Daniela Krien «Die Liebe im Ernstfall», Diogenes

Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde. Fünf Frauen, fünf Leben, fünf Varianten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Leben zwischen Traum, Entwurf, Realität und Ernüchterung. Eingebetet in eine Gegenwart, die oft nicht dem entspricht, was hätte sein können. Ein Roman wie ein Teppich, dicht verwoben, kunstvoll konstruiert. Ein literarisches Soziogramm. Viel mehr als ein femininer Schicksalsroman.

Als Paula Ludger kennenlernte, wohnte sie schon Jahre mit Judith zusammen. Paula und Judith waren Freundinnen, obwohl sie schon als Teenager grundverschieden waren. Was durch nichts zu brechen war, schaffte die Heirat von Paula und Ludger. Eine Freundschaft zerbricht. Judith ist Ärztin und als „Unberührbare“ dauernd auf der Suche nach dem perfekten Mann. Eine Suche, die längst zum Selbstzweck geworden ist. 

Brida liebt Götz, den Mann, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, den Fels. Brida ist Schriftstellerin und zerbricht an der Unmöglichkeit, jenes Leben zu führen, das ihr bestimmt sein muss. 

Malika ist die Schwester von Jorinde, die Verschmähte von Götz, die ungeliebte Tochter umtriebiger DDR-Intellektueller. Bis Malika ihre Schwester retten soll, bis sich die Spiesse zu drehen scheinen. Und Jorinde, der einst alles zu Füssen liegen schien, zieht der immer grösser werdende Spagat zwischen Pflichten und Berufung den Boden unter den Füssen weg.

Obwohl Daniela Krien in ihrem zweiten Roman „Die Liebe im Ernstfall“ die Geschichten der fünf Frauen hintereinander erzählt, sind alle Leben, alle Geschichten tief ineinander verflochten. Sie berühren sich nicht einfach wie bei einem Episodenroman, sondern füllen ein Pentagon weiblicher Lebensentwürfe, ein Spannungsfeld zwischen Anziehung und Abstossung, zwischen Liebe und Hass, zwischen eigenem Selbst und unergründlichem Gegenüber.

„Die Liebe im Ernstfall“ ist ein Roman über die Spielarten der Liebe, darüber wie viel Schmerz sich Liebe aufladen kann. Wie aus Liebe Schuld werden kann. Paula verliert ein Kind an den Folgen einer Impfung. Sie verliert Kind und Glück. Judith verliert auch ein Kind, mehr als eines und spürt die Schuld, die sich in ihr Leben schleicht. Brida verliert Götz und das Familienglück mit ihren zwei Kindern, ein Glück das unumstösslich schien. Malika verliert schon früh die Liebe ihrer Eltern, die Liebe ihrer Mutter. Und Jorinde den Platz, der ihr zugesprochen scheint. Liebe ist ein Gefühl. Und Gefühle sind nie in Stein gehauen, auch wenn sie übergross und übermächtig erscheinen.

Obwohl der Titel des Romans, die fünf Frauenleben nach Fallstudie riecht, ist Daniela Kriens Roman mehr als Liebesgeschichte, viel mehr als Fallstudie. Daniela Krien erzählt von fünf Frauen, die im ganz normalen Leben wirklich zu leben versuchen, nicht nur funktionieren und reagieren, sondern agieren. Aber aus Wunsch und Idee wird Krampf und Kampf. Daniela Krien erzählt von Sehnsüchten. Der Sehnsucht nach Liebe zu einem Gegenüber, einem Gegenüber, das versteht und jener Sehnsucht, sich selbst dabei treu zu bleiben. 

Daniela Krien, geboren 1975 in Neu-Kaliß, studierte Kulturwissenschaften und Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig. Seit 2010 ist sie freie Autorin, 2011 erschien ihr Roman «Irgendwann werden wir uns alles erzählen», der in 14 Sprachen übersetzt wurde. Ihr 2014 veröffentlichter Erzählband «Muldental» wurde 2015 mit dem Nicolaus-Born-Debütpreis ausgezeichnet. Daniela Krien lebt mit zwei Töchtern in Leipzig.

Daniel Krien liest aus ihrem Roman «Die Liebe im Ernstfall» am 11. Wortlaut Literaturfestival St. Gallen 2019, am Samstag, den 30. März! Weitere Informationen finden Sie auf wortlaut.ch! Moderation: Gallus Frei-Tomic

Beitragsbild © Sandra Kottonau