Sprachkunst im Eisenwerk!

7 Autorinnen und Autoren, 7 Dichterinnen und Dichter, 7 Sprachakrobaten! Svenja Herrmann, Thilo Krause, Levin Westermann, Dragica Rajčić und Elisabeth Wandeler-Deck alle auf ihre Art mit der Schweiz verzahnt, Esther Kinsky aus Deutschland und Serhji Zhadan aus der Ukraine, einer der Unerschrockenen seines Landes. Schon ausserordentlich, wenn ein Lyrikfestival am Rande der Schweiz den Ohren schmeichelt und sticht, flüstert und rockt!

Zum Beispiel Esther Kinsky:

Man möchte Samthandschuhe anziehen. Nicht weil die Autorin ohne solche nicht fassen zu wäre. Aber der Lyrikband „Am kalten Hang“ der in Berlin und Battonya (Ungarn) lebenden Dichterin Esther Kinsky ist ein geheimnisvoll schimmerndes Juwel. Gedichte, die ich laut und mit viel Hall ins Tal rufen möchte, andere leise unter der Bettdecke flüstern.

Ich mag Gedichtinterpretationen nicht, bin mit Sicherheit verbrüht. Aber wenn ich Gedichte lese, ist es wie mit Annäherung an anspruchsvolle Musik, die mir dann doch auf Anhieb gefallen muss, erst einmal ohne Deutung und Hinterfragen.

Esther Kinsky bringt auf Anhieb etwas zum Schwingen, zwingt mich, ihre Gedichte immer wieder zu lesen, einzelne Gedichte laut, so laut, dass andere Fahrgäste im Zug den Kopf zu mir drehen. Esther Kinsky ist Dichterin, führt Selbstgespräche über Leid, Fremdsein und Tod.
Aber warum denn mit Samthandschuhen? Zugegeben, ich besitze eine tief sitzende Affinität für Bücher, die zumindest für mich in ihrer Ganzheit bestechen. Was der Berliner Verlag Matthes & Seitz mit den 24 kurzen Gedichten und dem einen langen Poem vollbrachte, ist Kunstwerk in vielerlei Hinsicht. Auf dickes Papier gedruckt präsentieren sich die Gedichte wie auf geprägte, weisse Tafeln. Und die gegenüber gestellten Illustrationen des Künstlers Christian Thanhäuser wirken wie Kippbilder, unterstreichen, was die Dichterin mit ihrer Sprache zu erzeugen vermag; genaues Hinhören und Hinschauen!

Auch wenn Lyrik keine Massen mobilisieren kann, lohnt sich eine Sprachreise darum erst recht. Nicht zuletzt wegen der Nähe zu den Akteuren. Gedichte lesen ist das eine. Sie aber von den Autorinnen und Autoren selbst präsentiert zu bekommen, eröffnet Einsichten, die einem sonst leicht verwehrt bleiben.