Volker Kutscher und Kat Menschik „Moabit“, Galiani

In der von Kat Menschik gestalteten Reihe „Lieblingsbücher“ wählt die Illustratorin gemeinsam mit dem Verlag die jeweiligen Materialien aus und bestimmt Satz und Layout. So entstand der 4. Band einer wirklich illustren Reihe; „Der Landarzt“ von Franz Kafka, „Romeo und Julia“ von William Shakespeare, „Die Bergwerke von Falun“ von E. T. A. Hoffmann – und nun „Moabit“ von Volker Kutscher.

Die Justizvollzugsanstalt Moabit steht seit fast 140 Jahren, mittlerweile unter Denkmalschutz aber noch immer als Haftanstalt genutzt, mitten in Berlin. Volker Kutschers kriminalgeschichtliche Lunte brennt aber über die Gefängnismauern hinaus ins Berlin der Dreissigerjahre und explodiert in der Kneipe „Bei Mathilde“, einem Eckhaus am Lenzener Platz.

Kurz vor Ende einer mehrjährigen Haftstrafe wird Adolf Winkler, den die Szene nur „den Schränker“ nennt, im Moabit von einem eben erst Eingesperrten mit einem Messer angegriffen und beinahe erwürgt. Nur ein Zufall rettet Adis Leben, der nach seiner Haftentlassung bei einer Willkommensfeier in der Amor-Diele feststellen muss, dass seine Gang nicht mehr die ist, die er damals wegen bandenmässigem Raubüberfall verlassen musste. War er im Moabit das Opfer eines Machtkampfs?

Die Goldenen Zwanziger in Berlin waren auch die Goldenen Zwanziger der Berliner Unterwelt. Volker Kutscher gelingt es in diesem Kurzkrimi zusammen mit der Illustratorin Kat Menschik ausgezeichnet, etwas vom Flair, dem überbordenden Lebenshunger jener Zeit einzufangen. Wer mit dem schmucken Büchlein in der Hand eintaucht, fühlt, sieht und riecht das Brodeln der wilden Jahre in einem Berlin, das kurze Zeit später in der Weltwirtschaftskrise zu implodieren droht.

Zum Juwel macht den Krimi aber Kat Menschik mit ihrer unvergleichlichen Art, eine Geschichte mitzuerzählen. „Moabit“ ist mehr als ein Krimi, mehr als ein Buch, auch mehr als ein illustriertes Buch. „Moabit“ ist buchgewordene Antithese zum gebetsmühlenartigen Abgesang auf das gedruckte Buch. „Moabit“ aus dem Hause Galiani ist genau das, was ein Reader nie und nimmer erreichen kann – ein Fest für die Sinne! Grossartig! Das Weihnachtsgeschenk!

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte zunächst als Tageszeitungsredakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln. Mit dem Roman »Der nasse Fisch«, dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher fünf weitere folgten. Die Reihe ist die Vorlage für die internationale Fernsehproduktion »Babylon Berlin«.

Kat Menschik ist freie Illustratorin. Sie gibt dem Feuilleton der FAZ die optische Prägung, diverse von ihr illustrierte Bände erlangten Kultstatus, u. a. Haruki Murakamis Schlaf. Zahlreiche ihrer Bücher bekamen Auszeichnungen als schönste Bücher des Jahres. Bei Galiani sind erschienen: „Der Mordbrand von Örnolfsdalur und andere Isländersagas“ (2011) sowie „Kalevala“ (2014), „Der goldene Grubber“, Von großen Momenten und kleinen Niederlagen im Gartenjahr (2014).

 

Literaturvorschläge aus dem Turm

Liebe Bücherfreunde

Zusammen mit Elisabeth Berger stellte ich am Nikolaustag im Tröckneturm St. Gallen lesenswerte Bücher vor. Elisabeth Berger sechs – ich ebenso. Bücher, die man schenken kann. Bücher, die sich  lohnen zu lesen. Bücher, die man vorlesen kann. Bücher für viel mehr als ein paar schöne Stunden.

Falls sie noch ein Weihnachtsgeschenk brauchen, vertrauen sie dieser Liste!

bildschirmfoto-2016-12-04-um-17-42-50

«Die Annäherung» von Anna Mitgutsch für alle, die sich für das vom letzten Weltkrieg dominierte Geschehen eines Jahrhunderts interessieren, für Familiengeschichte mit viel Unausgesprochenem.

«Wenn du dein Haus verlässt, beginnt das Unglück» von Max Küng für Neugierige, die hinter Fassaden schauen wollen, Witziges mögen.

«Schlaflose Nacht» von Margriet de Moor, für jene, die bereit sind, mit der Erzählerin mitten in der Nacht in der Küche zu stehen, um zuzusehen, was der Suizid des Mannes im Gewächshaus hinter dem Haus anrichtet.

«Das achte Leben – für Brilka» von Nino Haratischwili für fleissige LeserInnen, die sich von 1300 Seiten nicht abschrecken lassen und dafür belohnt werden mit einem georgischen Epos in Breitleinwand über beinahe 100 Jahre – ein fantastisches Buch!

«Cox oder Der Lauf der Zeit» von Christoph Ransmayr für jene, die sich vor einer mächtigen chinesischen Kulisse von einem Meister der Sprache in die Fremde entführen lassen wollen.

«Hier können sie im Kreis gehen» von Frédéric Zwicker, die erfahren wollen, warum sich ein alter Mann hinter einer vorgespielten Demenz im Altersheim verstecken will.

bildschirmfoto-2016-12-04-um-17-43-03

«Bella Mia» von Donatella di Pietrantonio für jene, die sich in eine der vielen Behelfsunterkünfte nach dem grossen Beben 2009 in Italien versetzen lassen wollen, ins Schicksal dreier Menschen, die sich neu erfinden müssen.

«Nora Webster» von Colm Toibin für jene, die sich literarisch entführen lassen wollen in die irische Provinz der 60er Jahre, an einen Ort, wo der Verlust des Mannes die persönliche Katastrophe der hinterbliebenen Frau vervielfacht.

«Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt» von Zora del Buono, für jene, die wissen wollen, was eine unmögliche Liebe bewirkt in einem Land, das von den NSA-Enthüllungen gebeutelt ist.

«Der lange Atem» von Nina Jäckle, die sich auch vor dem Trauma eines erlebten Tsunamis in Japan nicht abschrecken lassen, vom Tod in all den entstellten Gesichtern, im Buch von einer eindringlichen Sprache belohnt.

«Der Hut des Präsidenten» von Antoine Laurain, für jene, die wissen wollen, was ein verlorener Hut des ehemaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand anrichten kann. Heiter!

«Lügen sie, ich werde ihnen glauben» von Anne-Lare Bondouz und Jean-Claude Mourlevat für jene, die sich gerne gut unterhalten lassen von einem E-Mail-Roman voller Witz und Charme.

Zwei Büchermenschen: Gallus Frei-Tomic und Elisabeth Berger

mehr Infos unter lebendiger-advent.ch