Was willst du werden, wenn du mal gross bist? Und was soll nachher aus dir werden Was willst du werden, wenn du mal tot bist Weisst du, wir müssen alle sterben
Zum Glück gibt es die Buddhisten Dank denen sind wir bald wieder hier Man kann so ein Menschendasein schon mal fristen Lieber wär ich ein anderes Tier
Schwimmen, tauchen, fliegen und ein Haus am See Ich möchte eine Ente sein Entenfrauen lieben, bis ich untergeh Ich möchte eine Ente sein
Hast du schon mal einem Stockentenweibchen so richtig tief in ihre Augen geschaut Kannst du mir sagen, du hättest da deinen Gefühlen und Augen zu glauben getraut Bei Entenschnäbeln und Entenbrüsten ist es im Nu um mich gescheh’n Sowas Erotisches habe ich im ganzen Menschen und Tierreich noch nicht geseh’n
Schwimmen, tauchen, fliegen und ein Haus am See Ich möchte eine Ente sein Entenfrauen lieben bis ich untergeh Ich möchte eine Ente sein
Hey Mond
Hey Mond – Hey Mond
Hey Mond, mach doch nicht so ein Gesicht Da heulen ja die Wölfe, wenn sie dich sehen Die Kinder geh’n ins Bett Wo sie schreien oder sich schlafend stell’n
Langeweile ist manchmal sicher ein Grund Dass Mensch sich schwertut
Als Mond ist man mal Sichel, mal rund Kein Grund für Schwermu Denk mal an die USA, Kriege, Aids, Malaria
Auf dem Mond gibt’s sowas nicht Auf dem Mond gibt’s sowas nicht Auf dem Mond gibt’s sowas nicht Auf dem Mond gibt’s sowas nicht
Ich säh dich gern bei Tag, doch du tanzt in der Nacht Du hast deine ganz eigene Anziehungskraft Warum du dein Licht unter den Scheffel stellst, weiss ich nicht Wer von innen strahlt, glänzt im besten Licht Wer von innen strahlt, glänzt im besten Licht
Kommende Auftritte:
Samstag, 21. Mai, Hekto Super Schaufenster-Session II, Esperanto Store, Tiefenaustrasse 2, Rapperswil SG
Freitag, 2. September, Lottis Festival, Villa Grünfels und ZAK Jona SG
Frédéric Zwicker, geb. 1983 in Lausanne, aufgewachsen in Rapperswil-Jona am Zürichsee, wo er heute wieder lebt. Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie. 2006 gründete er die Band ‹Knuts Koffer›. Aktuell tourt er neben seinem Schreiben als Leadsänger von ‹Hekto Super›. Seit 2008 ist er Kolumnist bei der ‹Linthzeitung› und der ‹Südostschweiz Glarus›. Er arbeitete u.a. als Werbetexter, Journalist, Reisejournalist in Ostafrika, Musiklehrer, Slam-Poet, Pointenschreiber für die Satiresendung Giacobbo/Müller, Drehbuchautor. Sein Romandebüt «Hier können Sie im Kreis gehen» erschien 2016 bei Nagel & Kimche, sein aktueller «Radost» 2020 bei Zytglogge.
Frédéric Zwickers Roman «Radost» ist ein Roadtripp zwischen den Welten. Zwischen der Kleinräumigkeit der Schweiz, der Verlorenheit Sansibars und dem Zauber einer Kulturstadt wie Zagreb. Fabian, ein arbeitslos gewordener Journalist, soll die Biografie von Max schreiben, eines Mannes, den er auf einer seiner Reisen an die Küste Afrikas kennenlernte, dem er wahrschiedlich das Leben rettete, dem er nach Jahren wiederbegegnet und ihm verrät, wie sehr er Gefangener einer Familie und einer Krankheit ist. Fabian beginnt zu schreiben, zu recherchieren, macht sich auf, bei sich und auf dem Rad bis nach Zagreb, auf den Spuren eines Mannes, der ihm immer mehr zum Freund und Spiegel wird.
Frédéric Zwicker brachte aber viel mehr als seinen neuen Roman mit ans Sommerfest in den Garten des Literaturhauses. Seit einem Jahr rockt «Hekto Super» zu den Texten Frédéric Zwickers, zuvor noch unter dem Namen «Knuts Koffer«, lange kroatisch und nun deutsch. «Verzwickte Lyrics mit Ohrwurm-Potenzial, getragen von treibenden Beats, einer Prise Retro-Synthie, knackigen Gitarrenriffs und Bass mit ordentlich Fuzz.» Hinter «Hekto Super» stecken neben Frédéric Zwicker (Gitarre und Gesang), Christoph Bucher (Bass) und die Brüder Florian (Schlagzeug und Gesang) und Tobias Vogler (Keyboard und Gesang). Gemeinsam haben sie mit ihren bisherigen Bands und Projekten tausende Kilometer im Tourbus zurückgelegt, die Bühnen Europas bespielt und über zehn Alben veröffentlicht. Nach vierzehn Jahren mit «Knuts Koffer» bricht mit «Hekto Super» für den Rapperswiler Autor und Musiker Frédéric Zwicker und seine Mitmusiker ein neues Kapitel an.
«Sommerfest hiess es, Sommerfest war es. Eitel Sonnenschein, im Garten Musik, feiner Wein, gutes Essen, gut gelaunte Gäste (auch die Mücken, die sich ganz besonders für das reichhaltige Buffet zu begeistern wussten), bezauberndes «Personal». Herzlichen Dank an Brigitte, Gallus, Karl und alle anderen Beteiligten für einen zauberhaften Abend. Ich wusste von einem früheren Besuch, dass das Bodmanhaus – oder Literaturhaus Thurgau – in Gottlieben ein besonders literarisches Plätzchen ist. Die Qualität des Abends war deshalb nicht überraschend, nur höchst erfreulich. Mit Ausnahme des Spital-Intermezzos unseres tapferen Bassisten genossen wir ein wunderbares Sommerfest. Und auch für mich als Lesenden waren sowohl das Publikum als auch die Moderation durch Gallus auf höchstem Niveau mehr als zufriedenstellend. Herzlichen Dank für die Gastfreundschaft!» Frédéric Zwicker
Aus der Rede: «Als ich vor einem Jahr hier im Garten zum ersten Mal zum traditionellen Sommerfest begrüsste, schien das ärgste dieser langen Krise, in der wir uns auch ein Jahr danach noch befinden, ausgestanden. Es kam ganz anders. Vier Monate war es im Literaturhaus still. Noch im Dezember, bei der letzten Veranstaltung vor der zeitweiligen Stilllegung, schrieb Joachim Zelter nach seiner Lesung im Literaturhaus: «Ganz Europa befindet sich in einem Corona bedingten Lockdown. Ganz Europa? Nein, ein kleiner Ort am Bodensee lässt sich von keinem Virus der Welt einschüchtern oder unterkriegen und hält fest an der Unverzichtbarkeit lebendiger Autor:innen und lebendiger Zuhörer:innen in den Hallen des Literaturhauses Thurgau, die dort – Corona zum Trotz – sehnsüchtig aufeinandertreffen. Es ist eine Insel des gesprochenen/gehörten Wortes in einem verstummten Ozean.»
Der Geist des Literaturhauses wirkte auch in der Stille. Der Geist eines Ortes, an dem man sich bald wieder begegnete und begegnet; die Kunst den Geniesser:innen, die Literatur den Leser:innen, Klang, Wort und Bild allen offenen Herzen. Man machte mir zwar zwischendurch Mut, mich auch auf die digitale Schiene du begeben, Streaming-Lesungen zu organisieren, den Betrieb zu digitalisieren. Aber das war und sollte das Ding all jener Institutionen bleiben, die ein Budget zur notwendigen Professionalität aufzubringen in der Lage sind.
Das Literaturhaus Thurgau ist trotz aller Einschränkungen ein Bollwerk gegen die Verkleinerung der Welt geblieben. Wer Zeitungen liest, wer Medien konsumiert, muss irgendwann das Gefühl bekommen, die Welt sei auf einige wenige Themen eingeschmolzen. Und um eben diesem Gefühl entgegenzuwirken, braucht es Orte wie dieses Haus, die der Literatur eine Stimme geben. Denn Literatur macht Türen auf, Türen nach Innen und nach Aussen, ins Kleine und ins Grosse. Betrachten Sie das neue Bibliotheksregal im Literaturhaus, das ich zusammen mit Sandra Merten und meinem Sohn bauen durfte. Literatur ist so vielfältig wie die Farben ihrer Buchrücken. Hinter jeder Farbe steckt eine Offenbarung.
Bis vor einem Jahr war ich immer nur Besucher in Literaturhäusern, von Stans bis Hamburg. Aber Literaturhäuser, ob klein oder gross, innovativ oder traditionell, sind viel mehr als Veranstaltungsorte, Hüllen für Lesungen, Ausstellungen oder Konzerte. Literaturhäuser sind Brutstätten. Wissen Sie, dass Peter Stamm vieles aus seinem neuen Roman «Das Archiv der Gefühle» in den Mauern dieses Hauses schrieb? Peter Stamm ist Mitte September Gast im Literaturhaus und wird seine Schweizer Buchtaufe seines Romans hier feiern. Wissen Sie, dass Dorothee Elmiger, die mit ihrem letzten Buch «Aus der Zuckerfabrik», mit dem sie auf der Shortlist des Deutsch Buchpreises stand, hier im zweiten Stock in der Gäste- und Schreibwohnung in und an ihrem Werk arbeitete? Das Literaturhaus Thurgau ist seit Jahrzehnten von Sprache, Schrift und Wort durchtränkt, vom Erdgeschoss, der Werkstatt der Handbuchbinderei von Sandra Merten bis hinauf unters Dach zum Veranstaltungsraum, wo heute Frédéric Zwicker aus seinem Roman «Radost» lesen wird und der Autor selbst als Leadsänger seiner Band «Hekto Super» beweist, dass literarische Texte auch rocken können.
Zudem sehen Sie im Haus auch immer wieder die gezeichneten und signierten Porträts all jener, die im vergangenen Jahr im oder auf Einladung des Literaturhauses Thurgau gelesen haben. Zeichnungen der jungen Illustratorin Lea Frei. Zeichnungen, die aus meiner Sicht repräsentieren, was in einem kleinen Literaturhaus zum Wesentlichen wird; Wir können nicht mit Quantität überzeugen, nicht einmal mit Ausgewogenheit, schon gar nicht mit grossen Namen, die die Massen mobilisieren. Aber wir versuchen sowohl Sie, unsere Gäste, wie auch alle Künstler:innen, die in diesem Haus auf irgend eine ihr eigene Weise zu wirken wissen, mit Nähe, Freundschaft und Herzlichkeit zu begegnen. Die Illustrationen von Lea Frei sind so einzigartig wie das Literaturhaus selbst.
Dass ich als Intendant den Takt dieses Hauses so sehr mitbestimmen kann, freut und ehrt mich sehr. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Zufriedenheit und Euphorie jede der vergangenen Veranstaltungen erwirken konnte. Nicht nur bei mir natürlich! Dass ein solches Schiff seine Segel setzen kann, braucht es viel mehr als einen Steuermann. Die eigentliche Kapitänin auf diesem Schiff ist seit mehr als zwanzig Jahren Brigitte Conrad. Kein Kapitän, der auf der Brücke steht und schreit, sondern ein Kapitän, der sich in seine Koje im Stillen über Pläne und Berechnungen beugt und nie den Kurs verliert, selbst dann, wenn Gegenwind bläst oder Flaute herrscht. Ich danke Brigitte Conrad von ganzem Herzen, nicht nur in meinem Namen, sondern im Namen aller, denen das Literaturhaus Thurgau über die Jahre zu einem Stück Welt geworden ist.
Ich bedanke mich bei der Bodman-Stiftung, bei der Kulturstiftung unseres Kantons, beim Kulturamt. Ich bedanke mich bei Sandra Merten, die neben der Handbuchbinderei auch die Webseite betreut, Gäste empfängt und immer und immer wieder mit anpackt.
Das Literaturhaus Thurgau bleibt im Sinne Klaus Merz hoffentlich noch lange Gott lieb!»
Fabian verliert seinen Job bei einer Lokalzeitung. Und weil ihm der Zufall eine Reise schenkt, macht er sich mehrfach auf; zweimal an den Strand von Sansibar und viel länger als beabsichtigt nach Zagreb, einer Stadt, die ihn aufnimmt und ihm etwas schenkt, was in seinem Städtchen zuhause nicht erreichbar schien. Frédéric Zwickers zweiter Roman „Radost“ berührt!
Fabian gewinnt eher zufällig einen Weihnachtswettbewerb: Einen Flug nach Sansibar und sechs Nächte Unterkunft im Hotel Emerson Spice in Stone Town. Fabian fliegt hin, weil es eine Schande gewesen wäre, das Geschenk in den Wind zu schlagen und weil er Mahmut, seinen Nachhilfeschüler nicht enttäuschen wollte, der für ihn beim Wettbewerb mitgemacht hatte. In Sansibar am Strand lernt er einen aufdringlichen, lauten Landsmann kennen. Einen Schweizer im Massai-Kostüm, mit Kurzschwert an der Hüfte und langem, dünnen Gehstab. Es bleibt nicht die einzige Begegnung zwischen Fabian und Max, dem auf- und abgedrehten Landsmann am Stand. Fabian rettet ihm wahrscheinlich sogar das Leben, denn der «weisse Massai» bleibt nach zwei Messerstichen im Sand liegen. Jahre später, nach einem Konzert von Johan, Maxens Bruder, treffen sich die beiden wieder im „Ochsen“ und Max schlägt ihm vor, nachdem Fabian eine durchaus erfolgreiche Reportage über ihn, den seltsamen Landsmann geschrieben hatte, eine Biographie über ihn zu schreiben. Fabian ahnt, dass er sich in eine wirre Geschichte hineinziehen lassen könnte, lehnt vorerst ab. Aber nachdem seine Stelle in einer Lokalzeitung nach der Fusion mit einer andern Lokalzeitung den „Synergien“ zum Opfer fällt, wird aus dem schnell abgelehnten Angebot ein Rettungsanker. Max stammt aus reichem Haus! Sein Vater war Besitzer einer kleinen aber feinen Privatbank!
Max ist nicht irgend ein Max. Max tritt auch nicht einfach so als weisser Massai am Stand von Sansibar auf. Max ist ein Getriebener, ein von einer Krankheit Gebeutelter: Er leidet unter schizoaffektiven Störungen, macht sich in manischen Phasen zum Narren. Max erklärt: „Es kommt mir vor, als gingen die Menschen in unserer Gesellschaft alle gradeaus, mit ausgestreckten Speeren. Wenn jemand aus dem Trott fällt, stehen bleibt oder die Richtung wechselt, wird er aufgespiesst.“ Das ist seine positive Sicht. Doch Max endet des öftern im Abseits; auf dem Polizeiposten, im Gefängnis oder in der Klinik. Und weil sich Max durch das Suchen und Finden eines anderen Klärung in seinem Leben verspricht, soll Fabian sein Biograph sein, Nachforschungen darüber anstellen, was in jenen Zeiten geschah, als das Leben von Max aufgespiesst wurde.
Fabian bekommt Geld, Kontaktdaten, Adressen und macht sich auf, weil auch sein eigenes Leben aus Tritt und Trott gefallen ist, auf die Spurensuche eines seltsamen Zeit- und Artgenossen. Zurück ins reiche Elternhaus, ins Nobelinternat in St. Gallen, seinen ersten Emanzipationsversuchen. Schlussendlich wird daraus eine Radtour über Kärnten bis nach Zagreb und wieder zurück an den Stand von Sansibar, wo zwei Messerstiche beinahe das Ende bedeutet hätten.
Fabian macht sich auf, weil ihn die Reise lockt, das Abenteuer, die Spur, das Fremde. Diese eine verrückte Radost nach Zagreb, für mehrere Monate weich finanziert in einer Stadt, die er bisher nur mit Trainerhosentypen verband und für ihn wie damals für Max zur Offenbarung wird. Er, dem es bisher nicht leicht fiel, Freundschaften zu schliessen, wird Teil einer ganzen Klicke, lernt Ana kennen, taucht ein in fremde Leben, erfasst immer mehr von Mad Max, macht eine Reise; eine Reise für Max, die dieser nicht zu tun vermag, eine Reise für sich, weg aus seinen starren Banden und eine Reise in die Welt – über Zagreb bis nach Sansibar.
„Radost“ heisst auf kroatisch „Freude“. Und es macht Freude, in Frédéric Zwickers zweiten Roman einzusteigen, um sich eine Reise lang in seinen Windschatten zu begeben. Wie schon in seinem Debüt „Hier können Sie im Kreis gehen“ erzählt Frédéric Zwicker witzig und pointenreich. „Radost“ löst die Rätsel um Max nicht. Max bleibt ein Rätsel, so wie letztlich alle Rätsel bleiben, selbst die nächsten, selbst jene, an die man sich verliert. Frédéric Zwickers Reise ist nicht überfrachtet, bleibt behutsam. Wer erfahren will, erfährt unweigerlich auch vieles über sich selbst. Wer aufbricht, gewinnt immer, wenn auch nicht dort, wo man sich den Gewinn erhofft.
Interview mit Frédéric Zwicker:
Dass es Sansibar und Zagreb sein müssen, scheint alles andere als zufällig. Ich weiss, dass es dich vor allem musikalisch in den vergangenen Jahren immer wieder nach Zagreb gezogen hat. Aber warum Sansibar? Liegt es an der Magie des Namens, der, zumindest für mich, Sehnsucht suggeriert?
Im Jahr 2013 war ich für einen sechsmonatigen Arbeits- und Reiseaufenthalt im östlichen und südlichen Afrika unterwegs. Zwei Wochen verbrachte ich auf Sansibar. Dort hörte ich die Geschichte der falschen Massai, also jener Männer, die keine Massai sind, sich aber als solche verkleiden, um erfolgreicher im Souvenir- und im Sextourismus-Geschäft zu sein. Diese Geschichte ging mir nicht mehr aus dem Kopf und wurde zur Initialzündung für «Radost». Sansibar steht für mich in gewisser Weise stellvertretend für die Erfahrungen, die ich während meiner Afrika-Reise in sechs verschiedenen Ländern machte. Meine Vorstellungen und Vorurteile zerschellten täglich an den Realitäten, denen ich begegnete. Da liegt für mich die Parallele zu Zagreb und zu Ex-Jugoslawien. Auch dort zeigte die intensive Auseinandersetzung mit Menschen und Kultur bald, dass mein Balkan-Bild völlig klischiert und verzerrt gewesen war. Die Magie des Namens, wie du es nennst, spielte aber durchaus auch eine Rolle. Ich wollte sie einem kritischen Blick unterziehen und schauen, was am Ende davon übrigbleibt.
Max beauftragt Fabian, über ihn eine Biographie zu schreiben. Max ist aber weder uralt noch berühmt. Er braucht diesen Text wahrscheinlich nur, weil er sich selbst verstehen will, sein Leben, seine Krankheit, seine Aussetzer, das, was er durch sein Tun auslöste und bewirkte. Und Max hat Geld. Ist dein Schreiben auch der Auftrag an dich, dein eigenes Leben besser zu verstehen? Eine Art Sicht von „aussen“?
Nein. Mir geht es beim Schreiben nicht um mich, auch wenn der Einfluss, den ich mit meinem Denken und Fühlen auf meine Texte habe, natürlich gross ist. Aber umgekehrt ist das auch der Fall. Ich bin für die Arbeit an „Radost“ mit dem Velo von Rapperswil nach Zagreb gefahren, habe dort ein halbes Jahr, auf Sansibar fünf Wochen gelebt und gearbeitet. Das hätte ich nicht getan, wenn ich nicht dieses Buch hätte schreiben wollen. Mein Leben beeinflusst also mein Schreiben, mein Schreiben aber auch mein Leben. Durchs Schreiben lerne ich so durchaus sehr viel über mich. Das ist aber nur da und dort das, was am Ende zwischen den Buchdeckeln steht.
Das „Städtchen“ hier und Zagreb dort. Das eine Rapperswil, das andere eine Metropole. Was hat das eine, was dem andern fehlt?
Zuerst eine Parallele: In beiden Städten gibt es Menschen, die sich für eine vielfältige, kritische Kultur interessieren und einsetzen. Und da wie dort gibt es politischen Widerstand gegen zu viel Lebendigkeit. Aber in Zagreb ist das kulturelle Angebot viel reichhaltiger als hier. Es gibt dort mehr Freiräume, auch wenn sich meine Freunde in Zagreb darüber beklagen, dass diese ständig schrumpfen. Ebenfalls ein Unterschied: In Rapperswil sind fast alle Häuserfassaden makellos. Zagreb bröckelt vielerorts. Könnte es sein, dass die Fassade in der Schweiz generell wichtiger ist als in Ländern, wo die Wirtschaft nicht gar so tonangebend ist?
Ist Max erfunden oder ein Zusammenzug verschiedenster Charakteren? Oder steckt in dieser nur schwer fassbaren Person gar ein Spiegelbild?
Max ist inspiriert von einem Freund von mir. Der war nie in Sansibar und hat Zagreb das erste Mal gesehen, als er mich dort besucht hat. Auch seine Familiengeschichte, wie sie im Buch dargestellt ist, ist frei erfunden. Aber im Kern ist Max› Biographie, die Fabian im Buch recherchiert und aufschreibt, eine wahre Geschichte.
Max passt nicht in die von unserer Gesellschaft vorgegebenen Schemen. Zumindest dann nicht, wenn ihn seine Krankheit packt und Dinge tun und sagen lässt, die sich allen Konventionen entziehen. Dabei tragen doch die meisten Menschen die Lust mit sich, aus Konventionen auszusteigen, sei es auch nur für einen kurzen Moment, alle Hemmungen zu verlieren. Wie sehr rüttelt diese Lust an dir? Ist deine Musik ein Ventil dafür?
Der Ausbruch aus der Norm ist etwas, was mich schon in meiner Kindheit antrieb. In der ersten Klasse sang ich dem Samichlaus vor versammelter Klasse eine Version von „Was isch das für es Liechtli“ vor, bei der der Samichlaus am Ende stirbt. Der Lehrer rief meine Mutter an und klagte, ich hätte etwas wahnsinnig Schlimmes gemacht. Sie dachte an sexuellen Missbrauch oder schwere Körperverletzung und konnte das Lachen knapp unterdrücken, als er ihr erzählte, was passiert war. Solche Geschichten gibt es viele. Und ja, meine Musik und die Auftritte auf der Bühne sind sicher auch von der Lust am Unkonventionellen und auch an der Hemmungslosigkeit geprägt. Allerdings bin ich in den letzten Jahren viel ruhiger geworden. Mein Interesse am Unkonventionellen ist aber unvermindert gross.
Welcher Buchtitel lässt dich warum nicht los? Welcher Song?
Das kann ich eigentlich unmöglich beantworten, weil es von beidem zu viele gibt. Aber wenn ich ein Buch nennen müsste, wäre es wohl «Frederick“ von Leo Lionni. Ich habe das Bilderbuch über die Maus, die keine Nüsse, dafür Farben und Wörter sammelt und Geschichten erzählt, zur Taufe geschenkt gekriegt. Wundersamerweise wurde es mir ein wenig zur Biographie.
Und ich entscheide mich für den Song „Ovaj ples dame biraju“ der wohl berühmtesten jugoslawischen Rockband „Bijelo Dugme“. Das war eines der ersten jugoslawischen Lieder, die ich hörte. Später befasste ich mich intensiv mit der Musik Ex-Jugoslawiens. Es lohnt sich sehr, das Musikvideo zum Song auf Youtube anzuschauen.
Frédéric Zwicker, geb. 1983 in Lausanne, aufgewachsen in Rapperswil-Jona am Zürichsee, wo er heute wieder lebt. Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie. 2006 gründete er die Band ‹Knuts Koffer›. Seit 2008 ist er Kolumnist bei der ‹Linthzeitung› und der ‹Südostschweiz Glarus›. Er arbeitete u.a. als Werbetexter, Journalist, Reisejournalist in Ostafrika, Musiklehrer, Slam-Poet, Pointenschreiber für die Satiresendung Giacobbo/Müller, Drehbuchautor. Sein Romandebüt «Hier können Sie im Kreis gehen» erschien 2016 bei Nagel & Kimche.