Es fühlt sich an wie im freien Fall

Im Tagblatt vom 5. September war folgender Bericht von Mirjam Bächtold zu lesen. Grund genug, um am kommenden Samstag die musikalische Lesung mit Arja Lobsiger und dem Duo STORIES im Theater 111 in St. Gallen zu besuchen. Mehr Informationen unter christianberger.ch!

„Stories!“

Yaël Inokai las aus „Mahlstrom“ und die Musiker Christian Berger und Dominic Doppler interagierten mit ihrem Sound auf das, was die Autorin mit ihrem Text preisgab. Ein ganz spezielle Abend in einem ganz speziellen Ort. Hier die ersten Eindrücke:

«Einen anderthalbstündigen Spaziergang in meinem Buch. Mit dabei: Christian Berger und Dominic Doppler, die musikalisch den Weg bereitet haben. Laufen, gehen, stehen bleiben, anschauen, weitergehen, staunen … ohne Fragen, ohne Erklärung. Weil Literatur auch manchmal einfach da sein muss. Werde ich nicht vergessen.» Yaël Inokai

Bilder: Sandra Kottonau

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Lesen selbst ist einsames Tun. Noch viel mehr, wenn es an dem Ort still und ruhig ist, alles andere Tun eine Atempause einlegt. Aber weil mein Lesen mehr sein soll als nur die Salbung meiner Seele, das Glätten innerer Wallung, das stille Aufreissen oder einfach gute Unterhaltung, geniesse ich es, wenn in Gesprächen, Briefwechseln, dem Austausch das Buch zum Medium wird. Wie bei einer Seance. Wenn der Tisch zu beben beginnt, wenn durch das Medium die Welt dahinter zu Wort kommt.

Nachdem ich eine Rezension online gesetzt hatte, ging es nicht lange, bis auf diese eine Reaktion anklopfte. Eine jener Reaktionen für die sich all das lohnt, wofür man auf schmächtigem Pferd und lottrigen Harnisch für die Literatur ins Feld zieht:

„Lieber Herr Frei-Tomic!

Vielen herzlichen Dank für die sehr schöne Besprechung, über die ich mich sehr gefreut habe! Sie ist auch die allererste Reaktion aus der Schweiz. Sie werden lachen, denn zu dieser Passage — «Andrea Scrima ist eine Meisterin des Sehens, vermag mit ihrer feinen Wahrnehmung Oberflächen aufzubrechen, dahinter liegende Schichten freizulegen. Genau das Gegenteilige von dem, was in der Malerei sehr oft passiert.» — muss ich sagen, das ich ungefähr genauso gemalt habe, darunterliegende Schichten freizulegen, mit anderen Worten, Ihre Beschreibung des Buches könnte genauso eine Beschreibung meiner Kunst sein. Ich grüße Sie herzlich aus Berlin. Andrea Scrima“

Nun mache ich mir mein grösstes Geschenk selber. Ich lade zusammen mit den Musikern Christian Berger (Saiteninstrumente) und Dominic Doppler fünf junge Autorinnen nach St. Gallen ins Theater 111 ein. Dort werden sie aus ihren Büchern vorlesen und die Musiker in die Lesung eingefügt, die musikalischen Bilder dazu malen.

Wie sehr ich mich auf ein volles Theater 111 freue. Reservationen sind von Vorteil! Infos unter www.theater111.ch!

Auf bald!

Yaël Inokai liest, Christian Berger und Dominic Doppler im musikalischen Austausch

Am Samstag, den 9. Juni 2018 liest die aus Berlin angereisende Schriftstellerin Yaël Inokai (Schweizer Literaturpreis) zusammen mit dem Musikerduo STORIES aus ihrem preisgekrönten Roman „Mahlstrom“. Die Lesung im Theater 111 in St. Gallen beginnt um 20 Uhr. Türöffnung ist um 19 Uhr.

Die Lesung mit Yaël Inokai ist die erste einer ganz speziellen Reihe, die Literatur mit improvisierte Musik verbinden will. Auch in den folgenden Lesungen agiert STORIES mit Aria Lobsiger (Jakob bleibt), Dana Grigorcea (Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen), Julia Weber (Immer ist alles schön) und Noëmi Lerch (Grit) über Herbst und Winter fortgesetzt (weitere Informationen hier).

Christian Berger (Saiteninstrumente) und Dominic Doppler (Percussion) sind zwei Klangforscher, die nicht bloss den literarischen Text musikalisch illustrieren. Musikimprovisation soll in einen Dialog mit dem gelesenen, vorgetragenen Text treten. Die Musik reagiert auf den Text, entgegnet ihm, Zwiespache haltend. Im Idealfall sogar soll die Musik auf das Auftreten der Autorin reagieren. Christian Berger und Dominic Doppler beschäftigen sich dabei im Vorfeld intensiv mit den gemeinsam vereinbarten Textstellen aus den jeweiligen literarischen Texten. Trotzdem bleibt viel Freiheit, viel Risiko, viel Abenteuer, sowohl für die Akteure im kleinen Theater 111, wie die Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich dem Wagnis aussetzen werden. (Wie klingt die Musik? Hören Sie hier.)

Yaël Inokai, (vormals Pieren) geboren 1989, arbeitete als Fremdenführerin. Sie veröffentlichte in verschiedenen Literaturzeitschriften und war Hildesheimer Stadtschreiberin. Nach ihrem viel beachteten Debüt „Storchenbiss“ (2012) legte sie 2017 mit „Mahlstrom“ ihren zweiten Roman vor. Barbara, die sich mit zweiundzwanzig im Fluss ertränkt. Ihr Tod, der im ganzen Dorf die Telefone schellen lässt, bringt die anderen zum Reden. Mahlstrom erzählt die Geschichte sechs junger Menschen, die in einer dicht verwobenen Dorfgemeinschaft herangewachsen sind. Zugleich geschützt und bedroht von den engen Banden, sind sie im Erwachsenenleben angekommen und stecken doch noch knietief in ihrer Kindheit. Erst Barbaras Selbstmord bringt den Stein ins Rollen und zwingt die Übriggebliebenen, sich mehr als zehn Jahre nach dem Verbrechen dem Geschehenen zu stellen.

Beginn der Lesereihe (Lesereise) im Theater 111, St. Gallen

Am Samstag, den 9. Juni ist es soweit. Yaël Inokai liest im Theater 111 in St. Gallen aus ihrem preisgekrönten Roman «Mahlstrom». Eine Lesung, in der sich Literatur und Musik begegnen. Christian Berger (Saiteninstrumente) und Dominic Doppler (Percussion) garantieren zusammen mit der Autorin für ein besonderes Hörvergnügen!

aus der aktuellen Nummer des Ostschweizer Kulturmagazins «Saiten»

Dana Grigorcea „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“, Dörlemann

Eine Novelle über den Beginn einer Liebe. Die transformierte Geschichte Anton Tschechows „Die Dame mit dem Hündchen“, die er 1899 schrieb, in die Gegenwart, nach Zürich versetzt. Eine zufällige Begegnung, die offenlässt, ob es ein grosser Beginn oder schon das leise Ende ist.

Ein warmer Frühlingstag am See. Hungrig nach Sonne und Wärme sitzen die Menschen in Cafés und spazieren an der Seepromenade. An einem der Tische treffen sich Anna, die Ballerina, mit ihrem Hündchen und Gürkan, der Gärtner. Sie verheiratet mit einem Arzt, er, ein Kurde, vor vielen Jahren mit seiner Familie aus der Türkei in die Schweiz gezogen. Sie beide in einer Atempause. Entgegen ihren Gewohnheiten wird aus der Zufälligkeit ein gemeinsamer Spaziergang, bei dem Anna nicht nur zuhört. Gürkan fasziniert; sein Gesicht, seine Stimme und die scheue Art, die ihn von den sonstigen Avancen anderer Männer abhebt. Anna fühlt sich hingezogen, nicht nur weil er jünger als sie zu sein scheint. Sie treffen sich wieder, immer wieder, fast jeden Tag. Gürkan entschuldigt sich für seine Küsse. Während er sich immer tiefer in den Zwist mit seinem Gewissen manövriert, treibt es Anna immer offensichtlicher hin, ihre Leidenschaft für diesen Mann in die Öffentlichkeit zu tragen. Während es Gürkan zu zerreissen droht, provoziert sie immer offensiver das Schicksal. Etwas, was auch ihr Mann spürt und die Umgebung an Ihrem Arbeitsplatz. So sehr, dass sie unverhofft zu einem vielleicht letzten Engagement als Primaballerina kommt. Noch einmal eine Hauptrolle. Gürkan droht in seinem inneren Zwist zu versinken, während der Stern Annas noch einmal alles überstrahlen soll.

Und trotzdem; Anna fragt sich „War sie denn wirklich verliebt?“ Ein Mann nur Mittel zum Zweck? Ein Spiel? Irgendwann taucht Anna am Wohnort Gürkans auf, in einer Gegend mit Wohnblöcken. Einmal provoziert sie ein Treffen mit ihm und seiner Frau auf einem Flohmarkt in seinem Wohnort. Ein Treffen, das ihr zu gefallen scheint, während es ihn in Panik versetzt.

“Die Dame mit dem Hündchen“ von Anton Tschechow ins Jetzt versetzt. Die Gewichte sind vertauscht und doch bleibt in der Novelle von Dana Grigorcea viel vom Liebreiz Tschechows Novelle. Eine Lektüre für einen Abend. Als hätte ein Musiker ein Stück neu arrangiert. Die Liebe zweier Menschen, die zur Lüge zwingt.

Herausgegeben vom Dörlemann Verlag in Zürich, einem Verlag, der sich in ganz besonderer Weise um das gute und schöne Buch bemüht. Ein Verlag, der der Novelle „Die Dame mir dem maghrebinischen Hündchen“ mit viel Mut schon jetzt das Kleid eines „kleinen“ Klassikers gibt. Mit Sicherheit ein Geschenk an die Stadt Zürich. Ein Buch wie ein Spaziergang im Frühling am See.

Dana Grigorcea liest im Rahmen der von Christian Berger und mir organisierten Lesereihe mit jungen Schweizer Autorinnen am Samstag, den 3. November 2018, 20 Uhr, im Theater 111, in St. Gallen. Für weitere Informationen klicken Sie hier.

Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, studierte Deutsche und Niederländische Philologie in Bukarest und Brüssel. Mit einem Auszug aus dem Roman „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“ wurde Dana Grigorcea in Klagenfurt beim Ingeborg Bachmann-­Wettbewerb 2015 mit dem 3sat-­Preis ausgezeichnet. Ihr Erstling „Baba Rada. Das Leben ist vergänglich wie die Kopfhaare“ ist im Oktober 2015 ebenfalls im Dörlemann Verlag erschienen. Nach Jahren in Deutschland und Österreich lebt sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Perikles Monioudis, und Kindern in Zürich.