Monika Maron «Krähengekrächz», S. Fischer

«Inzwischen sehe ich den Menschen als Sonderfall der grossen Tierfamilie und kann mich nicht einmal entscheiden, ob die menschliche Besonderheit eher ein Glück oder ein Unglück ist.»

Durch die Arbeit an einem Roman macht sich Monika Maron daran, der Krähe näherzukommen, dem Tier, dem der Mensch mit einer ganz speziellen Mischung aus Faszination und Aberglaube gegenübertritt. Wie kein anderes Tier war der Rabe Orakel, Götterbote, Gott und Weltenschöpfer, Begleiter des Bösen, Inbegriff dafür, wie sehr sich der Mensch in seiner Unkenntnis mit Angst zu schützen versucht. Aber je näher sich die Autorin mit dem Wesen der Tiere vertraut macht, ihre Nähe sucht, umso mehr spricht Achtung aus ihrem Text, wie stets, wenn Erkenntnis die Beobachtung krönt. So auch, wenn sich die Autorin jener mehr als zwielichtigen Furcht vor einem Tier nähert, die den Menschen selber entblösst: «Ich sehe den Krähen zu, wie sie friedlich aufpicken, was ich ihnen hinwerfe, sich manchmal auch streiten und einander verjagen, und denke, dass sie einem klügeren Gesetz folgen als wir. Wenn wir unmenschlich sagen, meinen wir das Tierhafte, als wären nicht wir die Mörder, Krieger und Folterer. Das Böse ist menschlich. Nicht das Tier in uns mordet, es ist der Mensch.»
In dem schmalen Büchlein, mit dem man sich an einem Abend vertiefen kann, ohne dass der schwarze Vogel einem in den Schlaf begleitet, schildert die Autorin den Weg zu einem Tier, dessen Augen einem nicht betören und kein Fell zum Kraulen lockt, dass den Menschen aber ganz offensichtlich nicht in Ruhe lässt, in einer Gegenwart, in der man Krähen noch immer abschiesst und gleichzeitig ebenso viel Scharfsinn zuspricht wie den Primaten.

«Vielleicht liegt es am Alter, am allmählichen Verfall und dem nahenden Sterben, das mich das Tier im Menschen so deutlich erkennen lässt.»
Leale 2Und wer noch mehr über Krähen lesen will:
Von Cord Riechelmann «Krähen», Matthes & Seitz, Naturkunden