Joseph Zoderer wird 85. Andere sind dann alt. Zumindest in seinem Schreiben, in seinem Dichten ist es Joseph Zoderer nicht. Seine Lyrik ist eine glühend heisse Stimme. Die Stimme eines Mannes, der Jahrringe wie Schmuck um sich trägt, Geschichte, Wissen, Erfahrungen, tiefes Empfinden darin verborgen.
Vor einigen Tagen stand ich in einer kleinen Bar zwischen meinen Musikerfreunden Christian Berger und Domonic Doppler, der eine mit seinen Gitarren, der andere hinter seinem Schlagzeug. Zu dritt gaben wir dem vierten eine Stimme, dem Dichter aus Bruneck im Südtirol, dem nie alten Mann, der im kommenden November an einem Sonntag die Stadt St. Gallen besuchen wird, uns und die Stadt mit seiner Dichtung zu beschenken.
Der Abend in der kleinen B-Post-St. Gallen-St. Georgen war die Stimmung da hinein, ein weiterer Schritt in einem Abenteuer, auf einem Tauchgang in Sprachtiefen.
Es begann vor mehr als einem Jahr, als ich wusste, ich würde einen Sommer in Südtirol, in Meran verbringen. Ich würde Zeit haben zu schreiben. Ich deckte mich zu mit Stoff, wenn aus mir nichts gedeihen würde, suchte nach Stimmen aus der Gegend rund um Meran und stiess auf den Dichter, der in einer alten Fabrikantenvilla in Bruneck den Fäden seiner Sprache nachspürt.
Ich las Romane, Erzählungen und irgendwann auch seine Gedichte, die mich trafen wie ein sanfter Blitz, dessen Leuchten blieb, sich der Nachglanz seiner Sprache im Alltag nie ganz verlor.
Ich las seine Gedichte immer wieder, las sie vor, meiner Frau, meinen Freunden und irgendwann den beiden Musikern, bei denen sofort klar war, dass sie der Musik mehr als offen stehen.
Liebesgedichte eines alten Mannes, als wäre alle Liebe in ihm geblieben, voller Sehnsucht und Leidenschaft. Nichts spürbar von abgeklärter Müdigkeit, von vergeistigter Distanz, von sprachlichem Snobismus. Seine Sprachbilder formen mit der Musik der beiden Musiker Räume, die über den Text hinauswachsen.
Joseph Zoderer wollte im kommenden November mit Ariane von Graffenried, Wolfgang Herrmann und Thilo Krause und zusammen mit den Musikern Christian Berger (Gitarren) und Dominic Doppler (Schlagzeug) St. Gallen besuchen. Internationale Tage für Musik und Poesie im Theater 111, an der Grossackerstrasse in St. Gallen. Vier Veranstaltungen, die Lyrik auf ganz besondere Weise performen, vier Stimmen, die sich mit Musik vermählen. Leider ist Joseph Zoderer aber erkrankt und kann die Reise nicht antreten.
Für Joseph Zoderer reist die junge Schweizerin Michelle Steinbeck mit ihrem Gedichtband «Eingesperrte Vögel singen mehr» von Hamburg nach St. Gallen. Seien sie sicher, an diesem Sonntag schlägt Lyrik ein!
Reservieren Sie:
Sonntag, 10. November, 11h: Wolfgang Hermann
Sonntag, 17. November, 11h: Michelle Steinbeck
Donnerstag, 21. November, 20h: Ariane von Graffenried
Sonntag, 24. November, 11h: Thilo Krause

Ariane von Graffenried (1978) ist Autorin und
Thilo Krause geboren 1977 in Dresden, lebt in Zürich.
Wolfgang Hermann wuchs in Dornbirn in Vorarlberg auf und studierte ab 1981 Philosophie und Germanistik an der Universität Wien. 1986 promovierte er mit einer Arbeit über Friedrich Hölderlin zum Doktor der Philosophie. Anschliessend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Wien. Seit 1987 ist er freier Schriftsteller. 1992 nahm er am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Von 1996 bis 1998 arbeitete er als Lektor an der Sophia-Universität in Tokio.
Joseph Zoderer, geboren 1935 in Meran, lebt als






Warum lassen sich nicht mehr Literaturinteressierte an einen Ort locken, der versucht, aus einem Buch, einer Lesung mehr als nur einen eine Stunde «Vorlesen» zu machen? «Wortklang – Klangwort» will Text und Musik ineinander verweben, sowohl den Sound des Textes wie den der Musik verstärken. Wer im Publikum sitzt, dem werden Türen geöffnet, die sonst verschlossen bleiben. Türen, die sich selbst den AkteurInnen auf der Bühne erst während des Zusammenspiels erschliessen.






Michelle Steinbeck, 1990 geboren, ist Redaktorin der Fabrikzeitung (Rote Fabrik, Zürich), Veranstalterin und Mitglied von „Babelsprech, junge deutschsprachige Lyrik“. Sie veröffentlichte Prosa, Lyrik und Szenen in Sammelbänden, Heften, im Rundfunk und auf Theaterbühnen. «Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch» war ihr erster Roman, mit dem sie 2016 sowohl für den Schweizer wie für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Michelle Steinbeck stellt zusammen mit dem Musikerduo Christian Berger und Dominic Doppler Gedichte und Kurzprosa aus ihrem frisch erschienen Gedichtband «Eingesperrte Vögel singen mehr» (Voland & Quist) vor.




