Charles Lewinsky «Der A-Quotient», Nagel & Kimche

Arschlöcher – Menschen, die nicht mit dem zur Verfügung stehenden Kopf denken wollen oder können. Charles Lewinsky schreibt über jene Sorte Mensch, die lieber mit dem Arsch denkt, lieber AQ statt IQ, über Theorie und Praxis des Lebens mit Arschlöchern. Eine höchst amüsante Lektüre, der Aktualität nicht abzusprechen ist!

Muss man Charles Lewinsky ernst nehmen? Nimmt Charles Lewinsky sich ernst mit diesem Buch? Ganz sicher ist ihm ernst, selbst mit diesem Buch, mit Menschen, die nicht nutzen, was ihnen geschenkt wurde, die gröhlen, brüllen, kopieren, marschieren. «Der A-Quotient», das Buch erscheint bereits zum dritten Mal. 1994 bei Haffmann, 2005 bei Zweitausendeins und nun bei Nagel & Kimche, überarbeitet versteht sich, «denn Arschlöcher vermehren sich wie die Karnickel», so Lewinsky. Weder Unterhaltungsindustrie, Medien und aktuelle Politik geben Anlass zur Hoffnung, dass die Menschheit vom Denken mit Hirn regiert und geleitet wird.

Charles Lewinsky ist bitter böse, beissend komisch und beängstigend nahe an der Wirklichkeit, wenn man sich bei der Lektüre auch zu trösten versucht, es handle sich um Überzeichnung. Er giesst, reizt und teilt aus, was bei seinem letzten Roman, seinem Krimi «Der Wille de Volkes» nur als laues Lüftchen zu spüren war, aber durchaus zum Messerstich hätte werden können. Damals blieb der von mir erhoffte Rundumschlag gegen das satte und selbstgefällige Establishment aus oder kümmerlich. Dabei hätte sich einen solchen niemand besser und mehr leisten können, wie der mit allen Wassern gewaschene Lewinsky. Hier tut er es, köstlich, leidenschaftlich, schamlos, sprachgewandt und «stringent». Nichts und niemand bleibt verschont, selbst er selbst nicht.

«Zum Glück gibt es ein einfaches und unfehlbares System, mit dessen Hilfe man ein Arschloch auf den ersten Blick erkennen kann. Ich weiss, dass es funktioniert. Ich hab’s an mir selber ausprobiert.
Man schaut ganz einfach in den Spiegel.»

Der Meister der literarischen Vielfalt, das sprachliche Multitalent bedient sich der Form eines wissenschaftlich abgestützten Ratgebers: «Über das Denken ohne Benutzung des Kopfes» oder «Spekulationen über die Frage, warum der Kopf so wenig benutzt wird» oder nach einem Theorieteil im Praxisteil «Das handliche Arschloch-Bestimmungsbuch».

Vor vielen Jahren las der 2006 verstorbene Robert Gernhardt im Literaturschiff auf dem Bodensee. Während er las und kaum mit der Wimper zuckte, kugelte ich mich vor Lachen, so sehr, dass der Bauch schmerzte und ich fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen.
Ich garantiere bei der Lektüre von «Der A-Quotient» ähnliche Nebenwirkungen, vor allem dann, wenn man sich das Buch vorlesen lässt, so wie ich von meiner Frau. Was für ein Vergnügen!

Charles Lewinsky wurde 1946 in Zürich geboren. Er arbeitete als Dramaturg, Regisseur und Redaktor. Er schreibt Hörspiele, Romane und Theaterstücke und verfasste über 1000 TV-Shows und Drehbücher, etwa für den Film «Ein ganz gewöhnlicher Jude». Für den Roman «Johannistag» wurde er mit dem Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank ausgezeichnet. Sein Roman «Melnitz» wurde in zehn Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, u.a. in China als Bester deutscher Roman 2006, in Frankreich als Bester ausländischer Roman 2008. Lewinskys jüngsten Romane wurden für die bedeutendsten deutschsprachigen Buchpreise nominiert: «Gerron» für den Schweizer Buchpreis 2011, «Kastelau» für den Deutschen Buchpreis 2014 und «Andersen» für den Schweizer Buchpreis 2016.

Beitragsbild © Sandra Kottonau