Die Schweizer Literaturszene ist eine der kleinen Verlage. Wer als AutorIn seine Bücher international, im gesamten deutschsprachigen Gebiet verkaufen will, wer hofft, das grosse Geld zu verdienen, von seiner Schreibe leben zu können, sucht sich einen Platz in einem der grossen Verlage ausserhalb der Schweiz. Der einzige Verlag, der sich weit über die Landesgrenzen einen bedeutenden Namen schaffen konnte, ist der Diogenes Verlag. Umso wichtiger ist es, dass es mutige Menschen gibt, die sich auch innerhalb der Landesgrenzen trauen, Literatur herauszugeben.
Die Verlagslandschaft in der Schweiz ist vielfältig. Erstaunlich ist es, dass es immer wieder aufstrebende neue Verlagshäuser gibt, solche, die sich viel Anerkennung verschaffen, weit über die Schweiz hinaus. Aktuellstes Beispiel dafür ist der Kampa Verlag in Zürich, der sich mit einem ambitionierten Programm mit Pauken und Trompeten zu platzieren wusste.
Aber daneben existieren ganz viele kleine Verlage, die nur funktionieren und überleben, weil in ihnen Menschen mit überdurchschnittlichen Engagement, mit grosser Liebe zum Buch, mit nur schwer zu erschütterndem Idealismus wirken.
Einer dieser Verlage ist «Der gesunde Menschenversand», Verlag und Veranstalter für Spoken Word, 1998 von Matthias Burki und Yves Thomi (bis 2007) gegründet. Schon 2014 kürte man ihn zum Schweizer Verlag des Jahres 2014 (Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband). 2016 folgte der Weiterschreiben-Preis der Stadt Bern und 2018 der Preis der Landis & Gyr Stiftung an Verleger Matthias Burki.
Ein solcher Verlag lebt von den Akteuren, die Teil des Programms sind, von klingenden Namen wie Matto Kämpf, Guy Krneta, Pedro Lenz, Hazel Bruder oder Nora Gomringer und vielen anderen – und vom Förderverein des Verlags.

Man mag über Kulturförderung denken, was man will. Aber wenn ein kleiner, umtriebiger, innovativer Verlag von mittlerweile mehr als 200 Leserinnen und Lesern mit grösseren und kleineren Jahresbeiträgen unterstützt wird, ist das, so Verlagsleiter Matthias Bürki, substanziell und entscheidet darüber, ob besondere Bücher erscheinen oder nicht. Wie im aktuellen Programm zwei Bücher aus dem Nachlass von Aglaja Veteranyi (1962 – 2002) und Walter Vogt (1927 – 1988).
Quersubvention, Vernetzung, eine Organisation von Leserinnen und Lesern, um bei der Verlagsarbeit nicht bloss auf die zu erwartenden Verkaufszahlen angewiesen zu sein. Erstaunlich genug, dass sich ein Verlag, der sich fast ausschliesslich der Mundart (Mund-Art) verschrieben hat, vorwiegend in der deutschsprachigen Schweiz wahrgenommen wird, ausser es verirrt sich ein Titel in die Feuilletons der grossen deutschen Tagespresse oder ins Studio eines TV-Bücherpapstes, den Sterbegesängen auf die anspruchsvolle Literatur widersetzt.
Es gibt sie, die unsterblich Scheinenden, die Überlebenskünstler, die unverwüstlich Unverzagten, die sich zweimal im Jahr trotz erdrückender Übermacht der Flaggschiffe im Geschwader der Verlage aufraffen, Bücher zu machen, solche, die nicht bloss unterhalten, sondern sich mitunter politisch und gesellschaftlich einmischen, Relevantes anprangern, den Humor mit einpacken, wo es eigentlich längst nichts mehr zu lachen gibt.
Darum lasen am vergangenen Sonntag Michael Fehr, Stefanie Grob, Guy Krneta und Pedro Lenz zusammen mit Michael Pfeuti am Bassetto ohne Gage im Bodman Literaturhaus in Gottlieben TG, dafür mit viel Esprit!

Die Kulturstiftung Thurgau gewährte der Dichterin, Hörspielautorin, Dramatikerin aus Wien ein zweimonatiges Stipendium im Bodmanhaus in Gottlieben. Zeit, um neue Ideen wachsen zu lassen, zu schreiben und mit Sicherheit auch das eigene Tun aus anderer Perspektive zu sehen. Für meine Moderation ihrer Lesung im Literaturhaus am Seerhein traf ich die Autorin schon ein paar Wochen zuvor in einem Café am Wasser. Zugegeben, ich war aufgeregt, denn eine Lyrik-Moderation schien mir wesentlich anspruchsvoller als eine, bei der man über einen Roman, eine Geschichte, einen Plot sprechen kann. Aber Margret Kreidl nahm vom ersten Augenblick alles Verkrampfte, alles rein Intellektuelle, zeigte, wie sehr ihre Lyrik nicht nur mit ihrem Blick auf die Unmittelbarkeit verknüpft ist, sondern wie sehr sie Biographisches mit den verschiedensten Stimmen aus der Welt verbindet. Margret Kreidl ist eine Verküpferin, eine sprachliche Verkupplerin.
Gahse, mit der Margret Kreidl freundschaftlich verbunden ist.
Margret Kreidl, geboren 1964 in Salzburg, von 1983 bis 1996 in Graz, lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Prosa und Lyrik: Sprachspiele, Lautpoesie, Genretravestien, Materialtexte. Textinstallationen im öffentlichen Raum. Veröffentlichungen seit 1986. Hörspiele, Theaterstücke, Minidramen. Zuletzt erschienen 2017 bei Edition Korrespondenzen der Band «Zitat, Zikade – Zu den Sätzen» und 2018 in der Reihe Neue Lyrik aus Österreich «Hier schläft das Tier mit Zöpfen. Gedichte mit Fussnoten».
eisigen Kälte, weg vom Tod und der dauernden Angst, hinein in ein Dorf, in eine Familie. Weg vom Grabenkrieg im weiten, waldigen Gebirge in eine warme Stube, ein weiches Bett, an einen reich gedeckten Tisch. Jacob, der Soldat, freundet sich mit der jüngsten Tochter an, erzählt ihr Geschichten, zuletzt auch jene seines Bruders, der weit weg seine Schuhe am Rand einer tiefen Schlucht auszog. Eine Geschichte später, Jahre dazwischen, treffen sich der Grossvater Elemér und seine Enkelin Henriette im Garten, beide schlaflos, von Unruhe gepackt in der «Gesellschaft der Schlaflosen». Eine Familie droht durch die Geschichte zerrissen zu werden und Herniette weiss, dass sie nicht ist, wie die anderen, nicht einmal wie ihre Schwestern. Noch einmal Jahre später, als der Mond durch Amstrong in Besitz genommen wird, Vicco an der Distanz zu seiner Mutter Henriette zu zerbrechen droht, Liane kennenlernt und mit ihr bis zum Schwarzen Meer im Trabi fährt. Und noch einmal Jahre später, Henriette ist als Grossmutter und ganz besondere Frau bloss noch Erinnerung, die junge Hedda auf einer Insel im Meer erfährt, dass ihr Vater Vicco an Krebs erkrankt ist. Hedda beobachtet ein Paar, das in einen Fischerkahn steigt. Ein Boot, das nie zurückkehrt. So wie die Wellen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft.
Iris Wolff geboren 1977 in Hermannstadt/Siebenbürgen. Studium der Germanistik, Religionswissenschaft und Grafik & Malerei in Marburg an der Lahn. Langjährige Mitarbeiterin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, 2013 Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg. Neben dem Schreiben ist sie am Kulturamt der Stadt Freiburg im Breisgau tätig. Ihr erster Roman „Halber Stein“ erhielt den Ernst-Habermann-Preis 2014.


Geboren 1971 in Köln. Studium der Germanistik, Linguistik und Soziologie in Frankfurt, Köln, Bern und Fribourg. Promotion in Germanistik. Von 1997 bis 2009 lebte Annette Mingels in der Schweiz, danach für zwei Jahre in Montclair (USA). Seit 2011 lebt sie mit ihrem Mann und den drei Kindern in Hamburg.