Michael Köhlmeier «Die Nacht der Diplomaten», Svato Verlag

Schon erstaunlich. Seit über 40 Jahren wirkt der Buchkünstler Svato Zapletal in seinem Atelier, seinem Verlag in Hamburg. Dort entsteht Buchkunst für ein Publikum, dass das Buch selbst als Kunstwerk betrachtet, dem ein Buch nicht bloss Informationsträger ist, sondern Kunstobjekt selbst, Schmuck, Materie gewordenes Resultat von Leidenschaft, Meisterschaft und Liebe zu Wort, Bild und Papier.

Michael Köhlmeier, mehr als Schriftsteller, sondern König in Sachen Märchen, Sagen und Fabeln, hat in Zusammenarbeit mit dem Buchgestalter und Künstler Svato Zapletal eine Buchperle für Auge, Hand und Seele geschaffen.

Seit Erfindung der Buchdruckerkunst waren Illustrationen fester Bestandteil der Buchkunst. Selbst vor hundert Jahren blühte das illustrierte Buch. Und zwar nicht einfach in Form einer Bebilderung, sondern als Kontrapunkt, Ergänzung, Gegenüberstellung. Die Gestaltung eines Buches beschränkte sich nicht bloss auf den Satz, die Wahl des Papiers und die werbetechnisch optimale Ummantelung durch einen «Schutzumschlag». Text, Schrift, Illustration, Gestaltung bis hin zum Format, der Bindeart – alles vereinte sich im Buch.
Dass Bücher heute oft nur noch Textträger sind und weder Auge noch Hände zu schmeicheln wissen, ist dem Zwang der Wirtschaftlichkeit geschuldet. Umso mehr erstaunen mich Einzelkämpfer wie Svato Zapletal (Svato Verlag), Christian Ewald (Katzengraben Presse) oder Christa und Toni Kurz (Edition Thurnhof), die mit ihren Büchern, Publikationen und Papierkunstwerken in Kleinstauflagen Werke schaffen, die sich gegen Schnelllebigkeit, Verbrauch und Konsum wehren. Es ist ein Versuch gegen die Vergänglich- und Beliebigkeit, gegen Massenware und Masslosigkeit.

Nach Jahren, in denen sich für Svato Zapletal fast ausschliesslich klassische DichterInnen anerboten, sind es in der Gegenwart immer häufiger Namen, die auch aus zeitgenössischer Literatur den Text bieten: Doris Dörrie, Hans Magnus Enzensberger, Cees Nooteboom.
Neustes Werk aus dem Svato Verlag ist «Die Nacht der Diplomaten» von Michael Köhlmeier. Ein österreichischer Autor, der sich nicht erst seit dem Rechtsrutsch im eigenen Land pointiert zu Wort meldet. Ein Autor, der sich nicht scheut, zu gesellschaftlichen oder politischen Themen Stellung zu beziehen.

Wie wählen Sie Ihre Texte aus?
Man könnte es einfach ausdrücken: Nach Vorlieben. Am Anfang waren es Expressionistische Dichter – da fühlte ich eine Verwandtschaft. Und natürlich, jetzt immer mehr, die moderne Prosa – etwas riskant, da das etwaige Publikum mitziehen muss; das Ganze ist ja schliesslich eine kostspielige Sache, es wird zwar in einer kleinen Auflage hergestellt, aber dennoch ist es eine Auflage.

Wie gehen Sie bei der Umsetzung vor?
Lesen, lesen, lesen, immer wieder, dann zwei Wochen Pause und dann die Schrift festlegen, das ungefähre Format, dann fange ich an zu skizzieren. Das nimmt oft eine Richtung an, die überhaupt nicht verwirklicht wird. (Für dieses Buch waren es an die siebzig Skizzen, aber es waren mal auch einhundertsiebzig, bis ich wusste, was ich machen werde. Hand in Hand damit wird irgendeine „Dramaturgie“ des Buches gemacht. Da ist der Satz des Textes mit eingeschlossen. Und dann geht es an das Schneiden der Platten – meist benutze ich die Technik der „verlorenen Form“, die ist zwar etwas riskanter, aber man braucht nicht so viel Material (es sind bei den Bildern ca. 80 Druckvorgänge). Und das ist, inklusive des Druckens, mehr oder weniger Fleissarbeit.

Gibt es Rückmeldungen von Kunden?
Selten lässt sich jemand auf eine Gestaltungsdiskussion ein, es sind eher Kollegen – oder meine Frau – bei denen es eine produktive Kritik gibt. Ohne mir auf die Schulter zu klopfen, sind die Kunden oft ziemlich begeistert, da sie ja auch wiederholt kaufen; die anderen schweigen weise…

Michael Köhlmeier erzählt in «Die Nacht der Diplomaten» von einem Gespräch zwischen Henry Kissinger, damals Sonderbeauftragter für Fragen der nationalen Sicherheit in der Regierung der USA, und Tschou En-lai, Ministerpräsident der Volksrepublik China, um den Besuch von US-Präsident Nixon bei Chinas Staatsoberhaupt Mao Tse-tung vorzubereiten. Im Laufe eines immer freundlicher werdenden Gesprächs stellte Tschou En-lai jene Frage, die alle anderen Fragen übertraf: «Halten sich die Vereinigten Staaten von Amerika die Option offen, über dem Gebiet der Volksrepublik China eine Atombombe abzuwerfen?» Eine Frage, die Kissinger mit einem Ja zu einer Drohung gemacht hätte und mit einem Nein zu einem Versprechen. Also erzählte der gefuchste amerikanische Diplomat eine Geschichte. Die Geschichte eines in die Tiefe gestürzten, verwundeten Löwen.

Keine platte Geschichte, eine Geschichte, die glauben macht, es gäbe auf einfache Fragen einfache Antworten. Eine Geschichte, die einem vor Augen führt wie Macht und Politik funktioniert. Eine Geschichte, die Haken schlägt und zeigt, wie wirkliche Diplomatie funktioniert. Grossartig erzählt, grossartig illustriert, grossartig umgesetzt!

Michael Köhlmeier, geboren 1949, wuchs in Hohenems/Vorarlberg auf, wo er auch heute lebt. Für sein Werk wurde der österreichische Bestsellerautor unter anderem mit dem Manes-Sperber-Preis, dem Anton-Wildgans-Preis und dem Grimmelshausen-Preis ausgezeichnet.

Webseite des Verlags

Frauenfelder Buch- und Handpressen-Messe vom 2. bis 4. November

Die Frauenfelder Buch- und Handpressen-Messe ist eine einzigartige Werkschau von Büchern, Gestaltung, Drucken, Einbänden und Papieren. Veranstaltet wird sie alle zwei Jahre, 2018 bereits zum 14. Mal. Auf der Messe, die in zwei Hallen im historischen Eisenwerk in Frauenfeld stattfindet, präsentieren sich alte Handwerke im Bereich Druck und Papier und zeigen zeitgenössische, künstlerische Anwendungsmöglichkeiten von Bleisatz, Handpressendruck, Kupfertiefdruck, Handbuchbinderei, Holz- und Linolschnitt, Typografie, Papierschöpfen, Papierkunst, Druckkunst und Künstlerbuch.

Viele der Aussteller führen ihre Kunst sogar live am Stand vor, wozu zuvor mitunter tonnenschwere Maschinen in die Werkhalle manövriert werden. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen, den Arbeiten zuzusehen, zu staunen, zu riechen, zu fühlen und mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen. Und natürlich können sie alles, woran sie Gefallen finden, käuflich erwerben: alte und neue Bücher, Handpressendrucke, Einblattdrucke, Alben und Kassetten, Marmor- und Künstlerpapiere, hand- und maschinengeschöpftes Bütten, Kunst und Kleinkunst, Karten und Geschenke.
Die Austeller und Ausstellerinnen kommen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Irland, Liechtenstein und der Schweiz zur Messe nach Frauenfeld, und dies teilweise seit Jahren und Jahrzehnten. Andere junge Kollegen sind erstmalig mit dabei. Denn die «Schwarze Kunst» – so nennen die Handpressendrucker ihr Gewerk, inspiriert von der Farbe ihrer Fingerspitzen – findet beständig neue Adepten, die mit frischen Gestaltungs- und Anwendungsideen das alte Handwerk lebendig halten.

«Endlich ist er Ehrengast unserer HPM: Christian Ewald, am 30. November 1949 in Weimar geboren und dort aufgewachsen. Lehre als Schriftsetzer, später Studium der Grafik in Ost-Berlin. Lebt seitdem in Berlin-Köpenick. Da damals dem Jungdichter und -verleger politisch verboten wurde, Bücher zu drucken, hat er die Bücher von Hand geschrieben (er ist für mich immer noch der beste und förderlichste Kalligraf).

Zitat Verlagsgeschichte: Das erste Buch, das vom Verlag heraus-gegeben wurde, war zugleich das letzte Buch der DDR: Ostberliner Treppengespräche von Jan Silberschuh. Es wurde in 999 Ex. gedruckt und am 2. Oktober 1990 um 23.59 Uhr ausgeliefert; es wurde «eines der schönsten deutschen Bücher 1990» und erhielt den Preis der Stiftung Buchkunst in Frankfurt/Main.

Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 endete die DDR. Seither werden in der Katzengraben-Presse jährlich zwei Werke (im Frühjahr und Herbst) in limitierter Auflage von 999 Exemplaren verlegt. Seit 2003 erscheinen Unikat-Editionen in einer einmaligen Auflage von 14 Exemplaren, der Hausnummer folgend: grafisch aufwendig hergestellte und handgeschriebene Buchausgaben. 2013 wurde der Verlag auf der Mainzer Minipressen-Messe für hervorragende Verdienste um das schöne Buch mit dem Victor-Otto-Stomps-Preis der Stadt Mainz ausgezeichnet.

Ich weiß nicht mehr, wann und wo wir uns kennengelernt haben. Für mich ist Christian Ewald in Sachen Bücher, Gestaltung und Präsentation seiner Werke einer der einfallsreichsten Menschen.

Vor 17 Jahren haben wir einander versprochen, in unseren Verlagen gegenseitig je ein Buch herauszugeben. Das Buch von Christian Ewald ist 2002 im Waldgut Verlag erschienen: Kann ein im Meer versenkter Traum an fremden Stränden leben? Fragen als Ansicht. Mit Collagen des Autors. Esther Menzi hat das Buch als Bodoni Druck 47 von Hand gesetzt, von Hand gedruckt. Die Collagen wurden in Berlin in Sepia auf Transparent-Papier gedruckt. Die Broschur wurde in Frau- enfeld von Hand gebunden.

Ich hoffe, dass ich mein Buch «Die japanische Bindung» für die Katzengraben-Presse bis zur HPM schaffe. Wenn Ja, gibts ein tüchtiges Fest mit dem Ehrengast. In jedem Fall macht Christian Ewald an der HPM «etwas mit blau angemalten Bäumen» und andere Überraschungen.» Beat Brechbühl, im Juni 2018

Mein Geschenk an mich

img_0126

img_0127

img_0128

img_0129

img_0130

…ein Buch aus der Katzengraben-Presse, einem Kleinstverlag in Berlin Köpenick, einem Ein-Mann-Betrieb, der das Handwerk des «Büchermachens» kultiviert und am Leben lässt. Christian Ewald, der Katzengraben-Mann, druckt jährlich zwei Bücher nach Gutenberg-Manier, jeweils in einer Auflage von magischen 999 Exemplaren, jedes ein Unikat durch Christian Ewalds spezielles Markenzeichen: den mit einer alten Singermaschine eingenähten Faden. Was Christian Ewald seit 1990 schafft, ist eine Bibliothek der literarischen und gestalterischen Kunstwerke.

Zum Buch von Peter Härtling » Das verlorene Grab», das 2003 bei der Katzengraben Presse erschien: Peter Härtling schreibt von der Suche nach dem Grab seines Vaters, der nach dem Krieg in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager in Österreich ums Leben kam. Nicht genug des Unglücks für den 12jährigen Jungen: Aus lauter Verzweiflung begeht die Mutter Suizid und lässt den jungen Peter allein. Peter Härtling auf der Such nach einem verlorenen Vater: «Ich bin neunundsechzig. Er war neununddreissig, als er starb. Als alter Mann beuge ich mich über einen jungen und entdecke den unauflösbaren Grund der Trauer: Es ist der einer Liebe, die ohne Antwort auskommen muss.

Besuchen Sie die Webseite der Katzengraben Presse. Lassen Sie sich betören!