April ist eine Frau, die sucht. Irgendwann findet sie Ludwig. Einen Mann, den sie anfangs aufgeblasen findet, der alles Unmögliche für sie erfindet, um Eindruck zu schinden, dessen Hartnäckigkeit ihr aber schmeichelt. Sie heiraten und bekommen ein Kind. Und April findet sich in einem Gefängnis wieder, aus dem sie sich nur unter Aufbietung aller Kräfte befreien kann, auch mit dem Risiko, fast alles zu verlieren.
Sowohl April wie Ludwig sind Menschen, die kaum Rücksicht nehmen. Alles, was sie beginnen, ist von Kompromisslosigkeit und Härte geprägt. Kein Wunder, wenn man die Geschichte von Aprils Kindheit kennt. Wenn man liest, mit welchen Dämonen die junge Frau zu kämpfen hat. Aber April spürt, dass sie eine andere ist, wenn sie liebt, wenn sie geliebt wird. Ludwig mit seinem Schalk, seinem Witz und seiner Unberechenbarkeit scheint genau der Richtige zu sein, um Aprils Leben zu entsprechen. Aber mit dem Kind, den Mutterpflichten wird alles anders.
«Er scheint sich selbst ganz und gar unvertraut. Auch sie ist sich unvertraut.»
Was wächst, ist nicht Vertrauen, sondern Misstrauen. Ludwig wittert überall einen Plan. April ist sich nicht sicher, mit wem sie sich verheiratet hat. Ist der ehrgeizige Chirurg, der sich abends in seinem Zimmer verkriecht und zum Ausgleich stundenlang zockt, der Mann, von dem sie glaubte, sie hätte ihn einmal geliebt? Ist ihr Mann der Mann, der sich auf Reisen gerne klotzig gibt und in der Marilyn-Monroe-Honeymoon-Suite bucht und bei seinen Eltern wieder zum kleinen Jungen wird?
Es dauert nicht lange, bis sich in Aprils Leben Geister einstellen, Filmfiguren, die sich einmischen; Riff Raff, Faye Dunaway und Rosemarie aus «Rosemaries Baby», die unaufhörlich Fragen stellen, die ihr Leben nicht beantwortet.
Mit dem Sohn, mit Samuel, entfernen sich die grossen Themen, über die sie so gerne schreiben will, immer mehr, werden unerreichbar. April dümpelt, während Aprils Geister sich in ihrem Leben einnisten.
«Ihr Herz klopft da, wo es nicht hingehört.»
Ludwig verstrickt sich in den Intrigen der Ärzteschaft, giert nach einem Chefarztposten, bekommt ihn, was die Familie zwingt, von Hamburg nach Berlin zu ziehen. Weg aus dem für April gewohnten Umfeld, weg aus ihrem Leben, weg aus dem Vertrauten, das in Wirklichkeit nie auf festem Untergrund gebaut war. April beginnt Tabletten zu schlucken, verschrieben von ihrem Therapeuten, begrüsst von ihrem Mann. Und als sie sich in einem afrikanischen Laden wiederfindet, wo man ihr während Stunden ein Haarteil auf dem Kopf näht, schiesst es ihr in den Kopf, begreift sie, «dass sie immer schon den Atem angehalten hat, ihr ganzes Leben lang.» April trennt sich von Ludwig, zumindest vordergründig, zieht zurück nach Berlin, nimmt weiter Tabletten.
«Ludwig kann Feuer entfachen, aber nicht am Brennen halten.»
Es beginnt der Kampf um Sam. Ludwig schickt ihn in ein Internat. April stürzt sich in die Arbeit als Redaktorin, während Ludwigs Leben aus den Fugen gerät. Ein Fall, der April mitzureissen droht.
Angelika Klüssendorfs Roman «Jahre später» ist eine ganz besondere Mischung. Da liest man vom Schrecken, der Achterbahn einer Beziehung, die zwischen akutem Schmerz und ungewollter Abhängigkeit pendelt und gleichsam vom Humor und Witz, der im fatalistischen Gefüge dieser Beziehung aufblitzt. Aus diesem Roman steigt derart viel Kraft und Poesie, dass man den Schluss des Buches möglichst lange herauszögern möchte. Ein Buch, aus dem einem Sätze förmlich anspringen. Sätze, die wie Blitze aufleuchten, hinter denen sich Welten aufschliessen. Sätze, die ganze Geschichten erzählen, Bilder die sich so tief einprägen, als hätten sie sich in die Netzhaut des Erinnern gebrannt.
«Glück ist die Abwesenheit von Angst.»
Angelika Klüssendorf ist auf Lesereise. Unbedingt hingehen, zuhören, staunen, lachen und geniessen!
Angelika Klüssendorf, geboren 1958 in Ahrensburg, lebte von 1961 bis zu ihrer Übersiedlung 1985 in Leipzig; heute lebt sie in der Nähe von Berlin. Sie veröffentlichte unter anderem die Erzählungen «Sehnsüchte» und «Anfall von Glück», den Roman «Alle leben so», die Erzählungsbände «Aus allen Himmeln» und «Amateure». Mit den beiden Romanen «Das Mädchen» und «April» schliesst «Jahre später eine Trilogie ab. Alle drei Romane sind unbedingt lesenswert!
Titelfoto: Sandra Kottonau

schwarze Löcher aufweist, weil der Nachlass auf Keyserlings Wunsch vernichtet wurde. Eine Tatsache allerdings, die die Neugier und Fantasie Klaus Modicks nur noch mehr anstachelte. Was waren die Gründe, warum ein Nachlass, fast alle Spuren, Briefe und Manuskripte eines Schriftstellers vernichtet werden mussten? Warum musste Eduard von Keyserling fluchtartig seine Universität und die Stadt Dorbat (heute Tartu) verlassen und nach Wien fliehen? Klaus Modick spinnt mit viel Einfühlung einen mitreissenden Roman, der in der Künsterboheme um 1900 spielt, Keyserlings Schwabinger Freunde; den Dramatiker Halbe, den Maler Lovis Corinth oder den Schriftsteller und Schauspieler Frank Wedekind. Absolut überzeugend aber ist Klaus Modicks feinsinnige Sprache, der Ton, den er beim Erzählen anstimmt und der perfekt zum Lebensgefühl und zur Zeit damals passt. Für all jene die perfekte Lektüre, die es mögen, wenn mit dem Lesen Zeitverständnis geweckt wird.
Mutter, die nicht von ihrer abzugrenzen war, dem elterlichen Hof und von Toni, ihrem Bruder, dem Hoffnungsträger, der tot im grossen Krieg zurückgeblieben war. Fanny braucht ein Leben lang, um sich von den Gewichten ihrer Vergangenheit loszumachen, den Eltern, dem Dorflehrer, mit dem sie verheiratet war und einen Sohn hat. Selbst von jenen, die noch leben, ihrem Sohn, der auch Toni heisst und ihrer Enkelin, die sich nicht mehr nur mit Märchen aus der Vergangenheit begnügt. Die Geschichte einer Frau durch fast ein ganzes Jahrhundert. Laura Freudenthaler, noch jung, erzählt klug, wohl wissend, wo Nähe oder Distanz dem Erzählen gut tun. Ein Roman voller Ehrlichkeit und Reife, sprachlicher Kraft und Leidenschaft für ein Leben! Unbedingt lesen!
vor langer, langer Zeit, damals 1933 in diesem schicksalsreichen Jahr deutscher Geschichte. Und sie sass Modell für ein Porträt, vor dem Maler Otto Dix. Damals war Tamara zwanzig, als sie Otto Dix zum ersten Mal begegnete, ebenso beeindruckt wie eingeschüchtert von einem Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm. Otto Dix malte sie, weil sie mit ihrem Lächeln trösten sollte. Aus dem „Bildnis der Tänzerin Tamara Danischewski mit Iris“ wird eine nicht genutzte Möglichkeit, ein Leben am Scheidepunkt, damals noch von einem Leben in allen Facetten. Bis sie heiratete. Sie heiratete einen Mann, der ihr das Tanzen und Fragen verbot, liess sich einschliessen, für immer verwundet.