Der 1. Schreibwettbewerb «Amriswil schreibt» ist Geschichte

Die Stadt Amriswil schreibt viele Geschichten: Schulkinder entdecken ihr literarisches Talent. Am ersten Schreibwettbewerb der Volksschulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri haben 355 Schülerinnen und Schüler mitgemacht. Die vier Besten sind jetzt ausgezeichnet worden.

von Barbara Hettich

«Ein paar Sekunden» – so lautet der Titel einer Geschichte, die Aline Popp, Schülerin der 3. Sekundarstufe, eingereicht hat. Sie erzählt von einem Dilemma, das ihre Heldin innerlich fast zerreisst: Ihr Freund hat mit dem Auto ihre Eltern zu Tode gefahren. In seiner Laudatio würdigte Jens Steiner, Schriftsteller und Jurymitglied, die Geschichte von Aline Popp:
Aline Popp beschreibt Ambivalenzen behutsam, spürt den emotionalen Umschwüngen akkurat nach und gelangt zu einer Wahrhaftigkeit, die die Jury sehr beeindruckt hat.

An der Preisverleihung im Kulturforum Amriswil am Mittwochnachmittag durfte Aline Popp als Gewinnerin der Kategorie D (Oberstufe) ihren Preis – Urkunde, Büchlein, gravierter Stift und Büchergutschein – entgegennehmen.

Das Thema «Freundin verloren/Freund verloren» war bei der Wettbewerbsausschreibung klar vorgegeben. Und dieses Thema hat insbesondere Mädchen sowie die Fünft- und Sechstklässler (Kategorie C) angesprochen. Jedenfalls wurden in dieser Kategorie die meisten Arbeiten eingereicht.

Maëlle Emma Schenk hat sich durchgesetzt und mit ihrem Text «Für immer verloren …» die Jury überzeugt. Mit klarer Stimme liest sie dem Publikum ihre Geschichte vor. Sie erzählt von einem Mädchen, das seine beste Freundin durch einen Streit verloren hat, eine neue findet, diese verliert und zu guter Letzt wieder findet. Jurypräsident Gallus Frei würdigte die Arbeit der Fünftklässlerin mit folgenden Worten: Maëlle Emma Schenk erzählt mit viel Empathie, ohne die Geschichte mit überschwänglichen Emotionen vollzustopfen.

Mit einer Kriminalgeschichte hat sich Tim Ayan Schnyder auf den vordersten Platz in der Kategorie B (Dritt- und Viertklässler) geschrieben. In der Geschichte «Der Mann mit dem braunen Kittel» erzählt er von zwei Freunden, die von einer Verbrecherbande entführt wurden. Katja Alves, Schriftstellerin und Jurymitglied, fand für die Arbeit anerkennende Worte: Tim wählt für seine Geschichte Motive und Szenarien, die man aus Filmen und Games zwar kennen mag, schafft es jedoch, eine eigenständige spannende Geschichte zu erzählen.

Warum sollen die Bäume im Wald nicht miteinander reden können? Anna Keller hat sich in der Kategorie A (Erst- und Zweitklässler) mit einer kurzen und fantasievollen Geschichte mit dem Titel «Der Wind» in die Herzen der Juroren geschrieben. Journalist und Jurymitglied Urs Bader lobte diesen Beitrag so: Einfühlsam berichtet sie vom Schicksal zweier Blätter, die ausgerechnet nach einem Streit auseinandergerissen werden. Was aus ihnen wird, bleibt offen. Auch deshalb ist die Geschichte anrührend.

«Schreiben soll nicht nur Pflicht sein, Geschichten sollen für ein Publikum geschrieben werden», sagt Gallus Frei, Lehrer und Literaturvermittler. «Es gibt Kunstwettbewerbe, Musikwettbewerbe, Sportwettbewerbe, ja sogar Mathematikwettbewerbe – warum sollte es in unserer Schulgemeinde also nicht auch einen Schreibwettbewerb geben?» Mit dieser Frage hat sich Gallus Frei seit längerer Zeit auseinandergesetzt und vergangenes Jahr den ersten Schreibwettbewerb der Volksschulgemeinde Amriswil-Hefenhofen-Sommeri initiiert. Gallus Frei sass gemeinsam mit dem Journalisten Urs Bader, mit der Schriftstellerin Katja Alves und dem Schriftsteller Jens Steiner in der Jury. Von den rund 1700 Schülerinnen und Schülern von der 1. Primar- bis zur 3. Sekundarklasse haben 355 Kinder und Jugendliche eine Geschichte eingereicht. 50 Geschichten kamen in die engere Auswahl, wurden von den Juroren nochmals gelesen und 20 davon ausgesucht, die nun im Büchlein «Amriswil schreibt 2020/2021» veröffentlicht wurden. Das Büchlein, ausgeschmückt mit Illustrationen von Lea Frei, kann man für 10 Franken im Schulbüro kaufen. «Ich bin sehr stolz auf euch», würdigte Schulpräsident Christoph Kohler an der Preisverleihung das Engagement aller Beteiligten. Einander verstehen sei wichtig, eine gute Sprachbildung sei schon deshalb von zentraler Bedeutung.

Beitragsbild © Barbara Hettich (Die vier Preisträger vlnr Aline Popp, Anna Keller, Tim Ayan Schnyder und Maëlle Emma Schenk)

Lea Frei zeichnet an den Solothurner Literaturtagen

Lyrikerin «Auch Götter haben Gärten»

Schriftsteller, Lyriker «Mund und Amselfloh»

Moderator und Autor

Ruth Schweikert, Schriftstellerin «Tage wie Hunde»

Viola Rohner, Schriftstellerin «42 Grad»

Rolf Hermann, Schriftsteller «Flüchtiges Zuhause»

Tim Krohn, Schriftsteller «Julia Sommer sät aus», «Engadiner Abgründe» (unter dem Pseudonym Gian Maria Calonder)

Katja Alves, Moderatorin und Schriftstellerin

Auf dem Beitragsbild von links nach rechts: Donat Blum (Moderator, Schriftsteller «Opoe», Micha Friemel (Schriftstellerin und Preisträgerin des OpenNet Schreibwettbewerbs 2019), Ruth Schweikert (Schriftstellerin «Tage wie Hunde» 2016 Trägerin des Solothurner Literaturpreises), Ralph Tharayil (Schriftsteller, arbeitet an seinem Debütroman) und Rolf Hermann (Schriftsteller, Lyriker «Flüchtiges Zuhause»)

Alle Zeichnungen © Lea Frei (lea.frei@gmx.ch)