Für drei Tage war Kufstein das Salz in der trüben Wettersuppe! – Sprachsalz 2024

Vor mehr als zwei Jahrzehnten wagte sich eine kleine Gruppe Schreibender an das Abenteuer, ein Festival für Schreibende im Tirol zu organisieren. Inspiration dafür fanden sie in Leukerbad, in den Schweizer Bergen, wo der Verleger Ricco Bilger in seinem Heimatkanton ein Festival ins Leben rief, das mittlerweile zu den grossen, traditionellen und internationalen zählt.

John M. Coetzee, einer der ganz Grossen der Weltliteratur und Literaturnobelpreisträger, Valerie Fritsch, Meisterin kraftvoller, lyrischer Bilder und Metaphern und Nominierte für den Österreichischen Buchpreis 2024, Vigdis Hjorth aus Norwegen, unübertroffen im Sezieren von Familienstrukturen, Abhängigkeiten und Traumata, Barbi Marković, Trägerin des Leipziger Buchpreises 2024, Hiroko Oyamada aus Japan, die in «Das Loch» eine Anderswelt entdeckt, die alles auf den Kopf stellt, Vladimir Sorokin, einer der bekanntesten russischen Autoren, der seit dem Ukrainekrieg im Exil in Deutschland lebt, Michael Stavarič, ein Sprachkünstler zwischen den Genres, Douglas Stuart, der mit zwei Bestsellern über Kindheit, Jugend, Leben und Lieben im harten Glasgow für Furore sorgte.… um nur einige der grossen Namen zu nennen.

Seit seinem literarischen Durchbruch mit dem Roman «Schande», mit dem er mit dem Booker Price, einem der renommiertesten Literaturpreise, den er schon zum zweiten Mal zugesprochen bekam, zählt der südafrikanische Autor, der mittlerweile in Australien lebt, zu den ganz Grossen, erst recht nachdem er 2003 den Literaturnobelpreis erhielt und 2008 «Schande» mit John Malkovich in die Kinos kam, die Geschichte eines Collegeprofessors, der im von Apartheid zerrissenen Südafrika den Boden unter den Füssen verliert. Wer den Autor erleben will, muss die Gelegenheit nutzen. Sprachsalz schafft es immer wieder, die ganz Grossen für ein Engagement zu gewinnen und damit auch die Gelegenheit, nicht nur den Stimmen der ganz Grossen zu lauschen, sie hautnah zu erleben.

John M. Coetzee © D. Jarosch

Nachdem die Stadt Hall im Tirol, zwei Jahrzehnte lang Austragungsort des Literaturfestivals, das weit über Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgt und seit Jahren fix in meinem Kalender steht, sich gezwungen sah, sämtliche Kulturausgaben um die Hälfte zu kürzen, war ein Neubeginn gefragt. Mit Kufstein bot sich ein neuer Austragungsort an und damit wohl auch die Gelegenheit, das eine oder andere zu überdenken. Ob das gelungen ist, wird sich 2025 zeigen, wenn jene wiederkommen sollen, die sich heuer auf zum Sprachsalz machten.

Vladimir Sorokin, der bis zum Ukrainekrieg noch in seinem Heimatland Russland lebte, musste fliehen, weil die Art und Weise seines Erzählens, seine Themen und sein ungeschminktes Fabulieren im totalitären Russland unter Putin keinen Platz mehr hat. Russischen Verlagshäusern wurde unmissverständlich klargemacht, dass regimekritische Literatur nicht geduldet wird. Bibliotheken bekamen die Order, Bücher wie solche von Vladimir Sorokin aus den Regalen zu nehmen. Buchhandlungen führen schwarze Listen von Titeln, die nur noch dem Schredder zugeführt werden. Sorokins neuster Roman „Doktor Garin“ ist eine bitterböse Satire, die die Mächtigen der Welt bis auf ihren Hintern mit Armen und Gesicht reduziert. Ein schillernder und urkomischer Roman, der unzweifelhaft abrechnet mit seiner Gegenwart und einer fiktiven Zukunft, die längst begonnen hat. Dass Sprachsalz dem Autor eine Stimme gibt, ist löblich, auch wenn es ein Versäumnis war, ihn nicht über seine ganz eigene Gegenwart diskutieren und sprechen zu lassen.

Vladimir Sorokin mit der der deutschen Stimme Ernst Gossner © D. Jarosch

Ebenso eindrücklich die beiden bisher erschienenen Romane des Schotten Douglas Stuart, der sich bei seinen Lesungen auf seinen mit dem Booker Prize ausgezeichneten Roman „Shuggie Bain“ konzentrierte. Ein schonungsloses Sittenbild der schottischen Stadt Glasgow, die in der Wirtschaftskrise der 80er-Jahre zu kollabieren drohte. Ein düsteres Porträt der kleinen Leute, denen die Zukunft genommen wurde, die sich nach allem streckten, was Leben versprach.

Douglas Stuart im Gespräch mit seiner deutschen Stimme am Festival Ernst Gessner © D. Jarosch

Beeindruckend war aber auch österreichisches Schaffen mit den Autorinnen Valerie Fritsch («Zitronen») Eva Maria Gintsberg («Schichtgedichte») und dem Sprachkünstler Michael Stavarič. Sie alle sind Meisterinnen und Meister der Sprache, Schreibende, denen es um weit mehr geht, als bloss Geschichten zu erzählen. Ihr Schreiben ist Musik, mehrschichtig komponiert, nicht für den schnellen Genuss. Literatur, die erst dann seine Wirkung entfaltet, wenn man sich ganz auf sie einlässt. Das zeigte sich vor allem beim Sprachkünstler Michael Stavarič, der ursprünglich beabsichtigte, seinen Roman „Das Phantom“ in einem Satz zu erzählen. Eine Absicht, die der Verlag durchkreuzte. Geblieben ist ein kunstvolles Werk von thomasbernhard‘scher Wucht. Ein Roman, der seinen Glanz erst dann zur Gänze entfaltet, wenn Stavarič selbst zum Instrument wird.

Michael Stavarić, auch Autor von Bilder- und Sachbücher für Kinder (und Erwachsene). Die Reihe über Meeresbewohner wie Kraken, Quallen oder zuletzt «Faszination Haie» hat aus dem Stand die Herzen seiner Leser*innen erobert. © D. Jarosch

Wer öfter an solche Festivals reist, will überrascht werden, reist in der Hoffnung an, Entdeckungen, bisher Unbekanntes mit nach Hause zu nehmen, ein Buch im Koffer, auf das man sich freut und viel verspricht. Ein solches ist „Unterholz. Auszüge aus einem Langgedicht“. Der Beweis dafür, dass Lyrik weder sperrig noch verschlüsselt sein muss, dass genau der Lyrik keine Grenzen gesetzt sind, dass Gedichte schmeicheln und umgarnen können. Eine Performance der Dichterin Romina Nikolić am Sprachsalz, die zu meinem ganz persönlichen Highlight wurde.

Romina Nikolić © D, Jarosch

Sprachsalz war ein Erfolg, der Zuspruch des Publikums trotz der garstigen Witterung beeindruckend. Zu hoffen ist, dass in der Zukunft Gespräche und Auseinandersetzungen mehr Platz erhalten. Wenn Sprachsalz seine Exklusivität nicht nur über die Gästeliste beweisen will, muss am Formalen geschliffen werden. Einzig das sonntägliche Gespräch zwischen dem Nobelpreisträger John M. Coetzee und der Autorin und Übersetzerin Mariana Dimópulos über Fragen zwischen „Muttersprache“ und „Vaterland“ war erhellende Ausnahme.

Grossen Dank an das Sprachsalz-Team. Ich bin im kommenden Jahr wieder dabei!

Beitragsbild © D. Jarosch

J. M. Coetzee «Der Pole», S. Fischer – Sprachsalz Kufstein

Ein alt gewordener Maestro, dessen Chopin-Interpretationen den Pianisten berühmt machten, wird nach Barcelona an ein Konzert eingeladen. Zwischen Beatriz in den Mitvierzigern, Mitorganisatorin und Ehefrau eines Bankiers, und ihm entfacht eine Beziehung aus gnädiger Zuwendung und leidenschaftlicher Liebe. Der Nobelpreisträger überrascht mit einer «Künstlernovelle», die zwischen Befremden und Faszination pendelt.

Der Pole hätte einen Namen. Witold Walczykiewicz. Aber weil ihn niemand in dem gediegenen Kreis, in der Sala Mompou in Barcelona aussprechen kann, nennen ihn alle nur den Polen. Witold Walczykiewicz ist Pianist, eingeladen nach Barcelona, um ein Konzert zu geben, einer der bekanntesten Chopininterpreten, auch wenn er mit seinen 70 Jahren seinen Zenit wahrscheinlich schon überschritten hat. Man beauftragt die Mitorganisatorin Beatriz, sich dem Pianisten anzunehmen, mit ihm nach dem Konzert den Abend mit einem Essen zu beschliessen. Beatriz ist sich nicht sicher, was sie von dem Auftrag halten soll, erst recht nicht, weil sich schon vom ersten Moment an, selbst während des Konzerts, ein seltsames Gefühl der Distanziertheit dem um eine Generation älteren Künstler einschleicht.

Der Pole erweist sich als galant, wenn auch etwas hölzern, was auch daran liegt, dass er die einzig gemeinsame Sprache, das Englische, bei weitem nicht so gut beherrscht wie Beatriz. Beatriz spürt, dass ihr Gegenüber weit mehr in dem Zusammentreffen sieht als sie selbst. Aber man verabschiedet sich höflich. Wenig später treffen immer wieder Nachrichten ein. Nach etlichen sprachlichen Umgarnungen, auf die Beatriz meist nicht einmal antwortet, schreibt Witbold: Sie beschützen mich. Ich spüre Frieden in mir. Ich sage zu mir, ich muss sie finden, sie ist mein Schicksal. Eine Nachricht, die sie gleichermassen verunsichert wie schmeichelt und betört. Sätze, die in ihrer erkalteten Ehe Lichtjahre entfernt liegen, die mehr Resonanz finden, als ihr lieb ist, versucht sie doch mit allen Mitteln, Witolds Begehren kleinzureden.

J.M. Coetzee «Der Pole», S. Fischer, aus dem Englischen von Reinhild Böhnke, 2023, 144 Seiten, CHF ca. 29.90, ISBN 978-3-10-397501-7

Aber als Witold sie einlädt, sie nach Brasilien mit auf seine Konzerttour zu begleiten und ihr Mann, nachdem sie diesem vom Ansinnen des Pianisten erzählt, dem nur wenig Beachtung zu schenken scheint, bricht sie vorerst den Kontakt ab, bis sie den Künstler dann doch in die Finca ihres Mannes auf Mallorca einlädt, auf neutrales Terrain, in ein Anwesen mit einem Nebengebäude, in das sie den Gast einquartiert. Das seltsame Gefühl der Verunsicherung, des Misstrauens dem um mehr als 20 Jahre älteren Besuch bleibt, auch wenn dieser zurückhaltend bleibt. Aber an einem der Abende, sie essen gemeinsam in der Finca, sagt Beatriz: Ich werde die Hintertür nicht abschliessen. Wenn du dich einsam fühlst in der Nacht und einen Besuch machen willst, bitte. Es werden vier Nächte, die sie gemeinsam verbringen. Nächte in bedeckter Leidenschaft. Nächte, die für Witold alles bedeuten und für Beatriz nur Gabe sind. Beatriz macht nach der letzten Nacht Schluss, kühl und unmissverständlich. Witold reist ab und die beiden sehen sich nie wieder. Es treffen zwar noch immer Nachrichten ein, die Beatriz aber meistens nicht einmal liest.

Jahre später erreicht sie die Nachricht, Witold Walczykiewicz sei nach langer Krankheit in Polen, in seiner Heimatstadt Warschau gestorben. Telefonisch erfährt sie von dessen Tochter, dass in der Wohnung ein Karton auf sie warte, eine Hinterlassenschaft. Und weil sich die Überführung dieses Kartons komplizierter erweist als angenommen, reist Beatriz nach Polen, lässt sich die Wohnungstür öffnen und findet einen Karton mit einem Manuskript. Fast hundert Gedichte und Begleittext. Beatriz verbringt eine Nacht in der kalten, überraschend einfach eingerichteten Wohnung des Verstorbenen und beschliesst die Gedichte übersetzen zu lassen. Liebesgedichte an sie, leidenschaftliche Anbetungen an eine Liebe, die so nicht sein konnte. 

Beatriz fühlt sich vom Umstand, dass da ein Mann war, der seine letzte Lebenszeit an den Tasten einer Schreibmaschine verbrachte und stets sie vor Augen hatte, mit eigenartigem Befremden und einem Glück, das sie verunsichert. Als Witold lebte, erbarmte sie sich seiner, gab ihm, was er begehrte, auch seinen Tod scheint das Schicksal Beatriz viel tiefer zu bewegen, bis hin zu einem seltsamen Gefühl des Glücks.

„Der Pole“ ist ein seltsames, überraschendes Buch, vor allem dann, wenn man schon mehr von J.M. Coetzee gelesen hat. Aufgegliedert in kurze, durchnummerierte Texte, bleibt was geschieht in einem eigenartig kühlen Licht. „Der Pole“ ist keine Liebesgeschichte, weil sie aus der Sicht der Katalanin geschrieben ist und einem der alte Mann während des Lesens eigentlich bloss Leid tut. Beatriz mag seine Chopininterpretationen nicht, sie mag sein Auftreten nicht, seinen alten Körper, nicht einmal seine Gedichte, seinen ganz persönlichen, leidenschaftlichen Nachlass. Und trotzdem gab sie ihm Anlass genug zu glauben, sie wäre der angestrebte „Frieden“ in seinem Leben. Man mag Beatriz nicht während des Lesens, man versteht sie nicht einmal, so wenig wie sie sich selbst.

„Der Pole“ ist ein kurzer, konzentrierter, äusserst raffiniert komponierter Roman, der mich mit einer guten Portion Ratlosigkeit zurücklässt, die den Roman nachhaltig macht.

J. M. Coetzee, der 1940 in Kapstadt geboren wurde und von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt lehrte, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize, 1983 für «Leben und Zeit des Michael K.» und 1999 für «Schande». 2003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.

Reinhild Böhnke wurde 1944 in Bautzen geboren und ist als literarische Übersetzerin in Leipzig tätig. Sie ist Mitbegründerin des sächsischen Übersetzervereins. Seit 1998 überträgt sie die Werke J. M. Coetzees ins Deutsche, ausserdem hat sie u.a. Werke von Margaret Atwood, Nuruddin Farah, D.H. Lawrence und Mark Twain ins Deutsche übertragen.

Beitragsbild © Philippe Matsas/Opale/Leemage/laif

J. M. Coetzee «Ein Haus in Spanien», S. Fischer

Booker Prize, Nobelpreis – John Maxwell Coetzee braucht keinen Beistand mehr. Schon gar nicht aus der thurgauischen Provinz. Aber es gibt drei Gründe, warum ich doch auf den grossen Schriftsteller und Essayisten hinweisen möchte. Zum einen erschien bei S. Fischer ein schmuckes Bändchen mit drei Geschichten: «Ein Haus in Spanien». Ein schmales Buch, unaufgeregt, das die Stärken des Autors auf wenigen Seiten zeigt. Ein wunderschönes Büchlein, als wäre es mir zum Geschenk gemacht. Und drei Geschichten, die zum Weiterdenken anregen!

Vor ein paar Jahren las J. M. Coetzee schon einmal in Zürich. Und weil ich dachte, Gelegenheiten, ihn zu sehen und zu hören, würden selten genug bleiben, reservierte ich einen Platz früh genug und machte mich am besagten Tag vom Bodensee auf nach Zürich mit einer Tasche voller Coetzee-Romane. Aber als ich zeitlich schon ziemlich knapp, aber meines Platzes sicher vor den Türen des Veranstaltungsortes stand und eine Frau mit Brille die Reservationsliste mit der Nase knapp über dem Papier durchging, entschuldigte sich diese und meinte, mein Name sei nicht zu finden. Ich müsse warten, vielleicht gäbe es kurz vor Beginn noch einen freien Platz, den man mir überlassen könne. Ich stand da wie ein nasser Pudel, liess mich abschütteln, wie einen kleinen Jungen, sass eine  Stunde später wieder im Zug und ärgerte mich nicht über den Veranstalter, sondern über mich, der sich so einfach abschütteln liess.
Aber nun tut es J. M. Coetzee wieder. Er liest am 4. Juli in Zürich am Openair Literatur Festival im Alten Botanischen Garten. Eigens für das Festival präsentiert Coetzee seinen bisher unveröffentlichten Text The Glass Abattoir (Das Glas-Schlachthaus), eine Mischung aus Erzählung, Essay und ethischem Plädoyer. Ausgangspunkt ist die Frage, wie sich ein guter Sohn verhalten soll, wenn ihn die Mutter in einer Spätlebenskrise mit einer Fülle von Materialien über das Verhältnis von Menschen und Tieren bombardiert – und zwar nicht nur mit wissenschaftlichen Texten, sondern auch mit Anklageschriften gegen umstrittene Praktiken wie Vivisektion und industrielle Viehzucht.

Beim S. Fischer Verlag erschien 2017 nun das schmucke Büchlein «Ein Haus in Spanien» mit drei Geschichten, die zwischen 2000 und 2003 zum ersten Mal in den USA veröffentlicht wurden. So wie ich J. M. Coetzee für seine brillanten Romane schätze, für seine Meisterschaft, der Willkür und Gier auf den Nerv zu drücken, grosse Themen mitzunehmen, so liebe ich ihn für sein Feingefühl, Unscheinbares ernst zu nehmen und mehr als nur lesbar zu machen.

Wie schnell geht einem etwas über die Lippen, unüberlegt, dahin geworfen. So wie den Satz: «Ich habe mich in dieses Haus verliebt.» Kann man Dinge lieben? Oder sind Gedanken um solche Aussagen eine altmodische Pedanterie, der Neid eines Mannes, der zu alt, zu unbeweglich geworden ist, sich noch einmal zu verlieben, sei es auch bloss in ein Ding. Aber es ist gleichermassen  subtil und erfrischend, dass sich der Mann der Sprache um Abnützungserscheinungen der Sprache kümmert. Grund zum Kummer darüber gäbe es genug: Sitze ich an meinem Arbeitsplatz bei offenem Fenster, dringen manchmal Gesprächsfetzen von Jugendlichen an mein Ohr. Sie hocken unter meinem Fenster, rauchen, kiffen, schlagen das Rad und übertreffen sich gegenseitig mit verbalen Grobheiten. Da ist dieser eine Satz, dem Coetzee nachhängt kein Hammerschlag. Aber Grund genug, sich über das Wesen und die Launen der Liebe Gedanken zu machen.

J. M. Coetzee, der 1940 in Kapstadt geboren ist und von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt lehrte, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize, 1983 für ›Leben und Zeit des Michael K.‹ und 1999 für ›Schande‹. 2003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.

Titelfoto: «Himmel über Meran» ©️ Philipp Frei