Hansjörg Schertenleib war Gast im Literaturhaus Thurgau. Ein überaus inspirierender Abend im Licht eines Autors, an dem alles pure Leidenschaft ist.
Sein Onkel Leopold riet ihm einst: „Werden sollst du nichts, aber tun musst du etwas! Etwas das dir Freude bereitet und ein Feuer in dir entfacht.“ Das Feuer brennt noch immer, fürs Schreiben und die Literatur lichterloh. Ich mag seine Leidenschaft, in der eine Prise Zorn mitmischt. Seine Ehrlichkeit, die kombiniert mit seiner Leidenschaft Stürme entfachen kann. Das Quantum Eitelkeit, das ihn nicht zum Übermenschen macht. Die noch immer jugendliche Kraft, die seinen Blick beseelt und ihn zu einem stolzen Ritter der Literatur macht.
Sein Buch «Palast der Stille», das im vergangenen Frühling bei Kampa herauskam, ist weder Roman noch Erzählung, auch keine Novelle. Wohl am ehesten ein erzählerisches Essay. Erstaunlich, wo doch Verlage fast alles daran setzen, unter den Titel des Buches das Begleitwort „Roman“ zu setzen, in der Überzeugung, das Buch verkaufe sich dann besser.
Schon im ersten Kapitel nimmt Hansjörg Schertenleib Bezug auf den amerikanischen Dichter Henry David Thoreau (1817 – 1862) und seinen Selbstversuch „Einsamkeit“ und das daraus entstandene Buch „Walden“. Der Besuch am Ort an dem «Walden» geschrieben wurde, war Initialzündung für Sätze wie „Er will nicht länger effizient sein, strebsam, zwanghaft optimistisch und erfolgsorientiert…“
Ein Mann sehnt sich und wählt die Einsamkeit. Die Frau merkt das und sagt: „Ich weiss, dass du wegmusst.“
So wird ein Cottage, ein kleines Haus am Meer auf Spruce Head Island in Maine, das er in der gleichen Sehnsucht kaufte, wie er vor Jahren einst den Ort besuchte, wo Henry David Thoreau seine Blockhütte baute, sein Sehnsuchtsort. Schertenleib ist ein Suchender. Und das kleine Haus in Maine mit Blick aufs Meer sein ganz eigener, real gewordener Sehnsuchtsort.
57 m2. Wohnküche, Schlafzimmer, Bad. Seine Katze, der Mann und ein bisschen Auslauf rundherum. Einzelne Gegenstände werden so wichtig, dass Hansjörg Schertenleib in seinem Buch regelrechte Dingreisen unternimmt, um zB. die Geschichte eines, des Tisches zu erzählen. Oder die Geschichte seiner Kindheit, keiner leichten Kindheit, seiner Familie, seines Vaters, seiner ersten Liebe, seines Suchens und Findens.
Hansjörg Schertenleib bleibt in seinem Schreiben, seinem Erzählen, seinem Erinnern nicht nur bei sich selbst. Er springt förmlich aus sich heraus und wechselt die Perspektive, nicht nur zwischen er und ich, sondern auch in der Zeit, im Ort, in der Person. So wie in der Erinnerung an Aura Kadric, den 4. März 1993, während der brutalen Belagerung von Sarajevo oder zur Fluchtgeschichte eines Afrikaners und später Betrachtungen über seine erste Hermes 2000. Sein Haus des Erzählers hat einen gläsernen Boden!
Dabei hat sein Buch nichts Exhibitionistisches, strömt Stille aus, fast Beschaulichkeit. Und wenn sich die Dramaturgie des Buches am Schluss dann doch noch aufbäumt und der 4. September 1980 im Leben des Schriftstellers mehr als einen Bruch zugefügt wird, schliesst sich der Kreis und die müssige Frage, warum es Maine sein musste.