Sie lieben Bücher!? Sie lieben eine gut erzählte Geschichte, die beim Lesen Welten preisgibt!? Sie lieben das schöne Buch, Bücher, bei denen man immer wieder mit der flachen Hand über den Deckel streicht!? Sie lieben Bücher, die in der Hand, beim Lesen zum Gesamtkunstwerk werden!? Dann lieben sie «Überflutet» der Ukrainerin Tanja Maljartschuk, erschienen in der Edition Thanhäuser!
Tanja Maljartschuk erinnert sich an einen ganz besonderen Sommer in ihrem Dorf. Es regnete fast ununterbrochen, der Fluss trat über die Ufer, die Brunnen quollen über und das trübe Wasser bedeckte Felder und Strassen. Sie erinnert sich an einen Sommer, den sie nachts im Bett an der Seite ihrer Grossmutter teilt. Den Sommer ihrer ersten grossen Liebe, dem ersten Kuss, dem Sehnen nach der Leidenschaft, der grossen, wahren Liebe, dem grossen Fisch, den sie an Land ziehen würde, sich nach Zärtlichkeiten und Berührungen sehnend, dem Rausch der Gefühle.
So sehr die Grossmutter sie während des Tages in Aufgaben einspannt, so entschlossen hält sie Ausschau nach ihrem Prinzen, den sie findet, aber gar nicht will, wie ein Fisch an der Angel.
Die Landschaft, die Felder, die Keller und Häuser ertrinken im trüben Wasser des Flusses. Das Mädchen ist überflutet von Gefühlen, der Heftigkeit der Erkenntnis, dass sich nichts nach ihren Vorstellungen richtet. So sehr das Wasser das Dasein der Grossmutter, der Familie bedroht, so sehr kann das Mädchen alles ausserhalb ihrer Gedankenwelt ausblenden. Die Grossmutter suhlt sich in ihrer Angst vor dem Verhungern, in Schreckensszenarien, das Mädchen in der Angst, vom Verliebtsein allein nicht satt zu werden.
Grossmutters einstige Liebe, der Soldat, dem im Krieg ein Bein abgerissen wurde, liess sie damals alleine zurück, in einer Zeit, die für Träumereien und Schwärmereien keinen Platz hatte. Im Haus der Grossmutter steht ein Foto, das die Grossmutter jung und hübsch zeigt. Das Mädchen fragt die Grossmutter nach ihrer Liebe, dem Mann, ihrer Hochzeit. Und es prallen Welten aufeinander, obwohl das Wasser auch die Gegenwart bedroht.
Tanja Maljartschuks Erzählung lebt von Gegensätzen, vom grenzenlosen Optimismus der Enkelin und dem ebenso grenzenlosen, vorgeschobenen Pessimismus der Grossmutter. «Überflutet» ist ein schmaler Erzählband, zweisprachig deutsch und ukrainisch, über die Sehnsucht, den Verlust und die Ernüchterungen der Liebe.
So schmal das Büchlein, so gross das Vergnügen, so deutlich die Kunst, mit der sich eine junge, aber gereifte Autorin der Sprache bedient und der Verleger und Gestalter Christian Thanhäuser die Erzählung mit seinen Tintenbleizeichnungen bebildert.
Überflutet» ist weit mehr als eine gedruckte, zwischen zwei Buchdeckel gebannte Erzählung. Christian Thanhäuser, Verleger, Buchgestalter und Künstler schuf zusammen mit der Schriftstellerin und dem Übersetzer Harald Fleischmann ein Kunstwerk, das mich sprachlich, literarisch, gestalterisch und haptisch überzeugt und berührt. Ein Kleinod, dem ich in meiner Bibliothek einen besonderen Platz gebe!
Tanja Maljartschuk, geboren 1983 in Iwano-Frankiwsk/Ukraine, arbeitete einige Jahre als Fernsehjournalistin in Kiew. Seit 2011 lebt sie in Wien. 2015 war sie Ranitz-Stipendiatin in Ottensheim. Letzte Veröffentlichungen: 2009 erschien ihr erster Erzählband „Neunprozentiger Haushaltsessig“, 2013 der Roman „Biografie eines zufälligen Wunders“ (beide Residenz Verlag) und 2015 der Erzählband „Von Hasen und anderen Europäern“ (Edition Fototapeta).
Überflutet» ist eine zweisprachige Erstausgabe, aus dem Ukrainischen von Harald Fleischmann
Titelbild: Tintenbleizeichnung von Christian Thanhäuser

Ein solches Festival ist ein Ort der Begegnung. Leserinnen und Leser untereinander; trifft man doch oft die immer Gleichen, Unverbesserlichen, die jedes Jahr verkünden, das nächste Jahr dann einmal ein Pause einzulegen, um den Vorsatz irgendwann zu vergessen, weil Literatur lockt.
So wie der Lyrikerin und Performerin Nora Gomringer auf dem Weg nach Bern und später nach Klagenfurt zum Bachmann-Wettlesen. Sie sitzt dort in der Jury und hat sich vorgenommen, an jedem Tag ein anderes T-Shirt mit einem Bachmann-Zitat zu tragen, um so wenigstens etwas von der Namensgeberin ins Showlesen hineinzugeben.
Oder Sasha Maria Salzmann, die mit ihrem Erstling «Ausser sich» in Leukerbad las und diskutierte und mit ihrer Moderatorin Jennifer Khakshouri jenes Haus suchte, in dem James Baldwin vor einem halben Jahrhundert in der Abgeschiedenheit Leukerbads sein Romandebüt vollendete.
Oder den Künstler, Buchgestalter, Illustrator und Herausgeber Christian Thanhäuser, der einem in ein Gespräch verwickelt, von seinen Freundschaften zu Autoren erzählt, der Zusammenarbeit und dem Entstehen eines Buchprojekts, wie man mit Jaroslav Rudis Bier trinken kann, was ebenso wichtig für ein gemeinsames Buch- oder Kunstprojekt sein kann, wie schürfende Gespräche.
Oder den schüchtern wirkenden Péter Nádas, der 1942 in Budapest geborene grosse Chronist, der in Leukerbad aus seinen Memoiren «Aufleuchtende Details» liest und mit jedem Bild aus seinem umfassenden Werk nachempfinden lässt, was es heisst, untrennbar mit der Geschichte eines Landes, eines Volkes, seiner Familie verbunden zu sein. (Auf dem Beitragsfoto zu Beginn des Textes sitzt Péter Nádas zwischen der Moderatorin Ilma Rakusa (rechts, Schriftstellerin, Übersetzerin und Publizistin) und seiner Übersetzerin Christina Viragh (Schriftstellerin)).
Acht Erzählungen des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Rudiš, ergänzt und mitgetragen von zwölf Fichtenholzschnitten, sogfältig gesetzt, fadengeheftet und blau eingefasst; das, was das Herz eines Büchernarren in Wallung bringt.
Freund Max aus Prag anruft und von seinem Entschluss berichtet, seinem Leben nun endlich eine andere Richtung zu geben, mehr dem Wisent hinterher. Oder der Erzähler trifft Max in der immer gleichen Prager Kneipe «Zum ausgeschossenen Auge» (Die gibt es wirklich!) und man lamentiert über die rüde Gegenwart in der tschechischen und internationalen Politik oder die Sehnsucht nach einem dichtenden Übervater wie es Vaclav Havel einst war, einer Zeit, in der ein Dichter Staatsführer werden konnte. Oder man sitzt als Leser mit am Tisch, lauscht den Erzählungen, die die irgendwie einsamen Männer hinter ihren tschechischen Bieren mit der Runde teilen.
Jaroslav Rudiš wurde 1972 in Turnov in Böhmen geboren, Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker. Seine Bücher erscheinen im Luchterhand Literaturverlag und bei Voland&Quist. 2016/17 Ranitzstipendiat in Ottensheim, 2018 erhält er den Preis der Literaturhäuser.
Artmann gründete Christian Thanhäuser 1989 eine eigene, aus dem Holzschnitt heraus entwickelte Handpressenwerkstatt. Seit 1995 erscheint die Buchreihe RanitzDrucke. Die Drucklegung dieser zum Teil zweisprachig angelegten
Herausgeber ist Ludwig Hartinger. Derzeit erscheinen pro Jahr zwei bis drei, meist zweisprachige Bücher, die in Zusammenarbeit mit der Druckerei Plöchl in Freistadt hergestellt werden. An Handpressendrucken mit Holzschnitten wird weiterhin in der Ottensheimer Werkstatt gearbeitet.