«Ameisen unterm Brennglas» Jens Steiner diskutierte mit und las.

Jens Steiner ist noch wenige Tage Stipendiat der Kulturstiftung Thurgau. Die Stiftung stellte ihm während zweier Monate die kleine Wohnung im Literaturhaus Thurgau zur kreativen Verfügung. So war die Kulturstiftung auch Trägerin der Lesung, die vom Literaturhaus Thurgau mit dem neuen Format «Literatur am Tisch» kombiniert wurde.

Bei anderer Gelegenheit schrieb Bettina Spoerri, Schriftstellerin, über das neue Format: „Literatur am Tisch sollte es überall geben. Meiner Meinung nach schreiben viele AutorInnen genau für sie: für Menschen, die sich vertieft und intensiv, mit viel Liebe und Neugier, mit Literatur auseinandersetzen … Dabei war es spannend, einfach zuzuhören, zu erfahren, wie unterschiedliche Menschen einen Text lesen und darauf reagieren. Ich bin reich beschenkt nach Hause gefahren.“

Vor der Lesung unterm Dach trafen sich so ein Dutzend Interessierte bei Wein, Käse und Brot, solche, die das Buch gelesen hatten und sich gerne mit dem Schriftsteller in eine Diskussion verwickeln liessen. Kein Schriftsteller schreibt nur für sich. Aber vielleicht lesen wirklich Literaturinteressierte auch nicht bloss für sich. Literatur ist mehr als Unterhaltung, sondern Auseinandersetzung. Und die geschieht nur, wenn man über das Gelesene spricht. Jens Steiner lies sich darauf ein und für das muntere Dutzend in der «Stube» des Literaturhauses war es eine Offenbarung.

Ameisen unterm Brennglas schmoren lassen? Taten sie es einst auch mit dem Vergrösserungsglas des Grossvaters? Ein bisschen göttliche Allmacht? Über Leben und Tod bestimmen? Alles sehen? Das kleine Individuum die Macht spüren lassen? Jens Steiners neuer Roman ist das Nachspüren einer Gesellschaft, die sich im Fieber befindet, an jener Grenze, an der das Bewusstsein verrückt zu spielen beginnt. Jens Steiner schält die von innen braun und matschig gewordene Zwiebel, Schicht für Schicht. Jens Steiners Roman bohrt in die Sedimentschichten der Gesellschaft, in die tiefen Schichten, dorthin, wo Hitze entsteht; Wut, Zorn, Frustration. Er verwendet sein Schreiben als Okular, als Vergrösserungsglas, das uns die Kleinigkeiten, die feinen Details vors Auge bringt.

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Beitragsbilder © Sandra Kottonau / Literaturhaus Thurgau