, weil man sie für den Tod der Jüngsten verantwortlich machte, weil jener schwarze Tag den Eltern die Gewissheit brachte, einen Kuckuck ausgebrütet zu haben, die drohende Katastrophe nicht früh genug erkannt zu haben.

Zwar weiss Pia auch als Erwachsene von Romi, die mittlerweile zu einer erfolgreichen Influenzerin geworden ist, aber da ist nicht mehr, keine Verbindung. Genauso wie zu den Eltern, die zwar da sind, aber hinter dem schweren Vorhang des Schweigens verborgen.

Mit dem Konflikt Mutter Sohn bricht auf, was im Untergrund über Jahrzehnte mottete. Warum fühlt man sich so sehr ausgeschlossen von der Welt der Nächsten? Warum hat man so wenig Einfluss auf die Reaktionen dessen, was ein Unglück auslöst? Jessica Lind verwebt geschickt zwei Handlungsstränge, die sich gegenseitig spiegeln, die sichtbar machen, wie sehr man geführt, geleitet und bestimmt wird von Erfahrungen und Erlebtem aus der Vergangenheit. Jessica Lind erzählt, ohne zu psychologisieren, ohne die Szenerie über die Massen aufzuladen. Aber weil die Autorin durch ihre Erfahrungen als Drehbuchschreiberin sehr gut weiss, dass gut dosiertes Erzählen reicht, um im Kopf von Leserinnen und Lesern Kaskaden von Deutungen auszulösen, leuchtet die Autorin mit Bedacht aus. 

„Kleine Monster“ ist auch ein Roman über das überstrapazierte Soziobiotop Familie. In diesem kleinen, vermeintlich stillen See blubbert es ganz ordentlich aus dem Untergrund. Ein Roman, der mich begeisterte!

Interview 

Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Titel Ihres Buches so sehr auf die unguten, verborgenen Schattenseiten eines Kindes, auf die Art und Weise, wie Kinder die Situation so ganz anders einschätzen können, bezieht. Sind kleine Monster nicht auch all die Schuldgefühle, Versäumnisse, die wir ein Leben lang mit uns herumschleppen, die dauernd in unser Tun eingreifen?
Ich verstehe meine Texte immer als Einladung an die Lesenden, mitzufabulieren. Dafür arbeite ich sehr gerne mit Leerstellen, Versatzstücken aus der Mythologie und auch Metaphern. Ich freue mich also, wenn der Titel auf verschiedene Weisen interpretiert werden kann. Auch das Cover, auf dem eine Kinderhand die Idylle durchbricht, hat einen doppelten Boden. Ihre Interpretation trifft den Kern der Erzählung sehr gut, wenn wir uns nicht mit unserer Vergangenheit auseinandersetzen, wird sie uns irgendwann einholen.
 
Familien sind heikle Gebilde. Ich bin Vater von fünf Kindern. Zusammen mit meiner Frau haben wir es geschafft, uns einigermassen schadlos durch die intensivste Familienzeit zu schiffen. Wobei ich mir dessen nicht restlos sicher bin, würden wir wirklich in die Tiefe tauchen. Geholfen hat uns damals unsere unverkrampfte, instinktive Art, mit Problemen umzugehen. Und doch gibt es kein Rezept, wie man an Katastrophen vorbeischippern kann. Was wird sein, wenn dereinst Ihre Kinder Ihre Romane lesen?
Mir ist es sehr wichtig, meinen Kindern die Freude am Lesen zu vermitteln. Bis jetzt hat das ganz gut geklappt und ich hoffe, dass sie zu neugierigen Lesern heranwachsen werden. Bücher sind eine hervorragende Übung zur Empathiebildung und ermöglichen in ganz verschiedene Lebensrealitäten einzutauchen. Ich bin gespannt, in welchem Alter sie sich für die Probleme meiner Hauptfigur interessieren werden.
 
Familie wird seit Jahrhunderten idealisiert. Die „heilige Familie“ steht ganz oben an der Spitze aller Ideale. Heute macht es den Eindruck, als wäre für viele Paare die Familie ein Projekt. Man hat eine Familie, ohne je eine Familie zu sein. Familie ist Arbeit, Auseinandersetzung, Konfrontation, Hingabe und Kraftakt. Die Angriffsflächen für Familien werden immer grösser, sei es der Einfluss der Medien, die düster scheinende Zukunft oder all die Ängste, die im Netz geschürt werden. Ist ihr Roman nicht auch ein verschriftlichter Kippzustand zwischen den Extremen?
Für meine Arbeit sind Familien vor allem ein wunderbares Experimentierfeld. Die Familie ist eine Kernzelle, in die sich von aussen schwer hineinschauen lässt, die einzelnen Rollen sind stark aufgeladen – jede*r hat eine Vorstellung davon, wie eine gute Mutter, wie ein guter Vater zu sein hat. Diese grosse Nähe ist auch ein idealer Nährboden für alles Unheimliche, was ja meinem Schreiben auch innewohnt. Politisch betrachtet, finde ich es immer wieder Schade, wie eng Familien gedacht und wie sehr sie dazu benutzt werden, Entscheidungen auf die individuelle Ebene abzuwälzen, Stichwort Kinderbetreuung.
 
Pia ist eine Gefesselte, eine Mutter, die auf Abwehr geht, jenen Teil eines Geheimnisses nicht lüften will, das Pia wie einen Alp durch ihr Leben begleitet. Ein Mann, dem scheinbar alles viel leichter fällt, nicht zuletzt der Zugang zu seinem Sohn in einer schwierigen Zeit. Warum lassen wir uns so leicht fesseln, zurückbinden?
Was mich seit meinem ersten Roman sehr beschäftigt, sind Rollenbilder. Welche Erwartungen an eine Rolle sind in uns eingeschrieben? Und was passiert, wenn sie nicht erfüllt werden? Dabei braucht es die Verurteilung von aussen nicht einmal unbedingt, weil wir selbst streng mit uns ins Gericht gehen. Die Rolle des Vaters hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr verändert, als die der Mutter. Väter werden immer mehr in die Erziehung eingebunden. Dadurch ist das klassische Rollenbild aufgebrochen und mir kommt es vor, als könnten sie freier agieren. Zum Beispiel, bringt der Vater das Kind zu spät in den Kindergarten, wird er trotzdem gelobt, weil er sich kümmert. Ist die Mutter zu spät dran, hat sie ihr Leben nicht im Griff. Das ist natürlich überspitzt formuliert – aber ich schaffe ja auch in meinen Romanen Situationen, die die Figuren über ihre Grenzen hinaustreiben.
 
Sie sind selber Mutter. Dass man ihren Roman zu ihrer eigenen Geschichte machen will, kann leicht passieren. Es scheint in der Literatur zu einer Mode zu werden, Texte nach ihrem „Wahrheits-, Realitätsgehalt“ prüfen zu wollen. Man scheint der Fiktion nicht mehr zu trauen. Dabei ist doch alles ebenso Realität wie Fiktion. Aber in Zeiten, in denen Schreibende wie Annie Ernaux zu Göttinnen der Literatur erklärt werden und autobiographisches Schreiben zum Mass aller Dinge (zumindest bei einem Teil der LeserInnen). Braucht Literatur bald einen Beipackzettel?
Ich glaube, der Unterschied zwischen Fiktion und Autofiktion ist gar nicht so gross. Von der „Realität“ ist beides entfernt, weil ja jeder Roman gestaltet wird. Der Unterschied liegt im Material, benutze ich Selbst-Erlebtes, bediene ich mich an Fabeln oder mache ich eine ausgiebige Recherche und verwende die gewonnenen Erkenntnisse, um daraus meine Geschichte zu bauen? Beipackzettel halte ich für unnötig, weil ja so oder so das Ergebnis tragfähig sein muss.
 

Jessica Lind, 1988 in St. Pölten, Österreich, geboren, lebt heute mit ihrer Familie als Drehbuchautorin und Schriftstellerin in Wien. Sie studierte an der Filmakademie Wien und schrieb u. a. mit der Regisseurin Magdalena Lauritsch den Film «Rubikon«. 2015 gewann sie mit der Erzählung «Mama» den open mike, woraus ihr gleichnamiger Debütroman hervorging. 

Beitragsbild © Pamela Russmann

Am 6. Januar bringe ich das 68. analoge Literaturblatt zur Post – und damit zu Ihnen!

«Lieber Gallus, deine Hand-Schrift ist angekommen, achtsam wie immer schaust du auf die ausgewählten Texte und weisst auch zu sagen, was du siehst: Hab Dank dafür, von Herzen.» Klaus Merz

«Wann erhält man heutzutage noch etwas Handschriftliches. Selten verlässlich; nur von Ihnen. Ihre Literaturblätter. Dafür von Herzen Dank!» Tanja Wartet, C. H. Beck

«Ein wirklich sehr besonderes und aussergewöhnliches Format, das ich so noch nicht gesehen habe. Ich hoffe, sie führen es noch lange Zeit weiter!» Florian Wacker

«Ihre Literaturblätter sind sehr beeindruckend! Ich habe sie auf Ihrer Webseite gesehen; schon in diesem kleinen Format entfalten sie eine eigene Wirkung.» Melinda Nadj Abonji

«Lieber Her Frei-Tomic, ich bedanke mich für Ihre wunderbare Post! Ihr Leseblatt mit dem Strandkorb ist so schön und liebevoll gemacht, dass ich mich als Autorin sehr geehrt fühle, auf diese Weise beschrieben zu werden. Und dass mein norddeutscher Roman Sie, einen versierten Leser aus der Schweiz, anspricht, freut mich sehr. Ich bin sicher, dass Ihre Leseblätter von den Empfängern sehr geliebt und sorgfältig archiviert werden.» Dörte Hansen

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Literaturblatt 67

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Das 66. Literaturblatt ist da!

«Wo gibt es das sonst: ein analoges Literaturblatt, von Hand kalligraphiert, sorgfältig illustriert, mit Lesetipps, die überzeugen.» Tabea Steiner

Übersicht aller bisherigen Literaturblätter

«Dein wundervolles analoges Literaturblatt lässt nicht nur das Herz des Schriftstellers Schertenleib höher schlagen, sondern beschleunigt auch den Puls des früheren Typographen. Aus der Zeit gefallen und deswegen umso wertvoller.» Hansjörg Schertenleib

«In unverwechselbarer Handschrift akribisch notiert auf Pappe, was für eine besondere, verrückt einfache und so wirkungsvolle Vermittlung von Literatur.» Nina Jäckle

«Lieber Gallus, ganz herzlichen Dank für das Literaturblatt Nr. 65, das ich wie immer begierig und mit Freude gelesen habe, denn ich vertraue sehr auf Dein Urteil.» Beatrix Katharina Langner

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«Als passionierte Bücherfrau und langjährige SRF-Literaturredaktorin weiss ich aus eigener Erfahrung, wie stark das Bedürfnis beim leseaffinen Publikum ist, Zugang zu haben zu professioneller, unabhängiger Berichterstattung über Literatur. Leider steht den Feuilletons in den herkömmlichen Medien dafür immer weniger Platz  zur Verfügung. Umso schöner, dass es Webseiten gibt wie literaturblatt.ch und das Literaturblatt von Gallus Frei, die diese Lücke mit Knowhow und Herzblut füllen: Sie fördern die Motivation zu lesen und geben Orientierung in einem schier unüberschaubaren Markt.» Luzia Stettler, buchmensch.ch

Das 65. Literaturblatt entsteht.

„Lieber Gallus Frei, was für ein sonderbar dickes Blatt Papier mit kleiner, dennoch gut lesbarer Handschrift drauf und einem Nachtfalter (?) – rätselhaft, aus der Zeit gefallen, und doch mitten in ihr drin, offenbar, denn die Titel und Autorennamen sind heutige…“ Matthias Zschokke

das 65. Literaturblatt

«Während das traditionelle Feuilleton nur noch in der Erinnerung an frühere Zeiten lebt, nimmt ein Literaturkenner aus der Ostschweiz den Begriff nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ganz neu beim Wort und stellt sich vehement gegen die zunehmende Bedeutungslosigkeit der klassischen literarischen Rezension. Fünf Mal im Jahr inszeniert Gallus Frei-Tomic handschriftlich vier konzise Rezensionen auf einem schlichten A4-Blatt, jeweils versehen mit einer zeichnerischen Illustration. – «Literaturblatt» nennt er die kalligrafischen Preziosen, und das Understatement ist nicht Koketterie, sondern Ausdruck einer Haltung: die besprochenen zeitgenössischen Werke sollen in den Fokus des literarischen Interesses gerückt werden – nicht der Rezensent. 65 Blätter sind über die Jahre entstanden, und immer wieder stellt Gallus Frei-Tomic neu unter Beweis, dass er nicht nur ein genauer und empathischer Leser ist, sondern auch ein feinsinniger, präziser Kritiker, dem es gelingt, in wenigen Sätzen den literarischen Kern eines Textes auf den Punkt zu bringen. Das klassische Feuilleton mag im Sterben liegen; das ganz persönliche Feuilleton von Gallus Frei-Tomic aber lebt. Und wie!» Andreas Neeser

„Du hattest mir Dein wunderbares Literaturblatt 64 geschickt – mit Matthias Zschokke, Andreas Neeser, Anna Ospelt, Milena Michiko Flasar – und einem roten Punkt! Ich kannte diese Serie noch gar nicht, musste mich erst ein bisschen informieren, habe gestaunt und nochmal gestaunt…“ A. Baradun, Rotpunkt

«Das Literaturblatt ist ein geflügeltes Wesen, das von Buch zu Buch fliegt, verweilt, verbindet und vernetzt. Danke, lieber Gallus, für deine so wertvolle Arbeit für die Literatur. Herzlich» Anna Ospelt

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das 63. Literaturblatt

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Das 64. Literaturblatt entsteht!

Vor vielen Jahren brachte mir einmal eines meiner Kinder eine Puppe nach Hause. Keine Puppe wie bei uns im Kinderzimmer. Aber eine daumengrosse, dunkelbraune Puppe eines Falters. Ich begrub die Puppe auf gut Glück in einen grossen Topf mit Erde und vergass Puppe und Gefäss. Dank meiner Vergesslichkeit stand der Topf bis tief in den Herbst hinein in einem beheizten Zimmer. Und als es draussen schon herbstlich kalt wurde, holten mich wiederum meine Kinder, zogen an mir herum und riefen aufgeregt durcheinander, in meinem Zimmer wäre ein Tier, ein riesiges Tier.

Totenkopfschwärmer sind bei uns selten, wie alle Schwärmer nachtaktiv und geschlüpft von beachtlicher Grösse. Sie erreichen eine Flügelspannweite von über 10 cm. Die Raupen ernähren sich von Kartoffelpflanzen. Ihre Zeichnung auf dem Rücken gibt ihnen ihren Namen. Wesen der Nacht!

So haben auch die vier besprochenen Bücher in der einen oder anderen Weise mit der Nacht, mit dem Tod, mit dem Sterben zu tun, jedes auf seine ganz eigene Art und Weise – aber jedes mit Qualitäten, die sie zu literarischen Perlen machen.

„Die Literaturblätter und literaturblatt.ch sind Leuchttürme im trüben Digitalungefähr des literaturkritischen Meinungsbetriebs. An ihnen sollte man sich orientieren.“ Simon Strauß

„Lieber Gallus, soeben flattert das neue Literaturblatt zu mir ins Haus. Es ist wieder einmal ein wunderbares Kunstwerk daraus geworden, ich gratuliere Dir. Und ich danke Dir herzlich dafür, daß mein „Bildnis meiner Mutter“ dabei sein darf. Ich fühle mich geehrt!“ Wolfgang Hermann

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Bettina Scheiflinger «Erbgut», Kremayr & Scheriau

am 22. April Gast im Literaturhaus Thurgau

Was und wie Bettina Scheiflinger schreibt und erzählt, beeindruckt sehr. Ihr Debüt „Erbgut“ überzeugt durch aussergewöhnliche Reife, durch Mut und hätte es in den vergangenen Monaten verdient, einiges an Beachtung mehr zu bekommen. Mit der Einladung der Autorin ins Literaturhaus Thurgau verneigt sich der Schreibende vor der Autorin.

Ernstzunehmende Untersuchungen erklären, dass jedes Leben genetisch vorbelastet ist durch die Generationen davor. Auch wenn man solchen Aussagen gegenüber kritisch bleibt, wird es einleuchtend, wenn man zugestehen muss, dass traumatisierte Menschen, die eine Familie gründen, ihre Erlebnisse bei der Erziehung nicht einfach ausblenden können. Es ist nicht möglich, in einem neuen Leben einfach bei Null zu beginnen. All das, was sich in die Jahrringe eines Menschenlebens einfrisst, was sich als dunkle Schatten in den Seelen ablagert, was im Untergrund modert, wirkt im Tun – oder auch im Unterlassen. Dass sich Bettina Scheiflinger schon mit dem Titel ihres Erstlings unzweifelhaft in dieses Thema hineinzuwagen versucht und dabei alles andere als scheitert, ist beeindruckend. Schon der Titel selbst – „Erbgut“ – offenbart die Vielschichtigkeit des Wortes selbst. Was sich als Erbe von Generation zu Generation weitergibt, ist nicht immer ein Gut, aus dem die nächste Generation schöpfen kann. Beispiele aus der Geschichte gibt es viele. Was heute in Israel passiert, ist in vielem mit Sicherheit mit dem kollektiven Traumata mehrerer Generationen zu erklären, die in der Folge von Judenverfolgung und -vernichtung millionenfach Leben zerstörte.

Bettina Scheiflinger «Erbgut», Kremayr & Scheriau, 2022, 192 Seiten, CHF 31.90, ISBN 978-3-218-01329-1

Bettina Scheiflingers Roman erzählt aber keine grossen geschichtlichen Zusammenhänge, auch wenn die Geschehnisse des zweiten Weltkriegs eine nicht unwesentliche Rolle in ihrem Roman spielen. Die Erzählstimme ist eine junge Frau, zwischen einer schweizerischen Kleinstadt, Wien und einem Dorf, einem Haus in Kärnten. Die junge Frau löst sich gegen den Willen der Eltern aus der fürsorglichen Umklammerung ihrer Familie und zieht nach Wien. Sie ist allein, hat Arbeit, bleibt länger, hadert mit sich und ihrer Vergangenheit. Sie weiss, dass in der Familie Sperrzonen eingerichtet wurden, dass es Dinge gibt, die ausgeschwiegen werden, sei es in der Geschichte ihrer Mutter oder in der ihres Vaters. Selbst die gemeinsame Geschichte ihrer Eltern ist nicht jene, die an der Fassade präsentiert wird. Die junge Frau stolpert, schwankt und taumelt, selbst als sie schwanger wird und in einer Klinik ein Kind zur Welt bringt.

Ein weiteres Qualitätszeichen des Romans ist, dass sich Bettina Scheiflinger keines billigen Erzähltricks bedient. Da sind keine Briefe im Dachboden, kein Geständnis einer Grossmutter, kein Tagebuch. Bettina Scheiflinger erzählt in einzelnen Bildern, die sich erst während der Lektüre zu einem ungefähren Ganzen zusammenfügen. Aber schon diese einzelnen Bilder haben es in sich. Sie sind von einer derartigen Intensität, dass sie wie Selbsterlebtes in der Erinnerung bleiben. Da sitzt Arno, der Vater der Erzählerin, als Halbwüchsiger auf einem Baum und weigert sich selbst in der Nacht herunterzukommen. Sein Vater hat ihn wegen einer Nichtigkeit windelweich geschlagen. Die Mutter droht, die Schwester fleht. Aber Arno bleibt. Am nächsten Tag ringt er seiner Mutter das Versprechen ab, dass es nie wieder soweit kommen darf. Ein anderes Beispiel: Johanna, die Grossmutter der Erzählerin, die auf einem Hof mit Wirtshaus in Kärnten lebt, muss während des Krieges miterleben, wie Partisanen ihre Eltern aus dem Haus zerren und verschleppen. Franz, ihr Vater, ist Nationalsozialist. (Vielleicht ist mir diese Binnengeschichte auch deshalb so in die Kniekehlen gefahren, weil sich das immer Gleiche in der Geschichte wiederholt.)

Bettina Scheiflinger wollte kein chronologisch, stringentes Erzählen. So wie Ablagerungen, sich das Erbgut toxisch auffüllt, so erzählt Bettina Scheiflinger. Sie erzählt vom grossen Schweigen in der Familie, all den Auslassungen, die alles andere als klären. Von den Ängsten, nicht zu genügen, den Traumatas einer Kindheit, wenn Gewalt und Einsamkeit, das Gefühl von Verlassenheit, die Angst vor Verlust das eigene Tun dominieren. Wenn man sich nicht befreien kann. Wenn man im Niemandsland hängen bleibt.

Ich bin mir sicher; Da beginnt Vielversprechendes!

Bettina Scheiflinger, geboren 1984 in der Schweiz. Auf das Lehramtsstudium und einige Jahre Unterrichtstätigkeit folgte 2017 der Umzug nach Wien, um am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst zu studieren. Sie schreibt Theaterstücke und Kurzhörgeschichten, veröffentlicht Prosa in Literaturzeitschriften und Anthologien. Eins ihrer Hörstücke wurde 2020 beim sonohr Radio- und Podcastfestival nominiert. 

Webseite der Autorin

Das 63. Literaturblatt ist zum Druck bereit!

Die kleinste, aber feinste Literaturzeitschrift

«So etwas habe ich noch nie aus einem Kuvert geschält – handgeschrieben, handgezeichnet, wunderschön. Am Anfang stehen vier Bücher und ein weisses A4-Blatt. Wo andere in die Tasten hauen, greift er zum Kugelschreiber. Anstelle von Fotos setzt er auf zarte Zeichnungen. Jede Ausgabe ein Kunstwerk: Gallus Frei-Tomics Literaturblätter. Abonnieren, lesen, staunen – Unbedingt!»
Rebekka Salm

Das digitale Literaturblatt, die Webseite literaturblatt.ch lebt nur, weil es das analoge, von Hand geschriebene und gezeichnete Literaturblatt gibt und dieses von unerschrockenen, trotzigen, treuen Abonnentinnen und Abonnenten unterstützt wird.

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„Das Blatt macht mich platt.“
Christian Futscher

 

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«Eine Handschrift! Eine Handschrift, wann hat man diese heutzutage noch? 1000 Dank dafür!» Tanja Warter, C. H. Beck Verlag

«Lieber Gallus, vielen Dank für euer schönes Literaturblatt, es informiert mich durch die individuelle Gestaltung auf ganz besondere Weise über neue lesenswerte Bücher. Es ist in etwa so, als würde ein Freund mir persönlich schreiben, welche Bücher ihm besonders gefallen haben und das ist immer noch die beste Werbung für ein Buch. Euer Literaturblatt passt zudem wunderbar zum Bodmanhaus, der kleinen Buchdruckerei und dem gemütlichen Gästezimmer in dem ich gerne einige Tage zugebracht habe. Ich wünsche euch weiterhin viele schöne Lesungen im Literaturhaus Thurgau.» Norbert Scheuer

«Ich frage mich, wie er das macht, Gallus Frei, seine Auswahl treffen, unwegsames Gelände scheint ihn anzuziehen, Klüfte, Schründe, schattige Talseiten, felsige Narbenhöcker, krautige Flechten untersucht er mit derselben Begeisterung wie die hübschen, sonnenverwöhnten Plätzchen. So präzise, so scharfsinnig bringt er seine Betrachtungen zu Papier, erfreulich analog mit Kugelschreiber geschrieben. In und zwischen den Zeilen funkelt eine ansteckende Neugierde – ein zugewandtes, wahrhaftiges Interesse an Literatur. Sie feiert er, könnte man sagen, ihr widmet er mit der Gestaltung dieser Blätter ganz unzeitgemäss viel Zeit. Danke dafür!» Ursula Fricker

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