Radek Knapp «Der Gipfeldieb», Piper Verlag

Jedes Mal, wenn Ludwik seine polnische Mutter besucht, tischt sie ihm eine ganze Palatschinken-Pyramide auf. Sie wissen nicht, was Palatschinken sind? Etwas von dem, was Ludwiks Mutter von Polen mit nach Wien genommen hat, was ihr selbst nicht schmeckt, ihrem Sohn aber ungefragt zu schmecken hat, erst recht bei schwierigen Entscheidungen. Und weil Ludwik Junggeselle ist und sich seine Mutter immer wieder höchst engagiert in das Leben ihres einzigen Sohnes einmischt, ist Palatschinken-Essen eine Art sich nahezukommen, manchmal auch auszusöhnen. Vor allem, wenn Ludwik nach 15 Jahren «Warten» Oesterreicher werden soll und man ihm die Staatsbürgerschaft wie einen Orden für ein «Leben im Griff» verleihen will. Leider meldet der Staat aber unvermittelt eine Gegenleistung und der Vierunddreissigjährige soll zur Armee.

Radek Knapp ist eine Fabulierer, ein begnadeter Geschichtenerzähler, bei dem man nie ganz sicher ist, wie ernst er den Ernst des Lebens nimmt. Sein Roman ist aber nicht bloss ein Schwank, sondern von bissigen Kommentaren durchsetzt, bei denen nicht nur die Wiener einige Hiebe abbekommen: «Das Gesindel ist arm. Und wenn der Westen nicht hinüberfährt und der Armut vor Ort unter die Arme greift, kommt die Armut hierher und hilft  sich selbst. Wenn sich also jemand schämen sollte, dann der Westen.»

«…immer mit einem Lächeln, mit einer grundsätzlichen Menschenliebe, mit Neugier und Respekt… Was für ein seltenes Juwel.» Elke Heidenreich

Lesung von Radek Knapp aus „Der Gipfeldieb“, am Sammstg, den 2. April, an den St. Galler Literaturtagen, Samstag, 16:00 – 16:45 Uhr, Festsaal im Stadthaus, Gallusstrasse 14, 3. Stock

 

Lesung von Zora del Buono aus «Gotthard»

«Gotthard», Novelle, C. H. Beck

«Das Leben der Mächtigen», Naturkunden, Matthes & Seitz

Am 2. März erzählte die Autorin an einer Lesung der Autorin in der Buchhandlung Hirslanden in Zürich. «Das Leben der Mächtigen» ist ganz oben auf eine Sachbuch-Bestseller-Liste (www.ndr.de), was angesichts der folgenden Titel doch beachtlich ist, geht es dort fast ausschliesslich um Schmerz, Macht und Krieg.

Rezension auf dem Literaturblatt 28!

Anna Galkina «Das kalte Licht der fernen Sterne», Frankfurter Verlagsanstalt

Nastja erzählt von sich einer Kindheit in einem kleinen Städtchen unweit von Moskau. Was sich im ersten Teil des Buches anekdotisch und witzig liest, wird im zweiten Teil immer mehr zu einem wüsten Tripp in die russische Provinz, wo Trostlosigkeit, selbstgebrannter Schnaps und Gewalt den Alltag bestimmen. Das mag wie eine Kritik klingen, ist es aber nicht. Anna Galkina malt in grellen Farben, das Erzählte klingt hölzern, grob geschnitzt. Aber vielleicht ist es genau dieses Ungeschliffene, das den Reiz dieser Reise durch die russische Provinzseele ausmacht; überall Enge zusammen mit Mutter und Grossmutter in einem kleinen Häuschen ohne Klo und fliessendem Wasser, durch die Schule, in der selbst die erste Lehrerin mit Rehaugen den Kindern die Köpfe verdrischt, in die Stadt in den Club der Poesieliebhaber, der in der von Kakerlaken besetzten Bücherei bekannte Gesichter der modernen Literatur vorlesen lässt bis zu den üblen Saufgelagen in Scheunen und Wohnungen, aus der sich am kommenden Morgen die Katerkranken aus den schlaffen Umarmungen schälen. Mit Sicherheit keine leichte Kost – Selbstgebranntes!

Anna Galkina, geboren und aufgewachsen in Moskau, kam 1996 mit ihren Eltern nach Deutschland. Nach einem Studium der Informatik arbeitet sie als Software-Testingenieurin, Malerin und Fotografin und lebt in Bonn. Anna Galkina schreibt auf Deutsch, Das kalte Licht der fernen Sterne ist ihr erster Roman. (FVA)

 

Peter Stamm «Weit über das Land», S. Fischer Verlag

«Nach zwei Wochen Ferien mit seiner Frau und seinen beiden Kindern geht Thomas nicht zu Bett. Er bricht aus, aus dem «dunklen Verliess, aus dem es kein Entkommen mehr gab». Er geht in die Nacht hinaus in ein anderes Leben. Astrid bleibt mit den Kindern zurück, erst verunsichert, dann verstört. Sie und ihre Kinder versuchen sich zurechtzufinden mit der Leerstelle neben sich. Thomas hinterlässt irgendwann nicht einmal mehr Spuren. So sehr er sich aus seinem alten Leben entfernt, bleibt er in der Nähe seiner Vergangenheit, auf der Suche nach sich selbst, nach dem Wesentlichen. Peter Stamm erzählt aus den Perspektiven beider. Wie ein Mann aus dem finsteren Räderwerk ausbricht und eine Frau weggestossen den Weg mit sich selbst findet. Ich als Leser gehe mit, über jeden Stein, hinein in den Winter irgendwo auf einer Alp im Gotthardgebiet. Gehe mit auf die Suche nach dem anderen und sich selbst. Peter Stamms Erzählen ist ganz nah und trotzdem distanziert, spannend bis zur letzten Seite, glasklar mit vielen Spiegeln durchsetzt.

Peter Stamm: «Ich «muss» nicht schreiben, aber ich liebe das Schreiben mehr als jede andere Beschäftigung.»

www.peterstamm.ch

Lesung mit Peter Stamm:
Neue Schweizer Literatur in der Hauptpost, St. Gallen
Dienstag, 7. Juni 2016, 19.30 Uhr, Raum für Literatur, Hauptpost, St.Gallen, Eingang St.Leonhardstr. 40, 3. Stock
www.gdsl.ch

«Lieber Herr Frei-Tomic, danke für die schöne Rezension. Herzlich, Peter Stamm»

Fest der Literatur in St. Gallen

Der Koffer liegt bereit!

Vom 31. März bis 3. April finden die 8. St. Galler Literaturtage WORTLAUT statt.

Ich werde wie jedes Jahr dabei sein und zolle nicht zuletzt all jenen Respekt, die trotz finanzieller Nöte auch dieses Jahr die Literaturtage zu einem Fest werden lassen.
Eine ganz besondere Gelegenheit in der Bücherstadt St. Gallen Autorinnen und Autoren zu begegnen, ihren Geschichten zu lauschen und all den Geschichten ums Buch herum:
Arno Camenisch, dem Wilde aus dem Bündnerland,
Urs Augstburger mit einer knisternden Geschichte rund ums Netz,
Heinz Helle mit einer düsteren Endzeitahnung,
Matthias Nawrat mit einer Schweikiade,
Pierre Jarawan auf Vatersuche im Libanon,
Radek Knapp mit einem melancholischen Zählerstandsableser,
Rolf Lappert mit der Rückkehr ins Vaterhaus,
der Schweizer Buchpreisträgerin Monique Schwitter mit den 12 Lieben,
Rebecca C. Schnyder mit ihrem rotzfrechen Erstling,
Comic, Graphic Novel, Slam Poetry, Spoken Word, Bühnenspektakel und vielem mehr.

Infos unter www.wortlaut.ch

Post von der Lyrikerin Wanda Schmid

Eine Kostprobe der Zürcher Autorin:

FEUERSCHUTZ

Deine Angst wird
mich anspringen
die Lampe
umstossen

dein Mund
hat mein Wort
zerschnitten

seit Tagen
spiel im mit dem Feuer
und brenne nicht

im Dunkeln
hör ich den Lockvogel
Türen schlagen

Das Gedicht ist aus: Schmid, W., Sonnenfinten, eFeF-Verlag, Bern 2003

Rebecca C. Schnyder „Alles ist besser in der Nacht“ Roman, Dörlemann Verlag

Wenn sie auf Bahnhöfen warten und in Zügen fahren, kennen sie sie; Nieten überall, Kapuze auf, Stiefel auf dem Polster, auf dem Klo rauchend. Ja nicht zu auffällig hinsehen, sonst passierts. Alles an ihnen ist Protest, jede Faser, jede Geste, jedes Wort. Protest gegen alles. Billy hat zwar schon einmal ein Buch geschrieben, aber nicht einmal das ist es wert, aufrecht zu gehen. Sie geht geduckt durchs Leben, gequält von den Anrufen ihrer Mutter, vom Drängen ihres Verlegers, selbst von der Liebe Noes, der ausgerechnet Theologie studiert. Rebecca C. Schnyder erzählt in ihrem ersten Roman vom inneren Kampf einer jungen Frau gegen sich selbst. Zugegeben, das Buch mag auf den ersten Seiten abschreckend wirken. Schon der zweite Satz schlägt in die Magengrube und es dauert eine ganze Weile Lesen, bis ich Mitgefühl für die Heldin aufbringen kann. Aber das ist Programm, braucht dieses Buch, diese Geschichte, um glaubhaft von einem Leben zu erzählen, das aus der Spur geraten ist. Kein Buch zur Erbauung, aber ein Buch, das einem eine Tür öffnen kann.

Lesung von Rebecca C. Schnyder am 2. April, Moderation: Joachim Bitter
Zeit: Samstag, 15:00 – 15:45 Uhr
Ort: Hauptpost, St. Gallen,Raum für Literatur, Eingang St. Leonhardstrasse 40, 3.Stock, www.wortlaut.ch