Romina Nikolić «Bredolsky», Plattform Gegenzauber

Dass er dem Herrn, dem er gerade die Toilettentür aufgehalten und den Lichtschalter gewiesen, einen schönen Tag gewünscht hatte, ließ Horst Bredolsky deutlich spürbar den Schweiß auf die Stirn treten. Bredolsky begann also heftig und weithin sichtbar, wie er meinte, zu schwitzen. Noch konnte er das Zittern der Hände, das für gewöhnlich einen solchen Schweißausbruch in verräterischer Weise zu begleiten drohte, im Zaum halten, doch er wusste, auch das war nur eine Frage der Zeit, eine Frage der Kontrolle, die ihm dieser Tage nur allzu leicht entglitt. Noch aber, so hoffte er, wäre nicht alles gänzlich verloren, wenn er nur so unauffällig, so unbekümmert wie möglich, ohne Stolpern oder Schlurfen, seinen Weg zurück auf seinen Platz finden, sich hinsetzen, ein Bein über das andere schlagen, die Arme locker verschränken, den Blick ungerührt auf das Bild gegenüber heften würde. Noch ist nicht alles verloren, dachte Bredolsky, als er ohne weitere Zwischenfälle den Weg zurückgelegt, am Platz angekommen, sich auf seinen zum Glück noch nicht neu besetzten Stuhl sinken lassen wollte. Noch ist nicht alles verloren, dachte er und setzte sich auf den Stuhl, dessen Polster sogleich ein lautes, wie er meinte, durchaus missverständliches Knarzen im fast voll besetzten Wartezimmer verlautbar machte.

Bredolsky erstarrte. Fixierte das Bild gegenüber, widerstand mit größtmöglicher Selbstbeherrschung dem Impuls, die Augen im Schreck über das vermeintlich unflätige Geräusch zusammen zu kneifen. Viel zu verräterisch wäre das, ein Schuldeingeständnis, wo doch gar keine Schuld bestand, zumindest nicht seinerseits – man müsse dem Hausmeister! Nein, dem Hersteller! Aber doch nicht ihm, nicht Horst Bredolsky! Nein! Bredolsky, das Bild fixieren! Den Blicken ausweichen, sagte sich Bredolsky im fast voll besetzten Wartezimmer. Den Blicken, die ihn zweifelsohne mit Scham und Schande überziehen wollten! So ist der Mensch, dachte Bredolsky, dass er den anderen beschämen möchte, wo es nur geht, der kleinste Anlass ist ihm gerade recht, dachte er im fast voll besetzten Wartezimmer.

Bredolsky schwitzte heftig. So eine furchtbare Situation! So eine unglückliche Verkettung! Schönen Tag noch, hatte er gesagt, als er dem Herrn die Toilettentür aufgehalten und den Lichtschalter gewiesen hatte. Die Toilettentür hatte er ihm aufgehalten und den Lichtschalter hatte er ihm gewiesen, nicht etwa die Eingangstür zur Praxis! Oder die Tür zum Sprechzimmer der Frau Doktor! Oder das Portal in eine fremde Dimension! Irgendetwas, das eine solche Verabschiedung gerechtfertigt hätte, nein! Durchaus hörbar hatte er dem Herrn einen schönen Tag gewünscht, als er selbst gerade das Badezimmer verlassen hatte, sich dem suchenden Herren gegenüber fand und ihm die hinter ihm zugefallene Tür rasch wieder geöffnet und den gerade erst selbst betätigten Lichtschalter gewiesen hatte. Schönen Tag noch, hatte  er dem Herrn gesagt, der das fast voll besetzte Wartezimmer, in dem er, Bredolsky, zu allem Unglück auch noch geräuschvoll selbst wieder Platz genommen hatte, sicher gleich wieder betreten würde. Der Herr würde ebenfalls wieder Platz nehmen und dann würden er, Bredolsky und alle anderen Insassen des fast voll besetzten Wartezimmers im schrillen Bewusstsein dieser peinlichen Situation beieinandersitzen. Eine schreckliche, eine fast unerträgliche Vorstellung! 

Bredolsky schwitzte heftig und erwog, schnell aufzustehen, seinen Hut zu nehmen und seine Überjacke, das Wartezimmer zu verlassen, einfach zu gehen, den Termin kurzerhand sausen zu lassen. Bredolsky erwog, den Anschein zu erzeugen, die Verabschiedung wäre schließlich gerechtfertigt gewesen. Er erwog, nach Hause zu fahren, sich eigenmächtig krank zu melden, die Jalousien runter zu lassen, sich ins Bett zu legen, Kraft zu sammeln für einen neuerlichen Anruf nach angemessenem Intervall, der Schwester dann zu versichern, er sei wieder ganz wohlauf, ganz und gar körperlich und seelisch imstande, die Untersuchung nun über sich ergehen zu lassen, in sechs bis acht Wochen also hier wieder aufzuschlagen, gefasst und gesammelt und hoffentlich – hoffentlich! –, ohne die Gegenwart des Herrn, dem er einen schönen Tag an der Toilettentür, am Lichtschalter gewünscht hatte, im Gefühl größter Peinlichkeit ertragen zu müssen. Noch, dachte Bredolsky im fast voll besetzten Wartezimmer, hätte er Gelegenheit zur Flucht.

Doch was würden die anderen Wartenden denken? War ein plötzliches Aufstehen und Gehen denn plausibel, wo er doch gerade erst wieder Platz genommen hatte? Hatte er seine Chance nicht schon verspielt, als er nicht direkt nach dem Gang zur Toilette und der unseligen Begegnung seinen Hut und seine Überjacke genommen hatte? Einige der Wartenden saßen schon so lange, waren vor ihm hier gewesen, sie hatten gewiss bemerkt, dass er selbst noch gar nicht aufgerufen worden war. Sie mussten wissen, dass er noch nicht im Sprechzimmer gewesen ist, noch nicht etwa ein Medikament verabreicht bekommen haben konnte, das eine zeitlich begrenzte Überwachung erfordert hätte, nach deren Verstreichen er sich nun hätte verabschieden können. Mussten wissen, dass seine Flucht eben dies war, ein feiger Akt reiner Nervenschwäche! Was sollten sie denken? Sie, die sie ihn beim Anmelden laut, wahrscheinlich zu laut, seinen vollen Namen hatten nennen hören: Horst Bredolsky! Ja, Binsenstraße 1! Bei der Frau Mama, ja, das war noch aktuell! Die Nummer ebenso, ja, Schwester, ja! Horst Bredolsky, würden sie gewiss denken, ein Feigling vor dem Herrn, dem er die Toilettentür aufgehalten und den Lichtschalter gewiesen hatte.

Bredolsky schwitzte heftig und seine Hände zitterten. Gleich würde der Herr, dem er einen schönen Tag gewünscht hatte, durch die Toilettentür treten. Dann würde er selbstsicher und festen Schrittes zu seinem noch nicht wieder besetzten Platz gehen und sie würden sich nun hier gegenübersitzen. Gewiss würde der Herr ihn erkennen, sich wundern, dass er nach dieser Floskel noch hier saß, sich im Geiste über ihn amüsieren, sich über ihn lustig machen, vielleicht nur in Gedanken, vielleicht aber sogar laut etwas Abschätziges äußern wie Ach! oder Na. Bredolsky würde stumm bleiben, stur auf das Bild sehen. Stark bleiben, dachte er im fast voll besetzten Wartezimmer. Und er wusste mit verzweifelter Gewissheit, dass trotz aller Bemühungen seine Beschämtheit rot leuchtend auf sein Gesicht treten würde. Dass dieser peinliche Vorfall grell und blinkend wie ein überdimensioniertes Reklameschild im Raum zwischen ihnen stehen und hämisch auf ihn deuten würde.

Bredolsky schwitzte heftig und zitterte. Was er nur immer den Mund aufmachen musste? Dachte er im fast voll besetzten Wartezimmer. Dass er nicht einfach die Klappe halten konnte?! Dass er überhaupt hergekommen war! Es war alles ein großer Fehler gewesen, ein durch und durch vermeidbares Unglück, das er selbst über sich gebracht hatte. Er löste einen Arm aus der krampfigen Verschränkung und griff in einem Versuch, sich zu beruhigen, in die Innentasche seines Herrenblousons. Ein kleines Heft zog er heraus und begann zu blättern. Nicht so hastig, ermahnte er sich noch selbst, innerlich, im fast voll besetzten Wartezimmer. Es nützte alles nichts, nicht einmal seine Listen, seine fein säuberlichen Eintragungen konnten ihn noch entspannen. Dabei war er vorbereitet gewesen. Hatte den Tag, den Weg hierher akribisch geplant. Seine Notizen studiert. Er wischte sich mit der zittrigen Hand über die schweiß-glänzende Stirn und besah sie dann, als hätte er tatsächlich erwartet, dass ihm Pech vom Haaransatz troff. Aber da war nichts. Nur übermäßig viel Schweiß.

Noch ist nicht alles verloren, dachte Bredolsky, überrascht von sich selbst im fast voll besetzten Wartezimmer. Vielleicht, dachte Bredolsky, hatte er ja einmal Glück. Vielleicht würde ihn die Schwester gleich aufrufen und ihn aus dieser Misere befreien. Doch dann meinte er, leise die Toilettenspülung zu vernehmen. Gleich würde der Herr seine Hände waschen, gleich würde er die Toilettentür öffnen und wieder ins Wartezimmer treten. Bredolsky schwitzte so heftig, dass er spürte, wie ihm kleine Sturzbäche über Nacken und Rücken rannen. Gewiss würde es bald am Stuhl hinablaufen, eine Lache bilden, an die Straßenschuhe der anderen Wartenden branden, die sich dann redlich bemühen würden, ihn nicht mehr anzusehen, die angestrengt in ihren Illustrierten blättern und auf ihre Mobiltelefone starren würden, weil sie so befremdet wären, gewiss, und angeekelt von ihm, Bredolsky, diesem unglückselig wallenden Quell der Geniertheit. 

Bredolsky hielt sein Heftchen wie ein Gebetsbuch zwischen den krampfigen Fingern, in seinen Ohren rauschte die Toilettenspülung, das Wasser im Waschbecken lief über vor seinem inneren Auge, es musste ihnen allen längst bis zu den Knien stehen, vermengt mit seinem Schweiß. Die Augen zusammengekniffen hielt er sein Notizheft noch fester umklammert und flehte in Gedanken die Schwester an, ihn zu erlösen. Wünschte sich nichts sehnlicher, als seinen Namen aus ihrem Mund durch die Luft schweben zu sehen, wie einen Rettungsring, nach dem er nur den Arm ausstrecken müsste. Jetzt, Schwester, ich bitte Sie, ich bitte Sie! Eindeutiger konnte doch niemand ertrinken?! Das musste doch für alle und erst recht für sie, die fachkundige Schwester, erkennbar sein, dass hier jemand um sein Leben kämpft! Mit sich selbst ums blanke Überleben ringt! 

Das Dröhnen des Händetrockners riss Bredolsky aus seinem Strudel. Und stürzte ihn sogleich in noch gefährlichere Gewässer. Es war also soweit! Die Tür würde sich öffnen, Bredolsky würde in Scham und Schande untergehen! Mit fest geschlossenen Augen hielt Bredolsky tatsächlich die Luft an, als er hörte, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde…

“Herr Müller, bitte in Sprechzimmer 1, Herr Müller bitte!”

“Oh, das wär dann wohl… Ja.” Der Herr, der gerade durch die Toilettentür getreten war, durchschritt rasch das Wartezimmer und verschwand in dem Raum, aus dem heraus ihn die Schwester gerufen hatte. Ohne dass sich eine Flutwelle hinter ihm Bahn gebrochen, ohne dass er Bredolsky eines Blickes gewürdigt hätte.

Bredolskys Gesicht hing schlaff und farblos an ihm herab. Von einer abstehenden Haarsträhne fiel ein Tropfen Schweiß. Niemand sah ihn an. 

Er würde nie mehr hierher kommen können, dachte er im fast voll besetzten Wartezimmer. Nie mehr herkommen wollen. Die Wände waren für immer gezeichnet vom Pegelstand seiner panischen Hilflosigkeit.

Romina Nikolić «Unterholz. Auszüge aus einem Langgedicht», Edition Muschelkalk, 2023, 72 Seiten, CHF ca. 15.90, ISBN 978-3-86160-588-1

Romina Nikolić, geb. 1985 in Suhl, wuchs in Schönbrunn/Thür. auf, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie. Seit 2009 neben der eigenen schriftstellerischen Tätigkeit Organisatorin von Lesereihen und diversen literarischen Projekten, u. a. als freie Mitarbeiterin bei der Literarischen Gesellschaft Thüringen oder Mitbegründerin von Love Crime Books, einem Independent-Label für Fanfiction-Anthologien. Zweifache Preisträgerin beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen, Walter-Dexel-Stipendiatin der Stadt Jena. Lebt als Projektmanagerin, Lyrikerin und Herausgeberin in Jena.

Beitragsbild © Tina Peißker

Für drei Tage war Kufstein das Salz in der trüben Wettersuppe! – Sprachsalz 2024

Vor mehr als zwei Jahrzehnten wagte sich eine kleine Gruppe Schreibender an das Abenteuer, ein Festival für Schreibende im Tirol zu organisieren. Inspiration dafür fanden sie in Leukerbad, in den Schweizer Bergen, wo der Verleger Ricco Bilger in seinem Heimatkanton ein Festival ins Leben rief, das mittlerweile zu den grossen, traditionellen und internationalen zählt.

John M. Coetzee, einer der ganz Grossen der Weltliteratur und Literaturnobelpreisträger, Valerie Fritsch, Meisterin kraftvoller, lyrischer Bilder und Metaphern und Nominierte für den Österreichischen Buchpreis 2024, Vigdis Hjorth aus Norwegen, unübertroffen im Sezieren von Familienstrukturen, Abhängigkeiten und Traumata, Barbi Marković, Trägerin des Leipziger Buchpreises 2024, Hiroko Oyamada aus Japan, die in «Das Loch» eine Anderswelt entdeckt, die alles auf den Kopf stellt, Vladimir Sorokin, einer der bekanntesten russischen Autoren, der seit dem Ukrainekrieg im Exil in Deutschland lebt, Michael Stavarič, ein Sprachkünstler zwischen den Genres, Douglas Stuart, der mit zwei Bestsellern über Kindheit, Jugend, Leben und Lieben im harten Glasgow für Furore sorgte.… um nur einige der grossen Namen zu nennen.

Seit seinem literarischen Durchbruch mit dem Roman «Schande», mit dem er mit dem Booker Price, einem der renommiertesten Literaturpreise, den er schon zum zweiten Mal zugesprochen bekam, zählt der südafrikanische Autor, der mittlerweile in Australien lebt, zu den ganz Grossen, erst recht nachdem er 2003 den Literaturnobelpreis erhielt und 2008 «Schande» mit John Malkovich in die Kinos kam, die Geschichte eines Collegeprofessors, der im von Apartheid zerrissenen Südafrika den Boden unter den Füssen verliert. Wer den Autor erleben will, muss die Gelegenheit nutzen. Sprachsalz schafft es immer wieder, die ganz Grossen für ein Engagement zu gewinnen und damit auch die Gelegenheit, nicht nur den Stimmen der ganz Grossen zu lauschen, sie hautnah zu erleben.

John M. Coetzee © D. Jarosch

Nachdem die Stadt Hall im Tirol, zwei Jahrzehnte lang Austragungsort des Literaturfestivals, das weit über Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgt und seit Jahren fix in meinem Kalender steht, sich gezwungen sah, sämtliche Kulturausgaben um die Hälfte zu kürzen, war ein Neubeginn gefragt. Mit Kufstein bot sich ein neuer Austragungsort an und damit wohl auch die Gelegenheit, das eine oder andere zu überdenken. Ob das gelungen ist, wird sich 2025 zeigen, wenn jene wiederkommen sollen, die sich heuer auf zum Sprachsalz machten.

Vladimir Sorokin, der bis zum Ukrainekrieg noch in seinem Heimatland Russland lebte, musste fliehen, weil die Art und Weise seines Erzählens, seine Themen und sein ungeschminktes Fabulieren im totalitären Russland unter Putin keinen Platz mehr hat. Russischen Verlagshäusern wurde unmissverständlich klargemacht, dass regimekritische Literatur nicht geduldet wird. Bibliotheken bekamen die Order, Bücher wie solche von Vladimir Sorokin aus den Regalen zu nehmen. Buchhandlungen führen schwarze Listen von Titeln, die nur noch dem Schredder zugeführt werden. Sorokins neuster Roman „Doktor Garin“ ist eine bitterböse Satire, die die Mächtigen der Welt bis auf ihren Hintern mit Armen und Gesicht reduziert. Ein schillernder und urkomischer Roman, der unzweifelhaft abrechnet mit seiner Gegenwart und einer fiktiven Zukunft, die längst begonnen hat. Dass Sprachsalz dem Autor eine Stimme gibt, ist löblich, auch wenn es ein Versäumnis war, ihn nicht über seine ganz eigene Gegenwart diskutieren und sprechen zu lassen.

Vladimir Sorokin mit der der deutschen Stimme Ernst Gossner © D. Jarosch

Ebenso eindrücklich die beiden bisher erschienenen Romane des Schotten Douglas Stuart, der sich bei seinen Lesungen auf seinen mit dem Booker Prize ausgezeichneten Roman „Shuggie Bain“ konzentrierte. Ein schonungsloses Sittenbild der schottischen Stadt Glasgow, die in der Wirtschaftskrise der 80er-Jahre zu kollabieren drohte. Ein düsteres Porträt der kleinen Leute, denen die Zukunft genommen wurde, die sich nach allem streckten, was Leben versprach.

Douglas Stuart im Gespräch mit seiner deutschen Stimme am Festival Ernst Gessner © D. Jarosch

Beeindruckend war aber auch österreichisches Schaffen mit den Autorinnen Valerie Fritsch («Zitronen») Eva Maria Gintsberg («Schichtgedichte») und dem Sprachkünstler Michael Stavarič. Sie alle sind Meisterinnen und Meister der Sprache, Schreibende, denen es um weit mehr geht, als bloss Geschichten zu erzählen. Ihr Schreiben ist Musik, mehrschichtig komponiert, nicht für den schnellen Genuss. Literatur, die erst dann seine Wirkung entfaltet, wenn man sich ganz auf sie einlässt. Das zeigte sich vor allem beim Sprachkünstler Michael Stavarič, der ursprünglich beabsichtigte, seinen Roman „Das Phantom“ in einem Satz zu erzählen. Eine Absicht, die der Verlag durchkreuzte. Geblieben ist ein kunstvolles Werk von thomasbernhard‘scher Wucht. Ein Roman, der seinen Glanz erst dann zur Gänze entfaltet, wenn Stavarič selbst zum Instrument wird.

Michael Stavarić, auch Autor von Bilder- und Sachbücher für Kinder (und Erwachsene). Die Reihe über Meeresbewohner wie Kraken, Quallen oder zuletzt «Faszination Haie» hat aus dem Stand die Herzen seiner Leser*innen erobert. © D. Jarosch

Wer öfter an solche Festivals reist, will überrascht werden, reist in der Hoffnung an, Entdeckungen, bisher Unbekanntes mit nach Hause zu nehmen, ein Buch im Koffer, auf das man sich freut und viel verspricht. Ein solches ist „Unterholz. Auszüge aus einem Langgedicht“. Der Beweis dafür, dass Lyrik weder sperrig noch verschlüsselt sein muss, dass genau der Lyrik keine Grenzen gesetzt sind, dass Gedichte schmeicheln und umgarnen können. Eine Performance der Dichterin Romina Nikolić am Sprachsalz, die zu meinem ganz persönlichen Highlight wurde.

Romina Nikolić © D, Jarosch

Sprachsalz war ein Erfolg, der Zuspruch des Publikums trotz der garstigen Witterung beeindruckend. Zu hoffen ist, dass in der Zukunft Gespräche und Auseinandersetzungen mehr Platz erhalten. Wenn Sprachsalz seine Exklusivität nicht nur über die Gästeliste beweisen will, muss am Formalen geschliffen werden. Einzig das sonntägliche Gespräch zwischen dem Nobelpreisträger John M. Coetzee und der Autorin und Übersetzerin Mariana Dimópulos über Fragen zwischen „Muttersprache“ und „Vaterland“ war erhellende Ausnahme.

Grossen Dank an das Sprachsalz-Team. Ich bin im kommenden Jahr wieder dabei!

Beitragsbild © D. Jarosch