Szenische Lesung und Gespräch zu Paul Bowles› Bühnenstück „Der Garten“ mit Florian Vetsch, Dagny Gioulami und Klaus-Henner Russius

Zusammen mit Dagny Gioulami und Klaus Henner Russius gestaltete Florian Vetsch eine szenische Lesung zu Paul Bowles› Bühnenstück „Der Garten“ (Tanger 1967), einem Stück, das eine tiefgründige Geschichte um einen Mann und seinen Garten am Rand einer Oase erzählt. 

«Welch schönen Abend konnten wir Paul Bowles› Theaterstück THE GARDEN im Literaturhaus Thurgau widmen, Dagny, Henner und ich! DANK für die hervorragende Bewirtung, die unübertreffliche Gastfreundschaft und all die Gespräche!» Florian Vetsch

Paul Bowles, geboren 1910 auf Long Island, 1999 gestorben in Tanger,  war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Komponist. Autor von vier Romanen, Short Stories, Reiseberichten, autobiografischer Prosa, Gedichten und einem umfangreichen Briefwerk. Sein Roman „The Sheltering Sky“ (1949; dt. „Himmel über der Wüste“) wurde durch Bernardo Bertoluccis Verfilmung (1990) zu einem zweifachen Welterfolg – er zählt zu den Schlüsselromanen des 20. Jahrhunderts. In New York, wo er 1938 die Schriftstellerin Jane Auer heiratete, arbeitete er als Rezensent und komponierte für den Broadway. 1947 wanderte er, angetrieben von einem Traum, nach Tanger aus; 1949 folgte ihm seine Frau Jane Bowles. Das Paar unterhielt einen legendären Salon, den zahlreiche illustre Persönlichkeiten frequentierten. Paul Bowles wurde zur Legende, zum „Titan von Tanger“, dessen Bücher, um nur wenige zu nennen, Truman Capote, Tennessee Williams, Jack Kerouac, Susan Sontag und Patricia Highsmith magnetisch nach Tanger zogen. Paul Bowles‘ Übersetzungen haben eine Handvoll marokkanischer Erzähler im Westen zu viel beachteten Autoren gemacht, darunter Mohamed Choukri und Mohammed Mrabet. Mit seinem Tod am 18. November 1999 endete in Tanger eine Ära. 

Florian Vetsch ist das, was man einen Literaten nennt. Wer ihn ihn seinem Zuhause in St. Gallen besucht, ihm in seiner Schreib-, Studier- und Leseklause an seinem Schreibtisch gegenübersitzt, riecht die Literatur förmlich. Zwischen jenen Regalen, die viel mehr sind als eine blosse Büchersammlung, die längst zu einem Archiv der Besonderheiten geworden sind, sitzt ein Mann, dem Sprache zum Elexier geworden ist, der sich durch leidenschaftliche Vertiefung längst zu einem Kenner jener Literaturen machte, die in der Gegenwart aus dem Fokus der Lesenden zu rutschen drohen. Florian Vetsch, selbst Lyriker, Sprachkünstler, Herausgeber, Essayist und Kritiker ist Kenner der US-amerikanischen Beatliteratur und Übersetzter ihrer Fixsterne wie Allen Ginsberg, Ira Cohen oder eben Paul Bowles, der zu Lebzeiten jene Szene befeuerte und über seinen Tod hinaus das marokkanische Tanger zu einem ganz eigenen Gravitationsfeld machte. 

Ein Mann arbeitet still und zufrieden in seinem der Wüste mittels Wassergräben abgerungenen Garten und bewundert oft bis nach Sonnenuntergang dessen Schönheit. Seine Frau vermutet, dass er einen Schatz in seinem Garten vergraben habe. Um ihn gesprächig zu machen, wendet sie sich an eine Hexe, die ihr ein schwarzmagisches Gift für ihren Gatten mitgibt. Die Frau verabreicht diesem aber eine Überdosis. Im Glauben, ihn getötet zu haben, verlässt die Frau das Dorf und flieht zu ihrer Familie. Doch das Gift hat den Mann lediglich in einen komatösen Zustand versetzt, aus dem er wieder erwacht; das Gift hat ihn aber das Gedächtnis gekostet. Als der Imam den wieder zu Kräften Gekommenen in seinem Garten besucht und ihn ermahnt, freitags in die Moschee zu kommen und Allah für seinen Garten zu danken, versteht der Mann nicht, worum es geht. Alsbald geht das Gerücht um, er habe seine Frau umgebracht, in Stücke zerlegt und in seinem Garten vergraben. Aus dieser Konstellation entwickelt sich für den ahnungslosen Mann eine tödliche Spirale…

Eine Geschichte um Leidenschaft und Besitz, ein Lobpreis eines jeden Gartens, von Orten, an denen es wächst und gedeiht, von den Bedrohungen durch Neid, Missgunst, Fundamentalismus und Instrumentalisierung, ein Lehrstück über die Fallstricke der Ehe und die Abgründe menschlicher Schwächen.

Der bei Bilger herausgebrachte Prachtband „Der Garten / The Garden“, herausgegeben und übersetzt von Florian Vetsch, gestaltet von Dario Benassa, ist materialisierte Leidenschaft für Literatur und ein Stück Kosmos, das mit Paul Bowles in Tanger bis in die Gegenwart wirkt. Ein Buch, durchdrungen von der atmosphärisch aufgeladenen Stimmung rund um den Dreh- und Angelpunkt einer ganzen Szene. Ein Buch, durch das Wüstensand zu rieseln scheint, in dem man den Kif riecht und Zeugnis ablegt von einer Welt, die im Gegensatz zur Gegenwart von ultimativer Konfrontation durchsetzt ist.

Dagny Gioulami (*1970 in Bern, lebt in Zürich) studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich und war auf vielen Bühnen engagiert. Seit 2000 schreibt sie Libretti und Theaterstücke, u.a. für das Opernhaus Zürich. Von 2010 bis 2013 studierte sie am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Ihr erster Roman „Alle Geschichten, die ich kenne“ erschien 2015 und wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Literaturpreis des Kantons Bern und stand auf der Shortlist des Rauriser Literaturpreises. 

Klaus Henner Russius (*1937 in Danzig, lebt in Zürich) absolvierte eine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin. In der Folgezeit hatte er Engagements in Göttingen, Düsseldorf, St. Gallen und Mannheim. Seit 1985 ist er als freischaffender Schauspieler unterwegs, unter anderem in Heidelberg, Frankfurt, Düsseldorf, Bonn und Zürich. In dieser Zeit zeigte er vielbeachtete Einmannproduktionen, hatte Sprechrollen an zahlreichen Opernhäusern und verschiedene Filmrollen. In den letzten Jahren arbeitete er als Regisseur und wurde bekannt für seine grossen Lesereihen, unter anderem von Gottfried Kellers Zürcher Novellen, Homers Odyssee und Texten von Anton Tschechow und Imre Kertész.

Beitragsbilder © Gallus Frei