Bodo Kirchhoff „Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt“, Frankfurter Verlagsanstalt

In der Reihe „Grosse Bücher – grosse Autoren“ diskutierte die Literaturkritikerin Pia Reinacher in einem Hörsaal der Uni Zürich mit dem Schriftsteller Bodo Kirchhoff über seine Bücher, das Schreiben, das Leben als Schriftsteller und was eine Einladung zu einer Kreuzfahrt ausrichten kann.

Das Schiff ist riesig. Während sich im Innenhof die Jugend tummelt, sammelt sich das reife Mittelalter in den Gängen darüber. Die Hochtischchen mit Knabberzeug und Flüssigem gehören nicht dazu. Studentinnen und Studenten auch nicht. Es schein schwierig zu sein, angehende GermanistInnen mit ins Boot zu locken. Selbst dann, wenn sich einer der ganz Grossen von Frankfurt nach Zürich bemüht, um im Bauch des grossen Schiffes von seiner Arbeit zu erzählen.

Während Bodo Kirchhoff seit Jahren an seinen grossen Stoffen arbeitet, auch jetzt wieder an einem Roman über seine Kindheit und Jugend, über Liebe, deren Verstrickungen, über die Macht der Sexualität, waren „Widerfahrnis“ und „Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt“ willkommene Unterbrechungen, wie der Autor erzählte. Bodo Kirchhoff bekam wirklich eine Einladung zu einer solchen Kreuzfahrt durch die Karibik „bei freier Verpflegung sowie freien Getränken an jeder Bar unter Bedingung mehrerer Lesungen aus meinem Werk, jewils zur Prime Time.“ Ein Sprachlieferant, wie es im Kleingedruckten hiess. Statt kurz und knapp zu antworten wurde daraus ein Buch. Ein an Frau Faber-Eschenbach gerichtetes Schreiben, die Kontaktperson der Reederei, die er sich in vor einem grossen Fenster mit Blick auf den Hamburger Hafen vorstellte. Bodo Kirchhoff lässt sich gerne verführen, von Namen, Kleidern, Schuhen, dem Rauch von Zigaretten, von Nebensätzen und Nebensächlichkeiten, um sie dann virtuos und gekonnt in seine Schöpfungen einzuflechten. Ein Roman berge viel gestautes Leben. Romane, Novellen und Erzählungen seien aber nicht einfach nacherzähltes Leben, sondern Transformiertes, Neugeschaffenes. Das Übersetzen von Leben in Sprache ist Schreiben. So witzig sein Argumentieren in “Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt“, so glasklar die Sprache. Und wenn Bodo Kirchhoff dann auch noch liest, scheint sich seine Sprache wie ein Cumulus aufzuwölben. Sein Text ist neben all der Sprachkunst auch eine Kampfschrift gegen jede Form der Oberflächlichkeit. Das Kreuzfahrtschiff Metapher und Spielplatz zugleich, voller Seitenhiebe, literarischer Querschläger und satten Satzmäandern.

Aber vielleicht ist so eine Lesung in der Universität, die durch Bologna- und andere Reformen von Entdeckerlust und konstruktiver Unentschlossenheit befreit wurde, genauso wie eine Lesung auf einer Kreuzfahrt von A nach A. Vor der Lesung lange Buffets, Bauchredner und Schlagersterne zur Abendunterhaltung, Flaschengeister noch und noch und die Hitze des Tages, die auskühlen muss. Literatur? Nein danke? Schade um die verpasste Gelegenheit. Bodo Kirchhoff ist ein hinreissender Erzähler.

Bodo Kirchhoff, geboren 1948, lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee. Zuletzt erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt seine von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeierten Romane »Die Liebe in groben Zügen« (2012) und »Verlangen und Melancholie« (2014). Im Herbst 2016 wurde Kirchhoff für seine Novelle »Widerfahrnis« mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.

Buchrezension zu „Widerfahrnis“ auf literaturblatt.ch