Interaktionen zwischen Wort und Klang stehen im Zentrum des ersten Programmes von NŒISE

Sieben Radioapparate stehen in den Bücherregalen und murmeln vor sich hin. Ein Kauderwelsch aus Wortneuschöpfungen in sieben Sprachen; russisch, chinesisch, englisch, albanisch, thurgauisch, ungarisch. Als ob Bücher sprechen würden. Fremd und doch irgendwie vertraut.

Die sieben Sprachmaterialien werden in Musik und Gesang übersetzt. Die sieben Spuren aus Wort und Ton und Lied bilden ein Stück. Die Apparate sind jedoch zu weit entfernt voneinander platziert und zu leise eingestellt, als dass sich ein Gesamteindruck vermittelte. Das Sprachmusikstück ‹Ungefähre› entschlüpft permanent, bleibt Fragment aus Wortfetzen und kleinen Klangskulpturen. Zu bestimmten Uhrzeiten trifft der Trompeter einen sprechenden und singenden Radioapparat, es kommt zum flüchtigen Duett. Ein Übereinander, Miteinander, Nacheinander; geschwätzig, dünnfädig oder schweigend.

Am Abend wird das Konzert für Radioorchester und Trompete aufgeführt. Dazu installiert Blablabor 42 Kofferradios, die leise rauschen. Christoph Luchsinger hört ab Kopfhörer gesprochene und gesungene Wörter. Diese übersetzt er auf sein Instrument. Währenddessen bringt Blablabor nach und nach die sieben in der Bibliothek verstreuten UKW-Sender und Kofferradios zum Konzert. Mit jedem eintreffenden UKW-Sender stimmt eine Gruppe von Kofferradios in das Konzert ein. Die Trompete schwatzt ungerührt weiter.

NŒISE findet nicht im Konzertsaal statt, sondern dort, wo das Publikum bereits ist: Die Kunst kommt zum Publikum. Die Konzerte, Performances oder Installationen finden im öffentlichen Raum, in Fachgeschäften, bei Detailhändlern, in Werkstätten, Cafés oder Bars statt. Alles ist möglich: Fabrik, Buchhandlung, Konditorei, Durchgangszentrum, Friseursalon, Gärtnerei, Metzgerei, Velogeschäft, Weingut oder im Zug. Der Aufführungsort steht idealerweise mit dem Konzept des Programms im Kontext.

Interdisziplinarität bedeutet bei NŒISE die Verbindung von Musik mit weiteren Kunstformen. In der ersten Konzertsaison gastieren Künstler*innen aus den Sparten Bewegung, Wort und Geschmack. Als Initiant des Projektes setzt sich Christoph Luchsinger dafür ein, Neue Musik einem breiten Publikum an besonderen Orten im Kanton Thurgau zugänglich zu machen.

Die interdisziplinäre Konzertreihe NŒISE feiert 2022 in Form von drei Interaktionen ihr Debut. Interaktionen #1 im Januar 2022 findet an fünf Tagen in Bibliotheken statt und vereint die Disziplinen Wort und Klang; mittels einer Installation und eines Konzertes für Radioorchester und Trompete. Eine Performance aus Tanz und Trompete in Schaufenstern bildet Interaktionen #2 an drei Tagen Ende April und Anfang Mai. Interaktionen #3 schafft ein multisensorisches Erlebnis zwischen Geschmack und Klang in einem Weingut, einem Wein- und einem Naturmuseum an fünf Tagen im Juni 2022.

Christoph Luchsinger arbeitet seit etwa 25 Jahren als Musiklehrer im Kanton, gründete und leitete während fast 20 Jahren die Liberty Brass Band Junior, welche zu den besten Jugendformationen der Schweiz gehört, und ist als freischaffender Trompeter in verschiedenen Ensembles und Orchestern sowie als Solist tätig. Während seiner Studienzeit wurde seine Neugierde nach neuen Klängen, seine Experimentierfreudigkeit und die Bereitschaft, sich auf Fremdes und Unbekanntes einzulassen und das Interesse an Aktueller Musik geweckt.
Im Kanton Thurgau ist das Angebot eher klein. Zeitgenössische Musik passiert oft in den Zentren und findet selten den Weg aufs Land. Hängt dies mit der mangelnden Bereitschaft der Bevölkerung zusammen, sich auf ungewohnte Klänge einzulassen? Oder gibt es kein Publikum, weil der Kontakt oder die Konfrontation mit Zeitgenössischer Musik oft fehlt?

Videobeitrag über NŒISE

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