Eva Roth und Alice Grünfelder «Das Wetter in einem Jahr», ein Langgedicht

Januar

              Das Wetter hat kein Ende.
Der Himmel ist glatt.
              Wenn hinter dem Himmel nichts ist
              nur Blau und Sonnenschein
              schönes Wetter – 
Tagelang, wochenlang geht es so.

Februar

Die Wolken brechen,
als wären sie hart
darüber reißt der Himmel
schreit grell das Licht
darunter liegt milchig die Stadt.

              Ein Milan treibt zwischen den Giebeln
              kreuzt den Flug eines beschriebenen Papiers.

März

Sonniges Glück wird überschätzt.

              Sagst ausgerechnet du?

Mit dem Glück ist es wie mit
der Wolke am Himmel.

April

Tief hängt der Himmel und trieft
Autos rauschen im Kreis.

              Es rauscht in meinem Ohr.

Ein Funkeln drüben am Berg, eine Antenne vielleicht
vor uns ein Rest Landstraße.

Mai

Das Karussell dreht
singt vom Abendrot und wilden Pferden.

Wir lutschen an einem Herz und lachen,
als ob die Lichter niemals löschten.

              So flirrt die Nacht
              und zerrt an Sehnen, 
              Nerven, Lüsten, bis sie reißen.

Ich glaube an Drachenschnüre
und fürchte mich vor dem Sturzflug. 

              Aber wir fliegen nicht, wir hängen.

Wie ein Knäuel am Jo-Jo
drehen wir ein
drehen wir aus.
Wir zwei im Blitzlicht, nackt.

Wir drehen uns schwindlig

vergessen die Schnur und 
halten uns fest, du an mir und ich an dir.
Wir drehen uns atemlos.

              Bis das Jo-Jo in die Leine fällt

bis wir nachfedern
bis wir still hängen 
und die Sonne schwarz in den See fällt.

Juni

Nachts kommen sie aus Spalten und Ritzen 
huschen durch Rohre und Rinnen
verschwinden

              und lassen den Schwan auf der Wiese zurück.

Frisch gewaschen steht er im Scheinwerferlicht.

              Wenn das Geschrei anhebt
              flattern sie, drehen, keifen.

Wer?

              Die Verwandten der Ratten und Schwäne.

Juli

Schlamm wälzt sich uns entgegen 
dampft
wir drängen uns auf den Dämmen.
Ein Getöse hebt an. 
Ein Glockengeläut, ein Zittern in der Luft,
ein Grollen. Die tiefste Glocke setzt aus
stimmt wieder ein 
im Ohr verschwimmen die Klänge 
in die abrupte Stille hinein das Gurren einer Taube 
überlaut und wie von einem Band abgespult.

              «Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer,
              der Sommer liegt über uns. 
              Wetter findet vorerst nicht statt.»

August 

              Der Alb hockt und wartet
              in verwirrenden Traumschluchten,
              verheddert sich in meinem Haar.

              Papierflieger schweben am Himmel meines Kopfes
              und weichen den Schreien der Nacht aus.
              –
              Ich gehe die Milchstrasse lang.

Du und das Morgenlicht. 

              Hell wird’s erst, 
              im Osten der Lastwagen hupt. 

Die Welt ist wieder da.

September

Wasser rauscht durchs Wehr. 

              Wichtiges gerinnt zu Nichts.
              Der Schnee fällt zu früh dieses Jahr.

Im Schmelzwasser pickt ein Huhn.

Oktober

              Scheinheilig legt sich Nebel
              über den Platz
              erstickt den letzten Sommertag.

Ich sticke den Sonnennebel auf ein Tuch.

November

Das ist Glück 

              wenn man einmal nicht erschlagen wird vom Totholz
              und einmal nicht ersäuft 
              im Novemberregen
              und einmal nicht in die Leitplanke rutscht
              im ersten Schnee.
              Das ist Glück und Gnade, 
              wenn man immer nicht stirbt.

 Dezember

              Nebelinseln überm See.
              Eine dunkle Gestalt
              segelt hinaus
              die Ohren voll Windgeheul 

stürzt sich über den Rand der Welt
wo sie die Morgenröte erwartet.

Die Welt hustet nur kurz,
bevor sie verschluckt wird.

Januar

              Müde klingt das Alphorn
              am oberen See.

Wir wissen, wenn wir lange genug
an der Wand stehen und das Gesicht
gegen Süden halten –
dass irgendwann die Sonne uns trifft.

***

 

Wie es begann? In einem Café, das es heute nicht mehr gibt, schlug Eva vor, dass die eine was schreibt, und die andere schreibt daran weiter; Miniaturen, die in Streichholzschachteln passen, schwebten ihr vor, ich dachte an Renga, das japanische Kettengedicht. Aufs Wetter kam ich durch das Buch „Wolkendienste“ von Klaus Reichert, und ich mailte Eva, wie es wäre, über etwas so Flüchtiges wie das Wetter zu schreiben? Ja, schrieb Eva, und wenn der Anfang nicht passt, schneiden wir ihn später einfach wieder ab. So sprachen wir miteinander in Gedanken ständig übers Wetter, formulierten um, probierten aus. Der Kommentar zum Wetter liest sich jedenfalls Jahre später noch wie ein Meta-Text zu diesem kollaborativen Projekt. Mal ist vom Pieselwetter die Rede, vom Husten und Niesen, Nesseln und Schlingen, von seltsamen Gestalten, die über den See wabern –  es ist hier und da eingeflossen in unser Wetterschreiben.

Bis ein Jahr um war.

Bis ich die Kleintexte in eine Datei packte und Eva mailte. 

Einmal gab es auch eine dialogische Version, die wir wieder verworfen haben. Schliesslich haben wir uns in einer «Werkstatt-Session» zusammengesetzt. Haben herausgeschnitten und neu kombiniert und umformuliert, bis kaum noch zu sehen war, welche Szene, welches Bild wem eingefallen ist. Und dann haben wir über Fanzines und Leporellos und Möwen am Bellevue nachgedacht, so ist die vorliegende Fassung entstanden, ein vierhändiges Stück.

© Donat Bräm

Alice Grünfelder, geboren im Schwarzwald, aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd, studierte nach einer Buchhändlerlehre Sinologie und Germanistik in Berlin (FU, Magister Artium) und Chengdu (China), war 1997–99 Lektorin beim Unionsverlag in Zürich, für den sie 2004–2010 die Türkische Bibliothek betreute. Vermittelte und übersetzte von 2001-2010 Literaturen aus Asien. Seit 2010 unterrichtet sie Jugendliche, leitet Workshops rund ums Schreiben, Lektorieren und Übersetzen und ist als freie Lektorin tätig. Von Februar bis Juli 2020 war sie für ein Sabbatical in Taipei (Taiwan). Sie ist Herausgeberin mehrerer Asien-Publikationen, schreibt Essays, Erzählungen und Romane. Das Buch Wolken über Taiwan (Rotpunktverlag) stand 2022 auf der Hotlist der Unabhängigen Verlage.

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@ Micheline Oehler

Eva Roth ist 1974 geboren und in Schwellbrunn im Appenzellerland aufgewachsen. Später wohnte sie in Kreuzlingen und seit 2008 in Zürich. Sie schreibt Prosa und Theaterstücke für Kinder und Erwachsene. Von 1997 bis 2014 war sie als Primarlehrerin tätig, danach als Lektorin und Programmverantwortliche im Atlantis Bilderbuchverlag. Von 2009 bis 2011 besuchte sie den Lehrgang «Literarisches Schreiben» der EB Zürich, und 2018/19 war sie Teil des «Dramenprozessors» am Theater Winkelwiese Zürich. Seit 2023 ist sie freie Autorin, Lektorin und Übersetzerin. Sie hat zwei erwachsene Söhne und eine Tochter im Schulalter.

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Sandra Kottonau

Für einmal Abenteuer im Kopf in der Turnhalle – Eva Roth liest.

Eva Roth las viermal hintereinander den Kindern aus dem Amriswiler Schulhaus Kirchstrasse aus ihrem aktuellen Roman „Lila Perk“, die Geschichte eines mutigen Mädchens. Wer das Buch liest, hört den Fluss, riecht den Wald und das Feuer und spürt von der verzweifelten Liebe eines verunsicherten Mädchens!

„Setz dich ans Steuer“ ist eigentlich keine Aufforderung, die einem verunsichern könnte, von der man glauben könnte, sie entspringe ein Verrücktheit. Ausser man ist nicht einmal zwölf und der, der die Aufforderung ausspricht, der Vater. Lila staunt über ihren Vater, weil er so plötzlich in die Ferien fahren will, weil er seit ein paar Tagen ein Auto besitzt, weil er nach dem Tod seiner Frau, von Mama, wieder zu sprechen beginnt, nachdem er über Monate mit grau gewordenem Gesicht dahinvegetierte. “Du musst fahren können, wenn mir etwas passiert.“ Und so sitzt Lila hinterm Steuer , übt zu sammeln mit ihrem Vater und fährt, meist nur nachts. Aber was passiert, wenn man sie sehen würde? Wenn jemand dahinter käme, dass ein Vater seine Tochter auffordert, Auto zu fahren?

„Überlebt in der Wildnis – alle wichtigen Tipps“ heisst das Buch, das der Vater über den Tisch schiebt, als er Lila erklärt, dass es an der Zeit wäre, gemeinsam Ferien zu machen. Ein Buch, dass eigentlich so gar nicht zu ihrem Vater passt, der sich bisher kaum für die Natur zu interessieren schien. Eine verrückte Idee. Nicht die gemeinsamen Ferien, aber die Absicht, daraus einen Tripp in die Wildnis zu machen, denn eigentlich wäre Lila viel lieber wie die Jahre zuvor mit ein oder zwei Freundinnen mit Oma und Opa Perk nach Kroatien gefahren. Schwimmen am Meer, Badeferien am Strand.

Aber Lilas Vater hat einen Plan und Oma und Opa Perk müssen verzichten. Was sie stirnrunzelnd tun, denn selbst die Grosseltern spüren, dass es gut sein würde, wenn Vater und Tochter für ein paar Wochen in die Ferien fahren, wenn sie ganz füreinander dasein würden. Und dann gehts tatsächlich los. Mit Zelt, Schlafsack, Vorräten und all dem, was Papas Buch „Überlebt in der Wildnis – alle wichtigen Tipps“ auflistet. Weit weg, in ein Tal hinter dem letzten Dorf, an einen Fluss, über dem der Schotterweg gerade genug Platz fürs Auto lässt. Eine Reise ins Ungewisse, Vater und Tochter ganz alleine. Eine abenteuerliche Reise weit weg, während sich Tochter und Vater ganz nahe kommen.

Eva Roth, die neben Kinderbüchern auch Romane für Erwachsene und Theaterstücke schreibt und als Lektorin in einem Verlag arbeitet, weiss als ehemalige Lehrerin sehr genau, wie sie mehrere Klassen gleichzeitig in einer Turnhalle mit ihrer Geschichte fesseln kann. Jungs und Mädchen von der ersten bis zur sechsten Klasse lauschen gebannt, Kinder, denen es im Unterricht oft schon schwer fällt, zehn Minuten an der gleichen Arbeit zu bleiben, klebten an ihren Lippen, erliegen den Bildern, die die Schriftstellerin zu kreieren weiss.
Das ist Sprachförderung, ein Bad in Geschichten und Sprache, Kopfkino für ein Publikum, dass hungrig ist auf Geschichten mit Tiefenschärfe!

«Eine Turnhalle. Ein rotes Feld und ein blaues Feld, Sitzkissen. Ein Stapel Bücher und ungefähr 160 freundliche, aufmerksame, neugierige und top vorbereitete Kinder: Die Lesungen im Schulhaus Kirchstrasse sind unvergesslich. Wie schön festzustellen, dass der Funke springt – hin und her!» Eva Roth

Rezension «Lila Perk» auf literaturblatt.ch

Eva Roth «Lila Perk», Jungbrunnen, Kinderroman

Eva Roths erster Kinderroman „Lila Perk“ ist pures Abenteuer. Keine Fantasiegeschichte, aber fantastisch erzählt: „Nach allem, was in den letzten Stunden passiert war, glaubte ich nicht mehr, dass der Bär die grösste Gefahr für uns darstellte. Es gab noch viel Gefährlicheres!“

Nominiert für den Schweizer Kinder-und Jungendbuchpreis 2021!

Lila hats nicht leicht. Ihre Mutter ist vor einem Jahr gestorben und ihr Vater ist seither in einer Zwischenwelt abgetaucht. Nicht da und nicht dort. Auch in der Schule ist es nicht leicht; ein Wechsel in eine höhere Schule, unsichere Sommerferien und Freundinnen, die sich für alles andere interessieren als das, was sie mit sich herumschleppen muss. Und dann sind da auch noch Aurel und die Walze. Aurel ist ein bisschen älter als sie, einer von den Schwierigen, einer, der sogar in den Sommerferien bei der Walze antreten muss. Die Walze ist Frau Stieger, bis zu den Sommerferien Lilas Lehrerin, vor ein paar Jahren auch Aurels Lehrerin.

Aber noch in den Tagen vor den Ferien bricht mit einem Mal der Trott zwischen Grau und Trauer. Lilas Vater hat sich ein Auto gekauft, einen Geländewagen, ein Survivalbuch, allerlei Zeug, um in der Wildnis zu kampieren und gesagt, sie solle sich ans Steuer setzen: „Wenn mir irgendwo im Nirgendwo etwas passiert, musst du mit dem Auto Hilfe holen.“ Mit einem Mal spricht ihr Vater wieder, nachdem er Monate lang schweigend am Tisch neben ihr gesessen hatte. Mit einem Mal ist etwas von dem zurück, von dem Lila glaubte, sie hätte es verloren. Mit einem Mal scheint sich sogar Aurel für sie zu interessieren, nachdem er sie hinter dem Steuer neben ihrem Vater gesehen hatte. „Einen coolen Vater“, nennt Aurel Lilas Papa. Auch wenn Lila viel lieber mit einer ihrer Freundinnen in den Urlaub gefahren wäre oder zu Oma und Opa Per ans Meer, als mit Papa ins Ungewisse, lässt sie auf Papas Geheiss alles Unnötige zuhause zurück und steigt ins Auto, ab ins Ziellose.

Eva Roth «Lila Perk», empfohlen ab 10 Jahren
Verlag Jungbrunnen, 160 Seiten, CHF 23.90, ISBN 978-3-7026-5948-6

Nachdem ihnen im Westen, in Frankreich ziemlich schnell klar wird, dass wildes Kampieren schwierig werden kann, fahren sie nach Osten, durch Österreich und die Slowakei hindurch, bis die Autobahnen aufhören, die Strassen immer schmaler werden und sogar der Zug endet, bis zu einem kleinen Nest namens Miesto Sliviek und noch weiter. Bis die Strasse aufhört und nur noch der Fluss und die Vögel zu hören sind. Dort bauen sie ihr Zelt am Ufer des Wasser auf und erleben eine Nacht, die ihnen beinahe das Leben kostet.

Lilas Reise mit ihrem Vater wird eine Reise an die Grenzen. Und wenn der Akku vom Mobiltelefon seinen Geist aufgibt und der Tank leer ist, wenn die Walze sich bis in den letzten, hintersten Winkel ihres Lebens einmischt, wenn sich Lila eines Nachts ganz alleine ins Auto setzt und es stehen lassen muss und wenn sie in Miesto Sliviek strandet, im letzten Dorf am Ende der Welt, dann wird der Urlaub in der Wildnis zum wirklichen Überlebenstripp. Das bisschen Normalität, das ihr geblieben ist, droht im Chaos zu ertrinken. Der Fluss der Ereignisse droht alles wegzureissen.

Eva Roth schildert die Unberechenbarkeit des Lebens, wie sehr sich Lila der scheinbaren Willkür der Erwachsenenwelt ausgeliefert fühlt, wie sich in unverdautem Schmerz der Zorn einnisten kann. „Lila Perk“ ist die Geschichte von einem Mädchen und ihrem Vater, die sich in ihrem Schmerz beinahe verloren haben, die sich an einem ganz anderen Ort wiederfinden, denen Menschen zur Seite stehen, von denen Hilfe nicht zu erwarten ist.

„Lila Perk“ ist fein erzählt, nicht unnötig aufgeblasen, ganz nah an der Seite eines mutigen Mädchens. Wer das Buch liest, hört den Fluss, riecht den Wald und das Feuer und spürt von der verzweifelten Liebe eines verunsicherten Mädchens!

Eva Roth, geboren 1974, ist in Schwellbrunn AR aufgewachsen. Sie schreibt Prosa und Theaterstücke für Kinder und Erwachsene. Von 1997 bis 2014 arbeitete sie als Primarlehrerin im Kanton Thurgau und in Zürich. Heute ist sie Lektorin in einem Kinderbuchverlag. Neben ihrem ersten Kinderroman „Lila Perk“ sind 2021 zwei Stücke für die Uraufführung geplant: „Streuner“ am Theater Winkelwiese (Regie: Mélanie Huber) und „Falls China kommt“ am Sogar Theater (Regie: Jonas Darvas).
Eva Roth ist auch für den Retzhofer Dramapreis 2021 in der Sparte Kindertheater nominiert.

Eva Roth «Zur Unzeit» auf literaturblatt.ch

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Jürg Obrist

Eva Roth «Zur Unzeit»

.
die Monduhr zählt​​​​​
die verreckte Zeit die verzehrte
Zeit die vergangene
Zeit auf nicht mal einem
halben Kreis

.
wie verdrehtes Reh liege ich
Vorderläufe und Hinterläufe
von mir gestreckt
den Kopf im Himmel
und erwarte Morgen

.
meine Mulde dreht
die Matte dreht
die Ebene kippt
die Südkette dreht
die Glocke dreht
das Silber dreht
es zieht das Segel

das Zelt
flattert

ich ziehe hinaus
ich drehe
Punkt

.
schön
wenn der Schlaf mich entlässt wie das Meer
wenn eine Welle ein Stück
Holz auf den Strand schiebt
aber
legt der Schlaf mich bloss auf die Schwelle
wie die Katze eine Maus –

.
Blaulicht
schreit durch deinen Schlaf
deine Wände zucken
dreh dich um
verschliess dein Ohr
lass uns
das Unerhörte suchen

Eva Roth, 1974 im Appenzellerland geboren, lebt und arbeitet mit ihrer Familie in Zürich. 2015 erschienen zusammen mit dem Illustrator Artem Kostyukewitsch das Bilderbuch «Unter Bodos Bett» und im gleichen Jahr ihr erster Roman «Blanko» bei der edition 8:
Ayleen ist an einem Wendepunkt in ihrem jungen Leben; der Kindheit entwachsen, auf dem Weg, sich abzunabeln. Aber wovon? Ihre Mutter Silvia gab die Vergangenheit nie preis, obwohl sie sich in keinem Augenblick leugnen liess, denn Ayleen hat dunkle Haut und schwarzes, krauses Haar. Ayleen macht sich auf gegen das Schweigen, auf die Suche nach ihren Wurzeln, nach Familie und Herkunft. Es werden Schichten abgetragen, Proben aus der Vergangenheit analysiert, genau wie bei der Tiefenbohrung, einer Arbeit, bei der Ayleen während der Ferien ihr Taschengeld aufbessert. Und weil das Erkunden der eigenen Herkunft kein lineares Entdecken ist, sich auch im Erdinnern Schichten überlagern, ist Eva Roths Roman kein lineares Erzählen. «Blanko» ist ein Roman mit Tiefenwirkung, erstaunlich reif und kunstvoll konstruiert.

«Literatur am Tisch» mit Eva Roths «Blanko»

DSCN1140Eva Roth «Blanko», Edition8

Ein Buch lesen und dann ins Regal stellen? Erst recht nicht bei einem guten Buch! Und wenn dann auch noch die Autorin daran interessiert ist, sich mit neuguerigen Leserinnen und Lesern auszutauschen, dann kann ein solcher Abend nur zum Erlebnis werden, für beide Seiten, selbst dann, wenn es nach der Lektüre zu kritischen Bemerkungen kommen könnte.
So nicht bei Eva Roth, die ihren ersten Roman «Blanko» bei Edition8 veröffentlichen konnte und bis jetzt immer noch auf ein überregionales Echo wartet. Zu Unrecht, wie das einhellige Urteil der Runde ausfiel. Der Roman mag für den Gelegenheitsleser anspruchsvoll sein, in seiner Vielschichtigkeit und Vielsinnigkeit ist er aber ein echter Genuss.
Am Schluss des gemeinsamen Abends versicherte Eva Roth, es sei für sie eine Bereicherung gewesen, in dieser Runde über ihr Buch und ihr Schreiben zu diskutieren, mit Menschen, die sich wirklich mit dem Roman, den Geschichten, den Feinheiten bis hin zur Sprache beschäftigt haben.
So sassen am Tisch mit Eva Roth 7 LeserInnen mit der einhelligen Meinung, ein besonderes, absolut lesenswertes Buch diskutiert zu haben, ein Buch, das es verdient, viel mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen als der kleine Verlag am Zürichsee versprechen kann.

Rezension in «Saiten»
Rezension in der NZZ
Rezension in der «Thurgauer Zeitung»
Edition8