Das 16. Wortlaut Literaturfestival in St. Gallen vom 28. bis 30. März 2025

Wortlaut ist das literarische Frühjahrsereignis der Ostschweiz. 2025 wird es zum 16. Mal durchgeführt und findet vom 28. bis 30. März 2025 statt. Sämtliche Veranstaltungsorte wie Lokremise, Bibliothek Hauptpost und Grabenhalle sind fussläufig erreichbar und liegen bahnhofsnah. Ziel des Literaturfestivals ist es, die vielfältige Welt der Literatur einem breiten Publikum bekanntzumachen.

Wir alle schlagen uns herum mit Schreckensbildern, Katastrophenszenarien oder Zukunftsängsten. Übernimmt am Ende nicht ohnehin die Künstliche Intelligenz die Weltherrschaft? Es ist schwierig, in diesen Zeiten zu hoffen, wenn wir um unsere Demokratie und unsere Erde bangen müssen. Aber es soll nicht düster bleiben, im Gegenteil: Wir sind davon überzeugt, dass es sich lohnt zu «hoffen», auch wenn derzeit viele von uns «bangen». Und wo, wenn nicht in der Literatur, können wir diese Hoffnung finden?

Mit viel Freude laden wir Autor*innen nach St.Gallen ein, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Hoffen und Bangen auseinandersetzen. Wie gelingt es uns, als Gesellschaft wieder zusammenzurücken? Nur über gutes Streiten, davon ist die Philosophin Svenja Flasspöhler überzeugt. Gemeinsam mit Barbara Bleisch und der Band Hekto Super eröffnet sie das Wortlaut 2025.

Neben ganz wunderbaren Autor*innen, die am Samstag und Sonntag aus ihren Büchern lesen, setzen wir den Schwerpunkt genau darauf: auf Gespräche und den Austausch. Peter Stamm bekommt von uns die Carte blanche. Verleger*innen diskutieren über die Zukunft des Buches. Zwei Autorinnen aus zwei Generationen geben im Rahmen eines Werkstattgesprächs Einblicke in ihr Schaffen. Eine Uni-Seminargruppe und eine Gymnasialklasse bestreiten jeweils eine Veranstaltung mit Autor*innen, die sie selber eingeladen haben.

Mit Buslesungen und einem literarischen Stadtspaziergang wollen wir Ihnen eine Reise ermöglichen, die ausnahmsweise nicht nur im Geiste stattfindet.

Gemeinsam werden wir an diesem Wochenende gute Gründe finden, warum es trotz allem Anlass zur Hoffnung gibt.

Wortlaut ist zurück. Wir freuen uns auf Sie, liebes Publikum!

Infos zum Wortlaut

«Bilder müssen im Kopf der Leserin erblühen», ein Interview mit Ewald Arenz

«Zwei Leben» heisst der neue Roman von Ewald Arenz und er betont, wie wichtig die Empathie für sein Schreiben ist. Ewald Arenz ist mit diesem Roman Gast am Wortlaut Literaturfestival in St. Gallen.

Gastgeitrag von
Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni: Herr Arenz, Ihr neues Buch liegt in den Buchhandlungen, und schön ist es geworden, dann das Auge liest ja mit. Können Sie als Autor bei der Aufmachung vom Cover über Schriftbild bis zum Lesebändchen mitreden?

Ewald Arenz: Ganz anders, als man gemeinhin denkt: Nein. Kein bisschen. Ich bekomme die Coverentwürfe zwar geschickt und kann sagen, was mir am besten gefällt, aber letztlich entscheidet doch der Verlag. Und das ist gut so.

Aerni: Warum?

Arenz: Wenn ich Grafiker hätte werden wollen, dann könnte ich jetzt keine Romane schreiben. Die Herstellerinnen bei DuMont wissen wirklich, was sie tun und ich verlasse mich völlig auf sie.

Aerni: «Zwei Leben» ist ein stiller, berührender Roman natürlich mit der Liebe als zentrales Thema. Was auffällt ist, dass sie aus der Perspektive von Roberta erzählen. Wie können wir das Hineinversetzen in weibliche Protagonistin als Mann vorstellen?

Arenz: Ich werde das seit «Alte Sorten» häufig gefragt.

Aerni: … Ihr Roman, der 2019 erschienen ist…

Arenz: Die Antwort ist: Es hilft, wenn man als Mann und Autor Frauen einfach mal zuhört. Ich glaube, das tun wir viel zu wenig. Und dann sind wir gar nicht so unterschiedlich. Ich meine, wer fragt Donna Leon, wie sie sich in Commissario Brunetti hineinversetzt?

Aerni: Gute Frage.

Arenz: Als guter Schriftsteller – ich wähle hier bewusst die männliche Form – muss man sich in alle hineinversetzen können. Empathie ist eine Grundvoraussetzung für gelungenes Schreiben.

Aerni: Der Roman beginnt in den 1970er Jahren, in Süddeutschland. Wie trifft man den Ton und die Farben von Jahren, die schon lange her sind? Oder wie gingen Sie da vor?

Ewald Arenz «Zwei Leben», Dumont, 2024, 368 Seiten, CHF ca. 36.90, ISBN 978-3-8321-8205-2

Arenz: 1971 war ich sechs Jahre alt und lebte in einem kleinen Dorf im fränkischen Jura. Jedes Bild, alles Gehörte und Erlebte ging direkt in mich hinein. Ich musste nur aus der Erinnerung schöpfen. Und dann blätterte ich in den alten Fotoalben meiner Eltern und jedes Bild weckte eine Vielzahl an neuen Szenen.

Aerni: «Als sie aus dem Zug stieg, wehte es ihr frisch um die Haare und ins Gesicht; ein ganz zarter Duft darin wie von frisch gepflügter Erde. Ein Frühlingsversprechen». Diese Passage zeugt von Ihrer Affinität zu Landschaft und Natur. Hilft die Sprache für die Tiefe des eigenen Geniessens?

Arenz: Die Sprache ist das A und O. Wenn ich erzähle, möchte ich, dass meine Sprache ist wie ein eleganter Rolls Royce. Man hört ihn kaum, aber er bringt einen mit grosser Sicherheit an den Ort des Erzählten. Meine Sprache muss Bilder transportieren, die im Kopf der Leserin erblühen. Sie ist essenziell.

Aerni: Der Roman thematisiert auch die Ambivalenz zwischen den Sehnsüchten, einerseits nach Urbanität und Karriere in der Modewelt, andererseits nach dem Dorfleben mit der Landwirtschaft und Natur drum herum. Wohin zieht es Sie momentan eher?

Arenz: Ich habe das grosse Privileg, in beiden Welten leben zu können. Lebte ich nur in einer, dann würde es mich unweigerlich immer auch in die andere ziehen.

Aerni: Sie studierten unter anderem englische und amerikanische Literatur und es dünkt, dass die amerikanische Erzählkultur mit ihren Weiten und Familienchroniken Ihr eigenes Schreiben prägt. Oder?

Arenz: Sowohl die amerikanische wie auch die englische Literatur haben mein Schreiben geprägt. Dos Passos genauso wie Steinbeck oder Phlip K. Dick, die Brontës nicht weniger als Jane Austen. Aber alles in allem sind es doch auch und immer wieder die deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller – darunter nicht zuletzt Max Frisch und Dürrenmatt. Ist es nicht grossartig, dass Literatur so nationenübergreifend wirkt?

Aerni: Sehr. Davon könnte die politische Welt wohl noch lernen. Von schreibenden Zunft wird oft erwartet, dass sie sich gesellschaftlich ja sogar politisch mehr engagieren müssten, da sie ja mit der Sprache und Inhalten arbeitet im Gegensatz zur Musik oder Malerei. Sie tun dies unter anderem auch durch Stellungnahme zu Vernunft und Ängsten vor dem Fremden. Aber was meinen Sie zu dieser Erwartungshaltung?

Arenz: Ich bin politisch in der kleinsten Zelle der Gesellschaft, in ihrem Kern, der Familie und dem engsten Umfeld. Dort beginnt alles: Toleranz und Vergebung und das Gespräch miteinander. Von dort aus wirken wir weiter. Wenn wir uns in der Familie nicht zuhören und uns verzeihen können, wie dann im Grossen? Ich bin auch parteipolitisch engagiert, aber ich glaube, dass ich mit Literatur mehr bewirken kann.

Aerni: Wenn ein Roman veröffentlicht ist, kommen die Interviews und die Lesungen. Wie bereiten Sie sich auf die lebendige Phase des Schriftstellerlebens vor, da doch das Schreiben eine ruhige und zurückgezogene Angelegenheit ist?

Arenz: Ach, das sind doch die schönen und lebendigen Stunden. Schreiben ist manchmal eine verteufelt einsame Angelegenheit mit tausend Selbstzweifeln und manchmal sehr dunklen Stunden. Da bin ich froh über Lesungen und den echten Kontakt zum Publikum.

Aerni: Dürften wir erfahren, wie Ihr Lieblingsschreibort aussieht?

Arenz: Immer wieder: Mein Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer. Es gibt einen Blick auf den verwilderten Garten und den Blick auf eines meiner Lieblingsbilder – ein Gemälde meiner künstlerisch so begabten Grossmutter.

Aerni: Erlauben Sie mir noch zum Schluss folgende Frage: an welchem Ort als Kulisse würden Sie mal gerne einen Roman platzieren?

Arenz: Jedenfalls nicht in Berlin. Aber ganz ehrlich: Der Mars würde mich mal reizen…

(Zuerst erschienen im Magazin «Lesen» von Orell Füssli Schweiz.)

Ewald Arenz wurde 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Mit «Alte Sorten» (DuMont 2019) stand er auf der Liste »Lieblingsbuch der Unabhängigen« 2019 und «Der große Sommer» (2021) erhielt 2021 ebenjene Auszeichnung. Zuletzt erschien «Die Liebe an miesen Tagen» (2023). 

Webseite des Autors

Beitragsbild © Ilka Birkefeld

Frauenfelder Buch- und Handpressen-Messe vom 2. bis 4. November

Die Frauenfelder Buch- und Handpressen-Messe ist eine einzigartige Werkschau von Büchern, Gestaltung, Drucken, Einbänden und Papieren. Veranstaltet wird sie alle zwei Jahre, 2018 bereits zum 14. Mal. Auf der Messe, die in zwei Hallen im historischen Eisenwerk in Frauenfeld stattfindet, präsentieren sich alte Handwerke im Bereich Druck und Papier und zeigen zeitgenössische, künstlerische Anwendungsmöglichkeiten von Bleisatz, Handpressendruck, Kupfertiefdruck, Handbuchbinderei, Holz- und Linolschnitt, Typografie, Papierschöpfen, Papierkunst, Druckkunst und Künstlerbuch.

Viele der Aussteller führen ihre Kunst sogar live am Stand vor, wozu zuvor mitunter tonnenschwere Maschinen in die Werkhalle manövriert werden. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen, den Arbeiten zuzusehen, zu staunen, zu riechen, zu fühlen und mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen. Und natürlich können sie alles, woran sie Gefallen finden, käuflich erwerben: alte und neue Bücher, Handpressendrucke, Einblattdrucke, Alben und Kassetten, Marmor- und Künstlerpapiere, hand- und maschinengeschöpftes Bütten, Kunst und Kleinkunst, Karten und Geschenke.
Die Austeller und Ausstellerinnen kommen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Irland, Liechtenstein und der Schweiz zur Messe nach Frauenfeld, und dies teilweise seit Jahren und Jahrzehnten. Andere junge Kollegen sind erstmalig mit dabei. Denn die «Schwarze Kunst» – so nennen die Handpressendrucker ihr Gewerk, inspiriert von der Farbe ihrer Fingerspitzen – findet beständig neue Adepten, die mit frischen Gestaltungs- und Anwendungsideen das alte Handwerk lebendig halten.

«Endlich ist er Ehrengast unserer HPM: Christian Ewald, am 30. November 1949 in Weimar geboren und dort aufgewachsen. Lehre als Schriftsetzer, später Studium der Grafik in Ost-Berlin. Lebt seitdem in Berlin-Köpenick. Da damals dem Jungdichter und -verleger politisch verboten wurde, Bücher zu drucken, hat er die Bücher von Hand geschrieben (er ist für mich immer noch der beste und förderlichste Kalligraf).

Zitat Verlagsgeschichte: Das erste Buch, das vom Verlag heraus-gegeben wurde, war zugleich das letzte Buch der DDR: Ostberliner Treppengespräche von Jan Silberschuh. Es wurde in 999 Ex. gedruckt und am 2. Oktober 1990 um 23.59 Uhr ausgeliefert; es wurde «eines der schönsten deutschen Bücher 1990» und erhielt den Preis der Stiftung Buchkunst in Frankfurt/Main.

Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 endete die DDR. Seither werden in der Katzengraben-Presse jährlich zwei Werke (im Frühjahr und Herbst) in limitierter Auflage von 999 Exemplaren verlegt. Seit 2003 erscheinen Unikat-Editionen in einer einmaligen Auflage von 14 Exemplaren, der Hausnummer folgend: grafisch aufwendig hergestellte und handgeschriebene Buchausgaben. 2013 wurde der Verlag auf der Mainzer Minipressen-Messe für hervorragende Verdienste um das schöne Buch mit dem Victor-Otto-Stomps-Preis der Stadt Mainz ausgezeichnet.

Ich weiß nicht mehr, wann und wo wir uns kennengelernt haben. Für mich ist Christian Ewald in Sachen Bücher, Gestaltung und Präsentation seiner Werke einer der einfallsreichsten Menschen.

Vor 17 Jahren haben wir einander versprochen, in unseren Verlagen gegenseitig je ein Buch herauszugeben. Das Buch von Christian Ewald ist 2002 im Waldgut Verlag erschienen: Kann ein im Meer versenkter Traum an fremden Stränden leben? Fragen als Ansicht. Mit Collagen des Autors. Esther Menzi hat das Buch als Bodoni Druck 47 von Hand gesetzt, von Hand gedruckt. Die Collagen wurden in Berlin in Sepia auf Transparent-Papier gedruckt. Die Broschur wurde in Frau- enfeld von Hand gebunden.

Ich hoffe, dass ich mein Buch «Die japanische Bindung» für die Katzengraben-Presse bis zur HPM schaffe. Wenn Ja, gibts ein tüchtiges Fest mit dem Ehrengast. In jedem Fall macht Christian Ewald an der HPM «etwas mit blau angemalten Bäumen» und andere Überraschungen.» Beat Brechbühl, im Juni 2018