«Ich zeichne und schreibe und bin ganz mein Tun.» Gallus Frei-Tomic ist Literaturvermittler, Programmleiter am Literaturhaus Thurgau und «Erschaffer von Literaturblättern». Die Kurzrezensionen in Form von handgefertigter Zeichnung und Schrift heben das Buch in seiner Besonderheit hervor und verleiten zum Innehalten. Bereits 2019 hat Gallus Frei-Tomic für den Schweizer Buchpreis auf literaturblatt.ch gebloggt und dabei etwa gefragt: «Vergiften Wettbewerbe die Literatur? Oder den Literaturbetrieb?» Nun sind wir gespannt auf seine Beobachtungen rund um den diesjährigen Schweizer Buchpreis und fragen ihn: Was wünscht er sich für den Schweizer Buchpreis 2020?
Gallus Frei-Tomic: «Mut! Der Schweizer Buchpreis ist bloss der Schweizer Buchpreis! Mut in der Auswahl zur Shortlist! Mut bei der Preisverleihung. Das beste Buch? Die aktuelle Literatur ist keine steinerne Pyramide mit einer einzigen Spitze, sondern ein bunter, praller Haufen!»
Eigentlich wäre Kat Menschik, gefeierte Buchillustratorin aus Berlin, am 22. August Gast beim Sommerfest im Literaturhaus Thurgau gewesen. Aber organisatorische Gründe zwangen sie, sich auszuladen und ihren Besuch in Gottlieben um einige Monate zu verschieben.
Als Entschädigung für all jene, die mit Begeisterung das Wirken dieser Illustratorin verfolgen, bieten Literaturhaus Thurgau und Kat Menschik einen einmaligen Siebdruck, nummeriert und von der Künstlerin signiert für CHF 25, in einer Auflage von 150 Exemplaren an.
Zu beziehen ist der Druck bei jeder Veranstaltung im Literaturhaus Thurgau oder ab 22. August auch über die Webseite des Literaturhauses.
«Fünfzig Ausgaben ‹Literaturblatt›, fünfzig Blätter, die die Literatur und das Lesen feiern und damit selbstredend auch das Schreiben, fünfzig Blätter, die zeigen, es gibt sie, die Menschen, denen Literatur ein Lebensmittel ist, das sie nicht missen mögen. Danke, Gallus. Auf die nächsten fünfzig Literaturblätter!» Hansjörg Schertenleib
«Das Literaturblatt ist immer wieder eine grosse Freude in Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung. Auf weitere 50 Blätter!» Katharina Wilts, Klett-Cotta
«So macht Post holen Freude: Vielen Dank für das schöne und spannende 50. Literaturblatt!» Regula Portillo
«Wunderschön ist es geworden, das 50. Literaturblatt, und ich bin sehr stolz darauf, mit dabei zu sein bei und mit den Regenbogenfarben.» Wolfgang Hermann
Und natürlich bedanke ich mich bei all jenen, die ein weiteres Mal ihr Abonnement des Literaturblatts erneuert haben. Ganz speziell jenen die sich mit spezieller Grosszügigkeit zu «Freundinnen und Freunde der Literaturblätter» machten.
„Yeki Bud. Yeki Nabud“, (Es gab jemanden, es gab niemanden.) damit beginnen persische Märchen. Ein Hakawati ist ein Geschichtenerzähler, der mit seiner Schauspielerei das Erzählte unterstreicht, nichts anderes als der Autor selbst, Pierre Jarawan, der einst deutscher Meister im Poetry Slam warund nun, nach seinem 2016 erschienen Debütroman „Am Ende bleiben die Zedern“ mit „Ein Lied für die Vermissten“ erneut einen atmosphärisch starken Roman vorlegt.
„Ein Lied für die Vermissten“ ist ein Familienroman, ein Roman über Freundschaft, die zerstörerische Kraft des Schweigens und die „verlorene Generation“ eines Bürgerkriegs der während 15 Jahren (1975 – 1990) fast 100 000 Tote, 20 000 Vemisste und unzählige Vertriebene forderte. Ein Krieg, der aus dem Paris des Nahen Ostens, der Orchidee des Mittelmeers ein Trümmerfeld machte. Im Libanon, einem Land, aufgerieben in der Geschichte der letzten 70 Jahre, im Dauerkriegszustand mit Israel, zerfleischt von Milizen, annektiert von der syrischen Diktatur, erschüttert von abertausend Bomben.
„Unser Land ist ein Haus mit vielen Zimmern. In einigen Räumen wohnen die, die sich an nichts erinnern wollen. In anderen hausen die, die nicht vergessen können. Und oben wohnen immer die Mörder.“
Ob der Bürgerkrieg in Libanon oder die Kriege nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens – für mich waren es „Sofakriege“, denen man sich während der Nachrichten oder beim Lesen der Zeitungen aussetzte, die durchaus Betroffenheit auslösten, aber zumindest für mich im Hintergrund blieben. Eine Tatsache, für die ich mich heute bis zu einem gewissen Grad schäme, denn diese Kriege klopften immer wieder unüberhörbar an meine Tür, sei es durch das Schicksal von Flüchtlingen, die ich kennenlernte oder eben durch die Literatur.
„Erinnerungen waren Pforten, hinter denen sich ganze Reiche auftaten, die ich noch zu entdecken hatte.“
Pierre Jarawan «Ein Lied für die Vermissten», Berlin Verlag, 2020, 464 Seiten, 32.90 CHF, ISBN 978-3-8270-1365-1
Pierre Jawaran erfindet Amin und erfindet ihn nicht. Einen Jungen, der zusammen mit seiner Grossmutter nach dem Tod von Amins Eltern nach Deutschland flieht. 12 Jahre später findet die Grossmutter den Mut, wieder zurück ins Land ihrer Familie, in ihre Heimat zu reisen, um einen Neuanfang zu wagen. Einen Neuanfang als Familie, als Unternehmerin, als Malerin. Amin lernt in seiner neuen Umgebung Jafar kennen, einen Mitschüler aus seiner Klasse, den einzigen, der sich für ihn zu interessieren scheint. Jafar ist anders. Nicht nur weil er als kleiner Junge ein Auge verlor, sondern weil er in seinem Wesen wild und nur schwer fassbar ist, weil er mit Amin durch die Ruinen der Stadt zieht, weil er wie ein Hakawati Geschichten erzählen kann, so gut, dass sich damit sogar Geld verdienen lässt, wenn auch nicht immer zum Vorteil aller.
„Das Schweigen ist tiefer als die Stille. Weil Stille nie wirklich alles verschluckt.“
Amin wächst behütet bei seiner Grossmutter auf, einer Frau, die in der Altstadt Beiruts ein Café eröffnet und Bilder von sich an die Wand hängt. Bilder, die kryptisch von den Schrecken des Bürgerkrieges erzählen, so wie das einzige Bild von Amins Mutter, die als junge Frau als Studentin nach Paris kam, eifrig zu malen und zu lieben begann und schwanger und mit dem Bild „Ein Lied für die Vermissten“ nach Hause kam. Die Grossmutter, die die Wahrheit in Bilder und Geschichten verpackt, verpackt die Wahrheit auch für ihren Enkel. Die Wahrheit um Amins Eltern, um Amins Grossvater, ihren Mann, so wie sich in dem Land zwischen den Fronten alles hinter dem Schweigen zu verbergen scheint.
„Schon ein Sandkorn genügt, um eine grosse Geschichte daraus zu machen.“
Amin lernt, dass nichts von Dauer ist, weder die Liebe noch die Freundschaft, weder der Moment grösstmöglicher Nähe noch das Gefühl von abgrundtiefer Verlassenheit, weder Sicherheit noch Geborgenheit. Er begibt sich auf die Suche, die Suche nach seiner Wahrheit, seiner Geschichte, den verlorenen Momenten, die das Glück versprachen. Pierre Jawarans Schreiben widerspiegelt genau dieses Suchen. Sei es die Suche nach Gerüchen, Augenblicken, Erinnerungen, sei es jene nach dem, was Herkunft ebenso ausmacht wie Zukunft. Pierre Jarawan beschränkt sich aber nicht nur auf die Suchreise eines jungen Mannes. Sein Roman ist die Geschichte eines Landes, eines Sehnsuchtsorts, eine Kampfschrift gegen das Vergessen, Verschweigen und Verdrängen.
Irgendwo im ersten Teil Ihres neuen Romans heisst es „Das alte Schiff Beirut. Das Prinzip, das es über Wasser hält, heisst Verdrängung.“ Gilt dieses Prinzip nicht für jedes Schiff, wenn es nicht in den Stürmen untergehen will? Würde dieses Prinzip nicht für jedes Land, jede Stadt, jeden Menschen gelten, müssten wir nicht längst das Steuer herumreissen, was wir auch nach einer Pandemie nicht tun werden?
Ganz sicher ist Verdrängung immer der erste Schritt, bevor es überhaupt eine Form der Aufarbeitung gibt oder geben kann. Verdrängung ist nicht per se negativ, sie kann auch heilsam sein. Und ganz sicher gilt das für alle Länder und Gesellschaftsformen, in denen es Konflikte gab, die eine bestehende Ordnung aufgelöst haben. Ein Schiff kann sich das Prinzip der Verdrängung nicht aussuchen, es ist ein physikalisches Gesetz, so wie sie in Gesellschaften sicher etwas Normales ist, das erstmal passiert. Allerdings darf man Verdrängung und das aktive Verhindern von Aufarbeitung nicht gleichsetzen. Die Figur, die den Satz äussert, bezieht beide Seiten mit ein. Beirut funktioniert, weil verdrängt wird, im Stadtbild, in der Gesellschaft – aber die Frage der Vermissten bspw. wird nicht nur verdrängt, sie wird in ihrer Aufarbeitung mit politischen Mitteln verhindert.
Wir sollten hier auch nicht zwei unterschiedliche Ebenen vermengen, indem wir die Auswirkungen einer Pandemie mit denen eines Bürgerkriegs vergleichen, zumal wir im ersten Fall diese Auswirkungen noch nicht kennen.
Sie selbst sind ein Hakawati, ein Geschichtenerzähler. Aber sie wollen nicht bloss ver- und bezaubern. Sie transportieren. Was steht auf ihrer Fahne ganz oben auf ihrem Mast?
Auch die echten Hakawati, die traditionellen Geschichtenerzähler, wollten nie nur verzaubern oder unterhalten. Ihre Geschichten beinhalteten immer auch eine Art Moral und Aussage über die Gesellschaft. Es ist in meinem Fall nicht so, dass ich programmatisch schreibe, also mit wehender Fahne an den Schreibtisch trete, um eine bestimmte Botschaft loszuwerden. Wenn jemand meine Romane liest, und sie einfach nur spannend findet, und sich gut unterhalten fühlt, dann ist das für mich vollkommen in Ordnung. Im Fall von „Ein Lied für die Vermissten“ war es mir allerdings tatsächlich ein Anliegen, das Thema durch das Erzählen vor dem Verschwinden zu bewahren, denn genau dieses Verschwindenlassen durch Schweigen passiert – der Roman versucht, dem etwas entgegenzusetzen.
„Ein Lied für die Vermissten“ erzählt von Beziehungen, Freundschaften, von der Liebe. Sei es die tiefe und gleichsam verletzliche Beziehung Amins zu seiner Grossmutter, die Freundschaft zu Jafar, oder die Liebe zu Zarah oder Soraya. Die Nähe scheint immer flüchtig, instabil. So wie der Frieden im Nahen Osten. Ist jeder/jede letztlich schmerzvoll auf sich selbst zurückgeworfen?
Das ist schwer zu verallgemeinern. Denn in den Gesellschaften des Nahen Ostens spielt das Individuum gar keine so grosse Rolle. Es geht fast immer um eine Gemeinschaft, sei es die Familie, oder eine Art Glaubensgemeinschaft, und dieses Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-sein ist vielleicht eher ein Abgrenzen, das man gegenüber anderen vollzieht. Aber es stimmt schon, Amin erkennt am Ende des Romans, dass sich sein Leben – wie die Region – in einem immer wiederkehrenden Kreislauf abzuspielen scheint, aus Verlust und Wiederfinden, aus Rätselhaftigkeit und Erkenntnis, und so wieder von vorn …
Amins Mutter malte. Ihr Mutter, Amis Grossmutter, bei der er aufwuchs genauso. Sie malen auch, wenn nicht mit Pinsel, dann sicher mit Sprache. Findet da manchmal ein Kampf statt zwischen dem Sprachmaler und dem der Historie verpflichteten Erzähler?
Ich empfinde es nicht so. Die Historie ist die Grundlage, die diese Geschichten ermöglicht. Sie wirbelt die Figuren durcheinander, zwingt sie zu unterschiedlichen Handlungen, aber sie bleibt im Hintergrund. Sie ist immer nur das auslösende Ereignis, das etwas in Gang setzt, mit dem die Figuren sich auseinandersetzen müssen. Insofern betrachte ich Historie eher als etwas sehr Fruchtbares für mein Schreiben. Als eine Art Katalysator oder – um in Ihrem Bild zu bleiben – als Leinwand oder Grundierung, auf das dann die Sprache gemalt werden kann.
Bleibt der Arabische Frühling ein Frühling, dessen Blühten verdorren oder erfrieren? Wie sehr blutet das libanesische Herz? Ist das der Grund, warum sich ihr Schrieben in ihren ersten zwei Romanen ganz um die Geschichte des Libanons dreht?
Das ist leider unmöglich pauschal zu beantworten, weil die Revolutionen in den Arabischen Ländern unterschiedliche Ausgangspunkte, Voraussetzungen und Verläufe hatten. Ich habe mich immer an dem Begriff gestört, schon 2011, weil er einerseits zu romantisch ist, angesichts der zahlreichen Menschen, die beim Kampf um grundlegende Menschenrechte ihre Leben verloren haben, andererseits, weil er eine zeitliche Begrenzung suggeriert, die schon damals irreführend war.
Ich habe den Arabischen Frühling als Endpunkt für den Roman gewählt, weil ich mit diesem Moment der Hoffnung aufhören wollte, der damals zweifellos bestand, und nur aus heutiger Perspektive sind wir in der Lage, diese Hoffnung als tragisches Missverständnis zu entlarven. Und im Bezug auf den Libanon bedeutet 2011 eine Umkehrung von etwas Grundlegendem. Nachdem jahrzehntelang Libanesen in das sichere Syrien fliehen mussten, kehrt sich das plötzlich um, eine alte Ordnung wird in ihr Gegenteil verkehrt.
Es ist nicht so, dass mein libanesisches Herz blutet, auch wenn ich natürlich eine Enttäuschung angesichts unterschiedlicher Punkte verspüre – die Perspektivlosigkeit für die Jugend, der Unwille, die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber ich würde nicht sagen, dass das der Grund ist, weshalb die Historie in beiden Romanen eine grosse Rolle spielt – und ich würde sogar widersprechen darin, dass sie sich „ganz um die Geschichte des Libanons drehen“ – da beide Bücher sich für mich um andere Fragen viel zentraler drehen, nämlich um die Leerstellen, die dort entstehen, wo es eben kein Sprechen über Geschichte gibt. Wie oben gesagt: Für mich ist die Historie eher ein Katalysator, um etwas Kleineres im Grösseren zu erzählen, und das Miterzählen von Geschichte erlaubt es, den Lesern Zusammenhänge vor Augen zu führen, die dieses Kleine erklärbar machen.
Pierre Jarawan wurde 1985 als Sohn eines libanesischen Vaters und einer deutschen Mutter in Amman, Jordanien, geboren, nachdem seine Eltern den Libanon wegen des Bürgerkriegs verlassen hatten. Im Alter von drei Jahren kam er nach Deutschland. 2012 wurde er internationaler deutschsprachiger Meister im Poetry Slam. 2013 nahm er an der Weltmeisterschaft in Paris teil. Sein Romandebüt «Am Ende bleiben die Zedern» erschien 2016. Der Roman wurde als bestes deutschsprachiges Debüt beim Festival du Premier Roman in Chambéry vorgestellt. Pierre Jarawan lebt in München.
Schreiben Sie? Sind Sie künstlerisch tätig? Suchen Sie einen Ort des kreativen Rückzugs? Eine Woche oder länger? Gar Monate? Im Sommer, wenn die dicken Mauern kühlen oder im Winter, wenn der Schnee alles schluckt? Das Haus Parli ist genau das richtige! Und alle, die einmal dort waren, tragen die Sehnsucht nach einer Wiederholung ein Leben lang mit sich!
Am äussersten Zipfel der Schweiz steht das 400jährige Chasa Parli in Sta. Maria, dem zweitletzten Dorf vor der italienischen Grenze. Wer das ehrwürdige Gemäuer durch den Eingang an der Strasse betritt, steht auf einem massiven Holzboden, wo einst Fuhrwerke durch das Tor hindurch fuhren, wo es nach Pferden roch, Soldaten ihre Gewehre an die Wand lehnten, Frauen den Schweiss mit dem Schürzenzipfel von der Stirn wischten.
Micha Friemel, die Gastgeberin erzählt, dass sie dereinst in der kleinen Wohnung im Erdgeschoss wohnen möchte, wenn die Kinder flügge geworden sind. Die Gastgeberin ist jung, trägt ihr jüngstes Kind auf dem Rücken, hat uns einen Laib Brot gebracht, selbst gebacken, mit Dinkelmehl. Sie habe als Stadtkind alles lernen müssen; die Arbeit im Garten, das Überwinden der Abscheu vor allem, was kreucht und fleucht, die Pflege eines alten Hauses, das Hinnehmen von immer neuen Rissen in den alten Mauern.
Im Haus sind es auf drei Etagen neben einer Wohnung fünf Gästezimmer, die einen mit Wohn- und Arbeitsstube und Schlafkammer, die andern schlicht, mit Bett, Tisch, Stuhl und Schrank, aber jedes mit Geschmack eingerichtet, als wären die Zimmer über Jahrzehnte zu dem geworden, was sie heute sind; Arbeits- und Rückzugsorte zur Kreativität, Einkehrklausen, Stützpunkte, Schaltzentralen für das eigene Selbst, Schnittpunkte all jener Spuren und Stränge, die gebündelt werden wollen. Zimmer, die etwas versprechen, die tragen, schmeicheln. Zimmer, die Geschichten erzählen, Stimmen verstärken, Flügel wachsen lassen. Dazu eine Küche wie für eine Grossfamilie, ein Mittelgewölbe mit langem Tisch, vielen Stühlen und einem Fenster gen Südwesten, auf dessen zweigeteiltem Sims man seinen Kaffee mit Sonne geniessen kann, das einem an ein Fenster in einer Burg erinnert, einer Flucht- und Trutzburg. Und ganz oben mit einem Lese- und Arbeitszimmer, wo eine Gitarre wartet, ein grosser Tisch und ein Bücherschrank, der unter anderem auch vom Leben in vergangenen Zeiten erzählt.
So wie alles in diesem Haus erzählt, stimmhaft und stumm. So wie die Porträts ehemaliger Bewohnerinnen und Bewohner, solchen mit Namen und Namenlose, so wie die Karten im Büro, auf denen Knechte, Mägde, Soldaten und Bäuerinnen in ungewisse Zukunft schauen, so wie der Schreibtisch, der einst im Kontor einer Bank stand, im Haus der Gastgeber, dem Wohnhaus der Familie Krohn und Friemel.
Tim Krohn und Micha Friemel versichern, es brauche keinen Schlüssel. Es braucht keinen Schlüssel. Das Haus ist ein Schlüssel, der Garten auf der anderen Strassenseite, selbst die Jukebox mit Titeln aus einem ganzen Jahrhundert. Lässt man der Musik freien Lauf, ploppen Bilder auf, entschlüsseln geschlossene Räume.
Die Mauern sind dick, die Böden und vertäferten Wände aus altem Holz, die Kachelöfen abgegriffen und voll mit Spuren von Leben. Alte Truhen, Tische, Stühle und Schränke, Lampen wie zu Grossmutters Zeiten. Auf der Ovomaltinebüchse in der Gemeinschaftsküche steht noch kein Hinweis auf einen grossen, weltumspannenden Multi und die Eisenringe an den Decken einiger Gästezimmer verraten, dass die Räume einst ganz anderen Zwecken dienten, als KünstlerInnen einen kreativen Rückzugsort zu bieten.
Alles an diesem geistvollen Haus erzählt Geschichten. Und wenn nicht Geschichten aus der Vergangenheit, dann evozierte Geschichten aus den Köpfen der Gäste. So wie das leise Ticken der Küchenuhr, das bei mir in Kombination mit dem Knarren der Dielenbretter an die Wochen erinnert, die ich in drei verschiedenen Kapuzinerklöstern verbrachte. Alles erzählt Geschichten. Und wenn Tim Krohn, der Gastgeber und Schriftsteller, Vater und Gärtner, Hausmann und Geschichtensammler zu erzählen beginnt, öffnen sich überall Fenster, Türen und Räume, weht mit einem Mal ein Wind aus den Tiefen der Zeit. Geschichten sind dann viel mehr als blosse Unterhaltung, profanes Futter zum Zeitvertreib, sondern Elixier, Lebensatem, Fundament und Baustoff in die Zukunft.
Micha Friemel, die uns an einem Sonntag Morgen aus ihrem noch unveröffentlichtem Romanmanuskript, dann aus einem erhellenden Essay aus dem Sammelband «Geographie der Freiheit», in dem sich Micha Friemel neben anderen AutorInnen Gedanken zu John Bergers Essay «Fellow Prisoners» machte und kleinere Texte vorlas, bringt mit einem Satz auf den Punkt, worum es bei der Literatur, beim Schreiben gehen muss und soll: «Es gibt zwei Dinge, die uns davon abhalten, Hamsterräder zu drehen: Freunde und Bücher.»
Liebe Freundinnen und Freunde der «analogen» Literaturblätter,
es ist im da. Das Fünfzigste! Und noch immer bereitet mir das Gestalten, Zeichnen, Ausprobieren, Tüfteln und Schreiben Freude. Wer im Büchergestell jene 50 mal 4 Bücher stehen hat, die ich bisher auf meinen «analogen» Literaturblättern zur Lektüre anpries, kann versichert sein, in jedem Fall eine ausgesuchte Bibliothek zu besitzen. Immerhin 200 Bücher.
Literaturblatt 1
Vor 10 Jahren habe ich mit den «analogen» Literaturblättern begonnen. Wer nachsehen will, wie sich diese im vergangenen Jahrzehnt entwickelten, kann dies hier nachsehen.
Ich erlaube mir, mit dem Versand des Jubiläumblatts einen Einzahlungsschein beizulegen mit der Versicherung, dass jeder Euro, jeder Franken im Dienste der Literatur eingesetzt wird. In diesen Zeiten erst recht!
Wer meine Literaturvermittlung, sei es das «analoge» Literaturblatt, sei es literaturblatt.ch oder gegenzauber.literaturblatt.ch, meine Arbeit als Vermittler und Veranstalter unterstützen will, kann dies mit einem Beitrag auf folgendem Konto gerne tun. Schon jetzt bedanke ich mich sehr:
«Dein Kunstwerk hat den Weg zu mir gefunden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie das alles zusammenpasst – inhaltlich und grafisch. Danke für dieses Geschenk.» Andreas Neeser
«Es ist höchste Zeit, Ihnen zu sagen, wie sehr ich mich jedes Mal über das Literaturblatt freue. Mit herzlichem Dank! F. K.»
Literaturblatt 11
«Cher Monsieur Frei, mon allemand n’est pas très bon, mais assez pour que je sache que vous venez de me faire un très beau cadeau de Noël. Merci beaucoup pour cette magnifique critique. Et je serais ravie bien sûr de recevoir la version papier.» Pascale Kramer
«Toll! Gratuliere! Ich muss gestehen, dass ich das Literaturblatt nicht kannte und jetzt erst erfahren habe, dass du das handschriftlich gestaltest. Ich bin begeistert und sehr beeindruckt!» Kai Weyand
«Sehr herzlichen Dank für deine hübsche Post» Tim Krohn
Literaturblatt 29
«Mein Briefkasten ist meist leer, nur alle paar Wochen kommt eine Rechnung, Werbung, Behördenbrief, hässliche Post von der Hausverwaltung. Vor einigen Tagen: das Literaturblatt. Vier kleine Texte, einer davon über „Hundesohn“. Handgeschrieben. In einer leicht zur Seite fließenden Schreibschrift, die sich aus dem letzten Jahrtausend auf magische Weise in die digitale Zeit gerettet hat. Das kleeblattförmige H, die filigranen Schlenker an den Buchstaben, ich staune und erinnere mich an meine Schulzeit, ich hatte immer eine Vier in Schrift. Danke, lieber Gallus, für Deine flammende Literaturliebe, den Schwung und die Schnörkel in Deiner Sprache und Deinem Handgelenk.» Sonja M. Schultz
Literaturblatt 39
«Es ist schön, von der Frankfurter Buchmesse zurückzukehren und nach viel Getümmel, Gespräch und Gewese eine in feiner Handschrift verfasste Besprechung eines Lieblingsbuches vorzufinden. Verbindlichsten, besten Dank in die mir liebe Schweiz, Ihre Tanja Warter» C. H. Beck Verlag
Als Büchermensch werde ich immer wieder um Buchtipps gefragt. Dann steht man da, forscht mit der Person vor Augen in seinem Kopf und muss kurz nach dem Treffen feststellen, dass man dieses oder jenes Buch noch vergessen hat.
Deshalb schreibe ich seit einigen Jahren eigene Kurzrezensionen. Und zwar nur von Büchern, die mir gefallen und die ich auch der Mehrzahl von LeserInnen zutrauen kann. Es fiele mir nicht im Traum ein, ein Buch vorsätzlich „zerreissen“ zu wollen – schon aus blossem Respekt.
Die ersten Jahre schrieb ich die Literaturblätter an meinem Computer. Man nahm die Empfehlungen dankend entgegen. Aber es wird ihnen wie allen Drucksachen ergangen sein.
Seit ein paar Jahren schreibe und zeichne ich sie von Hand und verschicke sie „old school“ per Post an über 200 Leseinteressierte in Deutschland, Österreich, Frankreich und in der Schweiz.
«Dein Kunstwerk hat den Weg zu mir gefunden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie das alles zusammenpasst – inhaltlich und grafisch. Danke für dieses Geschenk.» Andreas Neeser
«Ganz ganz tolle Sache übrigens! Einmalig.» Lydia Daher, Lyrikerin
Sind Sie interessiert?
Sie können die Literaturblätter abonnieren:
Gallus Frei-Tomic
LITERATURPORT Amriswil
Maihaldenstrasse 11
8580 Amriswil
«Heute habe ich deine Post bekommen! Oooh, wie schön, einen Brief, einen echten Brief zu bekommen! Und alles von Hand geschrieben! Die alte, schöne Zeit!!! Ich habe mich sofort motiviert gefühlt, auch so zurückzuschreiben!» G. V.
«Cher Monsieur Frei, mon allemand n’est pas très bon, mais assez pour que je sache que vous venez de me faire un très beau cadeau de Noël. Merci beaucoup pour cette magnifique critique. Et je serais ravie bien sûr de recevoir la version papier.» Pascale Kramer
«Toll! Gratuliere! Ich muss gestehen, dass ich das Literaturblatt nicht kannte und jetzt erst erfahren habe, dass du das handschriftlich gestaltest. Ich bin begeistert und sehr beeindruckt!» Kai Weyand
Wieder vier ganz besondere Bücher, für die ich mich für einen Tag in meine Bibliothek vergrabe und das neue, 48. Literaturblatt gestalte. Ich hoffe, allen AbonnementInnen damit etwas schenken zu können; Vier Bücher, für es sich lohnt, Lebenszeit zu teilen. Ich bin mir sicher!
«Sehr herzlichen Dank für deine hübsche Post, die Micha mir vorgelesen hat, da ich so klein gar nicht mehr lesen kann. Faszinierend, wie gegensätzlich unsere Sicht auf diesen Text ist, den ich mir abgerungen habe wie selten einen, der mir klobig, knochig vorkommt und als das absolute Gegenteil von Auskosten, manchmal fast bis zum Skelett reduziert. Vom Stoff her wäre es ein Roman, aber es war mir fast nicht möglich, zu Sprache zu finden, weil die Welt der Figuren eine fast wortlose ist.» Tim Krohn
«Mein Briefkasten ist meist leer, nur alle paar Wochen kommt eine Rechnung, Werbung, Behördenbrief, hässliche Post von der Hausverwaltung. Vor einigen Tagen: das Literaturblatt. Vier kleine Texte, einer davon über „Hundesohn“. Handgeschrieben. In einer leicht zur Seite fließenden Schreibschrift, die sich aus dem letzten Jahrtausend auf magische Weise in die digitale Zeit gerettet hat. Das kleeblattförmige H, die filigranen Schlenker an den Buchstaben, ich staune und erinnere mich an meine Schulzeit, ich hatte immer eine Vier in Schrift. Danke, lieber Gallus, für Deine flammende Literaturliebe, den Schwung und die Schnörkel in Deiner Sprache und Deinem Handgelenk.» Sonja M. Schultz
«Es ist schön, von der Frankfurter Buchmesse zurückzukehren und nach viel Getümmel, Gespräch und Gewese eine in feiner Handschrift verfasste Besprechung eines Lieblingsbuches vorzufinden: Von Norbert Scheuers „Winterbienen“. Verbindlichsten, besten Dank in die mir liebe Schweiz, Ihre Tanja Warter» C. H. Beck Verlag
Kat Menschik ist freie Illustratorin. Ihr Gartenbuch «Der goldene Grubber. Von großen Momenten und kleinen Niederlagen im Gartenjahr» (2014) wurde zum Dauerseller und unter die 25 schönsten Bücher des Jahres gewählt. Seit 2016 gestaltet Kat Menschik ihre eigene Buchreihe, jeder dieser Bände ist individuell gestaltet und ausgestattet: Shakespeares «Romeo und Julia» (2016), Kafkas «Ein Landarzt» (2016), E.T.A. Hoffmanns «Die Bergwerke zu Falun» (2017), Volker Kutschers «Moabit» (2017), Edgar Allen Poes «Unheimliche Geschichten» (2018) (ebenfalls eines der 25 schönsten deutschen Bücher des Jahres). Zuletzt erschien «Essen essen (mehr ist mehr!)» im Frühjahr 2019.
Kat Menschik besucht im kommenden Sommer das Literaturhaus Thurgau in Gottlieben am Seerhein! Weitere Informationen folgen.