Literatur ist vergänglich!

Ein Nachruf

Mag sein, dass der Ruhm eine Weile hält. Ein paar Monate, vielleicht ein paar Jahre, wenn es einem als Schriftsteller gelingt nachzulegen. Aber gemessen an der schieren Menge von Neuerscheinungen allein im deutschsprachigen Raum jedes Jahr, muss der Verdrängungskampf in den Bücherregalen immens sein. So ein Bücherleben dauert in der Regel ein Menschenleben. Danach gelingt wenigen noch eine Runde, nachdem sie Aussortierung und Lagerzeit in Antiquariaten oder Brockenhäusern heil überstanden haben. Noch eine Runde, weil ein stiller Leser, eine Liebhaberin oder gar ein Sammler sich des Buches erbarmt und ihm ein neues Zuhause schenkt. Aber was heute aktuell ist, ist eine Generation später Altpapier. Worüber sich kreative Köpfe während Jahren beugten, Kämpfe um Formulierungen ausgetragen wurden und man in Endlosschleifen dem Klang von Sätzen nachstieg, wird wenige Jahre später Makulatur. Was Rezensenten, Kritiker und Moderatoren preisen, bejubeln und in den ewigen Olymp der Literatur heben, danach kräht eine Generation später kein Hahn mehr. Vielleicht bleibt eine Notiz, eine Erinnerung. Aber wer liest sie noch? Was wir Westeuropäer Weltliteratur nennen, ist männlich dominierte, meist mitteleuropäische Literatur der letzten 200 Jahre inklusiv einiger weniger Paradiesvögel, die es ins hiesige Bewusstsein schafften. Erstaunlich genug, dass es jedes Jahr wieder eine endlos scheinende Reihe Beginnender gibt, die zu hoffen wagen, für Monate, vielleicht sogar Jahre Bücherfreunde zu erfreuen. Was treibt all die Kreativen, sich über Jahre an eine Geschichte zu hängen, zu schleifen, allein an einem Tisch den langen Kampf auszufechten, der Kapitulation zu trotzen und stets zu hoffen, da wären Leserinnen umd Leser, die warten? Die Aussicht auf Ruhm und Ehre kann es nicht sein. Das ist der Schreibende Realist genug. Vielleicht die Lust, ein Stück eigene Welt erschaffen zu haben. Eine Welt mit einem eigenen Sound, eine ganz speziellen Färbung. Sie tun es immer wieder. Selbst dann, wenn ihnen der an Verkaufszahlen und Aufmerksamkeit gemessene Erfolg verwehrt bleibt. Sie tun es trotz Beruf und Familie, trotz Verzicht und Abnützung. Sie scheinen nicht müde zu werden, bis das Buch in Folie verpackt ausgeliefert wird, in welcher Auflage auch immer. Und dann, nach der Lektüre, nach medialer Missachtung oder grenzenloser Lobhudelei steht es im Regal. Vielleicht ein Menschenleben lang, bis ein nächste es in eine Kiste schmeisst, die zur Sammelstelle geführt wird. Ein paar Namen bleiben länger, gemessen an der Dauer des Abendlandes einen Moment länger, um dann in die ewigen Jagdgründen der Vergessenen einzugehen. Literatur ist vergänglich, wie alles andere auch.

Zum Bild: Aus einer Laune heraus setzte ich eines meiner aussortierten Bücher im Garten auf einer Mauer aus. Ich wollte schauen und fotografieren, wie sich dieses Buch der Witterung und den Jahreszeiten ausgesetzt verändert. Ebenso interessant waren die Reaktionen all jener, die am Buch vorbeigingen. Erst recht weil sie wissen, wie weh es mir tut, wenn einem guten Buch der ihm entsprechende Respekt verwehrt bleibt. Bücher selbst können sich nicht wehren.