«Ein kleines Kunstwerk für sich, wirkt die reine Existenz dieses handgemachten, detailversessenen Blattes wie ein stiller Widerstand gegen das brutale Tempo unserer Zeit.» Constantin Schwab
«Gallus Frei-Tomic hat ein Literaturblatt fürs Auge, für die Hände und für den Kopf geschaffen, das man in der Schweizerischen Literaturlandschaft nicht mehr missen möchte.» Yael Inokai
«Die Literaturblätter sind wunderschön. Ich habe RIESENFREUDE!» Eva Bröckelmann
«Das Literaturblatt April verdanke ich, lese mit grossem Interesse die Beschreibungen. Welch reiches Innenleben kann ich da miterleben.» Marianne D.
„literaturblatt.ch ist eine wohltuend und erfrischend von Mainstream und Moden unabhängige Zeitung, ganz der Neugier und der Begeisterung ihres Herausgebers verpflichtet. Im Fokus steht, was heute leider immer mehr aus dem Blickfeld gerät: die Sprache selbst in ihrer individuellen und inneren Verführungskraft.“ Jürg Beeler
Für mindestens 50 Fr./€ schicke ich ihnen die kommenden 10 Nummern der Literaturblätter. Die Literaturblätter erscheinen ca. 5 – 6 Mal jährlich.
Für mindestens 100 Fr/€ schicke ich ihnen als Freunde der Literaturblätter 10 Literaturblätter, 5 – 6 pro Jahr. Zudem sind sie auf literaturblatt.ch vermerkt.
Für mindestens 200 Fr./€ sind Sie als Gönner stets eingeladen, als Gönner der Literaturblätter auf literaturblatt.ch vermerkt bekommen 10 Literaturblätter (5 – 6 pro Jahr), also etwa zwei Jahre lang und werden einmalig auf Wunsch mit einem Buch beschenkt.
«Wie ungewöhnlich, und was für eine Ehre, in diesem feinen handschriftlichen Blatt eine kurze, dafür bemerkenswert durchdachte und sensible Rezension meines Romans «Kreisläufe» zu finden. Danke, Gallus, und ja, es ist auch eine Befreiungsgeschichte. Du hast es auf den Punkt gebracht. Danke dafür.» Andrea Scrima
«Bin beeindruckt, wie viel Arbeit und liebevolle Mühe Sie da reinstecken. Sehr toll!» Didi Drobna
«Sie wissen, wie aufrichtig ich Ihre grafischen Literaturblätter bewundere! Nicht allein der klugen Kurzrezensionen wegen – denen mein Buch ja die allerschönsten Kommentare verdankt – sondern auch als Einübung ins Langsamlesen, das unsereinem durch Internetkonsum systematisch abtrainiert wird (ich weiss: selber Schuld!).» Beatrix Langner
«Die von Hand geschriebenen und gezeichneten Literaturblätter von Gallus Frei-Tomic sind etwas ganz Besonderes. Eine grosse Bereicherung, die ich nicht missen möchte.» Ruth Geiger, Diogenes
Für mindestens 50 Fr./€ schicke ich ihnen die kommenden 10 Nummern der Literaturblätter. Die Literaturblätter erscheinen ca. 5 – 6 Mal jährlich.
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«Geschichten finden oder meinetwegen erfinden ist eine Seite. Aber sie müssen gefunden und also noch einmal er-funden werden, um zur Welt zu kommen. Das Glück eines solchen Finders, lieber Gallus, ist unser aller Glück!» Anna Baar
«Mit einer sprachsensibel nuanciert verfassten Rezension gewürdigt und mit einem personifizierten Literaturblatt im wahrsten Sinn des Wortes beschenkt: ein nachhaltiges Begegnen mit einem leidenschaftlichen Buchmenschen und Botschafter. Danke, lieber Gallus Frei, fürs Aufeinandertreffen zum angeregten Gespräch!» Flavio Steimann
«Die Blätter sind sehr schön, schöne Schrift auf tollem fetten Papier. Bin gespannt aufs Lesen, noch keine Musse gehabt. Und diverse werden an die Wand gehängt werden, ganz zu schweigen von den Büchern, die es dann zu lesen gibt. Am besten Job an den Nagel hängen!» B. Gers
Für mindestens 50 Fr./€ schicke ich ihnen die kommenden 10 Nummern der Literaturblätter. Die Literaturblätter erscheinen ca. 5 – 6 Mal jährlich. Infos
Am 7. November werde ich im Theaterfoyer in Basel sitzen, im Gegensatz zum vergangenen Jahr glücklicherweise wieder mit und im Publikum. Ein paar Reihen vor mir, in der ersten Reihe, werden die Nominierten sitzen, Martina Clavadetscher schon zum zweiten Mal, Veronika Sutter, Thomas Duarte und Michael Hugentobler.
Eine eigenartige Situation, denn Punkt zwölf Uhr wird eine Sprecherin der Jury die Bühne betreten, ein Couvert hervornehmen und die Preisträgerin oder den Preisträger verkünden, auf die oder den dann Sekunden später die Blitzlichter der Presse regnen, wo sich Mikrofone sammeln und Medienbeiträge aus dem Moment gestampft werden. Mit einem Augenblick verschwindet das Interesse für jene, die «zurückbleiben». Man fotografiert zwar noch einmal alle zusammen, aber dann wird es mit einem Mal ziemlich ruhig um jene, die es nicht sein sollten. Man lädt zwar noch einmal zum gemeinsamen Essen ein, lässt Gläser klingen, aber die Namen der Nichtprämierten rutschen weg, werden zwar nicht gleich vergessen, verschwinden aber hinter der Strahlkraft des einen Namens.
«Ist das die dort vor dem Blumenbouquet? Die mit den hochgesteckten Haaren?» «Wen meinst du? Die mit den Geschichten?» «Nein, die mit den Puppen ohne Köpfe. Du hast es doch gelesen. Diesen verrückten Roman, der in der Zukunft spielt, aber eigentlich doch eben jetzt.» «Ach ja, von der mit dem bündnerisch klingenden Namen. Doch, doch. Und die andere sitzt gleich daneben. Die mit den Geschichten.» «Geschichten? Als ob das Geschichten wären. Das ist Geschichte. Und viel mehr als einfach Frauengeschichte.»
Alles vergebens? Das ganze Brimborium bei dreien nur Schall und Rauch? Bei weitem nicht. Es gab Publicity für vier Autor:innen. Bei vier Bücher stiegen mit Sicherheit die Verkaufszahlen. Und wenn künftig Bücher der vier erscheinen, ist doch mit Sicherheit die Wiedererkennung stärker. Wenn es nicht zehn Jahre dauern sollte, bis ein neues Buch der Hervorgehobenen auf den Verkaufstischen liegt, werden sich einige erinnern oder zumindest die Verlage. Auch für sie sind solche Scheinwerferaktionen wichtig. Hand aufs Herz: Kannten Sie vorher den Verlag Edition 8? Literarische Perlen wachsen nicht nur in grossen Verlagen heran. (In der Lyrik schon gar nicht.)
Weil ich schon öfters bei der Verleihung des Schweizer Buchpreises im Publikum sass, musste ich auch schon beobachten, wie Enttäuschung spür- und sichtbar wurde. Da trösten auch Ermunterungen nicht, kein Blumenstrauss, schon gar kein Schulterklopfen. Und doch sind die Nicht-Preisträger:innen keine Verlierer:innen. Viele Lesende sind auf vier Namen aufmerksam geworden, die ihnen andernfalls vielleicht entgangen wären. Das eine Buch gewinnt ein Etikett, die drei anderen, jene mehr als deutliche Ermunterung, unverzagt in ihrem Schrieben weiterzumachen, zumal es Martina Clavadetscher beweist, dass man auch eine zweite (ja sogar eine dritte) Chance bekommen kann.
«Hast du Feuerland gelesen?» «Klar doch. Der Mann kann Feuer legen!» «Der Mann hinter dem Buch oder einer der Männer im Buch?» «Sie alle. Halt Männerbücher!» «Das vom Polizeiposten auch?» «Klar doch. Ein Bekloppter und ein Polizist. Frauen sind dort nur Randerscheinungen.» «So ganz verstanden habe ich den Roman nicht.» «Den vom Wörterbuch oder den vom Buchhalter?» «Eigentlich was von beiden. Die Tatsache, dass es Männern ganz offensichtlich schwerer fällt.» «Was?» «Pst – das Couvert!»
Mein Tipp: Ohne dass es für mich ein klar favorisiertes Buch geben würde, ohne dass ich mir einbilden würde, dass mein Blick in die Zukunft ein sicherer sein würde, habe ich doch auch im letzten Jahr danebengetippt. Mein Tipp hat auch nichts mit meiner eigenen Wertung zu tun. Ich glaube, dass die Romane von Martina Clavadetscher und Michael Hugentobler den Preis unter sich ausmachen werden. Die Umfrage bei SRF gibt Martina die besten Karten. Meine ganz persönliche Rangliste entspricht der Reihenfolge der oben abgebildeten Bücher von links nach rechts.
Ich gratuliere allen vier, denn die vier Namen beweisen eindrücklich, wie vielfältig die Schweizer Literaturszene ist, erst recht neben den Namen, die immer und immer wieder genannt werden. Die Vielfalt zeigt sich sowohl sprachlich, inhaltlich wie formal. Schweizer Literatur braucht sich hinter keiner falschen Bescheidenheit zu verstecken. Auch wenn ich wie jedes Jahr meine ganz persönlichen Favoriten vermisse!
Liebe Manu Ein «fresh-up»? Da ist der Schweizer Buchpreis noch nicht einmal 15 Jahre alt und schon sollte man ihn aufhübschen? Noch nicht einmal volljährig und schon ein Lifting? Der Nobelpreis für Literatur ist 120 Jahre alt. Ein greises Ding! Kein Wunder sind dort die Strukturen wacklig und Stimmen laut, die nach Erneuerung rufen. Klar, die beiden Preise sind in nichts zu vergleichen, zumal beim Nobelpreis ein Name gefeiert wird und beim Schweizer Buchpreis ein Buch, das sollte so sein. Wahrscheinlich liegt genau dort die Schwierigkeit des Buchpreises. Hinter jedem Buch steht ein Name. Und Namen von Schwergewichten in der Literaturszene wiegen eben doch viel mehr. Und doch hätte auch ich „Verbesserungsvorschläge“, auch wenn mich niemand danach fragt (ausser du). Beim Österreichischen Buchpreis gibt es neben dem eigentlichen Buchpreis einen Debütpreis. Das entschärft das Nebeneinander von Schwergewichten und Einsteiger:innen doch beträchtlich. Zudem finde ich eine Shortlist mit nur 5 Namen kläglich. Im Vergleich zu unseren Nachbarn macht das den Eindruck, als hätten wir nicht mehr zu bieten. Ist das helvetische Bescheidenheit oder die Schüchternheit der Neutralen? Der Jahrgang hätte noch mehr zu bieten gehabt? Was meinst du? In ein paar Tagen mache ich eine Auszeit in einem kleinen Häuschen im Misox. Ich werde lesen und schreiben. Hoffentlich auch unter der Sonne. Besuchst du mich? Liebe Grüsse Gallus
Lieber Gallus, vorneweg, nichts täte ich gerade lieber, als mit dir im Misox dem Verfärben der Natur zuzuschauen. Ich habe gerade viele Auftritte zum Glück, daher kann ich nicht einfach die Koffer packen und auch der Schulbetrieb der Kinder verlangt mir einiges ab. Was du schreibst, gefällt mir, einen Debütpreis würde ich absolut begrüssen. Von wegen Debüts, ich habe nun den Duarte wie die Sutter gelesen und gestehe, ich bin beeindruckt. Welchen Eindruck hast du von Duartes Erzählperspektive? Eine Buchhändlerin, welche schreibt, gab es schon oft, aber Veronika Sutter wagt sich sogar an Geschichten und verwebt diese gleich untereinander, gelungen? Ich möchte bald die Besprechung zu «Grösser als du» schreiben, aber je länger ich mich mit Büchern beschäftige, desto schwieriger gestaltet sich das für mich, ich befürchte immer, den Werken auch nicht nur annähernd gerecht zu werden. Du klingst immer so souverän, wenn du schreibst, lieber Gallus, fliesst deine Feder leicht oder haderst du auch manchmal? Sonst denke ich, ist der Schweizer Buchpreis selbstbewusst und gelassen aufgestellt, er zieht sein Ding durch und kann sich sehen lassen neben den «grossen» Nachbarn. Ich freue mich auf deine Antwort, beame mich in Gedanken mal eben zu dir und hirne daran herum, ob wir uns nicht doch noch real treffen könnten vor der Verleihung … Herzlich Manu
Liebe Manu Das Tessin ist leider schon längst Geschichte. Aber es waren wunderschöne Tage, eingetaucht in Literatur, ins Schreiben und die Lektüre. Wir beide sind Streiter (*) für das gute Buch, Missionare in Sachen Literatur. Aber so wie Lucky Luke bei seinen Abenteuern stets alleine in den Sonnenuntergang reitet, so ist man es auch in Sachen Literatur. Seien es die Schreibenden, die in ihren Stuben, an ihren Tischen, mit Griffel oder Tasten an ihren Texten schleifen, seien es jene, die die Fanfaren blasen, die Tafeln hochhalten. Leider demonstrieren die Menschen nicht für das gute Buch, für den heissen Atem der Kultur. Was wird dereinst bleiben in der Zukunft? Woran erinnern wir uns? Was von der Vergangenheit wird bleiben? Die Kultur! Ich hadere nicht beim Schreiben. Je länger ich es tue, umso leichter scheint es mir zu fallen. Ich hadere viel mehr mit mir selbst. Vor allem dann, wenn mich Freunde auf mein Schreiben ansprechen und nicht verstehen können, was ich an dem „Schund» so gut finde. Ich habe einen Sohn, der fast ausschliesslich russische Klassiker liest und für das, was ich lese, nur ein müdes Lächeln übrig hat. Ich hadere, wenn ich mit Schreibenden zusammensitze und sie mich bitten, jetzt mal ganz ernsthaft zu erklären und zu erläutern. Ich hadere manchmal, wenn ich eine Lesung organisiere von Schreibenden, die mir am Herzen liegen, alles da ist und fast niemand kommt. Ich hadere manchmal, wenn ich ein Buch nach 50 Seiten resigniert zur Seite lege und Tage später eine hymnische Rezension lese. Doch, doch, ich hadere oft. Aber letzthin lud mich ein schreibender Freund in die Kronenhalle in Zürich zum Essen ein. „Für all das, was du für die Literatur tust“, meinte er. Da haderte ich nicht. Bei der letztjährigen Buchpreisrunde staunte ich über die Experimentierfreude der beiden Frauen bei den Nominierten, über die Bücher von Dorothee Elmiger und Anna Stern. Und prompt erhielt Anna Stern den Preis, was mich zum einen überraschte und zum andern für den Preis einnahm. Gemessen an der Experimentierfreude müsste Thomas Duarte den Preis bekommen. Aber diese eine Qualitätsmerkmal kann wohl nicht jedes Mal das Zünglein an der Waage sein. Vielleicht ist es dieses Mal die Farbenfreude! Wir treffen uns bald. Und dann stossen wir an; auf die wackeren Streiter:innen für die Literatur! Herzlich Gallus
Lieber Lucky Luke, lieber Gallus, wir haben uns kürzlich getroffen, das war wunderschön, dich einmal näher kennenzulernen und beisammen sein zu dürfen. Deine Texte haben für mich einen absolut literarischen Sound und ich könnte mir gut vorstellen, ein Buch von dir in den Händen zu halten, und ich wäre gewiss nicht die einzige Leser:in. Wirst du das auch oft gefragt, ob du nicht ein Buch schreiben willst? Mich fragen das die Leute fast wöchentlich und ich winde mich dann immer ein wenig um eine klare Antwort herum. Gewiss habe ich seit Kindesbeinen an bereits eine beachtliche Anzahl von Büchern geschrieben. Die meisten zum Glück für die Umwelt nur in meinem Kopf, einige wenige fürs Altpapier. Jetzt ist eine Buchhändlerin mit ihrem ersten Wurf für den Schweizer Buchpreis nominiert – nicht schlecht, so durchstarten zu dürfen. Aber so geht es ja auch Herr Duarte. Bald sehen wir uns und wir werden wissen, wer den Preis bekommt. Ich war in ein paar Buchhandlungen unterwegs und traf auf wenig bis gar keinen Raum für die Nominierten, dies hat mich doch erstaunt und ich denke an deine Zeilen, es ist tatsächlich oft eine krass einsame Sache für Literatur einzustehen. Dabei finde ich die vier Werke wirklich allesamt herausragend und absolut lesenswert wie auch lesbar für eine breite Leserschaft. Ich darf ja seit einiger Zeit noch alle zwei Monate eine Radiosendung rund ums Buch für ein digitales Radio liefern, jetzt ist dieser Kanal beachtet und wirft sogar etwas ab, Leidenschaft des Gründerpaares trägt Früchte, leider aber müssen diese Gründer nun aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeit und ihr Radio aufgeben. Ich werde vielleicht im Dezember meine letzte Sendung für den Kanal machen und habe beschlossen, die vier Nominierten dann vorzustellen. Vielleicht passiert ja noch ein Wunder und es übernimmt jemand den Radiokanal. Gallus, noch ein paar «heisse» Fragen im Endspurt um den Schweizer Buchpreis an dich: Was stört dich an Helvetismen im Buch einer Schweizer Autorin? Was würdest du tun, wenn man dich in die Jury bitten würde nächstes Jahr? Kannst du ein Werk nennen, das anstelle von Krachts Platz nominiert hätte sein sollen? Es gibt ja eben keine Verlierer am Sonntag in Basel, hoffen wir auf viele Besucher:innen und eine eindrückliche Veranstaltung. Ich freue mich auf Basel! Herzlich, Manu
Liebe Manu Ob ich ein Buch schreiben könnte? Die Frage ist, ob ich ein Buch schreiben sollte. Ich denke nicht. Ich weiss sehr gut, wo meine Grenzen liegen. Ich lese immer wieder Bücher, die mir mehr als deutlich vor Augen führen, wo meine Fähigkeiten aufhören würden, dass es mir schlicht am Talent fehlt, oder zumindest an der Überzeugung, ich hätte welches. Klar, ich schreibe auch. Klar war da einmal vor vielen Jahrzehnten ein Wunsch, eine Sehnsucht. Aber lieber kein Buch als eines, für das ich mich schämen müsste. Und lieber kein Buch, als um jeden Preis (wörtlich) ein Konstrukt zum Erscheinen bringen. Es gibt genüg Bücher, auf die die Welt verzichten könnte. Ich bin Leser, das genügt, braucht es doch neben jenen, die schreiben, auch jene die lesen. Es sollten ja auch nicht alle reden. Es braucht Zuhörer:innen – und zwar gute, aufmerksame. Was mich an Helvetismen stört? Nichts. Sie stören mich nur dann, wenn sie zufällig auftauchen, wenn ich das Gefühl habe, sie sind durch ein Lektorat geschlüpft, wenn sie nicht Programm, klare Absicht sind. Juryarbeit für den Schweizer Buchpreis? Eine solche Anfrage würde mich durchaus reizen. Vor allem die Diskussionen in der Jury, die Art und Weise, wie andere an ein Buch herangehen, schmecken, riechen und kosten. Aber ich glaube, dass ich absagen müsste. Es würde meine Kapazitäten wohl übersteigen, lese ich doch als Webseitenbetreiber und Veranstalter schon einiges neben einem Brotberuf, der auch nach 37 Dienstjahren nicht ohne grosses Engagement zu leisten ist. Ein fünftes Rad am Wagen? „Offene Fenster, offene Türen“ von Hansjörg Schertenleib wäre … hätte, hätte, Fahrradkette Auf, auf, an die BuchBasel! Gallus
Ich habe vor mehr als zehn Jahren mit den «analogen Literaturblättern» begonnen, weil ich nicht nur ein paar gute Buchtitel auf einem Zettel notieren wollte, sondern, weil ich meine Empfehlungen zu einer Mission werden lassen wollte. Weil ich mit meinen Literaturblättern allen Autor:innen, allen Schriftsteller:innen und Dichter:innen meinen Respekt zollen will. Weil Literatur Sprache gewordene Sorgfalt ist, die Mission, den Menschen die Welt öffnen zu wollen, auch in Richtungen, die unbequem sind.
Mittlerweile abonniert ein schönes Schärchen meine von Hand, mit Kugelschreiber gezeichneten und geschriebenen Literaturblätter, einige schon seit Beginn dieses Unternehmens. Dafür bin ich dankbar, das macht mich stolz.
Aber diese Literaturblätter sind neben meinen Einkünften als Moderator und Veranstalter die einzige Geldquelle in Sachen Literatur. Mein Schreiben für die Literatur sonst bringt kaum etwas ein. Das ist nicht weiter schlimm. Aber was mit die Abonnent:innen der Literaturblätter mit ihrer finanziellen Abgeltung ermöglichen, fliesst auf ein Konto, das mir die Freiheit gibt, mich weiterhin grenzenlos und manchmal auch erfrischend hemmungslos auf meiner Mission der Literaturvermittlung weiterzubewegen. Wer das Literaturblatt abonniert, unterstützt meine beiden Webseiten literaturblatt.ch und gegenzauber.literaturblatt.ch, mein Engagement weit über das Zeichnen, Schreiben und Gestalten hinaus.
10 Literaturblätter, die sich auf mindestens zwei Jahre verteilen, kosten Sie 50 Franken oder Euro. Mit diesem Beitrag unterstützen Sie nicht nur mich, sondern den ganzen Literaturbetrieb. In einer Zeit, in der dieser immer mehr vom Engagement einzelner abhängig ist, seit Corona erst recht. In einer Zeit, in denen es in den offiziellen Medien immer weniger Platz für die Literatur gibt, in der die Auseinandersetzung mir ihr immer fadenscheiniger wird.
„Literarische Blogger und -innen gibt es zuhauf, auch wenn kaum mal einer oder eine ein Buch aus dem Verlag hier hinten am Horizont in die Hände bekommt. Macht nix, Hauptsache Long John Silver liest unsere Preziosen. Nun ist es so, dass auch die Welt der Blogs eine der Superlative ist und wen wundert es, dass die Suche nach dem Besten, Schönsten und Weitvernetztesten im Gange ist. Mir persönlich ist nur einer bekannt; ein wenig verrückt ist er, – wie könnte ich ihn sonst kennen –, publiziert er doch seine immer eigenwillig geschriebenen Buchrezensionen – davon kann man sich jederzeit selbst überzeugen – nicht nur auf seinem Blog, sondern schreibt diese zusätzlich und von Hand mit Kugelschreiber wie in ein (B)Logbuch, druckt das Ganze auch noch auf Papier und verschickt diese Flaschenpost, die LITERATURBLATT heisst, per Post, mit Briefmarke und allem, was dazu gehört.“ Ricco Bilger, Verleger
Manuela Hofstätter (lesefieber.ch) und Gallus Frei (literaturblatt.ch) sind mit ihren Webseiten die offiziellen Buchpreisbegleiter des Schweizer Buchpreises 2021.
Ein Mailwechsel zum Thema:
Liebe Manu, dass die Zeiten hart und wirr sind, brauche ich nicht zu erläutern. Auch dass es für Kulturschaffende und all jene, die an diesem Geschehen mitgestalten schwierig ist, muss nicht nacherzählen werden. Die Medien sind voll davon. Wir beide als Literaturvermittler (ich verzichte für einmal auf ein Genderzeichen, weil es in diesem Fall einfach doof ist) hatten auch Abstriche zu machen. Auch solche, die weh taten. Aber eines blieb: Das Buch und das Lesen. Was gab und gibt dir das Lesen in diesen Zeiten? Hat sich der Akt des Lesens verändert? Gallus
Lieber Gallus, du hast ja so recht und es ist in aller Munde, die Welt steht kopf zurzeit. Ich versuche mich richtig zu verhalten und leide aber unter der Unmenschlichkeit, die zunehmend überhandnimmt. Ja, was bleibt, ist das Buch und das Lesen, ich bin sicher, die Menschen lesen mehr denn je zuvor und ich meine dabei nicht die Berichterstattung der Medien, ich merke tatsächlich, es wird zum Buch gegriffen. Mein Leseverhalten hat sich tatsächlich verändert, ich habe einen neuen Lesesessel, der ist so bequem, ist das Buch nicht gut, schlafe ich ein. Mein Sessel unterstützt mich also bei meiner Wahl, was es zu lesen gilt. Auch was die Genres betrifft, bemerke ich eine Veränderung, ich habe mich nach erheiternder Literatur umgesehen und merke, Humor ist sehr kostbar und wichtig für mich, aber auch dem Krimi habe ich mehr Raum gegeben, der lenkt mich von allem ab und ich hänge plötzlich an dicken Büchern, gerne historischen Romanen, in eine vergangene Zeit einzutauchen, das finde ich momentan das Herrlichste. Die Belle époque etwa hat mich überaus gefesselt. Was meinst du, lese ich mich aus unserer problematischen Zeit hinaus? Ich werde mich nun mit den nominierten Büchern befassen, ich bin gespannt, wie du diese lesen wirst. Warst du auch überrascht von dieser Auswahl? Welches Werk wirst du nun zuerst lesen? Fragen über Fragen, ich bin eine neugierige Kollegin und ich freue mich auf diesen Austausch mit dir. Sei herzlich gegrüsst Manu
Liebe Manu, ich glaube, dass das Aus-der-Zeit-lesen zu jeder Zeit legitim ist, selbst dann, wenn es eine Flucht vor den aktuellen Problemen der Zeit ist. Lesen ist doch immer zu einem gewissen Teil Unterhaltung. Man will weggetragen werden, versinken, sich von Sprache verzaubern lassen. Schön, wenn sich beides verbinden lässt; das Hineintauchen in eine neue Welt und die Selbstreflexion während der Lektüre. Ich liebe Bücher, die das alles verbinden. Bücher, die Räume gegen innen und gegen aussen öffnen. Bücher, die mich nicht nur mit einer Geschichte locken, sondern die Sprache zu einem Instrument werden lassen, das zuweilen virtuos gespielt wird. Klar überrascht mich die Liste der Nominierten des Schweizer Buchpreises jedes Jahr, aus ganz verschiedenen Gründen. In jedem Fall reibe ich mir die Augen. Da sind die einen Bücher, die ohne die Nomination völlig an meinem Blick vorbeigegangen wären, bei denen ich froh bin, dass mich die Liste laut auffordert. Zum andern sind es jedes Jahr Namen, die ich vermisse. Wie sollte es auch anders sein, bei 5 Nominierten. Wäre ich in der Jury des Schweizer Buchpreises, dann … es lebe der Konjunktiv. Fazit meiner ersten Gedanken zu den 5 Namen: Wie immer versucht sich die Jury in Ausgewogenheit, was eigentlich unmöglich ist. Nach der letztjährigen Buchpreisträgerin Anna Stern sind es drei Männer und zwei Frauen. Nett, dass man auch zwei Debüts mit ins Rennen schickt, auch wenn es noch nie ein Erstling aufs Podest schaffte. Aber schlussendlich schafft die Jury die Überraschung ja dann doch. Warum kein Debüt, wird doch das eine Buch hervorgehoben und nicht das Werk. Warum nicht, der eine, der den Preis schon einmal entgegennehmen durfte, auch wenn es das meines Wissens auch in unserer Nachbarschaft ich nie gab. Warum nach zwei Preisträgerinnen nicht noch einmal ein Frau, ist das Buch doch sächlich. Ich lese gerade eben „Eurotrash“ von Christian Kracht. Sprachlich ganz eigen und bestechend. Liebe Manu, wenn man dich in die Jury setzen würde, welche Linsen würdest du bei der Auswahl deiner Favoriten aufsetzen? Was wäre dir wichtig? „Lesen hilft immer.“ Gallus
Lieber Gallus,
verzeih, es sind ein paar Tage verstrichen, es hat «gekracht», ich bin mir sicher, die Lektüre von «Eurotrash» wird Dich dennoch beschäftigen. Gewinnt Kracht gar den Deutschen Buchpreis? Zu deiner Frage, ich habe tatsächlich Erfahrungen sammeln dürfen, was Juryarbeit betrifft, ich kann daraus nur eine Erfahrung ziehen, die Entscheide sind immer Wundertüten, hinter denen dennoch intensive Arbeit steckt. Ich gestehe, ich sässe gerne einmal in der Jury beim Schweizer Buchpreis, ich bin ja Buchhändlerin und somit beantworte ich deine Frage recht lapidar, ich würde mein Augenmerk beim Wählen der Favoriten ganz und gar auf meine Intuition setzen. Dies heisst: Welches Werk berührt mich, aus welchen Gründen auch immer, welches Werk vermag viele Lesende zu bewegen? Schliesslich geht es immer um eine Beziehung, die da eingegangen wird zwischen einem Werk und seiner Leserschaft. Mich würde es auch erfreuen, wenn die Jury nicht alleiniges Entscheidungsorgan sein würde, ich weiss aber, wie heikel das ist, ein Publikumsvoting dazuzunehmen. Wir sind ja schliesslich nicht bei irgendeinem kuriosen Wettbewerb, nicht wahr, wir sind hier beim Schweizer Buchpreis. Wobei, lieber Gallus, so ein «fresh up» würde dem Schweizer Buchpreis doch ganz guttun, oder nicht? Bin ich da zu forsch, was meinst Du, kannst Du Dir vorstellen, diesen Preis ganz anders auszurichten? Auf zu neuen Ufern, das gefällt mir immer, doch oft befinde ich dennoch, Schuster bleib bei deinen Leisten …
Über volle Satteltaschen, das eigene Schreiben und die Lust am Moderieren – eine Begegnung mit dem Literaturliebhaber und Kritiker Gallus Frei-Tomic, nach 1000 Artikeln auf seiner Literaturwebseite literaturblatt.ch.
Frank Keil
von Frank Keil; Hamburg freier Journalist
Am frühen Morgen wie versprochen, die E-Mail: „Lieber Frank, als ich dann merkte, wie schwer die Bücher sind, packte ich doch nur 5 ein: Ulrike Edschmid „Levys Testament“, Wolfgang Hermann „Herr Faustini bekommt Besuch“, Pascal Janoviak „Der Zoo in Rom“, Peter Terrin „Blanko“ und Patricia Melo „Gestapelte Frauen“.
Am Tag zuvor hatte mich Gallus Frei-Tomic mittags vom Bahnhof von Frauenfeld abgeholt. Er hatte auf den kleinen Rollkoffer gezeigt, den er gleich ratternd durch die Straßen ziehen würde: „Meine Abendgarderobe“, die Erklärung. Dann die Frage: „Magst du etwas essen?“ Gerne! Ich war schließlich einmal durch die halbe Schweiz gefahren, durch dieses für mich so fremde, freundliche und aufgeräumte Land. Wir setzen uns ins ‚La Terrasse‘, ein großer Schirm hält die Sonne fern, wir bestellen das Menü Eins und das Menü Zwei. Alle viertel Stunde fährt grollend der Stadtbus vorbei. Auch zu hören: die Glockenschläge der Stadtkirche St. Nikolaus, ebenso aller 15 Minuten, aber zeitversetzt. Mein Aufnahmegerät steht zwischen uns; manchmal, wenn wir im Eifer des Gesprächs mit den Beinen oder den Ellenbogen gegen den Tisch stoßen, fällt es um und will wieder aufgerichtet werden und das geschieht dann.
Er ist so selbstverständlich gut gelaunt wie ich ihn von unseren zugegeben wenigen Treffen kenne. Strahlt und macht sich über den das Menü einleitenden Salat her. Und fängt gleich an zu erzählen: von der Fahrradtour, die er morgen in aller Frühe starten wird, den Rhein hinauf bis hoch nach Köln, wenn alles gut geht. Er sagt: „Ich stelle mir vor, ich fahre so mit dem Fahrrad, komme irgendwo um zwei Uhr an, ziehe meine Radlersachen aus, dann lege ich mich irgendwo auf eine Wiese oder – keine Ahnung – ich sitze in einem Garten-Restaurant, lese, schreibe.“ Entsprechend wird er in den Satteltaschen Bücher haben. Aber welche? Schwierig. Nur eines ist gewiss: „Ich nehme viele Autoren mit, die ich nicht kenne. Ich muss mich bei der Rezensiererei sehr fest bemühen, dass ich nicht immer wieder meinen Lieblingen verfalle, manchmal werde ich auch von den Lieblingen enttäuscht.“ Die Getränke kommen. Für ihn eine Selter, für mich eine Rivella (rot), weil ich das immer witzig finde, in der Schweiz eine Rivella zu bestellen, ich bleibe damit immer der einzige, bisher jedenfalls.
Also die Reise, die Fahrradtour: Er plündert dafür seine Extrakasse; die Kasse, in der sich das Geld sammelt, das er nebenher für Rezensionen in Zeitungen außerhalb seiner handschriftlich verfassten und auf echtem Papier gedruckten Literaturblattes und seiner Plattform www.literaturblatt.ch bekommt, also verdient. Und dass er eben bewahrt und sammelt, dieses Geld der Leidenschaft, für Unternehmungen, für die er nicht die häusliche Familienkasse belasten möchte. Extrageld, also, seine Vergnügungspauschale.
Aber wie hat es eigentlich alles angefangen mit dieser so Gallus’schen Bücherleidenschaft? Das will ich natürlich wissen. Aber noch ist es nicht so weit. Noch sind wir beim Warmplaudern, schauen nebenher nach links und nach rechts, wer da so neben uns sitzt. Der Himmel ist hoch und blau.
(Wir werden später, satt und zufrieden, noch in die Buchhandlung am Ort gehen und zueinander Sätze sagen wie „Habe ich noch nicht gelesen, soll aber richtig gut sein …“ oder „Diesmal war ich enttäuscht, dabei ist sie so eine gute Autorin …“ oder „Einer meiner Lieblingsautoren, ist aber Geschmackssache …“, während uns die Buchhändlerin ein wenig säuerlich beobachtet, weil wir ja doch nichts kaufen werden, wie wir da um die vollgepackten Büchertische tänzeln, wir bekommen ja so gut wie alles an Büchern geschickt, aber dieser Buchhandlungsbesuch kommt noch, am Ende).
Also: Wie hat es eigentlich angefangen? Oder soll ich nicht erst mal fragen, ob er eigentlich selbst schreibt? Oder ist das zu direkt, zu sehr mit der Tür ins Haus gefallen, wie man bei uns sagt? „Also weißt du …“, sagt er nach einer langen Pause, als ich dann frage: ‚Schreibst du eigentlich auch literarisch?‘ „Probiert habe ich es schon oft, schon ganz früh.“ Er legt sein Besteck kurz zur Seite, faltet die Hände, als müsse er sich sammeln: „Ich habe schon mal ein Manuskript fertig gemacht, das hieß ‚Der Bruch‘. Ich habe es sogar verschickt, denn ich fand es gut“, sagt er schließlich. Er bekam damals bald von den Verlagen leicht erkennbar vorgefertigte Absagen zugeschickt. Was auch einem Freund so erging, der gleichfalls ein Manuskript bei diversen Verlagen eingereicht hatte: „Wir haben dann diese Absagen auf einer großen Platte aus Messing abgelegt, haben sie ritisch verbrannt und sind um dieses Feuer getanzt.“ Er lacht und nimmt Messer und Gabel wieder in die Hand: „Damit war es vergessen und weggelegt, aber ich schreibe eigentlich immer Tagebuch.“ Er beugt sich zur Seite und holt aus dem Koffer ein dickeres Heft, Format etwa Din A 5, schlägt es auf, zeigt die Seiten, engstens Zeile für Zeile eng beschrieben. Robert-Walser, denke ich, „So Robert-Walser-mäßig“, sagt er. „Wobei: Es ist schon lesbar.“ Und nach einer Pause, ich merke, die Frage nach seinem Schreiben, dem eigenen, lässt ihn nicht los, er nimmt einen neuen Schwung: „Vor zwei Jahren habe ich mich um einen Schreibaufenthalt bemüht und war tatsächlich einen Monat im Meran, und ich habe mich bemüht, dass ich mir nicht allzu viele Hoffnungen mache, dass in diesen vier Wochen irgendwas passiert.“ Also: kein Plan, keine Ideen-Skizze, nichts habe er sich vorgenommen, rein gar nichts. Stattdessen dabei: ein Koffer voller Bücher. „Ich habe mir gesagt: ‚Gallus, alles gut‘.“ Denn wenn nichts passiere, lese er eben den Koffer leer, und dann schrieb er vier Wochen lang: „160 Seiten, wie in Ektase, das habe ich genossen, in diesem ekstatischen, völlig ungestörten Zustand zu sein – aber am Schluss gab es einen Rohling.“ Er wiegt seinen Kopf leicht hin und her: „Ich habe es dann gewissen Leuten zum Lesen gegeben, die haben gesagt, es hätte gutes darin, aber es sei ungeschliffen.“ Er hebt ein wenig abwehrend die Hände: „Ich sage nicht ‚Diamant‘ – sondern: ‚ungeschliffen‘.“ Aber er hätte dann nicht den Ehrgeiz gehabt, vielleicht nicht die Kraft, noch mal in die Vollen zu gehen: „Gallus, habe ich mir gesagt, da musst du dich entscheiden, willst du auf die Fährte setzen, ich schreibe selbst was und vielleicht wird was draus und vielleicht auch nicht – oder machst du weiter, wo ich jetzt schon weiß, dass ich es kann und dass es zumindest von ein paar Leuten gelesen wird.“ Er hat sich entschieden. Aber ist die Entscheidung auch gültig? „Es tut nicht weh“, sagt er nun abschließend: „Ich denke auch nicht von mir: Eigentlich geht der Welt was ab, geht ihr was verloren, wenn ich nicht dran bleibe.“ Will zum nächsten Thema springen (gleich!), sagt dann: „Obwohl, manchmal lese ich schon ein Buch, wo ich ein wenig überheblich denke …“
„Es sind die guten Bücher, die mich wirklich verblüffen und die meine Welten bei weitem überschreiten“, setzt er nach. Wie bei Rolf Lappert. „Dieser Rolf Lappert“, sagt er und schnalzt fast mit der Zunge: „Dieses episch breite Erzählen – ich habe keine Ahnung, wie ich das angehen würde. Also was der Rolf Lappert jedes Mal abliefere: „Ein Monolith! Und nicht eine Ansammlung von Steinen.“
Heute Abend wird er ihn moderieren, im Literaturhaus Thurgau, sozusagen nebenan, das Haus, dass er seit einiger Zeit leitet, dazu später mehr: „Ich mache das wahnsinnig gerne, ich moderiere extrem gerne.“ Der Rolf Lappert war schon bei ihm zu Hause, war zu Gast, las, man sprach, man aß gemeinsam, am Familientisch, „Literatur am Tisch“, heißt die Veranstaltung, falls ‚Veranstaltung‘ noch der richtige Begriff ist. „Wenn ich dann noch die Autoren persönlich kenne“, ist er wieder bei heute Abend, bei den Stunden, die noch kommen werden, „macht das nur Freude, und ich genieße dieses Engagement. Wenn ich Programm mache, das ist wie ein Geschenk. Ich habe quasi eine Freikarte, mir die Leute ins Haus zu holen, die ich gerne habe. Wer kann das schon? Ich! Finde ich super.“
Das Beste sei gewesen, dass ihn die Stiftung, die das Literaturhaus Thurgau führt und also finanziert, angefragt habe, ob er sich das vorstellen kann: eben jenes Haus die nächsten drei Jahre zu leiten: „Das setzt ja voraus, dass man das Gefühl hat, ich sei der richtige Mann für diese Aufgabe. Weil: Hätte ich mich bewerben müssen, hätte ich niemals den Mut gehabt.“ Er habe ja nicht Literaturwissenschaft studiert. Er sagt und sagt es mit schlichter Präsenz: „Ich bin in erster Linie ein Leser.“
Und nun steht der abschließende Kaffee vor uns, in Espresso-Form und wuchtig-schaumig als Latte macciato, der danach ruft, dass man mit dem langstieligen Löffel rührt und rührt, dass sich Kaffeebraun und Milchweiß mischt: „Mein Glück ist, dass ich vor fünf Jahren mit dieser Bloggerei begonnen habe. Weißt du, da fängst du an und dann siehst du Besucherzahlen, hast pro Tag zwei Besucher. Das war für mich schon verblüffend, dass diese fünf Jahre, die ich das jetzt mache, das Bloggen, das sie gereicht haben, dass ich zumindest in der kleinen Literaturszene Schweiz meinen Platz bekommen habe. Das war nicht mein Ziel! Es war eine schöne Begleiterscheinung.“
Sein eigentliches Rückgrat sind zuvor seine ‚Literaturblätter‘, handschriftlich niedergeschrieben empfiehlt er je vier herausragende Bücher fünfmal im Jahr; seit zehn Jahren gibt er sie verschickend heraus, nur an zahlende Abonnenten, von denen er gut 200 hat, die „Freunde der Literaturblätter“. Und dann, vor fünfeinhalb Jahren, hat er, der hauptberufliche Lehrer („‘Primarlehrer‘ sagt man bei uns in der Schweiz, also ‚Grundschullehrer‘ bei euch“, sagt er), ein Burnout: „Vor dem Burnout hat mir mein Schwiegersohn auf meinen Geburtstag die Domäne geschenkt, weil er der Meinung war: ‚Gallus, du musst Werbung machen für dein Literaturblatt‘.“ Und dann hat er diese Domäne. Mehr nicht. Er holt tief Luft: „Ja, dann war dieses Burnout, ich musste mich irgendwie beschäftigten, habe angefangen mit diesem Literaturblatt.ch, aus einer Not heraus, ich musste eine Aufgabe haben – in einer Zeit, wo ich dachte: Ich kann nie wieder unterrichten, ich hatte Angst auf der Straße meinen Schülern zu begegnen, ich hatte Existenzängste, ich war ja schon über 50 und fragte mich: Wozu kann man mich noch brauchen?“ Er nickt: „Und da war dieses Literaturblatt.ch genau das Richtige.“
Das war die erste Initialzündung. Und dann die zweite, da ist der März vorbei, das Frühjahr steht vor der Tür, er kann sechs Einträge, also Beiträge auf seinem Literaturblatt-Blog vorweisen: „Und dann habe ich stinkfrech das Literaturfestival im Leukerbad angefragt, ob ich für meinen Blog über das Festival berichten darf.“ Ja, natürlich dürfe er. Er fährt hin, er meldet sich bei der Festivalleitung an, stellt sich vor; sagt, wer er ist: „Ich hatte schon erwartet, dass ich eine Dauerkarte für die Lesungen bekomme – aber die haben mir das Hotel bezahlt!“ Und dann, nach einem kurzen Moment, platzt es aus ihm heraus, eine kleine Freudenexplosion: „Das war so schön!“ Sagt: „Ich hatte noch keine Klicks, hatte gar nichts, niemand hat mich gekannt und die bezahlen mir das Hotel.“ Und er weiß damals, dass er gelesen wird, dass man ihn wahrnimmt, und er sagt abschließend: „Es war eine Erleuchtung.
“ Ich schaue ihn an, sehe, wie er sich noch heute freut, wie er glücklich ist, nebenan wird neu eingedeckt, der Stadtbus ist zu hören, wie der Fahrer die Gänge schaltet, die nächste Uhrzeit wird glockenschlagend verkündet, wir nicken uns zu, stehen auf, rücken dabei die Stühle knarrend zurück, er greift nach seinem Rollkoffer: „Wollen wir noch eine kleine Runde gehen? Da oben gibt es noch eine Buchhandlung …“
1000 Artikel auf der Literaturplattform «literaturblatt.ch». 1000mal war das Buch im Zentrum. 1000 Aufrufe, Bücher zu lesen – und zwar die richtigen. Rezensionen, Interviews, Berichte, Veranstaltungshinweise und viele Gastbeiträge von Schriftstellerinnen und Schriftstellern. 1000mal Danke!
«Ich bin gerade im Urlaub und geniesse es, den Literaturbetrieb ganz weit wegzuschieben, aber Ihre Literaturseite hat mit all dem, was mich daran nervt und herausfordert, so gar nichts zu tun. Wunderbar», schrieb Mareike Krügel, nachdem ich ihr meine Rezension zugesandt hatte. Auch für mich wunderbar, denn durch Begegnungen bei Lesungen und Interviews wird aus der Lektüre eines oder mehrerer Bücher ein kostbares Stück Vertrautheit, manchmal gar eine Freundschaft. Mein grösster Lohn für das Schreiben!
Danke Ruth Loosli
Vor etwas mehr als fünf Jahren ging mein erster Bericht online. Niemand las ihn, als er erschien, denn niemand kannte das, was damals ganz zaghaft seinen Anfang nahm. Damals, es war eine schwere Zeit für mich, eine eigentliche Lebenskrise, schrieb und zeichnete ich schon meine «analogen» Literaturblätter, organisierte Lesungen, darunter Hauslesungen bei uns zuhause im Wohnzimmer und verschiedene Lesekreise. Die Webseite sollte eine Werbeplattform sein, ein kleines Nebengeleise. Aber es kam ganz anders. Heute investiere ich den grössten Teil meiner Literaturvermittlung in literaturblatt.ch. Nicht nur weil hier mein Publikum am grössten ist, sondern weil die Plattform längst zur Grundlage meines Engagements geworden ist.
Ich verneige mich vor der Literatur, der Kunst, die so oft ganz uneigennützig, nur seiner selbst Willen geschieht. Vor all jenen, die sich mit ganzer Kraft und unsäglicher Leidenschaft und Disziplin an die Erschaffung der Welt machen, denn in der Kunst spiegelt sich die Wirklichkeit.
Ich würde mich freuen, wenn es zum 1000sten Bericht auf literaturblatt.ch einige Reaktionen gäbe, die ich dann wiederum veröffentlichen darf. -> info@literaturblatt.ch!
«Tausend! Potztausend. Der Tausendfüssler hat weniger Beine als gemeinhin angenommen. Tausend Beiträge auf Literaturblatt.ch sind viel mehr Arbeit, als man denken sollte. Ja, Arbeit. Wer wüsste das besser als wir, die schreiben? Erst kommt die Denkarbeit. Lesen und denken, das ginge ja noch. Wenn man nur nicht die Gedanken in Worte fassen müsste. Und dann auch noch Worte finden über die Worte und Sätze der anderen. Das ist eine ganz eigene Disziplin. Über Literatur schreiben. Oscar Wilde war der Ansicht, dass sei sogar eine grössere Kunst als das literarische Schreiben selbst. In jedem Fall erfordert es Kenntnis und Verständnis, den Kopf und das Herz. Und ein bisschen verrückt muss man sein. Ein Tausendsassa. Herzlichen Glückwunsch Gallus Frei-Tomic. Schön, dass Sie auf wunderbare Art vom Hundertsten ins Tausendste gekommen sind. Auf tausend mehr! Ihre Daniela Engist.»
Die Stadt Amriswil schreibt viele Geschichten: Schulkinder entdecken ihr literarisches Talent. Am ersten Schreibwettbewerb der Volksschulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri haben 355 Schülerinnen und Schüler mitgemacht. Die vier Besten sind jetzt ausgezeichnet worden.
von Barbara Hettich
«Ein paar Sekunden» – so lautet der Titel einer Geschichte, die Aline Popp, Schülerin der 3. Sekundarstufe, eingereicht hat. Sie erzählt von einem Dilemma, das ihre Heldin innerlich fast zerreisst: Ihr Freund hat mit dem Auto ihre Eltern zu Tode gefahren. In seiner Laudatio würdigte Jens Steiner, Schriftsteller und Jurymitglied, die Geschichte von Aline Popp: Aline Popp beschreibt Ambivalenzen behutsam, spürt den emotionalen Umschwüngen akkurat nach und gelangt zu einer Wahrhaftigkeit, die die Jury sehr beeindruckt hat.
An der Preisverleihung im Kulturforum Amriswil am Mittwochnachmittag durfte Aline Popp als Gewinnerin der Kategorie D (Oberstufe) ihren Preis – Urkunde, Büchlein, gravierter Stift und Büchergutschein – entgegennehmen.
Das Thema «Freundin verloren/Freund verloren» war bei der Wettbewerbsausschreibung klar vorgegeben. Und dieses Thema hat insbesondere Mädchen sowie die Fünft- und Sechstklässler (Kategorie C) angesprochen. Jedenfalls wurden in dieser Kategorie die meisten Arbeiten eingereicht.
Maëlle Emma Schenk hat sich durchgesetzt und mit ihrem Text «Für immer verloren …» die Jury überzeugt. Mit klarer Stimme liest sie dem Publikum ihre Geschichte vor. Sie erzählt von einem Mädchen, das seine beste Freundin durch einen Streit verloren hat, eine neue findet, diese verliert und zu guter Letzt wieder findet. Jurypräsident Gallus Frei würdigte die Arbeit der Fünftklässlerin mit folgenden Worten: Maëlle Emma Schenk erzählt mit viel Empathie, ohne die Geschichte mit überschwänglichen Emotionen vollzustopfen.
Mit einer Kriminalgeschichte hat sich Tim Ayan Schnyder auf den vordersten Platz in der Kategorie B (Dritt- und Viertklässler) geschrieben. In der Geschichte «Der Mann mit dem braunen Kittel» erzählt er von zwei Freunden, die von einer Verbrecherbande entführt wurden. Katja Alves, Schriftstellerin und Jurymitglied, fand für die Arbeit anerkennende Worte: Tim wählt für seine Geschichte Motive und Szenarien, die man aus Filmen und Games zwar kennen mag, schafft es jedoch, eine eigenständige spannende Geschichte zu erzählen.
Warum sollen die Bäume im Wald nicht miteinander reden können? Anna Keller hat sich in der Kategorie A (Erst- und Zweitklässler) mit einer kurzen und fantasievollen Geschichte mit dem Titel «Der Wind» in die Herzen der Juroren geschrieben. Journalist und Jurymitglied Urs Bader lobte diesen Beitrag so: Einfühlsam berichtet sie vom Schicksal zweier Blätter, die ausgerechnet nach einem Streit auseinandergerissen werden. Was aus ihnen wird, bleibt offen. Auch deshalb ist die Geschichte anrührend.
«Schreiben soll nicht nur Pflicht sein, Geschichten sollen für ein Publikum geschrieben werden», sagt Gallus Frei, Lehrer und Literaturvermittler. «Es gibt Kunstwettbewerbe, Musikwettbewerbe, Sportwettbewerbe, ja sogar Mathematikwettbewerbe – warum sollte es in unserer Schulgemeinde also nicht auch einen Schreibwettbewerb geben?» Mit dieser Frage hat sich Gallus Frei seit längerer Zeit auseinandergesetzt und vergangenes Jahr den ersten Schreibwettbewerb der Volksschulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri initiiert. Gallus Frei sass gemeinsam mit dem Journalisten Urs Bader, mit der Schriftstellerin Katja Alves und dem Schriftsteller Jens Steiner in der Jury. Von den rund 1700 Schülerinnen und Schülern von der 1. Primar- bis zur 3. Sekundarklasse haben 355 Kinder und Jugendliche eine Geschichte eingereicht. 50 Geschichten kamen in die engere Auswahl, wurden von den Juroren nochmals gelesen und 20 davon ausgesucht, die nun im Büchlein «Amriswil schreibt 2020/2021» veröffentlicht wurden. Das Büchlein, ausgeschmückt mit Illustrationen von Lea Frei, kann man für 10 Franken im Schulbüro kaufen. «Ich bin sehr stolz auf euch», würdigte Schulpräsident Christoph Kohler an der Preisverleihung das Engagement aller Beteiligten. Einander verstehen sei wichtig, eine gute Sprachbildung sei schon deshalb von zentraler Bedeutung.