Michael Kleeberg verbringt zwei Monate als Writer in Residenz im Literaturhaus Lenzburg. Eine einmalige Gelegenheit, um zwei schreibende Schwergewichten über ihre Arbeit sprechen zu hören. Der berlinkritische Hauptstädter, weit gereiste Michael Kleeberg und der aus Rumänien stammende, leidenschaftliche Geschichtenerzähler Catalin Dorian Florescu.
Zwei vor Publikum einzuladen, um herauszufinden, was so unterschiedlich Schreibende verbindet. Mich Literaturverliebten dabeizuwissen, wenn der Mann spricht, der mit „Der Garten im Norden“ vor 20 Jahren ein Buch schrieb, das in meiner Bibliothek so lange ich lebe einen Sonderstatus geniesst. „Der Garten im Norden“ strahlt noch immer aus, was er vor zwei Jahrzehnten an unvergesslichen Leseeindrücken hinterliess. So wie „Jakob beschliesst zu lieben“ 2011 von Catalin Dorian Florescu! Zwei Reliquien in meinen Bücherregalen.
Beide schrieben in ihrer Anfangszeit Theater, eine von vielen Parallelen in den Leben der beiden. Michael Kleeberg über den RAF-Terror, Catalin Dorian Florescu ein Stück in der Empörung über die Schreckenszeit im Ceaușescu-Rumänien. Aber weder das eine noch das andere wurden aufgeführt, schon gar nicht eine Komödie über den RAF-Terror in einer Zeit, als die Agitatoren in gewissen Kreisen Helden waren.

Kleeberg übersetzt vom Französischen und Englischen ins Deutsche, reist viel und gerne, was sich auch in seinem letzten Roman „Der Idiot des 21. Jahrhunderts“ niederschlug, ein Roman, der niemanden geringeren als „der Idiot“ von Dostojewski zum Paten hat.
In Catalin Dorian Florescus Romanen dreht sich alles um Sehnsucht nach Freiheit. Im Roman „Der Mann, der das Glück bringt“ treffen sich zwei nach den Terroranschlägen von 9/11 in New York und erzählen sich im Schutz eines Theaters ihre Geschichten. Florescu ist durch und durch Geschichtenerzähler. Ein Mann, der zu sprudeln beginnt, sobald ihm Zuhörer ihre Aufmerksamkeit schenken. Etwas, was man Florescu gerne entgegenbringt, denn er „rauscht“, stichelt, schwärmt und legt ein Panorama aus, ufert zuweilen aus, selbst dann, wenn man ihn zu mässigen versucht. Er schwelgt in seinen Bildern und Geschichten, die er mit sich herumträgt, wie kein anderer in der CH-Literatur.

Michael Kleeberg verarbeitete in seinem Roman „Der Idiot des 21. Jahrhundert“ 15 Jahre Erfahrungen mit dem Mittleren Osten. Seinen Ursprung nahm der Roman, als Michael Kleeberg vor vielen Jahren im Iran am Grab des iranischen Nationaldichters Hafis (1315 – 1390) stand, bei seinem Mausoleum, zusammen mit Tausenden Menschen mit ihm. Lauter Menschen, die dort die Verse des Dichters aus dem 14. Jahrhundert rezitierten, eines Mannes, der in jenem Land noch viel höher angesehen ist als Goethe in Deutschland oder Shakespeare in England. Gedichte, die damals in vollendeter Poesie Widerstand aussprachen. Worte, die heute fassen, was sich im Iran wegen fehlender Opposition niemand offen auszusprechen traut. Worte, die mit Hafis einen unantastbaren Paten haben. Eine Stimme für die sonst Stummen. Angetan von der Lektüre Goethes „Der fernöstliche Diwan“ schrieb Michael Kleeberg mit „Der Idiot des 21. Jahrhunderts ein Panorama durch das Ost-West-Verhältnis, durch die Zeit. Seine Erfahrungen, die untrennbar mit dem Mittleren Osten verzahnt sind, über die Geschehnisse dort, die sich mit Europa verbeissen und darüber wie das über Jahrhunderte labile Verhältnis zwischen den beiden Polen gerade jetzt geprägt ist von maximaler Distanz angesichts grösstmöglicher Nähe durch Internet und soziale Medien.
Sowohl Kleeberg wie Florescu sind Schriftsteller, die, bevor sie mit dem eigentlichen Erzählen und Schreiben beginnen, tief in ihre Themen hineintauchen, umfangreich recherchieren, um Wahrhaftigkeit zu generieren. Noch viel mehr aber, um das Erzählen glaubhaft, das Erzählen auf der Wahrheit abstützen zu können. Erfindung muss legitim sein, ihr Erzählen damit ein Recht bekommen. Recherche bilde den Boden, mehr als nur Kulisse. Sie prägt das Geschehen, den Weg einer Geschichte und nicht zuletzt eine Arbeitsethik. Literatur ist mehr als Behauptung. „Ein gut sitzender Anzug“, so Florescu, in dem man sich sicher schreibend bewegen kann. Recherche ist Suchen und Vergessen zugleich. Was von der Suche bleibt, wirkt durch die physische Anstrengung des Schreibens in den Text. Aus Wissen wird Intuition. Recherche ist der Erhalt der Würde jener Personen, von denen erzählt wird, selbst wenn sie „erfunden“ sind.
Ein Roman ist immer Findungsprozess, das Resultat unzähliger Spuren, die mit Hilfe der Recherche und Sprache eine literarische Spur durch die Zeit geben. „Ich will Zeugnis ablegen“, meinten beide, Michael Kleeberg und Catalin Dorian Florescu.
Michael Kleeberg, geboren 1959 in Stuttgart, lebt als Schriftsteller und Übersetzer (u.a. Marcel Proust, John Dos Passos, Graham Greene, Paul Bowles) in Berlin. Sein Werk (u.a. «Ein Garten im Norden», «Vaterjahre») wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. Zuletzt erhielt er den Friedrich-Hölderlin-Preis (2015), den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (2016) und hatte die Frankfurter Poetikdozentur 2017 inne.

Catalin Dorian Florescu, geboren 1967 in Timişoara in Rumänien, lebt als freier Schriftsteller in Zürich. Er veröffentlichte die Romane «Wunderzeit» (2001), «Der kurze Weg nach Hause» (2002) und «Der blinde Masseur» (2006). Er erhielt zahlreiche Stipendien und Preise – u. a. den Anna Seghers-Preis und 2011 den Schweizer Buchpreis. Im Jahr 2012 wurde er mit dem Josef von Eichendorff-Literaturpreis für sein Gesamtwerk geehrt.

Rezension von «Der Nabel der Welt» auf literaturblatt.ch
Rezension von «Die Freiheit ist möglich» auf literaturblatt.ch

 
	 
	



 
	 “Denken ist gefährlich, Denken hat Denken zur Folge, du wirst zum  Gedankenverfolgten, treiben sie dich in die Enge oder an den Rand des Abgrunds, können Gedanken tödlich sein.“
“Denken ist gefährlich, Denken hat Denken zur Folge, du wirst zum  Gedankenverfolgten, treiben sie dich in die Enge oder an den Rand des Abgrunds, können Gedanken tödlich sein.“ Jürg Halter ist neben vielen anderen Gast am 3. Lyrikfestival NEONFISCHE 2018 im Aargauer Literaturhaus Lenzburg. Am Wochenende vom 3. und 4. März lesen und performen neben Jürg Halter auch Joachim Sartorius, Robert Schindel, Kathrin Schmidt, Ernst Halter, Raphael Urweider, Frédéric Wandelère, Klaus Merz, Meret Gut, Cornelia Travnicek, Tim Holland sowie die Übersetzerinnen Elisabeth Edl und Marion Graf.
Jürg Halter ist neben vielen anderen Gast am 3. Lyrikfestival NEONFISCHE 2018 im Aargauer Literaturhaus Lenzburg. Am Wochenende vom 3. und 4. März lesen und performen neben Jürg Halter auch Joachim Sartorius, Robert Schindel, Kathrin Schmidt, Ernst Halter, Raphael Urweider, Frédéric Wandelère, Klaus Merz, Meret Gut, Cornelia Travnicek, Tim Holland sowie die Übersetzerinnen Elisabeth Edl und Marion Graf.
 
	 Ich staune und bin tief berührt. Und einmal mehr verblüfft darüber, wie lange es dauerte, bis ich für solche Texte überhaupt zugänglich wurde. Es ist wohl nicht die Reife, die fehlte. Aber mit Sicherheit die Geduld, sich auf Lyrik einzulassen. Den Genuss der Sprache dem blossem Verstehenwollen vorzuziehen.
Ich staune und bin tief berührt. Und einmal mehr verblüfft darüber, wie lange es dauerte, bis ich für solche Texte überhaupt zugänglich wurde. Es ist wohl nicht die Reife, die fehlte. Aber mit Sicherheit die Geduld, sich auf Lyrik einzulassen. Den Genuss der Sprache dem blossem Verstehenwollen vorzuziehen. Joachim Sartorius, geboren 1946 in Fürth, wuchs in Tunis auf und lebt heute in Berlin und Syrakus. Er ist Lyriker und Übersetzer amerikanischer Dichtung. Er veröffentlichte sechs Gedichtbände, zuletzt 2008  „Hôtel des Étrangers“, zahlreiche Bücher, die in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern entstanden, und die Reiseerzählungen. Sein lyrisches Werk wurde in vierzehn Sprachen übersetzt. Er ist Mitglied des PEN und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Joachim Sartorius, geboren 1946 in Fürth, wuchs in Tunis auf und lebt heute in Berlin und Syrakus. Er ist Lyriker und Übersetzer amerikanischer Dichtung. Er veröffentlichte sechs Gedichtbände, zuletzt 2008  „Hôtel des Étrangers“, zahlreiche Bücher, die in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern entstanden, und die Reiseerzählungen. Sein lyrisches Werk wurde in vierzehn Sprachen übersetzt. Er ist Mitglied des PEN und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 
	

 Julia Trompeter wurde 1980 in Siegburg geboren. Sie studierte Philosophie, Germanistik und Klassische Literaturwissenschaft in Köln und promovierte in Berlin und Bochum. Seit 2009 tritt sie in dem performativen Projekt Sprechduette zusammen mit Xaver Römer auf. 2010 war sie Finalistin des open mike, 2012 erhielt sie das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln, 2013 für ihren Debütroman eine Förderung der Kunststiftung NRW und 2014 den Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler.
Julia Trompeter wurde 1980 in Siegburg geboren. Sie studierte Philosophie, Germanistik und Klassische Literaturwissenschaft in Köln und promovierte in Berlin und Bochum. Seit 2009 tritt sie in dem performativen Projekt Sprechduette zusammen mit Xaver Römer auf. 2010 war sie Finalistin des open mike, 2012 erhielt sie das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln, 2013 für ihren Debütroman eine Förderung der Kunststiftung NRW und 2014 den Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler.