Jaroslav Rudiš «Der Besuch von Herrn Horváth», Edition Thanhäuser

Kleinstverlage wie die Edition Thanhäuser sind stille Tempel der Hingabe und Liebe zur Literatur und Kunst. Wie viele andere funktionieren sie nicht nach den sonst gültigen wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten. Dafür umso mehr, weil wie in den Büchern und Publikationen der Edition Thanhäuser glühende Leidenschaft und maximales Können gepaart sind.

Christian Thanhäuser: Allen Buchprojekten geht eine persönliche Begegnung voraus, in welchen Land auch immer, ich lasse es den Autorinnen und Autoren immer frei, auch Texte zu verfassen, die im normalen Verlagswesen kaum eine Möglichkeit hätten, verlegt zu werden. Je besser man sich kennt, bzw. je besser ich die Länder der Autorinnen und Autoren kenne, umso leichter fällt mir die Arbeit an den Illustrationen.

Acht Erzählungen des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Rudiš, ergänzt und mitgetragen von zwölf Fichtenholzschnitten, sogfältig gesetzt, fadengeheftet und blau eingefasst; das, was das Herz eines Büchernarren in Wallung bringt.
Das Büchlein kostet so viel wie ein Kinoeintritt in Zürich. Das Vergnügen, die Langzeitfreude und die Begeisterung, die es zumindest bei mir auslöst, lässt einen Kinobesuch, sei der Film noch so gut, aber weit im Schatten zurück. Erst recht belohnt durch die Innigkeit, wenn ich die acht Geschichten an einem kühlen Abend meiner Frau vorgelesen habe.

Jaroslav Rudiš, der seine Romane sonst in Deutsch beim Luchterhand Literaturverlag herausgibt und bei seinen Liveauftritten zum Ereignis wird, beweist in «Der Besuch von Herrn Horváth» wie witzig, tiefgründig, bodennah und schräg er erzählen kann. Auf knapp 70 Seiten findet sich alles Können, sowohl das des Schriftstellers wie jenes des Künstlers Christian Thanhäusers.

Acht Erzählungen, die durch den Kumpel Max miteinander verbunden sind. Auch dann, wenn Max gar nicht vorkommt, dann aber, als wären sie ihm am Stammtisch erzählt. Wie jene Geschichte, die dem Buch seinen Namen gibt. Nur ein einziges Mal keucht der alte Herr Horváth das Treppenhaus hinauf zu einem Besuch beim Erzähler. Für eine Partie Schach, unablässig plaudernd. Oder auf einer Reise ins Tessin, wenn dem Erzähler, unterbrochen von den Tunnels der alten Gotthardlinie, sein Freund Max aus Prag anruft und von seinem Entschluss berichtet, seinem Leben nun endlich eine andere Richtung zu geben, mehr dem Wisent hinterher. Oder der Erzähler trifft Max in der immer gleichen Prager Kneipe «Zum ausgeschossenen Auge» (Die gibt es wirklich!) und man lamentiert über die rüde Gegenwart in der tschechischen und internationalen Politik oder die Sehnsucht nach einem dichtenden Übervater wie es Vaclav Havel einst war, einer Zeit, in der ein Dichter Staatsführer werden konnte. Oder man sitzt als Leser mit am Tisch, lauscht den Erzählungen, die die irgendwie einsamen Männer hinter ihren tschechischen Bieren mit der Runde teilen.

Jaroslav Rudiš ist ein begnadeter Erzähler. Ein Seismograph der tschechischen Gesellschaft, die sich in ihrer Unzufriedenheit durchaus grosseuropäisch gibt. «Der Besuch von Herrn Horváth» ist ein Buch, das man nach der Lektüre unmöglich so einfach in ein Regal schieben kann, denn es wächst einem ans Herz!

Jaroslav Rudiš wurde 1972 in Turnov in Böhmen geboren, Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker. Seine Bücher erscheinen im Luchterhand Literaturverlag und bei Voland&Quist. 2016/17 Ranitzstipendiat in Ottensheim, 2018 erhält er den Preis der Literaturhäuser.
Jaroslav Rudiš hat die Texte für dieses Buch in deutscher Sprache geschrieben.

Webseite des Autors

Christian Thanhäuser, geboren am 19. Juli 1956 in Linz, wuchs im Schiffsmeisterhaus zu Ottensheim an der Donau auf. Angeregt von H. C. Artmann gründete Christian Thanhäuser 1989 eine eigene, aus dem Holzschnitt heraus entwickelte Handpressenwerkstatt. Seit 1995 erscheint die Buchreihe RanitzDrucke. Die Drucklegung dieser zum Teil zweisprachig angelegten
Publikationen ist an Stipendienaufenthalte in Ottensheim gebunden. Herausgeber ist Ludwig Hartinger. Derzeit erscheinen pro Jahr zwei bis drei, meist zweisprachige Bücher, die in Zusammenarbeit mit der Druckerei Plöchl in Freistadt hergestellt werden. An Handpressendrucken mit Holzschnitten wird weiterhin in der Ottensheimer Werkstatt gearbeitet.

Webseite der Edition Thanhäuser

Während des 23. Internationalen Literaturfestivals in Leukerbad stellt Christian Thanhäuser Insektenzeichnungen und Holzschnitte aus. Die Insektenzeichnungen sind Illustrationen zu dem vielbändigen bei Matthes & Seitz erschienen Werk «Erinnerungen eines Insektenforschers» über den «Homer der Insekten» Jean Henri Fabre.