Ruth Loosli „Sonntag mit Klee und Sanne“, Gedichte

Allerheiligen

Falls die Toten
toter sind als
angenommen

schlagen die
Krähen lauter mit
ihren Flügeln

und krächzen
heiserer als
erlaubt ist.

 

Ein Mittwoch

Hier stand ein Zug
Und hier ein Haus

Hier wühlen ganz gewöhnliche
Gedanken.

Und da sticht die Forschung
in die Nervenstränge.

Hier stehen Bauarbeiter
mit ihren Helmen

Und begraben ihre eigene
Mahlzeit.

 

Beim Aufstehen im Restaurant

Nachschauen ob Zähne im Mund
Mantel auf Leib
Herz am rechten Fleck.

11.12.2017

 

Das Glück

ist ein gefräßiges Tier.
Es schlägt seine Krallen in meinen
Kopf und vergräbt sich lustvoll in den
Synapsen.
Dann liege ich lange wach und warte auf
den Morgen.

 

Sonntag mit Klee und Sanne

Ein ‚und‘ im Hund
damit er bellt
gefällt.

 

Sonntag mit Klee II

Es hat sich gelohnt
den Mond im Kalb
zu halbieren

und ihn um die Leber
zu drapieren.

 

Man könnte sich

man könnte sich
und den Hunger meiden
und auch das Wild
das sich so nah an die Häuser
traut

so nah an den Häusern
die Stimmen eines Hungers
man könnte sich
meinen mit dem Wild
im Bauch
das sich
so heftig
staut.

 

Ruth Loosli, geboren 1959 in Aarberg (Seeland), wo sie aufgewachsen ist. Sie hat drei erwachsene Kinder und ist ausgebildete Primarlehrerin. Seit einigen Jahren lebt und arbeitet sie in Winterthur. Sie veröffentlicht in Anthologien und Literaturzeitschriften. Ein erster Gedichtband «Aber die Häuser stehen noch» erschien 2009. Es folgte im Wolfbach Verlag (DIE REIHE, Band 5) 2011 «Wila, Geschichten»; dieser Band wurde mittlerweile auf Französisch übersetzt. Aktuell ist in derselben Reihe im Frühling 2016 der Lyrikband «Berge falten» erschienen.

Titelfoto: Anne Bürgisser