Isabella Krainer «Vom Kaputtgehen», Limbus

Dass Lyrik grösstes Vergnügen bereiten kann, trotzdem jene Schärfe und Würze birgt, die der Lyrik in ihrer Konzentration eigen ist und doch kunstvoll, gewieft und vielschichtig daherkommt, das beweist Isabella Krainer in ihrem ersten bei Limbus erschienen Band „Vom Kaputtgehen“.

von wegen

vater war dafür
sagte nur
deswegen

verwegen

mutter fragte wofür
dachte nur
weswegen

verlegen

krieg vor der tür
kämpfe nur
entlegen

von wegen

 

Wie an manchen Abenden wollte ich meiner Frau vor dem Schlafengehen noch ein paar Gedichte vorlesen. Immer liegt ein Gedichtband auf meinem Nachttisch. Nicht dass ich nur vor dem Einschlafen Gedichte lese. Aber sie blenden noch einmal ein Licht in meine Seele. Und manche Lichter wirken bis in die Nacht hinein.

Ich versuchte es mit dem neuen Gedichtband einer bekannten Autorin, der die Rezeption meist zu Füssen liegt. Die Gedichte aber prallten ab, trotz der glänzenden Verpackung. Wir lagen beide ziemlich ratlos in den Laken. So stand ich noch einmal auf und holte ein neues Buch aus der Bibliothek, eines aus dem Regal der «wartenden Bücher». 

Was dann passierte, als ich mich wieder unter die Decke begeben hatte, in der Hoffnung, meine Frau sei noch nicht in den Schlaf hinüber gerutscht, gab es noch nie. Zum einen lachte meine Frau während des Vortrages immer wieder laut auf, zum andern reihte sich Gedicht an Gedicht. Bei den Mundart-Gedichten der geborenen Kärntnerin las meine Frau, ebenfalls Kärntnerin.

Es wurde spät und wir mussten ihr Buch vorsätzlich weglegen, um nicht gleich an einem Abend den ganzen Spass in grossen Schlucken zu geniessen. Isabella Krainers Werk ist es Wert, in kleinen Portionen zu verkosten.

manchmal

manchmal möchten möhren
eingesetzt
vielleicht auch zu höchstleistungen
angetrieben
oder mehr noch
wegen
medial produzierter minderwertigkeitskomplexe
karotten genannt
und überhaupt
attraktiver
werden

 

Isabella Krainer «Vom Kaputtgehen», Limbus, 2020, 91 Seiten, CHF 18.90, ISBN 978-3-9903917-0-9

Die Dichterin mäandert in Alltäglichkeiten, Situationen mit viel Wiedererkennung, durch ein ganzes Leben, einen ganzen Kosmos. Ihre Lyrik ist direkt und ungekünstelt, nicht verkopft und alles andere als unzugänglich. Manchmal schliessen sich ganze Geschichten auf, Szenerien, die neben und zwischen den Zeilen ein Vielfaches von dem entfalten, was die knappe Dichtkunst der Schriftstellerin auszeichnet.

Witzig und bissig, kurz und prägnant. Gleichsam verspielt und bodenständig, taktvoll und frech. Und ungeheuer lautverliebt und deutungsreich. Und wenn sich dann auch noch eines ihrer Gedichte reimt, dann ist es, als würde sie noch einen draufgeben, als packe sie der sprachliche Übermut.

selbst ort gedanken

ich
ist ein
ort

an den
ich
gehe

wenn
ich
bleibe
wer ich bin

 

Und ganz nebenbei; Wer den Limbus Verlag noch nicht entdeckt hat, der sollte sich einmal Zeit nehmen, sich auf dessen Webseite zu tummeln. Neben all den literarischen Leckerbissen – was für schöne Bücher! Gewisse Verlage haben es geschafft, im Erscheinungsbild ihrer Bücher einen Wiedererkennungseffekt zu generieren. Das schafft Limbus mit einem Teil seiner Veröffentlichungen, vornehmlich mit seiner Lyrik, genauso. Ein vielsinniges Bucherlebnis!

(die hier veröffentlichten Gedichte aus Isabella Krainer Gedichtband «Vom Kaputtgehen» mit freundlicher Genehmigung des Verlags)

Isabella Krainer, geboren 1974 in Kärnten, verfasst Lyrik und Prosa und macht gern Theater. Bis 2017 lebte sie in Tirol, aktuell in der Steiermark und pendelt zwischen Politsprech und Dialektlandschaft. 2016 wurde sie mit dem Hilde-Zach-Förderstipendium der Stadt Innsbruck ausgezeichnet. Im Rahmen des stubenrein-Festivals (steirischerherbst’19) las sie aus ihren Gedichten. Als Murauer Bezirksschreiberin sammelt sie Zuschreibungen von der Straße auf und verarbeitet, was Frauen abverlangt wird, von A bis Z.

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Beitragsbild © Tina Brunner