Zaza Burchuladze «Touristenfrühstück», Blumenbar

Georgien war Gastland an der Frankfurter Buchmesse 2018. Über Gäste spricht man nicht schlecht. Aber wenn man den Gesprächen mit dem georgischen Schriftsteller Zaza Burchuladze im Netz folgt, dann wird klar, wie dieses Land am Schwarzen Meer, zwischen Russland und der Türkei eingekeilt, von innen und aussen zerbröselt wird. In „Touristenfrühstück“, vom Verlag als Roman bezeichnet, erzählt Zaza Burchuladze von diesem „Zerbröselungsprozess», nicht nur in seinem Heimatland, sondern als Folge auch ihn ihm selbst.

„Vielleicht werde ich damit leben müssen. Vielleicht ist das meine Prüfung. Vielleicht bin ich verdammt, Tbilissi in mir herumzutragen wie einen Flaschengeist.»

Zaza Burchuladze, der in Georgien als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren gilt, musste sein Land 2014 verlassen, nachdem ihm offen mit dem Tod gedroht und er auf der Strasse verprügelt wurde. Seither lebt der Autor in Berlin. Seine Bücher werden in seinem Heimatland öffentlich verbrannt.

In seinem 2017 ebenfalls bei Blumenbar veröffentlichten Roman «Adibas» erzählt Zaza Burchuladze vom «Fünf-Tage-Krieg» 2008 mit Russland. Während der Himmel über der georgischen Stadt Tiflis von russischen Kampfjets zerrissen wird, vergnügt sich die Mittel- und Oberschicht ausgiebig und ausgelassen. «Es wird gevögelt, gekokst, es wird gelebt, gefeiert, aber wenig nachgedacht.» Ein Bild, das sich nicht nur in Georgien zeigt. Während man anderorts verhungert, verdurstet, während selbst Kinder ertrinken und vergessen werden, verglüht und verraucht hier schnell, was an gewissen Tagen mediales Entsetzen hervorbringt.

Zaza Burchuladze lebt in Berlin, im Ungewissen darüber, ob er je in sein verlorenes Georgien zurückkehren kann. Zaza Burchuladze ist voller Zweifel darüber, dass seine Sprache «klebrig, pampig, wie Beton geworden ist. Sie fliesst nicht mehr so wie früher.» Zweifel darüber, nicht mehr zu wissen, für wen er schreibt.

«Natürlich bin ich nicht der einzige, der die Vergangenheit in sich und mit sich herumschleppt wie eine Flaschenpost auf offener See, wobei es fraglos ist, dass die darin enthaltene Nachricht keinen allgemeinen Wert hat.»

Als Leser begleite ich in «Touristenfrühstück» den Autor auf seinen Gängen durch Berlin, in seinem Alltag in einer Stadt, die ihm die Entfernung zu seiner Heimat unsäglich unendlich scheinen lässt, ein ander Mal nur durch Oberflächlichkeiten verborgen. Auf dem Weg zu seinem Arzt zur Interferonbehandlung von Hepatitis C, in Deutschland durch Kassen finanziert, in Georgien ein Grund, die Existenz zu verlieren. Zum Treffen mit seinem Verleger, der den Zweifel schürt, ans Bett seines Kindes, das eine Geschichte erzählt bekommen will, das unbekannte Begriffe wie glänzende Kiesel mit nach Hause bringt. Ein Leben zwischen Vergangenheit, Gegenwart und ungewisser Zukunft, hin- und hergerissen zwischen Zorn und Sehnsucht, Bitterkeit und verblassenden Träumen, aufgerieben in Gegensätzen.

«Vielleicht spiele ich hier mit Allgemeinplätzen, aber das Fazit ist doch, dass der ‹homo civis› hier in Berlin nur in besonderen Ausnahmefällen gegen die Ordnung verstösst, wir Georgier aber nur in besonderen Ausnahmefällen die Ordnung einhalten.Wenn keines von beiden eine Perversion ist, muss es eine Frage der Ehre sein»

Dass auf dem Buchdeckel «Roman» geschrieben steht, muss nach «Adibas» eine verkaufstechnische Notwendigkeit gewesen sein, Strategie des Verlags, um den Sog des einen Buches ausnützen zu können. «Touristenfrühstück» ist ein Berlin-Tagebuch, ein Buch der Auseinandersetzung, der Konfrontation. Ein Buch, das es mir zu Beginn schwer machte, bis der Autor zu meinem Begleiter wurde und mich neugierig auf «mehr» machte.

© Ira Koklozin

Zaza Burchuladze, 1973 in Tbilissi geboren, übersetzte Fjodor Dostojewski und Daniil Charms ins Georgische. Heute lebt und arbeitet er in Berlin. Für seine Romane wurde er mehrfach ausgezeichnet. Bei Blumenbar erschien 2015 sein Roman »adibas«, der von der Stiftung Buchkunst zum »schönsten Buch des Jahres« gewählt wurde. 2017 folgte sein Flucht- und Heimatroman „Touristenfrühstück“, für den er 2018 mit dem Brücke-Berlin-Preis ausgezeichnet wurde.

Beitragsbild © Sandra Kottonau