Kaspar Schnetzler «Adieu Monsieur Monet», bilgerverlag

Ein Katzenbuch? Ich lese keine Katzenbücher. Und doch ist die Erzählung «Adieu Monsieur Monet» ein Buch über eine Katze, einen Kater. Und doch kein Katzenbuch! Eine Erzählung über einen Grossvater. Darüber wie eine Enkelin mit der ihr ganz eigenen Mischung aus Bestimmtheit und Charme eine feste Ordnung aus den Fugen bringt.

Ob Kaspar Schnetzler Katzen mag, weiss ich auch nach der Lektüre nicht. Mit Sicherheit nicht die Tatsache, dass sie Haare lassen, die Katzenstreu nur schwer verbergen kann, was die Tiere hinterlassen und sich Katzen nie an demokratisch gewachsene Regeln halten. Kaspar Schnetzlers Kater, der nicht zuletzt Monsieur Monet heisst, weil der Grossvater im Umgang mit dem zugetragenen Tier genau weiss, dass der Kater nie den Stellenwert einnehmen wird, den Katzen sehr oft geniessen, ist nur geduldet. Als seine Enkelin mit ihm das Programm gegen Einsamkeit startet, war das logische Folge eines traditionellen Museumsbesuch von Grossvater und Enkelin, als sich neben einem Bild von Ferdinand Hodler ein liegender Akt von Felix Valloton in den Vordergrund drängte und die Enkelin nach einem zu lange scheinenden Blick des Grossvater diesen fragt: «Grossvater, bist du einsam?» Und weil Enkelinnen tun dürfen, was die eigenen Kinder niemals hätten tun dürfen, steht diese eines Tages mit einem Kater in einem Korb und allem Nötigen zur Erstversorgung des Jungtiers in einer Tasche am Bahnhof.

Seit ein paar Jahren, schon lange pensioniert, seine Frau war gestorben, hatte er sich in seinem klein gewordenen Leben eingerichtet. Die Beziehung zu seiner einzigen Tochter hatte lange schon Risse bekommen, mit denen er sich abgefunden hatte, nicht längst nicht mehr zu kitten waren. Einziger Grund, warum er den mehr oder minder höflichen Kontakt aufrecht hielt, war die Enkelin, mit der Grova ab und an einen Tag verbringen durfte. Und wie alle Kinder spürt das Mädchen, was Erwachsene aus lauter Zurückhaltung nie benennen würden. Es wird ein Kater einquartiert, fremdbestimmt und ohne Zurück, denn Grova würde vor dem einzigen Menschen das Gesicht verlieren, für den sich eine übermenschliche Anstrengung noch zu lohnen scheint.

Ein Kater. Nicht nur der Gang in den «Fressnapf», jenes Geschäft, das alles anzubieten hat, was der Tierliebhaber mit Freude auszugeben bereit ist, wird zum Martyrium, sondern sein ganzes Leben, das mit einem Mal vollkommen vom Eigensinn einer Katze dominiert wird. Wär «Adieu Monsieur Monet» ein Katzenbuch, hätte Kaspar Schnetzler Anekdote an Anekdote gereiht. Aber dem Autor ging es darum, was ein Mädchen mit Entschlossenheit zum Wanken bringt. Grova ist nicht erst seit Grossmutters Tod von grantiger Natur. Es scheint, als wäre die Existenz des Tieres ein letzter Feldzug aus dem Jenseits gegen die Schweigsamkeit und Engstirnigkeit eines Mannes.

Wer das Buch liest und Katzen nicht mag, wird sich auch nach der Lektüre dieser Erzählung nicht in ein Katzenabenteuer wagen. Aber er wird sich fragen, was es braucht, um aus der Bahn geworfen zu werden. Und wer Katzen liebt, den wird freuen, mit wieviel Raffinesse dieses Tier die Krone der Schöpfung gängeln kann. Kasper Schnetzler ist feinsinniger Beobachter und trifft den Ton eines nicht nur von der verstorbenen Frau Verlassenen präzis.

Und vielleicht ist «Adieu Monsieur Monet» eine Tür für die grossen Romane eines Meisters des feinen Humors.

© Ayse Yavas

Kaspar Schnetzler (1942) lebt in Zürich. Er schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Essays, Theaterstücke und Journalistisches. Ausgezeichnet wurde er mit einem Preis der Schweizerischen Schillerstiftung, dem Zürcher Journalistenpreis, einer Ehrengabe des Kantons Zürich.

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Beitragsbild © Sandra Kottonau