Thomas von Steinaecker «Die Verteidigung des Paradieses», S. Fischer

In nicht allzu ferner Zukunft: Heinz ist 15 und lebt mit einer kleinen Gruppe Menschen auf einer Alp. Eine Schicksalsgemeinschaft, denn es trieb sie eine globale Katastrophe in die Berge. Weite Teile Europas sind verseucht und was um sie herum wie ein kleines Überbleibsel funktioniert, ist überdacht mit einer riesigen Kuppel, die verhindert, dass alles Leben stirbt. Doch ein infernalisches technisches Gewitter vertreibt die Gruppe aus dem Kuppelparadies, in der Hoffnung, irgendwo auf Reste einer funktionierenden Zivilisation zu stossen. Die Gruppe macht sich auf, Heinz zusammen mit Fennek, einem elektronischen Fuchs, seinem einzigen Freund, der ihn mit Geschichten tröstet und ein paar Heften im Gepäck, in die Heinz aufschreibt, was in noch fernerer Zukunft nicht vergessen sein soll. Mit Cornelius, der schon in der untergegangenen Vergangenheit in leitender Funktion war, zieht die Gruppe mit einem Ziel und Hoffnung durch verbranntes Land, apokalyptische Szenerien, verfolgt von Drohnen, bedroht von marodierenden Banden, verschreckt von Camps, in denen Mutanten vegetieren. Irgendwo im Westen soll ein Flüchtlingslager sein. Heinz will ein guter Mensch sein. Er sammelt nicht nur Geschichten, auch Wörter in seinen Heften, die aus seiner Erinnerung auftauchen. Er spürt, dass er ein Geheimnis mit sich herumträgt.

Thomas von Steinaecker erzählt die Geschichte episch, schildert eine düstere Zukunft mit Bildern, die wir aus Filmen und anderen Endzeitbüchern kennen. Warum soll ich also noch so eine Dystopie lesen. Weil Thomas von Steinaecker seinen Protagonisten, der damals als Kind auf die Alp kam und nur kennt, was er aus Erzählungen und ein paar Büchern von Cornelius weiss, auf der Flucht eine andere Welt kennen lernt und nicht mit Erinnerungen an eine verschwundene Vergangenheit verklebt ist. Er flieht mit den Augen eines Kindes, im Körper eines Jugendlichen, bis er alt und entkräftet im letzten Teil des Buches seine Geschichte zu Ende erzählt, ein Ende, das entrückt scheint.

Das Buch lebt von den Bildern und der Spannung, die der Autor zu erzeugen weiss. Michael von Steinaecker hat sich nicht wenig vorgenommen und literarisches Breitbandkino geschaffen.

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Thomas von Steinaecker, geboren 1977, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane – unter anderem «Wallner beginnt zu fliegen» und «Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen» – sowie Hörspiele. Außerdem dreht er Dokumentarfilme, für die er unter anderem den ECHO Klassik erhielt. Für S. Fischer Hundertvierzehn initiierte er das »Mosaik-Roman«-Projekt «Zwei Mädchen im Krieg» und veröffentlichte ab Oktober 2015 zusammen mit der Zeichnerin Barbara Yelin den Fortsetzungs-Webcomic «Der Sommer ihres Lebens».
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