Michael Kumpfmüller «Die Erziehung des Mannes», Kiepenheuer & Witsch

Nein, kein Sachbuch, auch kein Erfahrungsbericht, sondern ein Roman darüber, wie ein Mann durch Anpassung allein eben nicht zum Mann wird. Lernt man etwas bei der Lektüre dieses Buches, wo doch der Titel einiges verspricht, vor allem all den Frauen, die dieses Buch erwerben? Das Versprechen wird eingelöst, aber eben literarisch. Michael Kumpfmüller erzählt exemplarisch Georgs Geschichte, einen langen Kampf um Liebe, schon als Kind begonnen. Georgs Vater nimmt sich mit aller Selbstverständlichkeit und Offenheit im Schosse seiner Familie neben der Ehefrau eine Geliebte, während Georgs Mutter leidet, unsichtbar für den Mann, aber ein Alp für die Kinder. Der Autor setzt dem Protagonisten den Stachel, das Wissen, dass es gerade in der Liebe mit Sicherheit keine Sicherheit gibt, alles den Irrtum impliziert. «War das Leben nicht dazu da, dass man es lebte, unvermeidliche Irrtümer eingeschlossen? Wer sich nie irrte, lebte nicht, so viel meinte ich begriffen zu haben, wobei ich auch das Gegenteil dachte.» Georgs Vater straft gerne, entzieht Liebe macht die Klappe zu, auch als Georg sich gegen Jura aber für Musik entscheidet. Nach ersten Liebesversuchen trifft er Karin, lebt sieben Jahre mit ihr zusammen, ohne einmal mit ihr zu schlafen. Sie will nicht. Er duldet es, «käme sich schäbig vor, sich zu trennen». Dann ist es Jule, die zuerst so ganz anders ist, Kinder will und auch heftig tut, dass es geschieht, ihn heiratet, was Georg einerseits schmeichelt aber gleichsam von einer Tatsache in die nächste stösst. «In diesem einen Moment hatte ich gewusst, wer Jule für mich war. Ein kleiner, leuchtender Punkt, etwas, das mich aus allerfernster Ferne berührte, ein Versprechen mehr als eine Tatsache, etwas, an dem ich nicht achtlos vorübergehen zu dürfen glaubte.» Aus Leidenschaft wird Ehekrach und Scheidungskrieg vor den Augen dreier Kinder, all das, was den Vater eine Generation zuvor nicht zu bewegen schien.

Michael Kumpfmüller schreibt von den Schrecken des Mannseins, der Verunsicherung darüber, wie Mannsein allein nicht genügt, wie sehr einem das Leben aus der Hand genommen und zerrissen werden kann. Georg ist kein Verlierer, aber ein von Verunsicherung Gepeinigter. Michael Kumpfmüller spielt mit dem Nerv der Zeit. Braucht es mehr als die Liebe eines Menschen, um zu überleben? Bei Georg ist es die Musik.

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